lebenskräftigen Inhalt zu verschaffen, Beibehaltung des Bürgerrechts als althergebrachtes persönliches Recht, Anknüpfung aber der Erwerbung des Bürger­rechts an den Wohnsitz im Gegensatz zum Bürger­rechtsgesetz vom 4. Dezember 1883, Zwang für Württembergische Staatsbürger, die im Gemeindebe­zirk wohnen, das 25. Lebensjahr zurückgelegt haben und 3 Jahre Steuern bezahlt haben, zur Erwerbung des Bürgerrechts, Ausschließung der Nichtbürgcr von gemeindebürgerlichen Wahl- und Wählbarkeits­rechten, Erklärung der Frohnpflicht (Gemeindedienste) als eine Pflicht sämtlicher Gemeindeeinwohncr, Be­stehenlassen althergebrachter Rechtszustände bezüglich der Gemeindenutzungen, Regelung der Ausweisung bestrafter Personen einerseits im Sinne einer Milde­rung des bestehenden Rechts durch die Verwandlung des Rechtsanspruchs der Gemeinden auf Ausweisung in ein Antragsrecht, andererseits im Sinne der Ver­schärfung des bestehenden Rechts durch Ausdehnung der Ausweisungsbefugnis auf bestrafte Personen derjenigen Gemeinde, in welcher sie das Bürgerrecht haben, so ist die Kommission mit den Grundzügen des Entwurfs im allgemeinen einverstanden und be­fürwortet den Eintritt in die Beratung des Gesetzes. Bei Art. 7 hat sich die Kommissionsminderheit gegen jedes ZwangSrecht bei einer Bürgerrechtserteilung ausgesprochen. Einverstanden ist die Kommission damit, daß durch Anstellung als Ortsvorsteher, sowie anderer Gemeindebeamten und Bediensteten, sofern sie württembergische Staatsbürger sind, das Bürger­recht erworben wird, ebenso mit der Aufnahme des positiven Rechtsinhalts des Ehrenbürgerrechts in das Gesetz. Nach Art. 18 soll derjenige, bei dem ver­schiedene Ungehorsamsstrafen fruchtlos bleiben, seiner gemeindebürgerlichen Wahl- und Wählbarkeitsrechte verlustig erklärt werden können. Die Kvmmiffion spricht sich hier für Zulässigkeit der Beschwerde aus. Was die Zulässigkeit der Ausweisung bestrafter Personen anbelangt, so wird die Kommission dar­über eine nochmalige Beratung herbeiführen. Sehr eingehend ist von den Berichterstattern die Frage der Gemeindenutzungen behandelt worden.

Nach dem mühevollen, aber glänzenden Wahl­sieg, welchen die Nationalgesinnten im 14. Wahl­kreis errungen, wurde von einem Konservativen aus Heidenheim dem Fürsten Reichskanzler die Nach­richt gegeben, daß es mit Gottes Hilfe gelungen sei, einen Mann als Vertreter des 14. württ. Wahlkrei­ses nach Berlin senden zu können, dem es eine Freude und ehrliche Absicht sei, mitzuraten und mitzuhclsen am Ausbau unseres geliebten Vaterlandes und den Reichskanzler nach bestem Willen zu unterstützen. Dabei wurde die Bemerkung beigefügt, daß die Geg­ner eS als einen Schwabenstreich verschrieen haben, einen Bayern als Vertreter zu wählen. Darauf ist am 6. folgende Antwort seiner Durchlaucht eingetrof­fen: Berlin, den 4. Nov. 1884. Für die Be­grüßung durch Ihr Schreiben vom 30. v. Mts. danke ich verbindlichst und freue mich, daß der 14. württ. Wahlkreis seine rcichStreue Gesinnung durch die Wahl des Herrn Bürgermeisters v. Fischer so erfolgreich bethütigt hat. Wenn das ein Schwaben­streich ist, so ist er es im Sinne von Uhlands bekann­tem Gedichte zur Ehre des schwäbischen Namens, v. Bismarck.

lllm, 7. Nov. Auch das hiesige Garnisons­proviantamt macht seine Einkäufe an Getreide nicht mehr unter dem Kornhans, sondern tritt in direkte Beziehungen zu den Landwirte». Diese führen ihr Getreide am Proviantamt vor, ist die Ware markt­gut, so wird sie ohne Widerspruch übernommen und in Rcichsmünze glatt bezahlt, worüber nur eine Stimme der Anerkennung herrscht. Daß die Verkäufer unter diesen Umstünden den Schrannenverkehr nicht ver­missen, ist begreiflich.

