Kriegszustände der Damen wurde Susanne ja nur als Spion benutzt. Mit frohen Hoffnungen beförderte sie daher den Brief» von dessen Wirkung sie sich mindestens einen Waffenstillstand in der Schwesterfehde versprach.
Es verging eine lange, lange Zeit, ehe Susanne mit der Antwort Mariens auf den Friedensbrief Luciens zurückkam und diese hatte von neuen Be ängstigungen zu leiden, trotzdem daß sie wußte, alle ihre Friedensliebe und Kraft aufgeboten zu haben, um sich wieder auszusöhnen. Endlich, nachdem es fast gegen Mitternacht geworden war, kam Susanne mit vor Freude strahlendem Gesichte wieder und brachte Lucien einen Brief von der Schwester Marie. Lucie öffnete diesen Brief mit fiebernder Hast und fand folgenden Inhalt vor:
Mein liebes Schwesterlein!
Bis vor einer halben Stunde hatte ich wirklich recht böse Pläne gegen Dich im Sinne. Ich 'wähnte, Du wärest mein böser Geist geworden, der mir die Anfänge meines Glücks zerstören und den Maler Hans von Grünau für sich gewinnen wollte. Ich hatte deshalb, für den Fall, daß sich für solche schlechte Thaten von Dir Beweise finden würden, den Entschluß gefaßt, zuerst Dein falsches Herz mit einer Revoloerkugel zu durchbohren und dann von derselben Waffe auch gegen mich Gebrauch zu machen. Aus Deinem Brief sehe ich indessen, daß ich mir ohne Grund Sorge und schlaflose Nächte bereitet habe und ich bitte Dich, mir den schlimmen Anschlag, an den ich niemals wieder denken werde, zu verzeihen. Außerdem richte ich die Bitte an Dich, mich noch heute Abend zu besuchen, um den Versöhnungskuß mit mir auszutauschen.
Deine Schwester Marie.
Lucie hatte den Brief noch nicht zu Ende gelesen, als ihr auch bereits ein Stein vom Herzen gewälzt war, denn die fatale Geschichte mit der Pistole war nun zu ihrer Zufriedenheit erledigt. Eiligst lief sie auch hinüber in das Zimmer Mariens und die versöhnten Schwestern umarmten sich herzlich. Beide waren im Stillen froh, von der schlimmen Leidenschaft der Eifersucht befreit zu sein, aber am andern Tage kamen sie doch wieder auf die Heiratskandidaten zu sprechen und den lebensfrohen, mit etwas Jugendübermut versehenen Schwestern kam der Gedanke, an den sich als Maler bezeichneten Heiratskandidaten, den beide Schwestern auf die Vermutung Mariens hin für den Maler Hans von Grünau hielten, ein Billet zu schreiben und ihn in das Hoftheater in eine gewisse Loge zu bestellen, welcher Loge sie sich angeblich gegenüber setzen wollten. Die Schwestern wollten auf diese Weise wenigstens ihre Neugier befriedigen. Lucie schrieb das Billet und Marie Unterzeichnete es, natürlich nicht mit ihrem wirklichen Namen, sondern nur mit einem fingierten Namenszuge. Darauf wurde der Brief an seine pseudonyme Adresse mit Hilfe der koulanten und diskreten Expedition der Verlobungszeitung befördert. Das Billet hatte auch die Bemerkung mit enthalten, daß die Schreiben» noch eine ältere Schwester besitze, wie in dem Inserat gestanden habe und daß beide Schwestern sich am liebsten an zwei Brüder, die in einer Stadt wohnten, verheiraten würden, da die Schwestern sich nicht gern ganz und gar von einander trennen wollten.
Nachmittags machten Lucie und Marie einen gemeinschaftlichen Spaziergang und dabei hatte Marie den glücklichen Einfall, einige Gemäldegalerien zu besuchen, denn sie bildete und redete sich bezüglich der Anwesenheit des Malers Hans von Grünau alles ein, was zu einem zufälligen Zusammentreffen mit ihm führen konnte.
