Ein gräßliches Unglück har sich am 26. d. M. in Urach zugetragen. Ein in einer Sägmühle be­schäftigter junger Mann von 17 Jahren aus Graben- slcttcn war im Begriff, einen Transmissionsriemen anzulcgen. Er kam hierbei auS Unvorsichtigkeit einem Kammrad zu nahe, wurde von demselben erfaßt und dergestalt verstümmelt und zerquetscht, daß der Tod sofort eintrat.

Aus Oberschwabeu wird demJpf" über das Rekruten-Unwesen geschrieben: In jetziger Zeit, wo alles über Verdienstlosigkeit klagt, ist es geradezu unbegreiflich, wie die Ellern den jungen Leuten so viel Geld in die Hand geben, da sie doch wissen, wie dasselbe im Wirtshause vergeudet wird. Auf das übermütige Verprassen des Geldes folgt dann der Rekrutenbettel! Ganze Oberämter, ja größere Landesteile werden ausgefochten und oft von Leuten, die eine Unterstützung nicht im geringsten nötig haben. Mancher erbettelt 5010<H je nachdem er damit umgehen kann. Oft kommt es vor, daß soarme Rekruten" mit Cigarren im Mundeum eine kleine Unterstützung bitten."

Ulm, 7. Mai. Der in Zürich verhaftete Post­assistent Pfuderer von Sulzbach a. M. ist heute hieher transportiert und in das K. Amtsgerichtsgc- fängnis eingeliefert worden.

Ein ruchloser Straßenraub ist vorgestern gegen Abend zwischen Aachen und Eynatten verübt worden. Ein Mann, welcher im letztgenannten Orte Verwandte besucht hatte und nach Aachen ging, wurde von einem anscheinend von Aachen kommenden Handwerksburscheu angchalten und mit den Worten:Das Geld 'raus oder das Leben!" mit vvrgehaltenem Revolver be­droht. Der Gcängstigte händigte dem Räuber seine Börse mit 27 c/tL Inhalt ein. Nunmehr verlangte der Bursche auch noch Uhr und Kette, die der Be­raubte in den Chausseegraben niedcrlegen mußte. Nachdem er auch diese Dinge an sich genommen, drohte er:Nun mußt Du doch sterben!" und feuerte. Die Kugel traf, blieb jedoch glücklicherweise in der Geldkatze, welche der Beraubte unter dem Rocke trug, sitzen. Später hat man das Felleisen des Hand­werksburschen im Chausseegrabcn gefunden; es befand sich eine belgische Uniformmütze darin.

Zu Gosse (Bürgermeisterei Hohscheid) ist am 1. Mai abends ein 65 Jahre alter Gärtner aus Reusrath ermordet worden. , Der Mann hatte einen Gang in den oberen Kreis gemacht und kam auf dem Heimwege in etwas gehobener Stimmung abends durch Gosse. Dort veranlaßtc ihn aus einem Hause schallendes Singen in die Wohnung einzutreten. Er fand eine lärmende Gesellschaft (man feierte einen Auszug) beim Branntwein. Sobald man seiner an­sichtig wurde, erhob sich ein halbwüchsiger Bursche und trat ihm entgegen mit den Worten:Der hat mich vor einiger Zeit wegen Vogelfangcns angezcigt, auch hat er meinem Mädchen den Hof gemacht, der muß eins haben" , worauf sich denn zwischen beiden eine kleine Rauferei entspann. Zu ihrer aller Unglück mischte sich eine Anzabl der Zcchgenossen, denen der Branntwein schon stark zu Kopse gestiegen war, ein. Man versetzte dem armen, vor der Ucvermacht zu­rückweichenden Alten einen Messerstich nach dem an­dern, bis er bewußtlos zu Boden sank. Daun aber raffte man ihn aus, schleppte ihn in einen von hohen Hecken umfaßten engen Weg und überließ ihn dort seinem Schicksal. Nächsten Morgen wurde der Un­glückliche, entsetzlich zugerichtet, als Leiche gefunden. Der Körper trug nicht weniger als 27 Stiche, von denen niedrere in den Hals seinen Tod herbeiaesiihrt zu haben scheinen. Fünf Personen aus Gosse und Umgegend, meist kaum den Kinderschuhen entwachsene Burschen, sind dem Gefängnisse in Solingen über­liefert worden.