DasSchwäb. Wochenblatt", Organ der Stutt­garter Sozialdemokratie, gibt die Parole ans, daß die Arbeiter für Schott (VolkSPartei) abznstimmen haben, weil derselbe sich verpflichtet habe, gegen 6 namhaft gemachte Punkte zu stimmen; darunter ist in erster Linie die Verlängerung des Sozialisten­gesetzes.

Künzelsau, 6. Nov. In den ersten Tagen die'er Woche fand im hiesigen Seminar die erste Dienstprüfung mit 29 Zöglingen des ersten Kurses und 0 auswärtigen Lehramtskandidaten statt. Sämt­liche Kandidaten konnten als examiniert erklärt wer­den. Leider ist aber für dieselben keine Aussicht vorhan­den, vor dem kommenden Frühjahr angestellt zu werden.

Brandfälle: In Ummendorf (Biberach) am 5. d. Mts. ein Wohn- und Oekonomiegebäude; Gebäudeschaden ca. 2700

Achtzigjährige Zwillingsbrüder. Eine Geburtstagsfeier, wie sie vielleicht einzig dastehen dürfte, begehen heute (3. November) die Brüder Heinrich Hirsch und Abraham Hirsch in Altdorf bei Ettenheim. Beide Männer sind Zwillingsbrüder und sind heute 80 Jahre alt und noch voller Rüstigkeit.

Karlsruhe, 6. Nov. Ein Millioneu-Erbe. Ein hiesiger Lumpensammler, Namens Guzenheimer, Vater von 6 Kindern, ein braver, fleißiger, aber blutarmer Mann, wurde zu seinem größten Erstau­nen auf das Ministerium zitirt, wo ihm die Eröff­nung gemacht wurde, daß er an der Erbschaft ei­nes in England verstorbenen Verwandten, auf sei­nen Teil mit zwei Mill. -/IL beteiligt sei. Ein ihm sofort überwiesener Vorschuß von 50,000 enthob den vor Erstaunen Sprachlosen jeden Zweifels. Alte Kleider und altes Papier wird der glückliche Erbe schwerlich mehr sammeln.

(3. Württemb. Reichstagswahlkreis.) Härle gegen Ellrichshausen gewählt.

DieNordd. Allg. Ztg." schließt einen Artikel über die Frage der Abstimmung der Sozialdemokra­ten bei den Stichwahlen mir folgendem Satze:Wir wissen nicht, wie die Arbeiter bei den Stichwahlen stimmen werden; sie haben das mit sich selbst aus­zumachen. Aber das wissen wir, daß, wenn sie sich von den Freisinnigen als Vorspann gebrauchen las­sen, dies nicht anders zu deuten ist, als daß sie die Hand küssen, die ihnen die schwersten Wunden ge­schlagen hat."

Im letzten Reichstage sagte Eugen Richter ge­genüber dem Reichskanzler: Ich werde in meinem Wahlkreise Hagen mit einer stets wachsenden Majo­rität gewählt. 1881 erhielt Richter dort 11 358, jetzt 10 212; sein nationalliberaler Gegner 1881 4585, jetzt 6002, 1881 hatte Herr Richter rund 2000 Stimmen über die absolute Majorität, jetzt 340 !

Das von Eugen Richter ausgerechnete Defi­zit von 32 Millionen wird von derKöln. Ztg." schlechtweg als ein auf Täuschung berechnetes Man- növer für die Stichwahlen bezeichnet.

