Zustände eintraten. Das eingeborene Polizeikorps existiert heute noch und neben ihm giebt es es noch ein starkes Corps reitender Polizisten, welches sich nur aus Europäern rekrutirt und die Grenzdistricte reinzuhalten hat.

Darüber, welches die politische Zukunft des CaplandeS sein wird, läßt sich heute noch kein be­stimmtes Urteil abgeben. Jedenfalls ist es noch keine so bestimmt ausgemachte Sache., daß England für Jahrhunderte im Besitz seiner südafrikanischen Colonieen bleiben wird; zwar, den Angriff einer fremden Macht dürfte es nicht so leicht zu besorgen haben, aber um so mehr hat es von dem selbstän­digen Streben der Colonisten zu befürchten und diese Bestrebungen sind schon in manchen Anzeichen her­vorgetreten. Außerdem drängen aber die Boern, vor allem jdie Transvaal-Republik, mit Macht ge­gen das Gebiet der Cap-Colonie vor und die Recke- Annexion des Belschuancnlandes beweist, wessen sich die englische Regierung von dem trotzigkühnen.Volke der Boern zu versehen hat.

Tages-Vkerrigkciten.

Deutsches Reich.

Nagold, den II. Nov. (Corrcsp.) Am letzten Sonntag nachmittag hielt der Ausschuß des landw. Bezirksvereins unter dem Vorsitze des Ver- einsvorstandS Herrn Overamtmann Güntner im Ochsen in Rohrdorf eine Sitzung ab, bei welcher sich noch ziemlich weitere Vereinsmitglieder beteilig­ten. Zunächst veröffentlichte der Sekretär des Ver­eins das Rechnungs. Ergebnis von dem am 20. Scpt. 1884 abgehaltenen landw. Gaufest. Es be­tragen hienach die Ausgaben für Preise und sonstige Festkosten bis jetzt 790 Mehrere der cingelaufe- nen Rechnungen wurden teils als nicht genügend, teils als gar nicht begründet, nur teilweise oder gar nicht zur Ausbezahlung nachgewiesen. Dem Verleger des LokalblattesAus den Tannen" in Altenstaig wurde in stets widerruflicher Weise, als Entschädigung für Veröffentlichungen von Vereinsangelegenheiten der Be­trag von 15 v/L pro Jahr ausgesetzt. Durch vieles Debattieren kam der in Aussicht genommene Bor­trag des Herrn Schullehrers Alber aus Liebelsberg erst in vorgerückter Stunde zur Geltung. Redner betonte hauptsächlich, daß der Landwirt seinen Kunstdünger nur in größeren Bezügen jgut und bil­lig bekommt, was durch niedere Frachtsätze und bes­sere Controlle bedingt sei. Der Nagolder Verein schloß sich zum Bezug von Kunstdünger dem Con- sum-Verein Teinach an, und sollen zur Lieferung desselben die Kunstdüngerfabriken zur Mitteilung der Preislisten und des garantirten Gehalts ausgesordert werden. Das wäre nun gut; es wer­den jedoch viele unserer Landwirte bei der Frage stehen, welche Sorte Kunstdünger verwenden wir auf diesen oder jenen Boden, zu welchen Gewächsen bedürfen wir Knochenmehl und zu welchen Chilisal­peter oder Superphvsphat? Hwr wäre nun eine Ausklärung in Form eines Vortrags von Seiten eines Landwirthschaftslehrcrs wohl angelegt, und hat auch die König!. Centralstelle für Landwirtschaft auf Verlangen die Sendung eines solchen in Aus­sicht gestellt.