Dagegen kam Lucie während des Spaziergangs auf den gescheidten Gedanken, sich nach der Anwesenheit des Malers Hans von Grünau doch in einem Adreßbuche der Stadt Dresden umzusehen. Dies wurde dadurch bewerkstelligt, daß beide Schwestern in ein von der eleganten Welt frequentiertes Kaffee eintraten und dort bei einer Tasse des verehrten Mokkatrankes in dem Adreßbuche herumblätterten. Aber da war von einem Maler Hans von Grünau nichts zu finden, nur ein Dr. Ernst von Grünau stand als Gymnasiallehrer in dem Adreßbuche aufgeführt. Ziemlich betrübt klappten daher beide Schwestern, zumal Marie, das Adreßbuch wieder zu und suchten mehrere öffentliche Bildergalerien auf, um sich dort beim Anblick und Studieren der schönen Gemälde die Zeit auf angenehme und nützliche Weise zu ver
treiben. Eine Galerie hat Lucie und Marie schon durchgemustert, dabei auch aufmerksam auf die Namen der Autoren geschaut, aber nirgends hatten sie den Namen „Hans von Grünau" erblickt. Weiter schritten die Schwestern daher nach einer anderen Galerie und blieben dann vor einem prächtigen Gemälde, dessen lichte Farbenpracht sie ganz besonders anzog, bewundernd stehen. Das Gemälde stellte adelige Herren und Damen dar, die von einem Jagdzuge heimkehrten und unter dem „Trara" der Hörner vor dem Schloßhofe erschienen. Lucie und Marie bewunderten sowohl die schönen Edelfrauen, die stolz zu Pferde saßen, als auch die Edelherren, welche in malerischen Kostümen das Auge entzückten. Marie stieß jetzt einen leisen Schrei des Erstaunens aus. Lucie wandte sich nach ihr in der Meinung, Marie habe irgend ein neues entzückendes Bild mit ihren Augen entdeckt. Marie zeigte indessen mit halb erhobener Hand stumm nach einem Teile des Goldrahmens von dem vorerwähnten Bilde und dorr stand als Maler des Bildes Hans von Grünau, und unter dem Namen war zu lesen, daß der Autor noch im Besitze des Originalgemäldes sei, und daß dasselbe für 3000 ^ zu verkaufen sei.
Das Gemälde wurde hierauf von beiden Schwestern mit ganz besonderem Interesse betrachtet, als wenn sie wähnten, in irgend einer Ecke desselben den Maler Hans von Grünau selbst entdecken zu können. Aber der Kopf des Malers lugte weder aus einem Teile des Gemäldes hervor, noch ließ sich der Träger jenes Kopfes selbst irgendwo erblicken, und Lucie und Marie mußten sich schließlich von dem Gemälde trennen, ohne etwas von dem Uhrheber desselben bemerkt zu haben. Auf dem Nachhausewege kam indessen den Schwestern der Gedanke, daß sie in der Gemäldegalerie vielleicht doch etwas Näheres über den Maler Hans von Grünau hätten erfahren können und sie kehrten daher zu diesem Zwecke noch einmal um.
Wieder in der Gemäldegalerie angekommen, erkundigten sie sich bei dem Inspektor nach verschiedenen verkäuflichen Bildern. Es wurde darauf den Schwestern von dem Inspektor auch das Gemälde des Malers Hans von Grünau genannt und dasselbe als ein sehr gut gelungenes Werk bezeichnet. Marie und Lucie fanden natürlich das Gemälde auch sehr schön, aber auch ein wenig teuer und erkundigten sich dabei nach den Verhältnissen des Malers, worüber sie von dem Inspektor der Gemäldegalerie erfuhren, daß Hans von Grünau ein sehr talentvoller, jüngerer Mann sei, der aber beim Studium der Kunst den größten Teil seines Vermögens zugesetzt habe und jetzt aus seiner Kunst ein Brothandwerk machen müsse.
„Wir werden das Bild kaufen," erklärte darauf Marie. „Sagen sie dem Herrn von Grünau, daß das Bild an unsere Adresse, die wir hier lassen werden, befördert werden soll und daß bei der Uebergabe des Bildes das Geld erhoben werden kann."
