Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oderamts-Bezirk Nagold.

»/

/H>

4 -

^ Erscheint wöchentlich 3inal: Dienstag, Donnerstag ! und Samstag, and kostet vierteljährlich hier (ohne I Trägerlokm) 30 4, in dem Bezirk 1 »L 4, ! außerhalb des Bezirks 1 2» 4. Monats-

! abonnement nach Verhältnis.

Donnerstag den 11. Dezember.

Jniernonsgedühr für die Ispaltige Zeile aus ge­wöhnlicher Schrift bei einmaliger Einrückung S 4, bei mehrmaliger je 6 4. Die Inserate müssen spätestens morgens 8 Uhr am Tage vor der Herausgabe des Blattes der Druckerei aufgegeben sein.

1884.

Amtliches.

Bekanntmachung dev K. Csntvalstelle für Gewerke nnd Handel, ketrsffend den Ke­gln« non Nnterrlchtsknrfe» in den Mek- fchulen zn Renttlngcn nnd Deidenhelm.

Am 8. Januar 1885 beginnen in den unter Oberaufsicht der K. Centralstelle stehenden Wcbschulen zu Reutlingen und Heidenheim wieder neue Lehrkurse.

Dieselben haben den Zweck, tüchtige Fabrikanten, Wcbmeister, Dessinateure rc. heranzubilden, sowie jungen Kanflenten, welche sich mit dem Ein- und Verkauf von Erzeugnissen der Textilindustrie zu be­fassen haben, Gelegenheit zur Erwerbung der hiefür erforderlichen technischen Kenntnisse zu geben.

Der Unterricht erstreckt sich auf Theorie und Praxis aller Zweige der Schaft- und Jaquard-We- berei mit Hand- und Dampfbetrieb, sowie ans Frei­hand-, Muster- und Maschinen-Zeichnen.

An der Webschule in Reutlingen besteht ferner eine eigene Abteilung für den Unterricht in der Wir­kerei auf Ketteusiühleu, Culicrstühleu, Rundstühlen re.

Aus der Webschillstiftung daselbst können unbe­mittelten, besonders befähigten Zöglingen der Web­schule Unterstützungen zu ihrer weiteren Ausbildung verwilligt werden.

Beide Anstalten sind mit Webstühlen und Hilfs­maschinen aller Systeme, sowie mit Zeichenwerken, Fachzeitschriften n. dgl. aufs beste ausgestattet.

Anmeldungen sind zu richten: für Reutlingen an Weberei-Inspektor Winkler daselbst, für Heiden- heim an den technischen Vorstand der Anstalt : Zei­chenlehrer Leopold oder an den Vorsitzenden des Web­schulvereins: Herrn R'ch. Joos in Heideuheim.

Ebendieselben sind zur Erteilung weiterer Aus­kunft bereit.

Stuttgart, den 4. Dezember 1884.

K. Centralstelle für Gewerbe und Handel.

G a u p p.

Die erledigte Gerichtsnotarsstelle in Horb wurde dem Amtsnotar Kirn von Eutingen gnädigst übertragen.

Gestorben: Den 8. Dez. in Stuttgart Professor Dr. Sigmund Lebert, musikalischer Lehrer und Schriftsteller.

Tages-Neuigkeiten.

Deutsches Reich.

Stuttgart, 5. Dez. Die Kammerkommission für die Postsparkasseuirage beschloß mit 13 gegen 3 Stimmen, die Kammer wolle unter Wahrung des Postreservatrechts ihr Ein­verständnis mit der Stellung erklären, welche die Staatsregic- rung gegenüber dem Rcichsentwurf eingenommen und gegen die Zustimmung der Staatsregicrung zu dem amendicrten Reichsgesetzeulwurf keine Einwendung erheben. Die Motive des vom Kanzler Nümeliu erstatteten Berichts sagen, der Ge­setzentwurf lasse sich aus Artikel 52 der Reichsversassung nicht begründen. Württemberg sei somit berechtigt, den Beitritt ab­zulehnen , sei jedoch auch ungehindert in seiner Zustimmung ohne Präjudiz für das Sonderrecht, dem Reichsinstitutc sich anzuschließeu. Die Zustimmung Württembergs sei indeß nur bindend für die vorliegende Berfassnng des Bundesrals. Sollte der Reichstag wesentliche Aenderungen beschließen, so könnte Württemberg sein Rcscrvatrechr neuerdings geltend machen.

