dindung mit der Frage nach der Erhöhung der Ge- treidezöllc", sprach Herr Frhr. v. Schorlemer-Alst. Durch die Schutzzoll-Gesetzgebung von 1879 sei der Industrie bedeutend geholfen, nicht aber der Land­wirtschaft; diese liege schlimmer darnieder als je. Der Zoll von 1 v/6 pro 100 Kilo biete keinen aus­reichenden Schutz, denn trotz dieses Zolles seien die Getreidepreise so niedrig, wie kaum zuvor. Die Frage nach Besserung der Verhältnisse sei allerdings schwer zu lösen, denn wolle mau die Zölle so hoch setzen, daß der Einfuhr aus anderen Ländern Ein­halt gethan werde, so würde man die notwendigen Nahrungsmittel unverantwortlich verteuern. Nun stehe aber zweierlei sest: 1) daß trotz der so niedri­gen Getreidepreise das Mehl und Brot nicht im Preise gesunken seien; 2) daß das ausländische Ge­treide trotz des Schutzzolles noch billiger geliefert werde, als das inländische. Daraus gehe hervor, daß der jetzige Zoll noch verdoppelt und verdreifacht werden könne, ohne daß dadurch Mehl und Brot verteuert würden. Geschehe elfteres, so erwüchse dem Reiche eine Mehreinnahme von 4060 Millio­nen, damit wäre dem Landwirt natürlich nicht ge­dient, und so stelle sich einzig folgender Ausweg dar: Jene Mehreinnahme muß in Verbindung mit der "Reichs- und Landesgesetzgebung unverkürzt dazu be­nutzt werden, die Grund- und Gebäudesteuer und die Kommunallasten zu vermindern. Das sei die einzige reale Hilfe. (Großer Beifall.) Außerdem müsse eine Börsensteuer eingefühct werden, damit dem Börsenschwindel, der durch Spekulations- und Differenzgeschäfte häufig genug auf die Getreidepreise einwirke, eine Ende gemacht werde. (Beifall.) Am Schluß bat Redner, den Vorstand zu beauftragen, zum Schutze der Landwirthschaft durch eine Petition an den Reichstag zu bewirken, daß der Zoll auf Ge­treide in angemessener Weise erhöht werde, daß die dadurch erzielen Mehreinnahmen zur Erleichterung der Grund-, Gebäude- und Gemeindesteuern verwen­det würden, und daß bei Mißernten die Regierung das Recht habe, den Zoll zu sistieren. Der Antrag wurde angenommmen.

Berlin. Von den 99 Stichwahlen sind 60 bekannt. Fast ein Drittel derselben, 19, ist für die Freisinnigen günstig ausgefallen, dann kommen die Konservativen und die Sozialisten je mit 11, die Nationalliberalen mit 9, das Zentrum mit 5, die Volkspartei mit 4; dazu ein Däne, macht sechzig. Geschlagen wurden die Nationalliberalen 16mal, die Konservativen 12mal, die Freisinnigen lOmal, das Zentrum und die Sozialdemokraten je 8mal, die Polen 3mal, die Dänen, die Welfen und die Volkspartei je Imal.

Berlin. Betreffs der Alters- und Jnvalidi- tätsversicherung der Arbeiter wird berichtet, daß ein bezügliches Gesetz in der bevorstehenden Reichstags­session schwerlich werde vorgelegt werden; es solle zwischen den Bundesregierungen zunächst eine Ver­ständigung über allgemeine Grundzüge des Gesetzes erstrebt werden; die letzteren würden jetzt hier auf­gestellt und sollen in kurzem den Regierungen zur Begutachtung zugesandt werden.

Aus der westafrikanischen Konferenz werden 14 Mächte vertreten sein, nämlich: Deutsch­land, Oesterreich-Ungarn, Rußland, Türkei, Italien, Spanien, Portugal, Frankreich, England, Schweden, Dänemark, Vereinigte Staaten Nordamerikas, Hol­land und Belgien. Portugal soll die Absicht haben, die Kongomündungen zu reklamieren, was kaum Aussicht auf Annahme haben dürfte.

Berlin, 14. Noo. Fürst Bismarck lud die Mitglieder der Kongo-Konferenz zur Eröffnung auf Samstag Mittag 2 Uhr ein, unter dem Ersuchen, im einfachen Gchrock zu erscheinen. Der Kaiser wird die Mitglieder empfangen. Der englische General­konsul v. Bleichröder bereitete ein Festmahl für die- felben vor.

Gerüchtweise verlautet nach derFrkf. Ztg." cs solle im Bundesrat ein Antrag auf Einfchräukuug der freien Fahrt, die die Reichstagsabgeordneteu auf allen deutschen Bahnen genießen, eingebracht wer­den. Vermutlich handelt es sich darum, die freie Fahrt zu beschränken auf die Strecke vom Wohnort der Abgeordneten bis nach Berlin.

