Arbeiterausschüssen ist eine wesentlich erhöhte Be­deutung beigelegt. Neben der Wahl der Hälfte der Beisitzer zu den Schiedsgerichten und der Begut­achtung aller Vorschriften zur Unfallverhütung ist ihnen die Betheiligung an der Untersuchung der Un­fälle und ein Wahlrecht zur Entsendung zweier nicht ständiger Mitglieder des Reichs-Versicherungsamtes verliehen. Was die Schiedsgerichte anlangt, an welche die Verletzten oder die Hinterbliebenen der Verunglückten sich wenden können, wenn sie mit der Festsetzung der Renten rc. von Seiten der Genossen- schaftsvorstunde nicht einverstanden sind, so ist in allen wichtigen Fällen Rekurs an das Reichs-Ver­sicherungsamt zugestanden. Die Genossenschaften unter­liegen in Bezug aus Befolgung desUufallvers.-Gesetzes der Beaufsichtigung des Rcichs-Versicherungs-Amts. Das Reichsversicherungsamt hat seinen Sitz in Berlin: cs besteht aus mindestens drei ständigen Mitgliedern, einschließlich des Vorsitzenden und aus acht nichtstän­digen Mitgliedern. Der Vorsitzende und die übrigen ständigen Mitglieder werden auf Vorschlag des Bun­desraths vom Kaiser auf Lebenszeit ernannt, von den nichtständigen Mitgliedern werden vier vom Bun- desrath aus seiner Mitte, und je zwei mittelst schrift­licher Abstimmung von den Genosseuschaftsvorstünden und den Arbeiterausschüsscn gewählt. Die Amtsdaucr der nichtständigen Mitglieder währt vier Jahre. Das Stimmenverhältniß der einzelnen Genossenlchastsvor- stünde und Arbeiterausschüsse bei der Wahl der nicht­ständigen Mitglieder bestimmt der BundeSrath unter Berücksichtigung der Zahl der versicherten Personen. Die Kosten des Reichsversicherungsamts und seiner Verwaltung trägt das Reich. Die Aufsicht des Reichs- versichernngsamls über den Geschäftsbetrieb der Ge- nosseiischastcn hat sich aut die Beobachtung der ge­setzlichen und statutarischen Vorschriften zu erstrecken. Das Reichsversicherungsamt ist befugt, jeder Zeit eine Prüfung der Geschäftsführung der Genossenschaften vorzunehmen.

Tages-NeuigkeiLerr.

/ Deutsches Reich.