Unterm 5. ds. wird aus Dortmund gemeldet: Auf der benachbarten ZecheFürst Hardenberg", auf welcher erst vor nicht langer Zeit 21 Bergleute durch daS Heruutcrstürzen des Förderkorbs unr's Leben ka­men, hat sick heute früh halb 7 Uhr wieder ein gräß­licher Unalückssall ereignet. Die Förderung zur Mvrgeuschieht, welche gewöhnlich um 5 Uhr ihren Anfang nimmt, begann heute erst um halb 7 Uhr. Bei dieser Gelegenheit riß Plözüch die unterlaufende Kette des tödliche» Korbes und schlug mit solcher Wucht aus den zweiten Korb, daß die Decke der oberen Etage durchbrochen wurde und von den 10 in dieser befindenden Insassen 4 sofort gelötet wur­den. Außerdem sind 5 Bergleute mehr oder minder schwer verletzt. Die lO Bergleute, welche sich in der > unteren Etage des zertrümmerten Korbes befanden,

sind unverletzt geblieben. Die Verstümmelungen sind gräßlich. An einem Toten fehlte der Kops, zwei sind gänzlich zerdrückt und der letzte stand, anscheinend noch lebend aufrecht in der Ecke des Korbes. Bei genauem Nachsehen war jedoch auch dieser tot, indem der Hinterkopf vollständig gespalten war. Bis auf einen der Aermsten waren sämtliche Getötete un­verheiratet. Einer der Verunglückten, ein Steiger, hatte sich erst gestern verlobt. Man behauptet, daß die gerissene Kette erst gestern, Sonntag, aufgelegt und patentiert sein soll. Es steht also zu hoffen, daß die Ursache des schrecklichen Unglücks ermittelt werden wird; allerdings ein schwacher Trost für die Angehöigen der verunglückten Bergleute.

(Eine Veteran!» des Zuchthauses.^ F inste r- walde. Kürzlich verstarb im hiesigen Krankenhause die unverehelichte Anna Marie Richter, in Schönborn bei Dobrilugk geboren, im Alter von ca. 80 Jahren. Dieselbe hat wegen verschiedener schweren Diebstahle nach und nach zusammen 41 Jahre Zuchthausstrafe verbüßk, also über die Hälfte ihres Lebens im Zucht­hause zugcbracht.

Berlin. (Reichstag.) Vor dem Eintritt in die Tagesordnung (Sozialistengesetz) bringt Staats­sekretär v. Bötticher einen Gesetzentwurf ein, welcher den Kaiser ermächtigt, den Mitgliedern der deutschen nach Egypten, respektive Indien, entsendeten Cho- lerakommission Dotationen im Gesammtbctrage von 135 000 ^ zu gewähren. Die Worte des Staats­sekretärs, mit welchem er die Opferfreudigkeit, den Todesmut und die Selbstverleugnung des Geheim­rats Koch und seiner Begleiter rühmt und die Per­spektive erörtert, daß voraussichtlich nach Verarbei­tung des gewonnenen wissenschaftlichen Materials es gelingen werde, der verheerenden Cholerascuchc einen Damm vvrzubaueu, wurden mit lebhaftem Bei­fall begrüßt. Der Entwurf wird nächstens zur ersten und zweiten Beratung gestellt.

Bei dem Gesetzentwurf, betr. die Gewährung von Dotationen an die Mitglieder der deutschen Cho­lerakommission, ist in Aussicht genommen, daß 100 000 Mark au Dr. Koch, je 15 000 M. an seine beiden Gehilfen und 5000 M. au den begleitenden Chemiker fallen.

