hatte, und verwies die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz.
Donaueschingen, 2. Novbr. Die hiesige Stadtkasse wurde unter Siegel gelegt. Bei der vorgenommenen Revision sollen sich verschiedene Unrichtigkeiten in der Führung des Rechnungswesens ergeben haben. Der Rechner selbst ist seit Sonntag früh verschwunden. (W. L.)
Berlin, 31. Okt. Ein interessanter Proceß schwebt gegenwärtig am hiesigen Landgericht I., bezw. am Kammergericht. Gegenstand desselben ist die Gebühren- und Auslagenforderung eines hiesigen Rechtsanwaltes in Höhe von 10,000 In einem Ehescheidungsprozeß, den der Fürst S. gegen seine Ehefrau angestrengt, und der in Bonn und sodann in Köln gespielt hatte, war der betr. Rechtsanwalt sog. Korrc- spondenzmandatar des Fürsten gewesen. Als solcher hatte er Korrespondenzen mit dem Rechtsbeistavd des Fürsten in Bonn und Köln geführt, mit letzterem wiederholt konferirt, auch mehrfache Reisen nach Wien und Köln gemacht, sowie sonstige baare Auslagen gehabt. Alle die baaren Auslagen und Unkosten betragen jedoch im Ganzen nur ungefähr 20,000 so daß 50,000 ^ an Gebühren übrig bleiben. Entstanden ist mithin diese Gcbührenforderung zum größten Theil lediglich durch die Konferenzen, von denen an einem einzigen Tage oft 2 bis 3 uöthig wurden. Und da für jede einzelne Konferenz nach dem vollen, allerdings sehr großen Objekt die Konsulationsgebühr in Ansatz gebracht wurde, so kam es, daß von einem einzigen Tage für Konferenzen allein ungefähr 2000 in Rechnung stehen. Aus einem in seiaem Austrage erfolgten Verkaufe von Wcrthpapicren steht nun dem Fürsten S. eine Forderung von 40,000 .6 an den Rechtsanwalt zu; auf diese Summe ist von dem Fürsten Klage erhoben worden, und dieser Klage hat der Rechtsanwalt seine Widerklage auf Zahlung von 70,000 .4: an Gebühren und Auslagen entgegengestellt. Das Landgericht I., das in erster Instanz mit dem Rechtsstreite befaßt war, hat die Klage des Fürsten auf Zahlung von 40,000 abgewic- sen, zur Verhandlung der Widerklage des Rechtsanwalts aber auf dH 2. Nov. d. I. Termin zur Fortsetzung der Verhandlung anberaumt. An demselben Tage steht zugleich vor dem Kammergericht als der Berufungsinstanz der Verhandlungstermin über die abgcwiesene Klage an. — Die Gebühren sind so außerordentlich hoch, daß man dem Ausgange dieses Prozesses mit Spannung cntgcgensicht.
Berlin, 2. Nov. Das Centrum wird sofort nach der Konstituirung des Abgeordnetenhauses seine Anträge auf Freigebung des Messelesens und Sakra- mentspendens einbringen; ob auch einen Antrag auf Einführung der geheimen Abstimmung bei den preußischen Wahlen, ist noch nicht bestimmt.
Berlin, 2. Nov. Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht eine königliche Verordnung von heute, welche den Landtag auf den 14. November einberuft.
Berlin, 3. Nov. Folgende Schauermähr wird aus Amerika gemeldet: Neulich wurden in Ken- tuky zwei Männer wegen dreifachen Mordes zum Tode verurtheilt, indeß wurde ihnen, Dank der Kniffe ihrer Advokaten, ein neuer Prozeß bewilligt, die Mörder mußten aber wegen des Volksunwillens unter einer Escorte von 200 Mann Infanterie und Artillerie nach einem anderen Gefängniß zu Schiff transportirt werden. Unterwegs griff die erregte Volksmasse von einem Fährboot aus die Escorte an. Eine förmliche Schlacht entstand. Die Truppen siegten, sie tödteten sechs Personen und verwundeten dreißig. Am Ufer harten sich viele Zuschauer versammelt, als plötzlich der Dampfkessel des Schiffes barst, und wurden von ihnen viele verwundet, ebenso erlitten Truppen und angreifende Volksmassen neue Verluste dadurch. (Fr. I.)
Berlin, 4. Nov. Professor Virchow ist schwer erkrankt.