/ si Nagold, 13. Jan. Schon seit einer Reihe von Jahren besteht in Württemberg eine Landcs- unterstützungSkasse für im Dienst bei Brandfällen und Hebungen verunglückte Feuerwehrmänner. Diese Kasse besteht hauptsächlich aus Beiträgen der in Württem­berg concejsionirten Feuerversicherungsgesellschaften. Anders verhielt eS sich bisher mit solchen Feuerwehrmän­nern, die ans Anlaß von lleberschwemmungen u. Wolken- brüchcn zur Rettung von Menschenleben, Vieh und FahrnißgcgcnsiändenzurDiensrlcistunggerufen wurden. Diese hatten nicht das beruhigende Gefühl im Augen­blick der Gefahr, daß ini Falle ihrer körperlichen Be­schädigung von Seiten einer Unterstützungskasse für ihre Familien resp. Hinterbliebenen gesorgt werde. Dieses soll nun in Zukunft anders werden, und ist diese Frage in Feuerwehrkreisen schon öfter angeregt worden. In letzter Zeit nun erließen die HH. Landes­feuerlöschinspektor Grvßmann und Bczirksfeuerlösch- inipektor Schuster eine Einladung an eine Anzahl Feuerwehren, welcher 8 Folge leisteten und heute im kleinen Rathhaursaale tagten. Vertreten wären: Altcnstaig durch Herrn Vicekommandant Lutz, Calm­bach Herrn Schultheiß Heberte, Calw uud Hirsau Herrn Commandant Georgii, Horb Herrn Comman- dant Bühler, Nagold Herrn Commandant Schnsrer, Wildberg Herrn Commandant Widmaier, Wildbad Hrn. Comm. Nometsch,ferner Nürtingenu.Freudenstadt. Nach einer kurzen Begrüßung durch Herrn Bezirks- feuerlöschinspektor Schuster wurde Herr Laudcsfeuer- löjchinjpektor Großmann zum Vorsitzenden der Ver­sammlung berufen, welcher auch sofort den Vorsitz übernahm und die Verhandlungen einlcitetc. Herr Grvßmann betont, daß es sich nicht um für sich be­stehende Wasseiwehren handle, sondern dieselben sollen Abtheilungen innerhalb der Feuerwehren bilden. Herr Romelsch-Wildbad möchte alle organisirten Feuer­wehren, gleichviel ob solche an einem Flusse liegen oder nicht, in den Verband eingeschlossen sehen, da auch bei höher gelegenen Gemeinden Wolkenbrüche und ähnliche Naturereignisse nicht ausgeschlossen seien. Entschädigung sollen nur solche Verunglückte erhalten, welche Mitglieder einer organisirten Feuerwehr sind, welch letztere sich zur Hilfeleistung bei Wassersgesahr verpflichtet hat. Die jährlichen Beiträge der Ge­meinden oder Feuerwehren sollen sich bei einer Zahl bis zu 1000 Einwohnern 5^, 1500 EinwohnernlO >M, 2000 Einwohnern 15 und darüber 20 »/L be­

tragen. Die Verwaltung der Kasse soll durch die Centralkassenverwaltung des Landesfeuerwchrver- bands geschehen. Die Verpflichtung der Mitglied­schaft ist vorläufig 3 Jahre, und findet eine Auflösung erst dann statt, wenn nur noch 5 Feuerwehren Mitglieder sind. Die Statuten, die von der Versammlung definitiv angenommen wurden, sollen an alle organisirten Feuerwehren versendet werden mit der Bitte um weitere Beitrittserklärungen, und zweifeln wir nicht, daß viele Feuerwehren und Gemeinden hievon Ge­brauch machen und sich anschlicßen werden, denn der Wahlspruch der Feuerwehren ist:

Einer für Alle und Alle für Einen!

Stuttgart, 10. Jan. Auf der gestrigen Versammlung der deutschen Partei brachte Herr- Gr ub die Schwenkung, welche sich scheinbar mit diesem Jahre in der Volkspartei vollzogen habe und in ihrem Organ demBeobachter" zu Tage treten solle, zur Sprache. L-ie wolle sich jetzt mehr ans den Boden der Rcichsverfassuug stellen und deßhalb dürfe die deutsche Partei wohl die Hoffnung hegen, daß, wenn die gemäßigte Gruppe der Volkspartei wirklich die Oberhand gewinne, sich zwischen beiden Parteien ein Modus finden lassen müsse zu gemein­samer Arbeit ans einzelnen Gebieten der Gesetzgebung.

In Eßlingen ist das 2jährige Kind eines Weingärtners in einem unbewachten Augenblick in einen Kübel siedenden Wassers gefallen und seinen Brandwunden erlegen.

(S tro mcrb rutalitä t.) In daS Wohn­haus des Bauern I. Stortz in Reichenbach bei Hornberg kamen Mittwoch Abend zwei Stromer und verlangten Nachtquartier, was denselben jedoch von dem Eigenthümcr des Hofgutes verweigert wurde, worauf die beiden Strolche sich auf Storz stürzten und denselben mit Messerstichen in Brust und Bauch lebensgefährlich verletzten, um sodann das Weite zu suchen. Einer der beiden Thäter ist bereits verhaf­tet und hofft man, auch des zweiten alsbald habhaft zu werden. Der Zustand des Verwundeten soll hoff­nungslos sein.