Lucie hätte diesem Beschlüsse der Schwester gern widersprochen, denn sie fand manches Bedenkliche dabei, aber sie wagte aus Furcht vor neuen Konflikten nicht.
(Fortsetzung folgt.)
Allerlei.
— Daß ein Stückchen geschmolzenes Blei, auf den Augapfel gebracht, ruhig erstarrt, ohne demselben zu schaden, diese kürzlich von Mr. Perrier gemachte und der anatomisch-physiologischen Gesellschaft zu Bordeaux mitgeteilte Beobachtung ist gewiß recht überraschend, wiewohl ähnliche Erscheinungen seit lange bekannt sind. So ist es eine oft besprochene That- sache, daß Arbeiter an Schmelzöfen ungestraft die Arme auf kurze Zeit in die flüssige Masse tauchen, nachdem sie dieselben zuvor mit reinem oder alkoholhaltigem Wasser oder mit Oel befeuchtet haben. Es bildet sich nemlich sofort eine Dampfschicht um das eingetauchte Organ, welche dasselbe völlig isoliert. Da das Auge stets feucht ist, so veranlaßt das Blei an dessen Oberfläche gleichfalls eine Dampfbildung und damit die Entstehung einer schützenden Schicht. Die Erscheinung dauert fort, so lange das Metall noch nicht auf 171 Grad abgekühlt ist; ist diese Temperatur erreicht, so tritt die direkte Berührung zwischen dem Blei und der Augenhaut ein. Alsdann aber schützt die durch den Reiz veranlaßte Thränen- ausscheidung das Auge vor ernstlicher Verletzung.
— (Unter Menschenfressern.) Von einem in Australien lebenden Oesterreicher erhielt ein ungarisches Blatt dieser Tage aus Spirito Santo einen sehr interessanten Brief, der sich mit der Schilderung von Land und Leuten befaßt. „Hier bin
ich", heißt es in dem erwähnten Schreiben, „in Spirito Santo, nächst dem Mordanfluß, unter den Menschenfressern. Nirgends auf der Welt ist die häßliche Gewohnheit der Anthropophagie (Menschenfresserei) so stark und so unausrottbar verbreitet, als auf diesem Fleckchen Erde, welches der spanische Konquistator Quiros im Jahre 1606 entdeckt hat. Vergeblich war das aufopferungsvolle Bemühen der Missionäre, diese Bestien können das Verzehren von Menschenfleisch nicht lassen. Geschah es doch erst vor 45 Jahren, daß sie den berühmten englischen Missionar Williams gebraten und verspeist haben. Wenn sie es sich verschaffen können, essen sie auch heute noch Menschenfleisch, das sie lieber haben, als die besten Delikatessen. Wenn ich noch nicht an ihren Spieß geriet, so verdanke ich das blos dem Umstande, daß mich die Unmenschen für ein göttliches Wesen halten. Und das ist meinem amerikanischen Photographie-Apparat, meinem trefflichen Remiugton- Revolver, einer Kiste Knallraketen und der grenzenlosen Feigheit dieser Wilden zuzuschreiben. Als diese Geschöpfe ihre von mir angefertigten Abbildungen sahen, da beteten sie mich an als einen Gott, denn so ein Wunder haben diese Leute noch nie gesehen. Vor einigen Tagen mußte ich aber hören, daß es den Ungeheuern nach meinem Körper sehr gelüstete, denn mit der Zunge schnalzend, sagten sie in ihrer Sprache: „Der gäbe etwas Gutes zu essen." Mir lief es kalt über den Rücken. Schnell entzündete ich eine Rakete, deren Funkengarbe ich auf die Canni- balen fallen ließ, was diese Leute dermaßen erschreckte, daß sie davonrannten, so weit und so schnell sie ihre Beine zu tragen vermochten."