Stuttgart, 6. Dez. Das Resultat der heutigen Ver­handlung in der württembergischen zweiten Kammer über die Reichspostsparkassenfrage habe ich Ihnen bereits telegraphisch initgetcili. Die Kammer hat sich mit 82 gegen 5 Stimmen für den bereits mitgetciltcn Kommissions-Antrag zu Gunsten der Rcichspostsparkassen ausgesprochen. Die heutige Debatte wurde mit einer längeren Rede des Ministerpräsidenten v. Mittnacht eröffnet, in welcher er Mitteilungen über die Aus­gangspunkte und Motivierung des Reichsgesetzentwurss, welcher beanspruche, ein Glied in der Kette der wirtschaftlichen und sozialpolitischen Maßnahmen zu sein, die von der kaiserlichen Botschaft vom 17. Novbr. 1881 angckündigt worden sind. Der Entwurf teile keineswegs die Besorgnis, daß die Post­sparkassen, welche für solche Kreise berechnet seien, welche das Sparen bisher wenig oder gar nicht übten. Der Minister

t machte sodann verschiedene Mitteilungen über die Verwol- I tnngsglicdernng der Rcichspostsparkassen, hcrvorhebend, daß die Berwaltung der Gelder dem Reichslnvalidenfonds überlassen werden solle, der sich wegen seines föderalen Charakters ganz besonders gut dazu eigne. Unter den weiteren Rednern de­klarierte sich nur Muhl als ein bedingungsloser Gegner der Rcichspostsparkassen, indem er namentlich zu Gunsten der Ober- auussparkasscu cintrat. Der Abgeordnete Frbr. v. Hermann trat aus wirtschaftlichen Gründen in erster Linie für eine Landespostsparkasse ein, meinte aber als Anhänger der Sozial­politik des Reichskanzlers könne er sich auch mit den Reichs- Postsparkassen einverstanden erklären, v. Weber in gleichem Sinne, weil er nicht wünsche, daß Württemberg bei dem Pro­jekt einer Reichspostsparkasse isoliert dastehe. Als Anhänger der Rcichspostsparkassen erklärten sich o. Lnz und Egger, wäh­rend Becker, welcher sich erst gegen den Kommissions-Antrag halte einschrcibcn lassen, sich dahin aussprach, daß er, nachdem er die Stimmung seiner politischen Freunde von der Linken kennen gelernt, für den Kommissions-Antrag stimmen werde. Bor der Abstimmung hatte Minister v. Mittnacht nochmals daS Wort, um die vcrfassungs- und vertragsmäßige Stellung der württembergischen Postverwaltung gegenüber dem Reich zu pracinereu. Was den materiellen Inhalt des Entwurfs anbelangt, so habe die württcmbergische Regierung geglaubt, dem Gesetzentwurf unter der Bedingung zustimmen zu sollen, (und zwar vorbehaltlich ikrer freien Entschließung für den Fall anderer Beschlußfassung) daß 1) der Charakter des Gesetzent­wurfs, als der Fürsorge der ärmeren Klassen gewidmet, be­stimmt hervortretc, 2) in der Berwaltung der Spargelder dem Bnndesrat eine Mitwirkung gesichert werde und 3) daß den Einzclstaaten nach ihrem Kreditbedürfnis die Spargelder zuge­sichert werden. Gegen den Kommissions-Antrag stimmen die Abgeordneten Mohl. Haigold, Schmid, Combe, Eüinger. Becher, Ebner nnd Genossen motivierten ihre Abstimmung mitja" damit, daß sich nach Errichtung einer Reichspostsparkasse für Württemberg die Notwendigkeit eines nachlräglichcn Anschlusses an dieselbe doch ergeben werde. Am Dienstag wird sich die Kammer der Standcsherren mit der Rcichspostsparkassensrage beschästigen.

DieHeilb. Nckztg." will wissen, daß Direktor o. Keßler in Eßlingen seine Stelle als Direktor der dortigen Maschinenfabrik und die Vorstandschaft der Zahnradbahn StuttgartDegerloch niederlegen wolle.

Auf der Eisenbahn bei Gmünd wurde kürz­lich ein zerfetzter Leichnam gefunden ohne Kopf und Beine. Niemand erkannte ihn, nur eine Pfarrköchin aus der Nähe erklärte, es ist mein Herr, der Pfarrer Keßler. Er war es. Der alte, sehr kurzsichte Herr war nach Gmünd gegangen, auf dem Heimwege vom Wege ab- und auf das Geleise gekommen, ohne bei dem heftigen Sturm und Nebel den Bahnzug zu hören und zu sehen. So geschah das Unglück.

Brandfälle: JnDischingen (Neresheim) am 7. Dez. ein Wohnhaus.

München, 6. Dez. Das Schwurgericht in Straubing hat schon wieder ein Todesurteil, und zwar über eine Bestie in Menschengestalt, gefällt. Der 21jährige Knecht Ulrich Plöckinger von Nieder- sattling wurde am 4. Juni d. I. zu Landshut wegen groben Unfugs zu einer unbedeutenden Geldstrafe verurteilt. Hierüber ergrimmte der Bursche derart, daß er erklärte, er müsse irgend jemanden ermorden. Und wirklich ließ er dem Worte die That folgen, indem er ein ihm begegnendes 4jähriges Bauern­mädchen ergriff und dasselbe so lange gegen eine Mauer anschlug, bis der Tod eingetreten war. Das Schwurgericht fällte deshalb über dieses Scheusal das oben gemeldete Urteil.