Die Sucht der Deutschen, ihre Rede», ZcitiiugS-!!n- zcigcn und Schilder mit französischen Brocken und Fremdwör­tern zu spicken, wird in einem Aufsatz Francisque Sarcey's imXIX. Siscle, unbarmherzig gegeißelt:An Stelle der Geldtasche ist das Portemonnaie getreten, die Damen erschei­nen in dccolleticrter Toilette: Korrektur, Plaisier, Malheur, Affairc, Skandal, Duell, Cartel, Resultat, mysteriös, Bolontair, Diner u. s. w. sind alltäglich gebrauchte Ausdrücke, und mau verkauft nur sn Aros und sn lltztail. Comptoir-Utensilien werden angepriesen, Maaren bester Qunlitv in jeder Quantität verkauft. Rechnungen werden mit pcmr ueguit unterzeichnet. Fabcr, der große Bleistiftfabrikant, verkauft nur noch Oraz-ous. Die Franzosen werden erstaunt sein, zu erfahren, daß diese oder jene Dame charmant ist, daß in der Flora eine Subskrip- lions-Redoute stattfindct, daß Bauxhall das Rendezvous der saihionablen Welt ist, daß ein Schneider einen Associö oder Compagnon verlangt, daß dieser oder jener Kinderkicidcrfabri- kant eine feine Auswahl von ecmlsetions llsiikants offeriert; daß ein koulanter Agent, gut versiert, seine Dienste anbietct, daß Nummer .4'. unter cUseisbiou leidende Damen bei sich auf­nimmt und daß ein Theatersriscur ein Parfümerie- und Ga- lanterie-Artikeldspot anprcist. (Eine Besserung in dieser Hin­sicht ist einstweilen gar nickt zu erwarten; im Gegenteil werden immer noch neue Fremdwörter erfunden. Die Zeitung, in welcher wir obige Notiz fanden, wimmelt in ihrem Text von überflüssigen Fremdwöricrn. Und so wird cs auch bei anderen sein. Das Papier ist geduldig und die Mode macht blind.)

Berlin, 3. Nov. Nachdem es zur Kenntnis des Kriegsministers gelangt war, daß die Einberu­fung von Reservisten (zu den zwölftägigen Hebungen u. s. w.) und Landwehrmünnern in Zeiten fallen, während welcher die Einberufenen in landwirtschaftli­chen Arbeiten gestört werden, hat sich derselbe an den Minister der Landwirtschaft gewandt, um von diesem die Zeiten zu erfahren, welche in den verschie­denen Landcsteilen für die Einberufung zu wählen wäre, damit letztere den Beteiligten so wenig wie irgend möglich lästig falle.

Berlin, 6. Nov. Der Kaiser hat, wie die K. Ztg." hört, mit ganz besonderem Interesse die Vorbereitungen für die Kongo-Konferenz verfolgt und sich darüber wiederholt vom Reichskanzler Be­richt erstatten lassen. Es heißt, der Kaiser würde Gelegenheit nehmen, die Mitglieder der Konferenz besonders zu begrüßen. Die Verhandlungen dersel­ben werde» höchst wahrscheinlich im Palais des Reichs­kanzlers stattfinden.

Berlin, 6.aNov. Das Testament des Her­zogs von Braunschweig enthält so viele Formfehler, daß die Anfechtung des Testaments sehr wahrschein­

lich ist.

Berlin, 6. Nov. Nachdem die Verhand­lungen in Bezug auf den Zollanschluß von Bremen zu einem befriedigenden Resultate geführt haben, stellte der Bundesbevollmächtigte für Bremen in der am Donnerstag Nachmittag stattgehabten Bundes­ratssitzung den formellen Antrag. Bremen in den deutschen Zollverband aufzunehmen. Der Antrag wurde einstimmig angenommen. Der Anschluß soll zur selben Zeit, wie derjenige Hamburgs, also im Jahre 1888, erfolgen und der Zuschuß, den das Reich zu den Kosten dieses Anschlusses beizusteuern hat, soll sich auf 12 Millionen Mark belaufen. Der Gesamtkostenbetrag ist auf 25 Millionen veranschlagt. Dem Reichstage wird in Bälde eine diesbezügliche Vorlage zugehen.

