Auf dem Tische brannte ein Heller Lichterbanm, Nüsse, Aepfel, bunter Flitterkram hingen in seinen Zweigen. Vor der jubelnden Kinderschaar lagen Spiel­zeug, Pfefferkuchen und nützliche Gegenstände ausge­breitet.

Hinter ihnen standen Hand in Hand die Eltern, beglückt in dem Glücke ihrer Kinder, selig, freudig in dem Gefühle des Gebens, des Opferns ihrer ihnen sauer gewordenen Ersparnisse.

Und jetzt begann die Altstimme der Mutter leise das fromme WeihnachtsliedSülle Nacht, heilige Nacht" und die Hellen fröhlichen Kinderstiimnen, der Baß des Vaters fielen melodisch ein inbrünstiger, erhebender war dieses schöne Lied wohl selten gesun­gen worden, als hier in ärmlicher Hütte mitten im Hochwalde.

Eine Thräne der Rührung schimmerte in dem Auge der Gräfin, fester drückte sie den Arm des Gat­ten an sich.

Doch draußen im Walde war ein Menschenle­ben in Gefahr, die Hilfe durfte nicht verzögert wer­den. Der Graf klopfte an das Fenster.

Martin!" rief er mit gedämpfter Stimme. Drinnen verstummte der Jubel, ein bärtiges Gesicht erschien am Fenster.

Wer ist draußen?" fragte eine etwas unwillige Stimme. Doch sie verstummte plötzlich, erschrocken fuhr der Mann zurück. Glaubte er einen Geist, ein Phantom vor sich zu sehen?

Oeffne das Thor!" befahl der Gras, diesmal lauter, kräftiger. Doch schon hörte er drinnen eine Thüre zuschlagen, eilige Schritte näherten sich dem Thor, der Schlüssel klirrte im Schlosse.

Um Vergebung, Herr Graf, wer hätte Sie auch nach jahrelanger Abwesenheit in so später Stunde erwartet!" klang es bestürzt von den Lippen des Thor­wärters.

Schon gut. Alles Andere nachher. Sind kräftige Leute und der Kutscher meiner Mutter in der Nähe?"

Nur der Gärtner, sein Gehilfe, der frühere Artillerist, und ich, gnädiger Herr."

Das genügt. Drüben auf dem Rennsteig, am Falkenstein, liegt unser Postillon mit gebrochenem Fuße. Schafft ihn und Wagen und Pferde sofort in's Schloß."

Doch sorgt genügend für warme Decken und heiße, stärkende Getränke," setzte die Gräfin bittend hinzu.

Sie traten in den Park, der still im Mondes­glanze vor ihnen lag. Der starke, kräftige Mann zog die zarte Frauengestnlt in seine Arme.

Gott segne Deinen Eingang, mein süßes Weib, möge mein geliebtes Vaterhaus, die Stätte meiner frohen Jugendjahre auch eine zweite theuere Heimat für Dich werden."

Sie lehnte das schöne, blonde Haupt an seine Schulter und weinte bitterlich. Vor Glück, vor Freude, vor Stolz, vor banger Ahnung eines nahenden Un­glücks ?

So traten sie dicht umschlungen in das matt erleuchtete Schloßportal. Dumpf und unheimlich er­klangen ihre Schritte in dem stillen, öden Treppenhaus.

Die junge Frau schauerte in sich zusammen, da löschte ein heftiger Windzug, durch ein geöffnetes Fen­ster wehend, die einzige Treppenlampe aus dichte Finsterniß umhüllte sie.

Ein lauter Angstruf entglitt den Lippen der Gräfin, sogleich ward das Kind in ihren Armen un­ruhig es begann zu weinen.

Sofort öffnete sich oben in der Belle-Etage ha­stig eine Thür, eine schwarz gekleidete ältere Frauen­gestalt erschien mit brennendem Armleuchter am Trep­pengeländer.

Es war ein häßliches, vernarbtes Gesicht mit stechenden, tückischen Blicken, welches unwillig auf das junge Paar im Halbdunkel herniederschaute.

Ist man nicht einmal des Nachts mehr sicher vor diebischem Bettelpack," begann sie mit rauher Stimme dann verstummte sie plötzlich, den Grafen erkennend.

Nicht Bettler sind es, Marianne," rief Egon, wohl aber der Sohn des Hauses nebst Gattin, welche Einlaß begehren melden Sie mich und die Gräfin Landeck bei meiner Mutter."

Es giebt in diesem Schlosse nur eine Gräfin Landeck, meine fromme Herrin, welche soeben im Abendgebete begriffen ist dieselbe pflegt zu so spä­ter Stunde niemals Besuch zu empfangen."

Und doch befehle ich Dir bei meinem höchsten Zorne, mich sofort bei meiner Mutter zu melden," donnerte der Graf mit mächtiger Stimme.

Ein höhnisches Gelächter war die ganze Ant­wort, welche ihm zu Theil wurde, dann verschwand die Gestalt oben im Halbdunkel.

