Amts- und Intelligenz-Blatt für den OSeramts-Bezirk Nagold.

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Samstag den 14. Juni.

Jmertionsgebühr für die lspaltige Zeile aus ge­

wöhnlicher Schrift bei einmaliger Einrückung 9 4, bei mehrmaliger je 8 4. Die Inserate müffcn spätestens morgens 8 Uhr am Tage vor der Herausgabe des Blattes der Druckerei ausgegebcn sein.

1884 .

Bei der am 5. Mai und den folgenden Tagen bei der Regierung für den Schwarzwaldkreis vorgenommenen niederen Dienstprusung im Depertement des Innern sind u. a. die nach- genanntcn Kandidaten zu Uebernahme der in tz 7 der K. Ver­ordnung vom 10. Febr. 1837 bczeichneten Aemter für befähigt erklärt worden: Barth, Wilhelm, von Höfen (Neuenbürg); Dengler, David, von Ebbauscn; Krayl, Viktor, von Her- renbcrg: Kn bl er, Karl Julius, von Herrenalb; Mäher, Franz Joseph, von Wachendors (Horb); Noll, Anton, von Horb: Schneider, Georg Ludwig, von Gechingen. _

Tages-Neirigkeiten.

Deutsches Reich.

Nagold. (Einges.) Schon seit geraumer /Zeit kann in den öffentlichen Blättern die Wahrneh- ^ mung gemacht werden, daß die Brot- und Fleisch- Preise hier viel höher sind als anderwärts; so kostet z. B. in Stuttgart nach dem neuesten Marktbericht vom 7. Juni d. I. IS Weißbrot 13 L, hier 15 4 S Hausbrot 40 ^ , hier 45 L, IS Rindfleisch 58 L, hier 60 In anderen Städten, Tübingen, Ulm, Ravensburg noch weniger, unerachtet die Be- steurung und der Häuserpreis hier weit geringer ist. Einsender dieses wünscht einerseits jedem Gewerbe­treibenden einen wohlverdienten Nutzen, andererseits aber auch die Cvnsumenten vor längerer Ungebühr geschützt zu wissen.

Ter Meteorvlog Brucklacher in Freudenstadt kündigt vom 13. Juni ab beständiges Wetter an.

Heilbrvnn, II. Juni. (Stadtschultheißcn- wahl.) Ein Gefühl hoher Befriedigung wogr durch unsere Stadt. Von 3432 wahlberechtigten Einwoh­nern hiesiger Stadt stimmten etwa 3000 ab. Herr Staatsanwalt Hegelmaier erhielt 2040, Amtsrichter Landauer von Stuttgart 423, Amtmann schumm von Böblingen 359, Amtmann Christmann von hier 139 Stimmen.

In Döttingen a. K. (Künzelsau) wurde nach einem Vortrag des Landwirtschaftsinspektors Leemann der Beschluß gefaßt, eine landwirtschaftliche Darlehenskasse zu gründen, um dadurch dem fleißigen, aber in Not gekommenen Manne aufznhelfen und dem verderblichen Wucher in den Weg zu treten.

In Ob erg ries heim (Neckarsulm) wurde am Sonntag vormittag in der Wohnung des Schultheißen eingebrochen und Wertpapiere im Betrag von 19 000 Mark, sowie einige Hundert Mark gestohlen. Die dabei liegenden Pfandscheine ließ der Dieb unberührt.

Westernheim, OA. Geislingen, 9. Juni. Letzten Donnerstag feierte Schneidermeister Raymund Fischer dahier seinen 100. Geburtstag.

Vom Brenzthal, 10. Juni. Ein schweres Gewitter versetzte unsere Landwirte gestern nachmit­tag gegen 2 Uhr in große Sorge und nicht mit Un­recht. Der halbe Horizont war mit schwarzen Ge­witterwolken überzogen. Das Gewitter kam von Ulm her und von 2 bis Vz3 Uhr sielen in den Ge­meinden Dettingen, Bissingen, Hausen, Hürden, Burg­berg Hagelkörner bis zur Größe von Taubeneiern. An manchen Stellen der Markungen genannter Ge­meinden ist der Schaden sehr bedeutend; bis zu einer Höhe von */s Fuß lagen die Schloßen und diesen Morgen konnte man an nicht wenigen L-tellen noch Eis finden. Giengen, Hermaringen und Sontheim blieben verschont. Hürden litt besonders stark.