/X Alten steig, 10. Die Maßnahmen für die Ermöglichung des Baues einer Sekundär-Eisendahn von hier nach Nagold haben in der letzten Zeit be­deutende Fortschritte gemacht und Saumseligkeit ist der hiefür bestellten Kommission sicher nicht vorzu­werfen. Die Herren Ltadtschultheiß Welker, Stadt­pfleger Henßler, Gcmeindcrat Faist, Philipp Maier, Lorenz Kuz, Müller Schill, Löwenwirt Schex, Pri­vatier Roller und Sägmühlebesitzer Theurer haben sich am letzten Donnerstag in das- Elsaß begeben, um die von der Hauptbahn zwischen Schlettstadt und Colmar auf die Länge von 4 Xm nach Rap- poldsweiler, am Fuße der Vogesen, abzweigende, in die gewöhnliche Landstraße eingefügic Privat-Sekun- därbahn aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Diese seit 1878 im Betrieb befindliche Bahn genügt dem Personen- und Güterverkehr des dortigen Be­zirks vollständig, ist einfach und weniger kostspielig in der Erstellung und Unterhaltung und dürfte für unsere Verhältnisse maßgebend sein. Die an Ort und Stelle von der Deputation aufgenommenen Pläne und Notizen werden sosort auSgearbeitet und dem Vertreter des Bezirks im Landtage, Hrn. Regie - rnngsdirektor v. Luz, zur Vorlage, Erwägung und Beschlußfassung im Stündesaal behändigt werden.

X. 0.8. Stuttgart, 10. Nov. (Stichwahl.) Schott 11012, Tritschler 7786 Stimmen. Einige Ortschaften stehen noch aus.

Mit der Stuttgarter Stichwahl sind die Reichs­tagswahlen in Württemberg nunmehr sämtlich zum Abschluß gelangt. Es stellt sich das Verhältnis jetzt wie folgt: Gewählt sind liberale oder konservative Abgeordnete: Veiel, v. Neurath, Dr. v. Lenz, Stä- lin, v. Ow, v. Wöllwarth, Leemann, v. Fischer (zu­sammen 8); volksparteilichc Abgeordnete: Schott, Härle, Payer, Mayer (zusammen 4); Zentrum: Graf Adelmann, Utz, Graf Neipperg, Graf Waldburg- Zeil (zusammen 4); Fortschrittspartei: Schwarz.

Die Frequenz der Universität Tübingen ist we­gen Ausbleibens vieler Norddeutschen namhaft zurück­gegangen. Es sollen 300 Zimmer unbesetzt bleiben.

Zwei Genkinger Familien wurden in den letzten Tagen vom Schicksal schwer heimgesucht. Jede hatte einen hoffnungsvollen Sohn in Stutt­gart in Garnison. Der eine starb von 14 Tagen am Typhus, der andere erlag gestern dieser schreck­lichen Krankheit.

Heilbronn, 10. Nov. Nach einer Zusam­menstellungN.-Z." beträgt die Mehrheit für Härle nur 278 Stimmen. Der Schultheiß von Stockheim, wo sämtliche Stimmen, mit Ausnahme von einer, auf Härle fielen, sagte dem Frhr. v. Ellrichshausen: wir hätten einstimmig wie die andern Orte Sie gewählt, aber Windthorst hats verboten." Es wird ferner als Thatsache berichtet, daß in allen kath. Ortschaften des Wahlkreises der Pfarrer durch den Meßner die Wähler an die Wahlurne entsendete!

In Weiters heim ist einem Wirt im Keller ein 8 Eimer haltendes Faß voll neuen Weins zer­sprungen und ansgelaufen. (War wohl der Wein zu stark oder das Faß zu schwach ?)

Wie derDaily News" aus Konstantinopel gemeldet wird, beanspruchte die Türkei Zulaß zu der Kongo-Konferenz. Fürst Bismarck habe jedoch geantwortet, die Pforte habe in der Kongvfrage keine Interessen auf dem Spiele stehen, aber das Proto­koll der Konferenz werde sämtlichen europäischen Mäch­ten , die Türkei mit inbegriffen, unterbreitet werden.