Die bayerische Ka mm c r nahm gestern das Hagelversicherungsgesetz mit 151 gegen die Stimmen Stauffenberg's und Hörmanns an.

Ein lljähriger Knabe in Würz barg, Her­wegen einer erhaltenen Züchtigung auf seinen Vater nicht gut zu sprechen war, suchte sich, wie man mit­theilt, an demselben dadurch zu rächen, daß er Schwefel von Zündhölzern abschabte und denselben in das Bier , seines Vaters warf. Durch den schlechten Geschmack des Bieres aufmerksam gemacht, wurde die That des Knaben bekannt, der solche auch eingestand.

Die altkatholischeBewegung" in Worms hat ein klägliches Ende genommen. Blau hat es dahin kommen lassen, daß der altkatholische Verein sich ausgelöst hat und daß der Altar der Gemeinde einem Weinlicferanten an Zahlung gegeben wurde.

Vor ca. 8 Wochen haben sich in Niedere ad 23 römisch-katholische Familienväter zusammengethan, ihren Austritt aus der römisch-katholischen Kirche er­klärt und eine deutsch-katholische freireligiöse Gemeinde gebildet.

Gras Herbert v. Bismarck ist zur deutschen Botschaft in Petersburg versetzt worden und begibt sich Anfangs der nächsten Woche dorthin.

Deutschland als ehrlicher Makler. Wie der Berliner Correspondent der Morning Post erfährt, soll die deutsche Negierung England angerathen haben, in allen Fragen über die Lage in Egypten in voll­ständigem Einoerständniß mit der Pforte zu handeln.

(Ein Dementi.) Der Berlin er Correspondent der Times ist ermächtigt, zu erklären, daß das in der Presse verbreitete Gerücht,ein französisches Kriegs­schiff habe es unterlassen, das deutsche Geschwader, welches den Kronprinzen begleitete, zu salutiren, wes­halb vom Fürsten Bismarck Vorstellungen erhoben worden seien," gänzlich erfunden sei. Auch von Paris aus wird die Nachricht, daß der Vorfall zu diploma­tischen Schritten Veranlassung gegeben habe, dementirt.

Kierberg, 7. Jan. Bei einer gerichtlichen Ver­steigerung durch Gerichtsvollzieher im Hause des ver­storbenen Bäckers Laufenberg in Vochem, bei welcher etwa 50 Personen anwesend waren, stürzte die Keller­decke ein. Sämmtliche Anwesende fielen in den Keller. Erhebliche Verletzungen kamen glücklicherweise nicht vor. Oesterreich-Ungarn.

Wien, 11. Januar. Gestern Nachmittag um 5Vi Uhr drangen zwei Männer in die Wechselstube Eiserts in der sehr belebten Mariahilferstraße ein,

streuten dem Bankier Sand in die Augen, verletzten ihn lebensgefährlich und raubten sein Portefeuille aus. Auf sein Hilferufen eilten aus dem rückwärts gelegenen Zimmer die Gouvernante und zwei jüngere Kinder herbei; erstere und ein Kind wurden von den Ver­brechern schwer verletzt, ein Kind mit einer Hacke er­schlagen. Nach Eiserts Angabe soll noch eine dritte Person an dem Attentate betheiligt sein. Es ist den Thütern gelungen, zu entfliehen.

Nach einem Telegr. derF. Ztg." wurden bei Eifert 3500 fl. geraubt. Wie man dems. Blatt aus Stuttgart telegraphirt, wurden gestern Mittag bei Ankunft des Wiener Schnellzuges zwei Indivi­duen, als verdächtig, den Raubword in Wien be­gangen zu haben, verhaftet und in Verwahrungshaft genommen. Dieselben fuhren in erster Klasse. Ein dritter Verdächtiger wurde gestern Mittag auf dem Bahnhöfe zu Pforzheim verhaftet, wo derselbe mit dem WienPariser Schnellzug eintraf. Derselbe gab sich als einen Bahnbeamteii aus und setzte sei­ner Verhaftung keinen Widerstand entgegen.