Auf dem Dornahof herrscht gegenwärtig reges Leben, indem zur Aufnahme 70 weiteren Ko­lonisten durch 'Einbanen eines Schuppens weitere Räumlichkeiten geschaffen werden.

Ein 12jähriger Knabe von Philipps bürg entlief am 25. v. M. seinen Eltern und begab sich nach Bretten, um bei einem dortigen Bäcker als Lehr­ling einzutreten. Er wurde auch angenommen, doch

schon nach wenigen Tagen, nachdem er seinem Lehr­meister 10 ^ gestohlen und 50 unterschlagen hatte, wieder entlassen. Das saubere Früchtchen be­gab sich hierauf nach Heidelsheim und wollte sich daselbst bei einem Bauern verdingen, welcher ihn zur Probe auf das Feld nahm. Von da entfernte sich der Knabe, angeblich um ein Bedürfnis zu be­friedigen und ging rasch in den Stall seines Brod- herrn, schwang sich auf dessen Pferd im Werte von 400 4L und ritt im Galopp Bretten zu, wurde jedoch von den ihm nacheilenden Bauern eingefan­gen und der Polizei übergeben.

(Blitzschlag.) In der Nähe von München hat dieser Tage ein Blitzschlag 24 Ochsen auf dem Felde getötet.

Der Nürnberger Polizei ist es gelungen, einen bereits von auswärts steckbrieflich verfolgten Gauner zu verhaften, der seinen Lebensunterhalt da­durch gewann, daß er heiratslustigen Dienstmädchen unter Vorspiegelungen von Hciratsversprechen und Führung falscher Namen ihre Ersparnisse entlockte.

Poppenreuth (in der Ostpfalz). Am 2. Pfingsltage abends ging der kgl. Forstgehilfe Birner von Mitterteich (Oberpfalz) in den Wald und kam nicht wieder. Nach 2 Tage langem allgemeinem Su­chen fand man ihn erschossen, mit dem Kopfe, durch welchen der Schuß gegangen war, in einem Bache liegend, sein noch geladenes Gewehr neben sich. Der mutmaßliche Täter, ein berüchtigter Wilderer, ist ver­haftet, derselbe verkroch sich, als nachts die Gens- darmen anlangten, in den Schornstein. Auf die Frage eines Forstmannes:Warum hast Du mei­nen Freund gemordet?" entgegnete er:ich konnte nicht anders!" Leugnet jedoch die That nachträglich auf das Entschiedenste.

Vom Rhein, 8. Juni. lieber das beabsich­tigte Attentat auf dem Niederwald bei der Enthül­lung des Denkmals wird von hier der Münchener Mg. Z." aus sicherer Quelle mitgeteilt, daß das­selbe nicht gegen das Denkmal selbst und das vor demselben errichtete Kaiserzelt projektiert war, sondern den kaiserlichen Zug bei der Auffahrt zum Denkmal treffen sollte. Ein Sprengversuch in der Nähe des Denkmals war durch die Vermauerung sämtlicher Bewässerungsröhren unterhalb desselben unmöglich gemacht. Wohl aber wurden in Bewässerungsröh- ren, über welche der Fürstenzug auf dem Wege zum Niederwalde fuhr, Dynamitquantitüten aufgefunden.

Berlin, 10. Juni. Der Festzug der Schuh­macher-Innung anläßlich des heutigen 600jährigen Jubiläums nahm einen glänzenden Verlauf. In dem über 8000 Personen zählenden Zuge befanden sich gegen 40 andere Innungen, viele auswärtige Depu­tationen mit Bannern, Fahnen und Emblemen, alle in Festtracht mit Kornblumen geschmückt, jede einzelne Abteilung von Musikkorps und Marschällen mit Stä­ben begleitet. Der Vcreinsvorsland und der Alt­meister fuhren im Wagen, von Ehrenjungfrauen um­geben. Der historische Teil des Zuges, die Entwicke­lung des Schuhmachergewerks von 1284 an darstel­lend , war vortrefflich gelungen. Der Zug bewegte sich die Linden entlang durch die Wilhelmsstraße. Der Kaiser, der Kronprinz wurden mit unablässigen stürmischen Hochs begrüßt, als sie auf dem Balkon erschienen und den Festzug an sich vorüberziehen lie­ßen. Alle Fahnen und Banner senkten sich und die Musikkorps spielten die Nationalhymne. Als beim Passieren der Wilhelmsstraße Fürst Bismarck mit Ge­mahlin, seinen beiden Söhnen, Schwiegersohn, Tochter und Enkeln am Fenster erschienen, erschollen aber­

mals stürmische Hochrufe. Die Musikkorps spielten patriotische Lieder.

