(Polizeiliches.) Im Hinblick auf den in letzterer Zeit vielfach stattgefundcnen Eintritt neuer Dienstboten und Lehrlinge rc. dürfte es nicht uiran- gezeigt erscheinen, die nachstehenden gesetzlichen Be­stimmungen auch an dieser Stelle in Erinnerung zu rufen. Die Berordn. vom 6. August 1872, K 3 und Art. 15 des Polizeistrafgcsetzes bestimmen, daß Dienst- Herrschaften und Gcwerbeinhaber gehalten seien, den Eintritt neuer Dienstboten, Lehrlinge, Gehilfen oder Arbeiter innerhalb acht Tagen nach dem Dienstan­tritt der Ortspolizeibehörde anzuzeigcn und daß, wer diesen Vorschriften zuwiderhandelt, mit Geld­strafe bis zu zehn Thalern oder mit Haft bis zu 8 Tagen zu bestrafen sei. Zugleich wird darauf hin- gcwiesen, daß sämtliche Lehrlinge und Arbeiter unter 21 Jahren Arbeitsbücher führen müssen, die Nicht- sührung von solchen zieht für die Arbeitgeber Geld­strafe bis zu 20 oder Hast bis zu drei Tagen nach sich. Die An- und Abmeldungen haben bei dem Ortsvorsteher zu erfolgen.

Starker Hagel am Bodensee, der auch Orte auf württcmbcrgischcm Gebiet empfindlich traf (am 29. April) und ein mit Hagel verbundenes Gewitter am I. Mai zwischen Aulendorf und Altshauscn, mah­nen ernstlich, zur Zeit die Felderzeugnisse gegen Hagel­schaden zu versichern.

In Würz bürg wurde vorgestern nachmittag in einem der letzten Häuser der Vorstadt Grombühl ein Raub ausgeführt. Zwei Handwerksburschen spra­chen in einer in der vierten Etage gelegenen Woh­nung eines Stahlarbeiters das Dienstmädchen um ein Almosen an. Als die Magd erwiderte, die Dienstherrschaft sei nicht zu Hause, wurde sie von einem der Burschen gewürgt, geknebelt und ihr die Pulsader der linken Hand zugebunden, so baß sie die Besinnung verlor. Sodann erbrachen die Räu­ber den im Zimmer befindlichen Schrank und einen Koffer. Was sie geraubt, ist noch nicht genau fest- gestellt. In der Stadt herrscht große Aufregung.

Ein Dienstmädchen in Fraukfurt erhielt vor einigen Tagen einen Zahlungsbefehl über 114 «,16 Milchschuldcn. Der Herrschaft fiel das Schriftstück in die Hände und nun stellte es sich heraus, daß das Mädchen sich jeden Morgen mit Milch gewa­schen hatte, um eine weiche und elastische Haut zu erhalten. Zu der Meinung, daß Milch schön mache, war sie durch daS Waschwasser der Frau, welches stets weiß von Lilionaise war, gekommen.

Frankfurt. Einer verliebten Köchin wurde ein schlimmer Streich gespielt. Besagte Köchin hatte ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann, dessen Gattin sie gern zu werden wünschte. Sie schlug ihm deshalb vor, sich von seiner Fran schei­den zu lassen und übergab ihm, als er einwilligte, ihr Sparkassenbuch, um zur Bestreitung der Prozeß - kosten darauf 300 «46 zu erheben. Wie die Fr. N. erzählen, erhob der Mann aber nicht blos 300 wie die Eigentümerin des Buches wollte, sondern die ganze Spareinlage, die rund 4000 <46 betrug. Mit dem Gclde eilte er dann zu seiner Frau, die er über die Art und Weise, wie er dazu gekommen, unterrichtete und aufforderte, mit ihm nach Amerika zu gehen. Die Fran war, da beide in Deutschland nicht viel zu verlieren hatten, gleich dazu bereit und sie gingen mit dem Gclde schleunig auf und davon. Als die Betrogene davon erfuhr, soll sie sich wie wahnsinnig geberdet haben. Seit drei Tagen wird sie vermißt.