Dem Bundesrath ist ein Gesetzentwurf betreffend die Abänderung des Militärpensionsgesetzes vom 27. Juni 1871 zugegangen. In den Motiven wird die nothwendige Gleichstellung der Offiziere mit den Civil-Reichsbeamten bezüglich der Pen- sionirung und die gebotene Rücksichtnahme auf die aufreibende Dienstthätigkeit der Offiziere betont. Die Mehrausgabe, durch das Gesetz würde jährlich betragen 2,305,000 (wovon auf die unter preußischer Verwaltung stehenden Contingenten entfallen 1,750,000), für das erste Jahr würden erforderlich sein 131,500 »lL
Celle, 31. Okt. In der nächsten Zeit wird vor dem Landgericht in Lüneburg ein Civilprozeß zur Verhandlung kommen, der auch für weitere Kreise von Interesse ist. Zu einer wohlhabenden hiesigen Dame, die zur Sicherung ihres Besitzthums sich einen Hofhund hält, brachte ein hübsches Mädchen die Milch. Eines Tages bückt sich das Mädchen, das sich gerade im Garten der Dame befindet, um einige Blumen daselbst abzupflücken oder auch nur anzusasscu. Der Hund springt auf das Mädchen ein und zerfleischt ihm sein Gesicht vollständig. Die Wunden müssen zugenäht werden; aber als das Mädchen das Krankenhaus geheilt verläßt, ist von seiner Schönheit nichts mehr vorhanden. Sie, oder vielmehr ihr Vater, fordert deßhalb außer Schmerzensgeld, Zcitvcrsäumniß, Arzt- und Apothekerkosten als Entschädigung für die Einbuße ihrer Schönheit die Summe von 10,000 Die Dame findet diese Forderung viel zu hoch und hat eine solche Entschädigung
abgclchnt. Es sind bereits Anstrengungen gemacht worden, um eine Verständigung der Parteien hcrbeizuführc», aber vergebens. DaS Mädchen hält die Forderung aufrecht.
Elbing, 30. Okt. (Unschuldig verurtheilt.) Im Jahre 1877 wurde vom Schwurgerichte hicrselbst der Arbeiter Schulz aus Milenz wegen Beraubung eines Schwcinchändlers zu zwölf Jahren Zuchthaus verurtheitt. Schulz hatte von dieser Strafe bereits 18 Monate verbüßt, da endlich bcqucmtc sich der damals ebenfalls verurthcilte Zuchthäusler Czerlinski zu einem umfassenden Geständniß, wodurch die Unschuld des Schulz an den Tag kam. Am 27. ds. Mts. wurde er von der Anklage des Raubes freigesprochen.
Oeftcrreich-Ungarn.
Wien, 3. Nov. Der Kaiser traf heute hier von Pest ein, um dem Ministerrathe zu prüsidiren, der sich mit der Unterstützung Tyrols (beschäftigen wird. — Nach den heute vorliegenden detaillirten Berichten aus Gols am Neusiedler See währten die dortigen Krawalle zwei volle Tage. Schließlich wurden alle jüdischen Verkaufsgewölbe total geplündert. Eine johlende Meute drang in das Schnittwaaren- geschäft von Bernhard Kohn, wo die Frau des Moritz Steiner sich aufhielt, welcher als Geschäftsleiter die Plünderung verhindern wollte. Die Frau wurde jedoch mißhandelt, sie wollte dann fliehen, wurde aber von einem bisher unbekannten Thüter erschossen. Der Stuhlrichter Firla und sämmtliche Panduren konnten trotz aller Mühe die Ruhe nicht Herstellen. Vorgestern traf Kavallerie ein, welche bald Ordnung machte. Viele Verhaftungen wurden vorgenommen. Vierzehn jüdische Familien sind nach Neusiedl geflüchtet. (W. L.)
Budapest, 3. Novbr. Die Untersuchung in der Tisza-Eßlarer Affaire ist endlich abgeschlossen. Der Staatsanwalt beantragt Einstellung des Verfahrens, jedoch findet auf den Wunsch der Juden eine öffentliche Verhandlung statt.
Preßburg, 3. Oktbr. Heute fand die Gerichtsverhandlung gegen die Veranlasser der Judenhetzen statt. Sämmtliche zehn Angeklagte wurden zu je drei Monaten Gefängniß verurtheilt.