Maria, fürchte Nichts von jenem bösen Dä­mon, dem düsteren Schatten meiner Mutter, der schon Jahre lang ihr Herzblut vergiftet, ich bin bei Dir. Komm', mein thenrcs, mein muthiges Weib!"

Er wollte ihr, der vorher so angstvoll Bebenden, Trost und Hoffnung einflößen, aber er kam zu spät. Sie hatte, wenn auch mit Ausbietung ihrer ganzen Kräfte, schon ihre volle Fassung wieder erlangt. Ihr 'Auge blitzte kühn und entschlossen, ihre ganze Gestalt hatte sich hoch und stolz aufgerichtet.

Der Graf erfaßte die Hand seiner Gattin, so traten sie in ein matt erleuchtetes Vorzimmer.

II.

Dem Eingänge gegenüber befand sich eine dunkle Seidenportiore, hinter welcher Stimmengeflnster her- vordrang. Die schweren Falten des Vorhanges flo­gen unter der kräftigen Hand des Grafen zurück.

Sie befanden sich im Wohnzimmer der Schloß­herrin. Es war ein hohes, geräumiges Gemach, m welches sie blickten, aber cs hatte einen dufteren, me­lancholischen Charakter.

Dnnkelrothe Sammettapeten zierten die Wände, schwere Damasworhänge verhüllten die Bogenfenster. Das kostbare Meublement, die Wahl der Stoffe, Alles trug die Farbe des Ernstes, der Trauer.

Im Hintergründe des Zimmers, vor einem mit zwei brennenden Wachskerzen beleuchteten Betpulte, knieten zwei Frauengestallen.

Die eine, ältere, in eine schwarze Arlasrobe ge­kleidet, mußte wohl die Herrin, die andere, jüngere, in ein einfaches wollenes Kleid gehüllt, die Dienerin sein.

Die alte Dame regte sich nicht bei dem Geräu­sche der ihr wohlbekannten Schritte, sie blickte unver­wandt in das vor ihr liegende aufgeschlagene Ge­betbuch.

Der Graf flog auf sie zu und drückte die her­abgesunkene Hand der Mutter ehrerbietig an seine Lippen. Sein heißer Athem berührte ihr schneeweißes, unter einem Spitzenschleier reich hervorquellendes Haar.

Liebe, theure Mutter, wir sind gekommen, um Deine Vergebung zu erflehen, um das Fest der Ver­söhnung und der Menschenliebe, das schöne, selige Weihnachtsfest mit Dir vereint zu feiern. Willst Du, kannst Du uns verzeihen?"

Er erhielt keine Antwort, aber die gebückte Gestalt der alten Dame richtete sich auf, hoch, stolz, zürnend.

Es war ein starrer, eiseskalter Blick, den sie auf den Sohn warf, dann wies sie stumm, lautlos nach der Thür. Die Züge des Grafen wurden lei­chenblaß, er zögerte einen Augenblick, dann beugte er demuthsvoll sein Haupt.

Wenn ich die Pflichten des Sohnes dadurch verletzt, daß ich eigenmächtig die mir von Dir vorge­zeichnete Lebensbahn durchkreuzt habe, so geschah es um jenes Gottesfunkens, jener gewaltigen Macht der Liebe willen, die der Himmel früher oder später in jedes sehnende Menschenherz einkehren läßt. Der mütterliche Segen zu meiner Ehe hat mir drei Jahre bitter genug gefehlt, gieb ihn uns heute, mir, Maria und dem Kinde."

Und leise, geräuschlos war neben ihm die zarte Frauengestalt auf die Kniee gesunken. Ihr blaues Auge schimmerte in Thränen, als sie mit bebenden Lippen flüsterte:

Ich will Ihnen jederzeit eine treue, gehorsame Tochter sein, Frau Gräfin, will Ihrem einsamen, 'reudelosen Lebenspfade Sonnenschein, Glück und Her- ^ensfrieden bringen. Verzeihen Sie uns um unseres Kindes willen."

Und sie hob den süßen, blondgelockten Knaben, der mit Hellen, freundlichen Kinderaugen um sich chaute, zu der Gräfin empor.

Wie von einer Viper gestochen, trat die alte Dame einen Schritt zurück.

Genug der Komödie, mein Fräulein," klang es mit tiefster Verachtung von den Lippen der Grei- m,an mir sind Ihre Verführungskünste verloren, genug, daß Sie das Herz meines Sohnes gestohlen, mir gestohlen haben."

Eine glühende Röthe überzog das Antlitz der jungen Frau. Sie erhob sich von den Knieen.

Schon hatte sie die Lippen zu einer Entgegnung geöffnet, da drängte sie der Graf sanft bei Seite, s

Mutter," rief er mit vor tiefster Erregung be­bender Stimme,mich konntest Du beleidigen, soviel es Dir beliebte, m i ch kenntest Du Deinen Zorn füh­len lassen, aber nie werde ich es dulden, daß Du meine mir vor Gott angetrante Gattin, die Mutter meines Knaben, durch den Zweifel an unserer recht­mäßigen Ehe beschimpfst."