Kassel, 30. April. Ein Spaß, welcher in seiner Art wohl einzig dastehen dürfte, wurde un­längst ans der Eisenbahnstrecke Kassel-Waldkappel in der Nähe der Station Niederzwehren anSgcsührt. Ein Schäfer wettete mit drei Soldaten, den Pcrso- nenzug, welcher nachmittags von Kassel nach Wald­kappel fährt, zum Stehen zu bringen. Er legte sich alw guer über die Schienen, um so das Zugperso­nal glauben zu machen, er wolle sich totsahrcn lassen. Der Lokomotivführer sieht den auf der Schiene lie­genden Mann und bringt den Zug rechtzeitig zum Stehen. Als der Schäfer hieraus das Hasenpanier ergreift, eilt ihm aber der Zugführer, der Maschi­nenmeister und der Heizer nach und erwischen ihn sowie einen der Gegenwettendcn, einen Soldaten, bläuen beide in aller Geschwindigkeit durch und überliefern sie dann der Station Niederzwehren zur Weiterbeförderung. Dem ersten Nachspiel in Gestalt der wohlverdienten Prügel dürfte aber noch ein zweites vor Gericht folgen.

In Darmstadt hat vorgestern die Vermäh­

lung der Prinzessin Viktoria mit dem Prinzen Lud­wig von Battenberg stattgefunden. Der Feier wohn­ten die Königin von England der deutsche Kron­prinz und die Kronprinzessin, Prinz Wilhelm, Prinz Heinrich, der Prinz und die Prinzessin von Wales, Fürst Alexander von Bulgarien und andere Fürst­lichkeiten bei.

DieKrzztg." berichtet, der Kaiser würde über den Tag der Grundsteinlegung zum Neichstags- gebäude erst dann entscheiden, wenn über das So­zialistengesetz im Reichstage Beschluß gefaßt sei. Kein Zweifel, daß der Kaiser und die Regierung nach wie vor den größten Wert auf die unveränderte Annahme des Sozialistengesetzes legen.

Berlin, 2. Mai. Im Reichstag wird die Vorlage über den Feingehalt der Gold- und Silber- waren nach längerer Debatte unter Ablehnung aller Amendements nach den Kommissionsanträgen ge­nehmigt.

In der letzten Rcichstagsitznng wurde die Beratung des Krankcnversicherungsgesetzcs zu Ende geführt und das Ge­setz im ganzen angenommen. Ans der Verhandlung ist hervor- zuheden, daß der Antrag Maitzahn u. Gen.: die Bestimmung zu streichen, wonach der Kasse zu bescheinigen ist, daß ihre Sta­tuten dem Kronkcnkasscngcsctz nicht widersprechen, abgclehnt wurde. Ein Antrag Hirsch, daß gegen Versagung dieser Be­scheinigung der Rekurs zulässig ist, wurde mit 127 gegen 113 Stimmen angenommen. Eb. nsalls abgelehnt wurde der von Maltzahn und Gen. ausgehende Antrag, die in der Regierungs­vorlage enthaltene und bereits früher gestrichene Bestimmung, wonach der Leiter von Generalversammlungen event. zur Be­strafung gezogen werden könne, wiedcrherznstcllen. Schließlich wurde noch eine von der deutsch-freisinnigen Partei vorgcschla- gene Resolution: Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, bei den verbündeten Regierungen dahin zu wirken, daß die Anweisungen zur Ausführung dieses Gesetzes baldigst erlassen und die Ver- waltiings- und Gemeindebehörden anfgefordert werden, die Schritte behufs Zulassung eingeschriebener Hilfskasse» zu be­schleunigen, obwohl sie vom NegierungStisch materiell und formell für überflüssig erklärt worden war, mit 115 gegen 108 Stim­men angenommen.