(Ein Allerseelen-Drama.) Die entsetzliche Katastrophe, welche am 8. Dezember v. I. über das Wiener Ring- thcatcr hcreingebrochen ist und Hunderte blühender Menschenleben vernichtet hat, hat nunmehr noch ein Opfer gefordert. An jenem Schreckcnsabendc fand im Theater in Schottenring auch ein junger, talentvoller Student von 18 Jahren, Namens Gustav Pctter, den Tod. Die Leiche des jungen Mannes, welcher der einzige Sohn der Kausmannswittwe Amatia Pettcr in Gotba war, wurde aufgesunden. Die schmerzgcbeugte Mutter war sofort nach Wien geeilt und hatte hier ihren Sohn auf dem Centralfriedhofe bestatten lassen. Dann war sic nach Gotha zurückgeeilt, um an der Seile ihres zweiten Kindes, einer kaum 17jährigen Tochter, in verdoppelter Liebe Trost zu finden. 5 Monate später entriß ihr der uncrbitterliche Tod auch dieses letzte Kleinod. Der Schmerz der Mutter war grenzenlos; sic verlor alle Lebensfreude und wurde von düsterer Schwcrmuth befallen. Sie hatte nur mehr einen Wunsch — mit ihren Kindern vereint zu sein. Vor wenigen Tagen verließ sie Gotha und traf am 27. v. M. in Wien ein. Nachdem sie sich in einem Hotel in der Innern Stadt einlogirt hatte, bestellte sie sofort einen großen schönen Blumenkranz, welcher ihr auch am 1. Nov. abgelicfert wurde. Unmittelbar darauf fuhr sic mit dem Kranze auf den Centralfriedhof und legte ihn auf das Grab des Sohnes nieder. Uebcr 2 Stunden kniete sie betend und laut schluchzend an der letzten Ruhestätte ihres Kindes. Als die Frau des andern Morgens viel länger als gewöhnlich in ihrem Zimmer blieb und auf wiederholtes Klopfen an der Thür nicht öffnete, entschloß man sich, mittelst des Hauptschlüssels aufzusperren. Man fand Frau Pctter regungslos im Bette liegen; an der Bettwäsche klebte getrocknetes Blut; an der Seite der Frau entdeckte man einen Oläusigen Revolver — sie hatte ihrem Leben ein Ende gemacht.
Schweiz.
Aus der Schweiz, 1. Nov. Die „N. Zürcher Ztg." bezweifelt die Richtigkeit der Meldung vom Verkaufe des Schlosses Wyden an ein sozialdemokratisches Konsortium und meint, die „Dresd. Nachr." hätten sich die Fabel aufbinden lassen.
Die Züricher Kirchensynode hat sich mit 98 gegen 44 Stimmen für die obligatorische Taufe (als Zeichen der Zugehörigkeit zur Landeskirche) ausgesprochen und mit 108 gegen 11 St. für Beibehaltung der Landeskirche, entgegen der vorgeschlagenen Trennung der Kirche vom Staate.
Frankreich.
Paris, 1. Nov. Der „Clairon" versichert, Louise Michel stehe im Begriff, zu sarahbernhard- tisiren. Die große Bürgerin soll nämlich vom Direktor des Cirque Royal in Brüssel, dem sie kürzlich in drei Vorstellungen 11,543 Franken eintrug (sie selbst erhielt davon 1500), engagirt worden sein, eine Rundreise durch Amerika zu machen, so daß den Aankees das Glück winkt, das zweite weibliche Wunder Frankreichs zu schauen. — Der Abbruch der Tuilerien wird in den nächsten Tagen beginnen. Herr Garnier, Erbauer der großen Oper und Konservator der Tuilerien, wird von dem Werke Phili-
bert Delorme's einige Spuren zur Aufbewahrung in irgend einem Museum zu retten suchen. Zu diesem Zweck wird der Abbruch mit äußerster Vorsicht ausgeführt werden. Man beabsichtigt jeden Stein einzeln zu numeriren und zu etikettiren. Der Abbruch dürfte eine Zeit von drei Vierteljahren in Anspruch nehmen. Bezüglich der Verwendung des freiwerdenden Bauterrains hat Herr Garnier fünf verschiedene Entwürfe nebst Plänen und Motiven eingereicht, welche sämmtlich die Neuerrichtung eines permanenten Ausstellungsgebäudes für die Werke moderner Künstler ins Auge fassen.