Berlin, den 9. Mai. (Reichstag.) Richter (deutsch-freis.) erklärt das Gesetz für wirkungslos, es habe den Attentatsversuch auf das Niederwalddenk- mal, das blos durch die schlechte Witterung vereitelt worden sei, nicht verhindert. Minister v. Puttkamcr will hierauf vor abgeschlossener Untersuchung nicht eingehen; er erblickt in dem Attentatsversuch nur den erneuten Beweis der Notwendigkeit einer Verlängerung. Den Nichterlaß des Sozialistengesetzes Hütten wir heute schon mit Strömen Blutes büßen müssen. Alle Staaten ohne ein solches Gesetz seien von dem An­archismus, der Konsequenz der Sozialdemokratie, an- gesresscu. Die Negierung verkenne nicht die wohl­wollende Absicht der Windthorst'schcn Anträge, ver­möge dieselben aber nicht mit ihrer Verantwortlich­keit zu decken. Die nunmehr folgende Rede Bismarcks läßt sich in dem Satze zusammcusossen, daß die Zeit des Ausnahmegesetzes vorüber sein werde und es aufgehoben werden könne, wenn erst dem Arbeiter Gelegenheit zur Arbeit und in Fällen der Krankheit Pflege gesichert, im Falle der Jnvaldität Vorsorge für ihn getroffen. Er tritt für Beschleunigung dieser Maßregeln ein. In eingehender Weise erklärte der Fürst ferner, wenn der Reichstag das Gesetz ablehne, werde die Regierung mit einem neuen Reichstag be­raten, ablehne auch dieser, dann sei die Regierung schuldlos. Richter gegenüber erklärt der Reichskanz­ler in einer späteren Rede, wenn somit unter dem Liberalismus die Herrschaft des Parlaments zu ver­stehen sei, werde er dieselbe mit seinen letzten Kräften bekämpfen. Die Vorlage mit den Wiudlhorst'schen Anträgen sei ein Ding, aus welchem der Kecn herauS- geschält. Bismarck sprach sich auf das Schärfste ge­gen die politische Thcuigkeit der Fortschrittspartei aus und wicS bin auf die positive Sozialrcform der Regierung, welche neben dem Sozialistengesetz allein das richtige Mittel sei.

Berlin, 10. Mai. Das Sozialisten­gesetz wurde nach der Regierungsvorlage mit 189 gegen 157 Stimmen, also mit einer Majorität von 32 Stimmen angenommen. Vorher hatte Hänel erklärt, die Freisinnigen würden gegen das Gesetz mit den Anträgen Windthorst's stimmen, worauf Windthorst

seine Anträge zürückzog. Welchen Einfluß die Abstimmung auf die inneren Zustände des Zentrums und der deutsch-freisinnigen Partei ausübcu wird, das wird die nächste Zukunft lehren. So viel steht fest, daß Differenzen zu Tage treten, die von schwer wiegender Bedeutung werden müssen. Das Abstim­mungsresultat ist als ein Ereignis und zugleich als eine Probe zu betrachten, deren Wichtigkeit und Trag­weite niemand unterschätzen wird!

Berlin, 10. Mai. Dem Frankfurter Jour­nal wird von hier telegraphiert: Es ist jetzt jeder Zweifel ausgeschlossen, daß der höllische Plan, das Niederwald-Denkmal bei der Einweihung mit allen zur Stelle befindlichen Personen zu sprengen, wirklich bis zur Legung der Zündschnur ausgeführt war. Das Dynamit befand sich in den Drainröhren des Denkmals selbst.