Im Reichstage wurden in der letzten Sitzung zwei oft besprochene hochwichtige Gegenstände in Beratung gezogen: Die Entschädigung unschuldig Verurteilter und die Berufung in Strafsachen. Leider wird man für dieses Jahr oder wenig­stens für die laufende Sitzungsperiode der Hoffnung ans das Zustandekommen der bezüglichen Gesetze nicht Raum geben können, da auch diese Anträge das Schicksal teilten, einer Kom­mission überwiesen zu werden. Von der Regierung wurden den beiden Anträgen wenig Slimpathien entgegenaebracht. Ist dies auch im Interesse des Landes zu bedauern, so hat hin­sichtlich des erstgenannten Antrages die Verhandlung doch den Vorteil gebracht, das; die seitherige ablehnende Haltung der konservativen Partei, der öffentlichen Meinung entsprechend, eine andere geworden ist. Der zweite Antrag vegegnerc, trotz der gewichtigen Gründe, welche dafür, in Uebereinstimmung mit weiten Kreisen im Lande, ins Feld geführt wurden, einer ge­teilten Stimmung im Hause. Die UufallversichernngS-Kom- mission hat den Regierungs-Entwurf in der Hauptsache ange­nommen, sodaß also jetzt wohl kein Zweifel mehr über das Zustandekommen dieses wichtige» Gesetzes in der lausenden Sitzungsperiode obwalten kann.

Berlin, 2. Mai. DieKöln. Volksztg." bringt folgende Depesche aus Berlin:Sicherem Vernehmen nach ist die Resignation des Kardinals Ledochowski vollendete Thatsache, und in den Verhandlungen zwi­schen Nom und Berlin bereits über die Person seines Nachfolgers, Weihbischof Cybichowski von Gnescn, eine Einigung erfolgt."

Berlin, 1. Mai. Die Blätter veröffentlichen eine Liste der Kandidaturen, welche die Sozaldcmo- kratie bei den nächsten Rcichstagswahlcn ansstellen will, Darunter figurieren u. a. Stuttgart mit Dr. Dulk als Kandidaten, ferner Baden-Rastatt und Pforz­heim , wo beidemal Apotheker Lutz ans Stuttgart kandidieren soll.

Berlin, 2. Mai. Die Negierung läßt offiziös verbreiten, sie habe niemals mit der Möglichkeit ge­rechnet, jetzt den Reichstag aufzulösen; ebenso wird die Nachricht, die preußische Regierung plane eine strengere gesetzliche Svnntagsseicr, offiziös als zu Wahlzwccken dienend erfunden erklärt.

Eine Schwindlerin, die cS nicht unter Tausenden thut, ist die Gräfin Nedcy. Unter An­klage gestellt, erscheint sie vor der Strafkammer des Berliner Landgerichts und macht durch ihre vor­nehme, stattliche und trotz ihrer 44 Jahre noch schöne Erscheinung, sowie durch ihr elegantes und vollkom­men sicheres Wesen einen vorteilhaften Eindruck. Sie ist eine geborene Henriette Frank, Tochter eines unter dem vielsagenden Namen Schwefelmarie s. Z. in den Berliner Tanzlokalen sehr bekannten Frauen­zimmers. Ihre Carricre soll sie alsMädchen für Allcns" begonnen haben, folgte aber bald dem höhe­ren Zug, der sich in ihr regte. Eines Tages fand sie einen heruntergekommenen Mechaniker Namens von Redey, mit dem sic sich Knall und Fall vcr- hciraicte, ihm aber nach etlichen Tagen gegen eine

Abfindungssumme wieder den Laufpaß gab, da es ihr offenbar nur um den Namen zu thun war. Als Gräfin Redey trat sie nun ungemein großartig auf, logierte in den feinsten Hotels und hatte bald eine Menge Bekanntschaften in der vornehmen Welt. Als angebliche Besitzerin eines Hauses in Schömberg, einer Villa in Ems, einer Hypothek von 24 000 «,16 gelang es ihr bald, ihre Schröpfmaschine in ausgie­bigster Weise in Bewegung zu setzen. Von dem Sohn eines Diplomaten erhielt sie Wechsel im Be­trage bis 30000 «,16 und außerdem die Cession einer ihr zugefallenen Erbschaft von 103000 «46 Einer Klaviervirtuosin entlockte sie ihr Vermögen von 15 000 «46, einem andern Herrn nahm sie zwei Wech­sel von 4500 «,16 ab. Im Termin bestritt sie ihre Schuld und gab an, daß sie von einer hohen Per­son, die sie nicht nennen dürfe eine Pension von 10 bis 12 Tausend Mark beziehe. Ein Urteil konnte nicht erfolgen, da die beiden Hauptbelastungszeugen nicht erschienen waren.

