Leipzig. 28. Mai. Das Kaiserliche Patentamt in Berlin hat soeben eine hochwichtige Erfindung, die für die Gesundheit von großer Wichtigkeit ist, patentirt. Es ist dies das Berfahren, alle zu ventilirenden Räume, als Krankenhäuser, Schulen, Theater, Concertsäle. Fabriken u. s. w. mit von Kohlensäure, Staub und Ansteckungsstoffen gänzlich befreiter Luft zu versehen, welches Verfahren durch kombinirte Apparate mit leichtem Kraflbedürfniß bewerkstelligt wird. Die betreffende Vorrichtung setzt selbst im Winter die Temperaturwärme geheizter Räume nicht herab, was auch von großer materieller Bedeutung ist. Diese Erfindung löst eine Aufgabe, mit welcher sich Unzählige schon beschäftigt haben. Der Erfinder ist ein Deutscher, der schon längere Zeit hier wohnhafte, aber in Untermaßfeld bei Meiningen geborene Orgelbaumeister Herr Gottfried Hildcbrandt. " (Dsztg.,
Wie offiziös gemeldet wird, erwartet man, daß bei dem heutigen (29. Mai», wie herkömmlich nach jeder allgemeinen Parade stattfindenden, militärischen Diner im königlichen Schlosse, zu welchem auch die Staabsoffiziere der in der Parade gestandenen Regimenter eingeladen werden, die Verlobung des Prinzen Wilhelm mit der Prinzessin Viktoria von Schleswig-Holstein-Angnstenburg offiziell pro- klamirt werden solle.
Seit zwei Tagen verhandelt der preuß. Landtag über die Vollmacht, welche sich die Regierung zur freiesten Handhabung der Maigesetze gegenüber Rom erbeten hat. Diese Vollmacht, wenn sie ertheilt wird, stellt jede gesetzliche Vorbedingung für den Erwerb geistlicher Aemter, jede Anrufung deS kirchlichen Gerichtshofes wegen geistlicher Uebergriffe, jede Strafbestimmung wegen Uebertretnng der betr. Gesetze, die Wiedereinsetzung abgcsetzter Bischöfe u. s. w. u. s. w. in das ganz freie Ermessen der Regierung. Von den Maigesetzen bleibt nur so viel übrig, als die Regierung für gut hält. Der Papst ist dieser Absicht der Regierung nicht entgegengekommen, sondern hat sie vorläufig abgelehnt, Bismarck aber meint, er habe nicht sein letztes Wort gesprochen, und er will vielleicht auch durch sein Entgegenkommen auf den Kaiser und aus das katholische Volk wirken. Andere schreiben ihm noch andere Absichten zu. Cultusminister von Puttkamer sagte, der Staat müsse wenigstens auf ein Koäu« viveucki mit der römischen Kirche kommen und vor allem müsse er dem Nothstand vieler katholischer Gemeinden abhelfen, die seit dem Culturkampf weder Pfarrer noch Gottesdienst hätten und verwilderten: diesen müsse man helfen ohne und sogar wider den Papst. Viel Glauben fand er damit nicht im Landtag. Der entschiedenste Gegner dieser Vollmacht war der frühere Cultusminister Falk. Er sah in der verlangten Vollmacht nur ein Zurückweichen der Regierung von ihrem früheren Grundsätze, nur dann Rom Zugeständnisse zu machen, wenn es zuvor die Maigesetze d. h. das Recht deS Staates anerkannt habe; das jetzige System zeige Muthlosigkeit und Schwäche und werde das katholische Volk und seine Führer nicht dankbar und nachgiebiger, sondern trotziger und begehrlicher machen. Seine Rede machte großen Eindruck. — Virchow stimmte Falk bei. Windthorst, als Führer des Centrums, hielt eine seiner merkwürdigsten Reden und erklärte 1) wenn (Centrum) lehnen vorläufig die Vorlage nicht ab, noch stimmen wir ihr zu (d. h. wir warten ab), 2) wenn wir an der Berathung derselben Theil nehmen, so vergeben wir damit keinerlei Recht lind Einspruch der Kirche, 3s erklären wir. daß ein voller Friede nur zu erreichen ist, wenn der Staat die katholische Kirche wieder voll in seine alten Rechte von 1840—60 eingesetzt hat. Das wird zwar lange dauern, aber wir haben Zeit und Geduld. Die Rede Windthorst's war voller Witze und Malicen und wurde dennoch von einem Witze Puttkamers übertrumpft. Als Windthorst sagte: „Der Papst hat seine Hand weit entgegengestreckt zum Frieden", antwortete Puttkamer: Ja, er hat sie weit entgegengestreckt, aber nicht zum Geben, sondern zum Nehmen. — Hofprediger Stöcker sprang im Namen der Conservativen und Orthodoxen mit beiden Füßen für das Gesetz ein, weil er kirchlichen Frieden davon hofft. Die erste Lesung endigte mit Verweisung des betr. Gesetzentwurfes an eine Commission. Diese wird Aenderungen berathen und Vorschlägen. Ganz ablehnen möchte kaum eine einzige Partei. Bismarck erschien nicht im Landtage. Er hat vorläufig das Wort genommen mit Veröffent
lichung einer ganzen Reihe geheimer Aktenstücke, welche die Erfolglosigkeit der seitherigen Verhandlungen mit der römischen Curie und deren Hartnäckigkeit der Welt zeigt.