Wien, 10. Jan. Hier wurde ein Individuum Namens Hugo Schenk, angeblich ein Ingenieur, verhaftet, welcher vier Frauenspersonen, (Dienst­mädchen), die er unter der Vorspiegelung, sie ehelichen zu wollen, an sich zu locken wußte, meuchlerisch er­mordete, um sich in den Besitz ihres Vermögens zu setzen.

Wien, 12. Jan. In der Schcnk'schcn Mord- affaire mehren sich die Anzeichen, daß die Anzahl der von Schenk hingeopferteu Mädchen eine größere ist, als durch die bisherige Untersuchung festgestellt wurde.

Innsbruck, 8. Januar. Gestern erfolgte zu Vetzau ein Erdsturz. Vier Häuser wurden verschüttet, elf mußten wegen höchster Gefahr geräumt melden. Betzau ist ein Flecken mit ca. 1000 Einwohnern und Sitz des Bezirksgerichts für den Hinteren Bregenzer­wald.

Frankreich.

Paris, 10. Januar. Vor der Bank und der Börse am Börsenplatz war eine große Menge Men­schen versammelt. Der Direktor der Bank, Marie Renaud, befindet sich seit heute Morgen auf der Flucht. Derselbe hat ein Schreiben hinterlassen, in welchem er anzeigt, daß durch Börseuspicl daS Geld der Aktionäre verschlungen sei. Der Verlust der Aktionäre wird auf 3 Mill. Francs geschätzt.

Der französische Ministerrath hat beschlossen, die Anklage gegen das Woche,iblcutRöpublique dömocratique et sociale", das Organ der Deputirten Talandier, erheben zu lassen. Veranlassung dazu ist ein Artikel, in welchem die Ermordung aller Bour­geois gepredigt wird uud diese den Dieben gleichge­stellt werden.

England.

London, 11. Jan. Die Times meldet aus Hongkong vom gestrigen, daß in Folge eines Gesuches der Bevölkerung von Hainau um Schutz gegen den französischen Angriff 2000 Mann chinesischer Truppen nach Hainau gesandt seien.

Rußland.

Nach einer Meldung derDaily News" wäre es der russischen Polizei gelungen, die fünf Mörder Sudeikiws zu fassen. Eine Bestätigung dieser Mel­dung bleibt abzuwarten.

DasMuster" eines Verschwenders ist der russische Fürst Bjeloserski. Er hat in wenigen Jahren ein Vermögen von 60 Millionen Rubel durch- gcbracht. Für einen Liebliugspapagei, der ihm starb, veranstaltete er ein Leichenbegängniß, das 300,000 Rubel kostete. Sämmtliche Miethsfuhcwerke von Petersburg mußten demLeichenzuge" folgen. Ein andermal handelte cs sich um die Wette, das feinste Souper" in der kürzesten Frist Vorfahren zu lassen. Als die Reihe an Bjeloserski kam, gab es erst vier- einfache Gänge. Zum Dessert wurde dann von einer Anzahl Diener eine mächtige silberne Schüssel auf­getragen. Als man den Deckel lüftete, erblickte man darin, umgeben von Blumen nnd seinen Früchten eine bekannte Schauspielerin, als Bacchantin verkleidet. Die Unparteiischen erklärten darauf die Wette von Bjeloserski als gewonnen. Die silberne Schüssel im Gewicht von mehreren Ceulueru schenkte der Fürst der Schauspielerin als Badewanne.

Italien.

Rom, 9. Januar. Sämmtliche Mitglieder der königlichen Familie begaben sich heute in das Pan­theon, um am Grabe Viktor Emanuels ihre Gebete zu verrichten. Von außerhalb sind zur Gedüchtniß-