Die Kongo-Konferenz macht den Portugiesen viel Kopfzerbrechen, denn dasselbe sieht seine keines­wegs hinlänglich begründeten Souveränitätsansprüche auf die Territorien am nördlichen Kongoufer bedroht. Portugal wird sich keineswegs dazu bereit finden lassen, seine Besitzungen unter die gemeinsame Ober­hoheit des neuen Staatsgebildes zu lslellen. Ob es die Freiheit des Handels an der Mündung des Kongo zugestehen wird, ist noch ungewiß, indessen heißt eS, daß es in diesem Punkte bereits nachgiebiger ge­worden sei.

Hofprcdiger Stöcker und Vamberger wer­den auch wieder im Reichstage erscheinen.

Berlin, 8. Nov. Der evangelische Arbeiter­verein zu Herne hat am letzten Sonntag ein Bc- grüßungstelegramm an den Reichskanzler gerichtet, worauf, wie wir derRh. Wests. Post" entnehmen, nachstehende Antwort erfolgte:Berlin, 4. Nov. 1884. Ihre freundliche Begrüßung und die Motive dersel­ben sind mir ein erfreuliches Zeichen von dem Er­folge der Einwirkung unseres Kaisers und Königs auf die Versöhnung der verschiedenen Interessen, deren Widerstreit unsere wirtschaftliche und Politilchc Entwicklung hemmt. Unsere vaterländische Geschichte liefert den Beweis, daß unsere Könige an dieser Aus­gabe seit mehr als 100 Jahren erfolgreich arbeiten, indem sie gegenüber dem System der Interessen des Staates das System der Pflichten verfochten haben. Ich hoffe, daß sich in immer weiteren Kreisen unserer Bevölkerung die Erkenntnis Bahn brechen wird, daß auch die von den Regierungen in Angriff genommene Sozialreform, welche den Arbeiter gegen die Wechsel- sälle des Schicksals zu sichern sucht, von diesem Geiste der Versöhnung und Ausgleichung der Klasseninteres­sen geleilet wird. So weit meine Kräfte reichen, werde ich nicht ablassen, an der Durchführung dieser Reform mitzuarbeilen. v. Bismarck.

Berlin, 8. Nov. Kaiser Franz Joseph über­sandte dem Fürsten Bismarck als Andenken an Skier- niewice sein lebensgroßes Porträt.

Berlin, 8. Nov. Die für die Auslegung des Krankenversichcrnngsgcsetzes prinzipiell sehr wich­tige Frage, ob die Arbeiter an ihrem Wohnort oder an dem Orte ihrer Beschäftigung dem Versicherungs­zwange unterliegen, ist von den zuständigen Mini­sterien dahin entschieden worden, daß der Wohnort

des Arbeiters maßgebend sein soll und an diesem Orte dessen sämtliche Arbeiter zu versichern sind, und zwar ohne Rücksicht auf den Wohnort der Arbeiter und den Ort ihrer Beschäftigung. Die Arbeiter sind also am Wohnorte ihres Arbeitgebers den betreffenden Krankenkassen bcizutreten verpflichtet.

Berlin, 10. Okt. .Dem Vernehmen nach wird der Reichskanzler die westafrikanischt Konferenz eröffnen. Deutsche Vertreter auf der Konferenz wer­den außerdem sein: Staatssekretär von Hatzfeldt, Unterstaatssekretär Busch, Geheimer Legationsrat v. Knsscrow. Das Burcan wird gebildet als dem deut­schen Vizekonsul in St. Petersburg, Schmidt, und dem französischen Botschaftsrat Raindre.