Eine Deputation der Schuhmacher-Innung wurde am 9. Juni auch vom Fürsten Bismarck em­pfangen und ihm eine Festschrift, die Geschichte des Schuhmachergewerks von Berlin in der Zeit von 12841884 überreicht. Obermeister Köhn dankte für das fürsorgliche Interesse, welches der Reichs­kanzler den deutschen Handwerkerbestrebungen zuwende. Fürst Bismarck erwiderte, daß es das unverrückbar ins Auge gefaßte Ziel der Regierung Sr. Majestät des Kaisers sei, allen Klaffen der Handwerker und Arbeiter zu ihrem Rechte nach Billigkeit und Mög­lichkeit zu verhelfen. Der Kanzler beklagte sich über die verständnislose oder übelwollende Presse, welche die verschiedenen Volksklassen gegen einander aus­spiele und aufreize. Obermeister Brüggemann meinte, daß wenn Zwangskassen in der Arbeiterversicherung möglich wären, auch Zwangsinnungen zu ermöglichen sein müßten, während Obermeister Krieger die Not­wendigkeit von Jnvalidenkassen für Handwerksmeister hervorhob. Fürst Bismarck verhieß eine eingehende Prüfung der gestellten Forderungen, rügte aber dann auch den Mangel an Korpsgeist, der im Handwerk immer fühlbarer werde. An den Schildern lese man nicht:Schuhmacher-Meister",Tischler-Meister" rc., sondernSchuh- und Stiefelfabrik",Möbel-Ma­gazin" :c. Unter Hinweis auf die Ablehnung sozial­politischer Vorlagen, für welche die Reichsregierung bei der Volksvertretung noch immer nicht volles Ver­ständnis gefunden habe, meinte der Reichskanzler, es wäre sehr gut, wenn auch im Reichstag praktische Handwerksmeister säßen. Nach weiteren kurzen Wechsel­reden entließ der Kanzler die Deputation in der huld­vollsten Weise, indem er jedem Mitgliede die Hand drückte. Die Audienz hatte dreiviertel Stunden ge­dauert.

Berlin, 10. Juni. (Reichstag.) Ein Schrei­ben des Reichskanzlers sucht um die Genehmigung des Reichstages nach, gegen den Abgeordneten Möller das Strafverfahren wegen Beleidigung des Reichs­kanzlers einzuleiten. Das Schreiben geht an die Ge­schäftsordnungskommission. Es folgt die erste Be­ratung des Antrages Ackermann, betr. das Verbot für Nichtinnungsmeister, Lehrlinge zu halten. Abg. Ackermann begründet seinen Antrag. Derselbe wolle das Handwerk konsolidieren, um den Kampf gegen das Großkapital mit Aussicht auf Erfolg aufnehmen zu können. An einen mittelalterlichen Zunftzwang im Sinne eines Monopols denke niemand; Bundes­kommissär Geh. Ober-Regs.Rat Lohmann erklärt, die Regierung habe zu dem Antrag noch keine Stellung genommen: es liege aber für sie kein Anlaß vor, von dem in der Vorlage von 1881 eingenommenen Stand­punkte abzugehen. Der Antrag wird in erster und zweiter Lesung in namentlicher Abstimmung mit 157 gegen 144 Stimmen angenommen.

Berlin, 11. Juni. (Reichstag.) Der Antrag Windthorst's, betr. die Aufhebung des Expatriiernngs- gesetzes wurde in erster und zweiter Lesung mit großer Stimmenmehrheit angenommen. Die Minister v. Goßler und Puttkamer stimmten dagegen.

Berlin, 9. Juni. Zu unserem gestrigen Be­richt über die Feier der Grundsteinlegung zum Reichs- tagsgcbäude ist noch Einiges nachzutragen: Der Kaiser sah ungemein wohl aus und nach den Nach­richten, die man in den letzten Wochen über sein Befinden noch erhalten hatte und die fast besorgnis­erregend waren, war man allgemein freudig über­rascht, ihn hoch aufgerichtet und wie in früherer