Ein bitteres, höhnisches Lachen scholl durch den Salon.

Ist der Stammbaum jener Dame vom Thea­ter dort wirklich so mackellos, so über alle Begriffe erhaben, daß Du, als Vertreter eines der ältesten Adelsgeschlechter Thüringens, diese Verbindung jeder anderen, Deines Ranges und Deiner Stellung würdigeren Parthie vorzogest?"

Da trat die junge Frau dicht vor die zürnende Gräfin.

Ihr Sammetpelz war von ihren Schultern ge­glitten, die eng anschließende, schwarze Seidenrobe hob die junonische Gestalt der Künstlerin in ihrer wunder­baren Schönheit hervor, das reiche, blonde Haar wallte wie Glorienschein um den edel geformten Kopf.

So wandte sie sich in ruhiger, stolzer Hoheit, mit echt königlicher Würde an die Greisin.

Frau Gräfin, meinen Namen ziert kein Adels­wappen, wie den Ihrigen, aber er ist ehrlich und fle­ckenrein und ich bin ebenso stolz auf ihn, wie Sie auf Ihre Grafenkrone. Ich besitze keine glänzenden I Vorzüge und Reichthümer ich nenne weiter nichts mein, als meine Ehre die unaussprechliche, über Alles in der Welt gehende Liebe zu Ihrem Sohne meinem Gatten und mein Kind und diese drei Schätze können Sie mir niemals rauben."

Die alte Dame mußte doch den Blick senken vor den stolz flammenden Augen der beleidigten Gat­tin und Mutter.

Ah, unvergleichlich schön, Madame, nur schade, daß Sie für Ihr ausgezeichnetes Schauspielertalent hier so wenig aufmerksame und dankbare Zuhörer besitzen. Nein, meine Gnädige, trotz Ihres liebens­würdigen Zwangsmittels" und sie deutete mit maß­loser Verachtung auf den inzwischen zu ihren Füßen sanft eingeschlafenen Knabenwerde ich Sie nie als Schwiegertochter anerkennen."

Ja, ja, schöne Dame," wandte sich Marianne in herausforderndem Tone an die junge Fraudie himmlische Gerechtigkeit hat, wie Sie sehen, Ihre schlaue Spekulation, sich mit Hülfe theatralischer Künste in eine hocharistokratische Familie einzubürgern und Fhren Sprössling als künftigen Schloßherrn in diese Hallen einziehen zu sehen, gründlich vereitelt."

Ein stolzer Blick tiefster Geringschätzung von Seiten Maria's traf die vorlaute Sprecherin.

(Fortsetzung folgt.)

Altertet.

Woher der Nameblinder Hesse" stammt. Darüber erzählt man nach dem Bär in Thüringen folgende Geschichte:Die freie Reichsstadt Mühlhausen wurde von den Hessen hart belagert, während die Stadt nur schwach vertheidigt werden konnte. Da kam ein Rathsherr auf den Gedanken, Pflöcke aus die Ringmauer zu stecken und Harnisch und Sturmhauben darauf zu hängen, während die Mannen neben diesen auf der Mauer standen. Als die Hessen so viel Besatzung sahen, zogen dieselben ab und gaben die Belagerung auf. Von da ab heißen die Hessenblinde". Die Mühlhäuser werden aber bis heute von den LangensalzaernPflocke" genannt. Die Mühlhäuser dagegen nennen die LangensalzaerSchwalbenesser", weil diese bei einer Belagerung der Stadt Langensalza Schwalben ge­fangen und dieselben verspeist haben sollen.

Nach hülfe. A.: Herr Jesses j Wehmeier, was schlägst Du denn Deine Frau unbarmherzig? B.: Warum? Sie kann sich den Studenten, der da drüben -ris-LWs ge­wohnt hat, nicht aus dem Kopf schlagen, drum will ich ihr a Bissel nachhclfcn.

Ein vorzügliches Weihnachtsgeschenk bil­det Brockhaus' Kleines Convcrsations-Lexikon, (3. Auflage, 2 Bde. geb. 15). Ju seinen 64 754 Artikeln und mehreren hundert Abbildungen und Karten gibt cs auf jede Frage die rechte Antwort; die Artikel sind kurz und bündig und correct, das Buch bildet somit ein wahres Repertorium menschlichen Wissens. Wie schwer ist oft die Erwählung eines passenden Weihnachtsgeschenks, welches neben Billigkeit und Gediegenheit auch Brauchbarkeit für Jedermann besitzt. Brockhans' Kleines Conversations-Lexikon ist wohl das beste Geschenk, da es genannte Vorzüge in sich vere inigt.

Vergesset die armen Vögel nicht!