Berlin, 8. Mai. Durch kaiserl. Entscheidung ist bestimmt worden, daß in Zukunft zur Feldaus­rüstung der Offiziere der Fußtruppen Revolver und Doppelfernrohre gehören; außerdem soll im Kriege der Schleppsäbel getragen werden. Offiziere, welche bereits im Besitze der beiden zuerst gen. AuSrüstuugs- gegenstände sind, dürfen dieselben in Benützung neh­men, wenn sie auch nicht den vorschriftsmäßigen Modellen entsprechen. Bei Neubeschaffungen von Revolvern jedoch ist das Modell 83 zu wählen, wäh­rend wegen eines geeigneten Doppelfernrohrs noch weitere Entschließungen Vorbehalten bleiben. Von Einführung eines bestimmten Schleppsäbelmusters wur­de Abstand genommen, damit Offiziere, welche Schlepp­säbel bereits in früheren Feldzügen geführt oder von ihren Vorfahren geerbt haben, auch in Zukunft von diesen für sie wertvollen Waffen Gebrauch machen können. Endlich werden alle diejenigen Unteroffiziere der Fußtruppen, welche leine Schußwaffen führen, also die Feldwebel, Vizefeldwebel, Fahnenträger, Re­giments- und Bataillonstambours, mit dem Revolver Modell 83 ausgerüstet.

Lötzen, 1. Mai. Ende Febr. d, Js. wollte der Unteroffizier N. vom Füsilierbatalllou des 43. Regiment, welches jetzt in Königsberg stehO auf der Rückkehr von einer Schießübung einen Eiszapfen vom Dache herabschießen. Er lud sein Gewehr mit einer scharfen Patrone und drückte los, in demselben Augen­blick steckte ein Rekrut den Kopf zum Fenster hinaus, die Kugel traf ihn ins rechte Auge und tötete ihn sofort. Dieser Tage ist nun der Unteroffizier vom Kriegsgericht in Königsberg zu 4 Monaten Festungs­haft verurteilt und bereits zur Verbüßung der Strafe nach Danzig abgesührt.

DieEisenzeitung" schreibt:Faire Traders. Während dieinternationale Ausstellung" im Kristall- Palast eröffnet wurde, hat es an den üblichen Phrasen von der Verbrüderung der Nationen und dergleichen nicht gefehlt. Die Sache erhält aber eine etwas merkwürdige Beleuchtung durch Bestrebungen, die in England immer mehr an Boden gewinnen, und von denen der Sheffield Daily Telegraph bei Gelegenheit der Besprechung einer kürzlich in Birmingham statt­gehabten Fair Trader-Versammlung schreibt:Die Thatsachcn sind so sehr auf Seite der Faire Traders, daß sie in weniger als sieben Jahren die ganze Masse der arbeitenden Klaffe auf ihrer Seite haben werden." Wie wir bereits in früheren Aufsätzen dargelegt haben, fängt man in England über die Ursachen nachzudenken an, warum die Welt die englische Ueberproduktion nicht mehr aufnimmt und weßhalb sich nicht nur die britische Handelsbilanz, sondern auch die Geschäfts­lage zusehends verscblechtert. Lohnerniedrigungen und Strikes sind etwa so alltäglich geworden, das; die Presse kaum mehr Notiz davon nimmt. Einer der Hauptredner, Lord Dunraven, wies nach, daß die englische Industrie die verhältnismäßig geringsten Fortschritte mache. Unter den Schutzzöllen hätten die Bereinigten Staaten ihren Nationaireichtum um 3.3 Milliarden (Marks vermehrt, Frankreich um 1,5 Milliarden, während England eine Vermehrung um nur 1,3 Milliarden Mark anfzuweiscn habe trotz seiner ungeheuren Hilfsmittel und trotz der Beherr­schung deS Weltmarktes durch die Kolonien. Ein anderer Redner, Herr E. Abrahams, sagte:Seht hin aus den vortrefflichen Bahnhof der North Eastern- Gesellschaft in Uork, er ist fast ganz aus belgischem Eisen gebaut. DaS Ausland bringt seine Fabrikate in steigender Menge nach England ; will man daher der Not steuern, so müssen wir 1) die fremden Fab­rikate von unseren Grenzen abhalten, 2) den Kolo­nialmarkt für England allein Vorbehalten. Beides erreicht man mit einem einzigen Schlage, indem man