In unserer materiellen Zeit scheint alles ver­käuflich zu fein. In einem Berliner Blatte finden wir folgendes Inserat:Heiratsantrag. Ich wünsche meine drei Töchter zu verheiraten. Selbe sind 17,

18 und 20 Jahr alt, hübsch, sehr gebildet und ver­mögend. Nur nicht anonyme Briefe werden beant­wortet unter Chiffre .... Photographie erwünscht.

Eine gute Sitte aus alter Zeit herrscht noch unter den Salzwedel er Schuhmachcrgesellen. Die­selben sind Besitzer von 3 Kirchcnsinhlen in der St. Marienkirche. Jeden Sonntag muß ein Geselle zur Kirche, um die Stühle auf- und znznschließen und darauf zu achten, daß keins der dort sich vcfindenden

19 Gesangbücher abhanden kommt; im Weigerungs­fälle zahlt der Geselle 25 Strafe. Evensv wird das Üebcrsteigcn mit 25 und das Plaudern mit 15 ^ bestraft.

Görlitz, 30. April. In Görlitz ist ein Tischler- strike und in Liegnitz ein Wvllwarenarbciterstrike aus- gebrochen.

Oesterreich-Ungarn.

W ien, 26. April. Heule Nacht 10 Uhr wurde auf hiesiger Sternwarte im Stcrnbilde dec Jungfrau ein neuer Planet, welcher einem Sterne 12. Größe gleicht, aufgcfunden.

Wien, 2. Mai. Der KrakauerCzas" bringt die merkwürdige Meldung, Bismarck habe den Bot­schafter Prinzen Neuß beauftragt, das Wiener Kabinet darauf aufmerksam zu machen, daß die allzugroße Begünstigung des polnischen Elements in Oesterreich eine Gefahr für Preußen und Rußland bilde. Frankreich.

Der deutsche Botschafter in Paris hat Herrn Jules Ferry in Kenntnis gesetzt, daß die Sendung des Generals de Galliffet als Chef der Militärmission, welche in diesem Jahre den großen Manövern der deutschen Armee beiwohnen soll, günstig in den Mi­litärkreisen Berlins aufgenommen werden würde. Die großen Manöver in Deutschland haben in diesem Jahre eine ganz besondere Bedeutung. Die Reiterei wird dabei die Hauptrolle spielen.

Paris, 1. Mai. DieLiberte" bestätigt, daß Frankreich von China eine Kriegsentschädigung for­dern wird, wenn dieses keine anderweitige Genug- thuung gewährt. Frankreich werde auch in eine et­waige Vermittlung einwilligen. Nach Wiederzu­sammentritt des Parlaments wird die Regierung einen Kredit von 50 Millionen für Tonkin fordern. Spanien.

Madrid, 30. April. Das definitive Wahl­resultat ist 329 Anhänger der Regierung und 98 Oppo­sitionelle aller Schattierungen.

Amerika.

Newyork, 30. April Das Armenhaus der Grafschaft Banburgen in Michigan ist verbrannt, wo­bei 15 Personen in den Flammen umkamen.

Zufolge einem Telegramm derTimes" aus Philadelphia traten 4 Männer in die Medicine Valley Bank, Kansas und schossen ans den Präsi­denten und Kassierer, weil dieselben sich weigerten, ihnen Geld zu geben. Die Räuber entflohen darauf zu Pferde. Der Kassierer ist tot, der Präsident rötlich verwundet.

Handel L Uerkehr.

Zufolge der Verfügung des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten, Abteilung für die Vcr- kehrsanstalten, betreffend Einschränkung de s Po st die n st es an Sonn- und Festtagen, wird