Berlin, 14. Nov. Die Freifahrtkarten für die Reichstagsabgeordneten werden für die neue Legis­laturperiode in der Weise ausgestellt, daß sie den Inhabern die freie Fahrt auf den in den Karten be- zeichneten, den Verkehr zwischen Berlin und dem

Wohnort der Inhaber vermittelnden Eisenbahnstrecken gewähren. Demzufolge werden diejenigen Abgeordne­ten keine Karte enthalten, welche in oder in solcher Nähe der Stadt Berlin wohnen, daß die Benutzung der Eisenbahn für den Verkehr zwischen beiden Orten ausgeschlossen ist. Die Karten werden den Abgeord­neten an deren, von den Wahlkommissarien amtliche bezeichnten Wohnort durch die Post zugesendet.

Nach einem Erkenntnis des Obersten Berliner Gerichtshofes ist der Hauswirt ersatzpflichtig, wenn jemand in dem nicht erleuchteten Hausflur oder auf der nicht erleuchteten Treppe zu Schaden kommt.

Es stellt sich immer mehr heraus, daß der künftige Reichstag in seiner Zusammensetzung nicht die Stimmung des deutschen Volkes zum Ausdruck bringen wird. Im Gegenteil. Der neue Reichstag wird nicht das Produkt des Volkswillens, sondern das der Par­teien sein.

Die Uebersicht der Etats stärke des deut­schen Heeres für das Etatsjahr 1885/86 stellt sich folgendermaßen: Offiziere 18,140, Unteroffiziere 51,496, Zahlmeister-Aspiranten 789, Spielleute 13,443, Gefreite und Gemeine 347,887, Lazarethge- hilfen 3,531, Oekonomie-Handwerker 10,127, über­haupt 427,247. Militärärzte 1,698, Zahlmeister 783, Roßärzte 619, Büchsenmacher und Waffenmei­ster 736, Sattler 93, Dienstpferde 81,598.

Der Schweizer Statister Kummer hat ausge­rechnet, daß Deutschland im Jahre 2000 164,678000 Einwohner haben werde, wenn die Bevölkerung in demselben Maße wächst, wie jetzt, und die andern Länder Europas entsprechend. Man könnte darüber erschrecken, wenn wir in der Gegenwart nicht schon genug Sorgen hätten und froh wären, von der Hand in den Mund zu leben.

Eine zarte Mahnung hatte ein Schuhmacher in Hamburg seinem Kunden per Postkarte zngesandt, auf der nur der Betrag stand und darunter das BlümchenVergißmeinicht" geklebt war. Trotz dieser Mahnungdurch die Blume" hat der Schuldner sei­nen Lieferanten wegen Beleidigung verklagt.

DieNordd. Mg. Ztg." enthält eine längere Korrespondenz aus Braunschweig, in der es u. a. heißt:Es waren bekanntlich zwei Mitglieder des braunschweigischen Regentschaftsrates in Berlin und hatten die Ehre, sowohl von dem Herrn Reichskanzler, wie von dem Kaiser empfangen zu werden. An bei­den Stellen wurde natürlich die hiesige Thronfolge besprochen. Sowohl der Kaiser wie der Kanzler ga­ben die Versicherung, daß Braunfchweig als Herzog­tum und als selbständiges Glied des deutschen Reiches erhalten bkeiben solle; aber gefragt nach dem Namen des künftigen Herzogs, gab Se. Majestät wie Fürst Bismarck übereinstimmend die Erklärung ab, daß sie denselben selbst nicht müßten. Es scheint also, daß man der Prüfung und Entscheidung des Bnndesrates die Regelung der hiesigen Thronfolge überlassen will, und daß jedenfalls bis jetzt noch kein Mensch auf Erden den künftigen Herzog von Braunfchweig kennt. Als die Herren beim Kaiser waren, kam das Gespräch auch auf die Stellung des verstorbenen Herzogs zu Preußen. Der Kaiser erzählte, er habe im Jahre 1874 in einem eigenhändigen Schreiben den Herzog ersucht, er möge doch im Interesse des Ganzen und um der braunschweigischen Offiziere willen in den Abschluß einer Militärkonvention mit Preußen willigen, babe aber gar keine Antwort auf seinen Brief erhal­ten. Das würde unglaublich erscheinen, wenn man nicht anderweitig wüßte, wie wenig Hehl der Herzog aus seiner tiefen Abneigung gegen Preußen zu machen gewohnt war."

Frankreich.

Paris, 13. Nov. Im heutigen Kabinets- rate teilte Ferry Depeschen mit, welche melden, Ge­neral Gvrdon sei aus der Fahrt von Khartum nach Berber erschossen worden.

Paris, 13. Nov. Das Seinetribunal hat die Ehe der Sängerin Adeline Patti mit Marquis Caux geschieden und Patti für den schuldigen Teil erklärt.