Berlin, 8. Nov. Die Cholera in Paris ist trotz der offiziellen Ableugnung französischerseits in Zunahme begriffen. Seitens der deutschen Regierung sind Abwehrmaßregeln in Aussicht genommen, aber keine Quarantäne.

Hagen, 6. Nov. Wie dieWestfälische Post" meldet, hat Eugen Richter dem Wahlkommissär die Annahme des Reichstagsmandats für Hagen ange­zeigt.

Ueber die braunschweigische Erbfolgefrage wird geschrieben: Wie verlautet, ist an eine unmittel­bare Einverleibung des Herzogtums Braunschweig in Preußen aus verschiedenen Gründen nicht zu den­ken. Zunächst stehen die preußischen Erbansprüche nicht auf so unbestreitbarer Grundlage, daß Preußen die Gewißheit hätte, dieselben mit Erfolg geltend zu machen. Zudem liegen thatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, daß die Bevölkerung von Braunschweig das unmittelbare Verhältnis zu Preußen nicht wünscht, zumal wegen der von jeher so günstigen finanziellen Verhältnisse des Herzogtums, welche durch die ad­ministrative Selbständigkeit bedingt sind, dann aber darf es als feststehend erachtet werden, daß die Er­haltung der beiden braunschweigischen Stimmen im Bundesrate von der Mehrzahl der Bundesregierun­gen gewünscht wird. Zn einer Verstärkung der Po­sition Preußens im Bundesrate um zwei Stimmen, auf welche die Einverleibung Braunschweigs in Preu­ßen hinauskäme, würden namentlich die deutschen Mittelstaaten, die bisher gegen jede Stärkung des preußischen Einflusses eingenommen waren, voraus­sichtlich ihre Zustimmung nicht geben.

Aus Hamburg schreibt mau: Es gehört zu den Seltenheiten, daß sich ein Mann rühmen darf, im Laufe der Zeit vierundzwanzig Menschen­leben vom Tode des Ertrinkens gerettet zu haben. Auf eine solche Anzahl von erfolgten Rettungen darf nämlich der Kapitän Riege vom Hamburg-Berge­dorfer DampferGermania" Hinweisen. Der Kron­prinz, welcher von dieser Thatsache gehört, lud den Kapitän Riege vor Kurzem nach Berlin ein, wobei derselbe treffliche Proben seiner Schwimmkunst ablegte. Herr Riege, ein einfacher und bescheidener Seemann, der auch von der Hamburger patriotischen Gesellschaft mit hohem Lob ausgezeichnet worden, erhielt vom Kronprinzen eine goldene Uhr und ein Ehrendiplom überreicht. Während Riege 24 Menschen das Leben rettete, konnte er sein eigenes, 7 Jahre altes Töchterchen vor 2 Jahren nicht aus den Fluten der Elbe retten. Das Kind fiel von einem Schiffe in die Elbe und ertrank, bevor Hilfe nahte.

Oesterreich-Ungarn.

In der Budget-Kommission der österreichischen Delegation gab Kalnoky am Mittwoch die bedeut­same Erklärung ab, daß das Bündnis mit Deutsch­land für Oesterreich-Ungarn die unverrückbare Basis seiner ganzen auswärtigen Politik bleiben werde.

Belgien-

Wenn unter dem jüngstverflossenen Ministerium Malou die radikalen Blätter an Beleidigungen der Negierung und despektierlichen Aeußerungen über den König ihr Möglichstes gethan haben, so werden sie jetzt von einem Teil der klerikalen Presse noch über­trumpft. So bringt ein in Hasselt erscheinendes kleri­kales Blatt, derConstitntivnel", einen Artikel, über­schnellen:Die dynastische Krisis, ganz ergebenste Vorstellungen an Se. Majestät Leopold II.", worin cs unter Weglassung der stärksten Stellen heißt:Sire, wir haben Sic immer verteidigt. Heute sind Sie nicht mehr zu verteidigen. Wir lass n Sie fallen. Sie haben uns mit den Personen der beiden Minister, welche die Lieblingskinder des katholischen Landes waren, weit vom Throne weggestoßen. Die