— Um die im Sommer so lästigen und als Träger von Gift und Ansteckungsstoffen gefährlichen Fliegen vom Zimmer fernzuhalten, braucht man nur in jedes Fenster eine Ricinuspflanze zu stellen. Das allbekannte Oel, das aus dem Samen dieser Pflanze bereitet wird, ist auch in deren Blättern fein verteilt und wird von ihnen in die sie umgebende Luft ausgedünstet. Vor diesem Dunste haben die Fliegen einen solchen Abscheu, daß in ein solches Zimmer keine hineinkommt und alle schon darin befindlichen sich schleunigst aus dem Staube machen. Im südlichen Europa wird dieses Mittel überall mit dem besten Erfolg angewendet.
— Unteroffizier Knötschke über den Hitzschlag. Alljährlich wird bei vielen Regimentern bei Eintritt der heißen Jahreszeit den versammelten Unteroffizieren seitens eines Arztes ein Vortrag über den Hitzschlag, die Anzeichen desselben, sowie über die dagegen anzuwendenden Mittel gehalten. Ein Unteroffizier eines brandcnburgischen Infanterie-Regiments, der diesem Vortrage aufmerksam gefolgt war, glaubte einen Teil dieser Rede seinen Leuten micdergeben zu müssen. Er ließ seine Korporalschast antreten und sprach also: „Stillgestanden! Die große Hitze veranlaßt mich, auf die Gefahr aulmerksam zu machen, die Euch droht, von der Hitze getötet zu werden. Wenn einer von Euch schlapp werden sollte, was sich dadnrch zeigt, daß er ins Gesicht weiß oder blau wird, taumelt oder gar umfällt, so macht das einen schlechten Eindruck. Um solche Schlappheit zu verhindern, müßt Ihr morgens tüchtig Kaffee trinken, die Bullen damit vollmachen und ja keinen Schnabus trinken, denn der Spiritus und die Liebe sind die Hauptelemente der Schlappheit: also vor die Sommerzeit weg mit die beiden*. Will aber dennoch einer umpurzeln, so rufen die anderen Kameraden einen von uns Unteroffizieren; wir haben Riechfläschchen mit Salmiakgeist, dct bringt so'n Unglücksraben wieder auf die Beine, Müller, riechen Sie mal an das Zeugs! (Müller riecht.) Herr Jott von Spandau, wat machen Sie vor'n dummes Gesicht! Na, Ihr könnt es mir glauben, daß das, was unser Regimentsarzt uns verordnet, jut ist. Also morjen jeht es sehre weit, darum cßt feste, und ooch keenen Schnaps: dafür aber morgen früh Kaffee cinjepumpt, bis Euch die Luft ausjeht! Sollte dennoch einer zusammenknixen, so bringt ihn auf die Seite, macht ihm die Binde und den Kragen auf, hebt ihm die Beine in die Höh, jebt ihm Kaffee und übt mit den Fäusten einen leisen Druck aus'n Bauch aus! Bleibt er doch noch schlapp, so mag sich nachher der Doktor mit dem Kerl ärgern! Weggetreten!"
— Hufeland der berühmte Arzt, soll einmal geäußert haben: „Schlimm ist's, daß die Menschen Husten müssen, wenn ihnen etwas Unrechtes in die Kehle kommt; müssen sie aber auch dann husten, wenn ihnen etwas Unrechtes aus der Kehle kommt, so wäre des Keuchens gar kein Ende."
Wahre Deine Zunge, wenn Du zornig bist! Der kleinste Funke wird zur Feuersbrunst, wenn ein rachsüchtiges Herz seiner pflegt, und der schnaubende Zorn ihn anfacht. Schmähungen sind dann wie Oel in die Flamme gegossen, wodurch sie nur wütender wird.
— (Folgen der Pünktlichkeit.) Ein schwarzer Methodistenprediger in Kansas, der schon seit Jahren seine Predigt mit dem Glockenschlag Elf und mit der Formel: „Dazu verhelfe uns 'Allen der liebe Gott!" schloß, hielt eine Rede über Haman und endete mit dem pathetischen Ausmf: „Und was war sein Lohn?" — „Der Galgen!" Es schlug 11, folglich schloß er: „Und dazu verhelfe uns Allen der liebe Gott, Amen!"
Verantwortlicher Redakteur Steinwandel in Nagold. — Druck un- Berlag der G. W. A aiser'schen Buchhandlung in Nagold.