Paris, 13. Nvv. Der Bericht des Abg. Roche über das Budget von 1885 setzt den Voran­schlag der ordentlichen Ausgaben auf 3018 Millionen fest, also um 61 Millionen niedriger, als die Aus­gaben von der Regierung vorgeschlagen sind, und den Voranschlag der außerordentlichen Ausgaben auf 194 Millionen, um 17 Millionen niedriger, als die Negierung. Roche untersucht die Ursachen des ra­schen Wachsens der Ausgaben und hebt hervor, daß

der Krieg von 1870 Frankreich II Milliarden ge­kostet hat. Die Tilgung dieser Schuld im Betrage von über 2 Milliarden ist aus dem ordentlichen Bud­get bestritten worden; die Summe der gezahlten Zinsen beläuft sich auf 6 Milliarden, die Ausgaben des Liquidationskontos für Kriegskosten und Wieder­herstellung der Armee auf l Milliarde. Im Bud­get von 1885 kommen 584 Millionen Francs aus Ausgaben, die durch den Krieg von 1870 notwendig geworden sind: ohne diese Ausgaben würde sich das Budget nur auf 2470 Millionen belaufen.

Paris, 13. Nov. Ein Doktor in dem che­mischen Laboratorium von Vulpian in Paris ver­schluckte 4 oin^ von der Entleerung einer an Cholera erkrankten (und sofort verstorbenen) Person in der Form von Pillen, um seinen Kollegen den Beweis zu liefern, daß die Koch'schen Kommabacillen aus den Organismus nicht wirken und daß die Auswurfstoffe der Cholerakranken nicht ansteckend seien. Zu glei­cher Zeit wurden an zwei Schweinen subcutane In­jektionen von derselben Entlcerungsmasse gemacht. Die Schweine sind gestorben, der Doktor lebt; er scheint in Betreff des Magens seinen beiden unfrei­willigen Mitpatienten über zu sein.

Italien.

Nach dem statistischen Jahrbuche besaß Italien 1860 2 Milliarden und 439 Millionen Lire Staats­schulden. Heute nach 24 Jahren hat das Land es bereits ans 12 Milliarden gebracht. Damals bezahlte man 116 Millionen Zinsen, heute dagegen die Klei­nigkeit von 525 Millionen. DerFortschritt" ist auch hier unverkennbar.

Rom, 14. Nov. Der König soll den Prinzen Thomas nach dem Schloß Aglie verbannt haben, weil er die Cholerakranken in Spezzia nicht besuchte. England.

London, 12. Nov. Uebermorgen wird die Lage der Bauern aus der schottischen Insel Skye im Unterhause zur Sprache gebracht werden. Die Aufregung unter den Crofters ist sehr groß. In Lewis und Uist ist die nachstehende Proklamation im Umlauf:Hochländer, Crofters, Käthnlr, Einwohner und Alle andere! Erhebt Euch wie Männer gegen Eure Unterdrücker. Verlangt die Herstellung der Rechte, deren Ihr beraubt seid. Gebt Euch nicht eher zufrieden, bis Ihr sie erhalten habt. Wenn sie verweigert werden, handelt für Euch selber. Schont menschliches Leben; tötet niemanden, ausgenommen zur Selbstverteidigung; zerstört das Eigentum des Feindes. Der Feind ist der Gutsherr, der Agent, der Kapitalist und das Parlament, welches unmensch­liche und unbillige Gesetze macht. Zerstört die Tele- graphenleitnngen und Eisenbahnen; brennt das Eigen­tum aller gehässigen Gutsherren und Agenten nieder." Mr. Macdonald, der Pastor der Insel, ermahnt die Bauern zu reuiger Unterwerfung, jedoch bistzer ohne Erfolg. Die Regierung vermutet, daß von England ans eine große Geldsendung des irischen Kvmites nach Skye behufs Nährung der Unzufriedenheit ab­gegangen sei.

London, 14. Nov. (Unterhaus.) Im Ver­laufe der Debatte verliest Hartington die bereits ge­meldeten Telegramme aus Kairo und Dongola über das Ende Gordons und fügt hinzu: Briefe Gordons datiert aus Khartum vom 24. und 26. August be­sagen, er sei auf fünf Monate mit Proviant versehen und beabsichtige, den Oberst Stewart und den fran­zösischen und englischen Konsul zum Entsätze von Dongola nach der Zerstörung Berbers zu entsenden. Somit seien Stewart und Genossen wahrscheinlich ermordet. Der Kredit wird mit 73 gegen 17 Stim­men angenommen.

London, 15. Nov.Morning Poit" meldet ans Dongola 14. ds.I Lord Wotjeley erhielt ein Brief Gordons vom 4. Nov., worin dieser mitteilt, daß Oberst Stewart, Power und der französische Konsul, welche mit dem Dampfer nach Berber gesandt wurden, ermordet wurden. Gordon fügt hinzu, er könne sich noch gut halten.

(Die Not in England.) Zur Kennzeich­nung der Not unter den Schiffsbauarbeitern sei be­merkt, daß einer der größten Gewerkvercine, der Dampfkesselmacher und Eifcnschiffbauerverein. zwei Mitglieder nach Frankreich entsandt hat, um auf französischen Werften Beschäftigung für die brotlosen englischen Arbeiter ausfindig zu machen. Von den 36 000 Mitgliedern, welche der oben genannte Ge­werkverein zählt, sind 11 000 ohne Arbeit und^lie- gen der Vereinskaffe zur Last. Die Zahl dec Ltel-