Berlin, den 10. Nov. DieNord. Mg. Ztg." publiziert den Wortlaut,des vom Herzog Cum- berland am 4. Nov. an die deutschen Fürsten mit Ausnahme des Kaisers und der deutschen freien Städte gerichteten Zirkulars, worin er die mit dem Staatsministerium in Braunschweig betreffs der Kon- trasignierunng seines Negierungsantrittspatcnts ge­führte Correspondenz mitteilt. Die Ausübung sei­ner Regierung in Braunschweig sei hiernach zur Zeit auf Hindernisse gestoßen, sein Tbrvnsolgerecht stehe aber nach Landesverfassung und fürstlicher Familien­ordnung fest. Die Versagung seiner Anerkennung und Hinderung seiner Regierung als Herzog Braun- schweigs sei von Rechtswegen nicht möglich ohne Eingriff in die Rechtsordnung, worauf das deutsche Reick) selber beruhe. Durch Beeinträchtigung seines souveränen Fürstenrechts würde zugleich das souve­räne Recht aller Mitglieder des deutschen Reichs ge­fährdet. Die Reichsvcisassung enthalte keine Bestim­mung, die zu Eingriffen in die durch Landesrecht und Fürstenrecht des Einzelstaales begründete fürst­liche Erbfolge von Reichswegen berechtigte. Artikel 71 der NeichSverfassung, betreffend Verfassuiigsstrei- tigkeiten, treffe vorliegenden Falls nicht zu. Auf Artikel 11. 17 der Rcicbsverfassung (von der Macht­befugnis des Kaisers handelnd) könne das Recht des Reichs zur Entscheidung von Fragen der Erbfolge­ordnung oder Erbfolgefähigkeit in einzelnen Bun­desstaaten nicht gegründet werden.

Berlin, 10. Nov. Einer der Scebehörde zugekommenen Mitteilung zufolge versank der deutsche DampferBefiel" aus der Fahrt von Riga nach Schidam, fünf Meilen von Lcmvig. 11 Personen ertranken; nur zwei wurden gerettet.

In einer Berliner Wahlurne fand man ei­nen Zettel, der aufWolle" lautete. Den Wahl­vorstehern war ein Träger dieses Namens nicht be­kannt; einer derselben wendete sich an die Anwesen­den mit der Frage:Kennt jemand Herrn Wolle?" Allgemeines Schweigen. Endlich bemerkte ein An­wesender:Der wird auf das bekannte Jäger'sche Inserat:Wer weise, wühlt Wolle," hereingefallen sein."

Im Opcrationssaale der Berliner Charits, wo am Freitag mittag 12 Uhr Prof. Or. Schwe- ninger seine erste Vorlesung über Hautkrankheiten hal­ten wollte, hatten sich lange vor der festgesetzten Zeit über 200 Studenten eingesunden, welche indeß unverrichteter Sache sich wieder entfernen mußten, da Herr Schweninger, welcher von der gegen ihn beabsichtigten Demonstration Nachricht hatte, um ^sl Uhr noch nicht erschienen war. Die lärmenden Kund­gebungen, welche das Ausbleiben des Herrn Pro­fessors hervorrief, legten sich erst, als ein Student darauf aufmerksam gemacht hatte, daß man sich in einem Krankenhause befinde, (vr. Schweninger soll sich auch in den Gesellschaftskreisen unmöglich ge­macht haben.

Lehrer Sabor, der iLozialdemokrat, der bei der Reichstagswahl in Frankfurt a/M. über Sonne- inann gesiegt hat, ist ein ganz neuer Mann in der Politik. Er ist Privatlehrer, war blutarm, erwarb sich aber die Liebe eines sehr reichen Mädchens, das ihn heirathete. Er ist aber Lehrer und Sozialdemo­krat geblieben.)

Die Pietät gegen Eltern und Vorfahren ist, wie überhaupt ein ausgeprägter Familiensinn. die erste und größte Tugend der Juden, vielleicht sogar der eigentliche Grund der jahrhundertlangcn Fort­dauer und des inneren Zusammenhaltes des über den ganzen Erdball verbreiteten jüdischen Volkes. Diese Pietät zeichnet besonders auch die Familie Rollnchild in Frankfurt a. M. ans. Da sie den Nichtabbruch ihres Stammhauses in der wach Expropriation völlig niederzulegenden Judengasse beim Magistrat nicht