Paris. 2. Nov. Gestern Nacht wurden in den innern Stadttheilen 200 Zettel, heftige Drohungen gegen das Bürgerthum enthaltend, angeklebt. Einer der Ankleber wurde verhaftet; er weigerte sich, seinen Namen zu nennen, und erklärte, er sei brodlvs. Auch in Marseille und Toulouse ist man den Anklebern der Drohplakaie auf der Spur. (Sch. M.)
Paris, 2. Nov. Der Minister des Innern theilte heute dem Ministerrath mit, er halte die Differenzen zwischen den Tapezierern und deren Arbeitern für ausgeglichen.
Man meldet aus Paris: Der Streik der Tischler scheint beendet. Beiderseitig werden Konzessionen gemacht.
Die französische Kammer tritt demnächst wieder zusammen. Man darf mit Fug und Recht den Zeitpunkt, in welchem die Abgeordneten ihre Thätig- keit wieder aufnehmen, als einen kritischen bezeichnen. Frankreich befindet sich unleugbar in einem Zustande geradezu fieberhafter Unruhe, es ist, wie ein Mitarbeiter der „A. Ztg." mit Recht sagt, unzufrieden mit dem st-rtus guc>, unzufrieden mit dem Ministerium Duclerc, unzufrieden mit der stets wollenden und nicht könnenden und deßhalb nichts wollende» Kammer, unzufrieden mit der Lösung der egyptischen Frage, unzufrieden mit sich selbst. Diese Rathlosig- keit wird von der Nihilistenpartei zu Bombenexperimenten benutzt, um Furcht und Schrecken zu verbreiten, die Gesellschaft völlig unsicher zu machen und die erweiterte und verstärkte „Commune" von ferne anzukündigen, einen neuen und größeren „Schrecken" als der von 1793, den totalen Umsturz aller bestehenden sozialen Verhältnisse. Das Land hat nachgerade sämmtliche vorhandene Kapazitäten auf der Ministerbank verbraucht; die Kammer sitzt trotz dem allgemeinen Stimmrecht fest in der Sackgasse. In demselben Moment wird die öffentliche Ordnung, die Basis der Gesellschaft, meuterisch bedroht; derselbe Nihilismus, der in Rußland die Autokratie unterwühlt, legt auch die Säge an das demokratische Regiment Frankreichs. Die Besorgten, die Aengstlichen, die Bedrohten rufen: Wer rettet uns, wo ist die Autorität, hat die Gesellschaft nicht mehr Schutz, noch Schirm? Das ist ächt französisch, nicht die Gesetze genügen, nicht die Gerichte gewähren Schutz, nicht Institutionen sind die Gewähr des öffentlichen Friedens: nein, diese Dinge müssen sich incarniren, verkörpern, Fleisch und Blut annehmen, eine individuelle Physiognomie tragen, einen Repräsentanten und Exekutor haben. — Kurz, die innere Lage beginnt einen kritischen Charakter anzunehmen. Wir glauben nicht, daß der Staat in seiner jetzigen Gestalt in Frankreich im Ernste bedroht ist, seitdem die sozialdemokratische Bewegung ganz denselben vanda- lischen Charakter angenommen hat, wie die nihilistische Agitation in Rußland und die fenische in Irland, seitdem sie dort ebenfalls mit Mord und Brand, mit Dynamitpumpen und Petroleum operirt. Der naiven Gemüther dürfte es denn doch gar wenige geben, die hierbei eine Besserung von einem neuen Roy oder Empereur erwarten! (N. T.)
Die Königin Jsabella läßt ihre Pferde und Equipagen aus ihrem Hotel in der Avenue d'Eylau in Paris nach Sevilla kommen, wo sic ihren Aufenthalt definitiv nehmen zu wollen scheint. Es heißt, daß König Alfons darein willigt, ihre Pariser Schulden, an 12 Millionen, zu bezahlen, wenn sie den Pariser Hofstaat aufgibt und ihren Wohnsitz sin Spanien nimmt.
England.
London, 3. Novbr. Reuter meldet aus Kairo : Die Nachricht, die egyptische Regierung habe England die Verbannung Arabi's ohne weiteren Prozeß vorgeschlagen, sei ganz unbegründet.
Rußland.
Die Krönung des russischen Kaiserpaares ist nun bestimmt für den Mai 1883 in Aussicht genommen. Das Finanzministerium hat bereits die Krönungsmedaille bestellt.