Das größte Ereignis in München ist, daß Sedlmayr vom Spatenbräu den Bierpreis um 2 Mark den Hektoliter ermäßigt hat, das heißt um 2 Pfg. für die Maß" oder Liter. Die andern Brauer haben das Vorgehen Sedlmayrs mißbilligt, sind aber nachgefolgt.

Einen dreifachen Selbstmord beging ein Eng­länder in Dresden. Er stieß sich ein Messer in die Brust, nahm Gift und erhängte sich. Das nennt man sichergehen l

Berlin, 5. Dezbr. LautFrkf. Ztg." ist auch die Wahl des Abg. Karl Mayer angefochten worden.

Berlin, 5. Dez. DieFr. Ztg." schreibt: Unparteiischer als die württembergischen Abgeordneten sich verteilt haben, kann man nicht Vorgehen: vier sitzen bei der Reichspartei (v. Neurath, v. Ow, Stälin, v. Wöllwarth), vier beim Zentrum (Utz, v. Adel­mann, v. Neipperg, v. Waldbnrg-Zeil), vier bei den Nationalliberalen (v. Fischer, Lenz, Leemann, Veiel), vier bei der Volkspartei (Mayer, Payer, Härle, Schott), und der ungerade, der im Interesse der Gleichheit übrig bleiben mußte, (Schwarz) hat bei den Deutschfreisinnigen die gewohnte Heimstätte ge­sucht.

Berlin, 5. Dez. Die Publikation des Blaubuches hat allgemein einen sehr guten Eindruck gemacht, und selbst das deutsch-freisinnigeTageblatt" sagt: Die Aktenstücke, insbesondere der Inhalt der Instruktion an Dr. Nachtigal, welche auf das deut­lichste die zurückhaltende Grenze deutscher Kolonial­politik markiert, werden von neuem dazu beitragen, der vorsichtigen und jeglichem staatlichen Abenteuer abgeneigten Bismarck'schenKolonialpolitik neueFreunde zu erwerben.

B e rlin , 6. Dez. DerKöln. Ztg." wird von hier gemeldet: Unter den Reichstagsabgeordneten erregte die Nachricht, daß es notwendig geworden, von dem Jnternirungs- und Expatrnrungsgesetze nach längerer Zeit eine neue Anwendung zu machen, großes Interesse. Man muß sehr gespannt darauf fein, welche parlamentarische Rückwirkung dieser Zwischenfall hat. Die dritte Beratung des Windt- horst'schen Antrages, auf die Aufhebung eben dieses Gesetzes gibt den nächsten Anlaß und wird gewiß dazu benutzt werden, Aufklärung über das Ereignis zu verlangen. Möglicherweise steht die plötzliche Er­nennung der preußischen Minister des Innern und des Cultus zu Mitgliedern des Bundesrates mit dieser Angelegenheit in Zusammenhang. Für den Rest der Deutsch-Conservativen, deren alte Liebe zu den Ultramontanen noch immer nicht rosten will, kann dieser Zwischenfall eine neue Feuerprobe werden.

Berlin, 6. Dez. In wenigen Monaten fin­det zugleich mit dem 70. Geburtstag des Reichskanzlers dessen öOjähriges Amtsjubiläum statt, das, wie der Bär" zu melden weiß, in hervorragender Weise gefeiert werden soll. Zu Ostern 1835 wurde der junge Herr v. Bismarck nach abgelegtem Examen als Auseultator vereidigt und trat beim Berliner Stadtgericht vor nun 50 Jahren seine amtliche Lauf­bahn an. DieNordd. Allg. Ztg." reproduziert eine von derKöln. Ztg." über die Reichstagsver­handlungen vom vorigen Mittwoch gebrachte Aus­lassung, welche mit dem Satze schließt, daß die da­bei von Windthorst dargelegten Anschauungen nur noch mehr dazu beitrügen, die Unmöglichkeit einer welfischen Thronfolge in Braunschweig nachzuweisen. DieNordd. Allg. Ztg." schließt sich durchweg den Ausführungen derKöln. Ztg." an und fügt hinzu: Durch seine auf die Zerstörung des Reiches anspielen­den Reden hat der Mandatar des Herzogs von Cumberland, Hr. Windthorst. die Erbfolge desselben in Braunschweig vollständig unmöglich gemacht. Wenn der Herzog vor Cumberland nunmehr jede Aussicht verloren hat, mag er sich dafür bei seinem Bevollmächtigten bedanken. Die Bundesregierungen werden niemand in ihrer Mitte dulden, der sich zur Aufgabe macht, von der Reichstagstribüne den Auf­ruhr gegen Kaiser nnd Reich zu vertheidigen.