Das preuß. Abgeordnetenhaus beschloß Ueber- weisung der kirchenpolitischen Vorlage an eine Kommission von 21 Mitgliedern. Gegen die Verweisung der Vorlage an eine Kommission haben etwas mehr als die Hälfte der Nationalliberalen gestimmt. Also beinahe die Hälfte der Nationalliberalen war für die Kommissionsberathung. Das ist weit mehr, als man nach der Sprache der einflußreichsten nat.- lib. Blätter hatte vermuthen können. Bisher konnte man meinen, fast kein einziger Nationalliberaler wolle „in den Zug einsteigen", weil sie alle glaubten, der Zug führe nach Kanossa. Das Stimmen für die Kommissionsberathung ist allerdings noch kein Einsteigen, aber es ist doch das Lösen des Billets — freilich nicht nach Kanossa. In der That mehren sich neuerdings die Stimmen in der nat.-lib. Presse, welche eine Verständigung befürworten. Sv sagt die Magdeb. Ztg.: „Wir glauben, daß eS am besten wäre, dem, der die Verantwortung vor seinem König, seinem Volke, vor der Geschichte hat. dieselbe allein zu überlassen. Begehrt er Vollmachten, so soll man sich über das Maß derselben zu verständigen suchen. Falk sagte einmal, daß Fürst Bismarck, wenn er es vermeiden könne, und er sei ja sehr mächtig, gewiß nicht nach Kanossa gehen werde. In dieser Hoffnung wollen auch wir uns nicht erschüttern lassen. Den Ausgang will, und mit Recht, noch Niemand Voraussagen. Man denkt an lleberraschnn- gen, die noch einwirken könnten, eine Kundgebung des Papstes oder dergl. Auch heißt es, die Negierung würde, wenn das Gesetz verworfen würde, eine neue verschärfte Epoche des Kulturkampfs, vielleicht geradezu eine neue Falk-Aera mit Falls Persönlichkeit an der Spitze einleiten. Daneben Kammerauf- lösungs- und Bismarckrücktrittsgerüchte. Kurz ein gährender Znitand, wie ihn die Nat.-Z. bezeichnet. Auch der Faktor des Herrenhauses ist im Auge zu behalten. Zunächst noch hat das Zentrum die Sache in der Hand. Es kann einzelne seiner Mitglieder beauftragen, für das Gesetz zu stimmen, um eine Mehrheit für dasselbe zu Wege zu bringen, während es als Fraktion, um sich Alles offen zu lassen, dagegen stimmt; oder es kann als Ganzes sich der Abstimmung enthalten, damit schon die konservativen Fraktionen allein die Mehrheit über die Gegner des Gesetzes haben. Allen diesen wirren Aussichten gegenüber thäte es um so mehr Noth, daß die Nationalliberalen eine klare und geschlossene Haltung einnehmen würden.
Der Rest der deutschen Sozialdemokraten, der sich, um seine Freiheit zu retten, in die gastfreundlicheren Berge der Schweiz geflüchtet hat, muß neuerdings sanfteren Sinnes geworden sein, denn es ruft kein geringes Aufsehen hervor, daß diejenigen Mitglieder, welche allzu blutdürstig und raublustig sind, schließlich eines nach dein andern aus dem schönen gemeinschaftlichen Bunde der Sozialisten herausgeschmissen werden. Nach Herrn Hasselmann dürste auch dem Herrn Most dieses Mißgeschick begegnen, weil er mit allzuviel Offenherzigkeit die bösen Endziele der Herren Sozialisten verrathen habeil mag. Most hatte nämlich in Bonn eine der ob ihrer Schlagwörter genugsam bekannten Reden gehalten und in derselben sein Thema natürlich nicht mit Glacehandschuhen angefaßt. Wenigstens sprach er sich unzweideutig aus und das darf ihm füglich auch als ein Verdienst angerechnet werden. Er sprach über die „Geschichte der Sozialdemokratie in Deutschland. Er erinnerte an die Gründung der Partei durch Lassalle, der allgemeines Stimmrecht und Errichtung von Collektivgenossenschaften auf sein Programm schrieb, erwähnte im Weiteren, daß die Radicalisten eine zweite Partei (in Eisenach) gründeten, welche nach obigen Punkten noch die reine Demokrati und den Gemeinbesitz (Communismus) auf ihr Banner schrieb. Als Mittel zum Zweck kennt diese extremste Partei nur die Revolution an. Und zu dieser Partei gehört Bürger Most; er ist stolz darauf und er betonte: die Revolution, die Rebellion müsse angefangen werden. Nur durch offene Gewalt, durch Blut und Revolution komme man zum Ziele. Es sollen alle Arbeiter ihr Möglichstes thun, um „Haß und Verachtung gegen die Bourgeoisie zu predigen und das Volk aufzureizen." Leider muß konstatirt werden, daß diese Worte von
stürmischem Applaus begleitet waren. Und noch mehr — das Beispiel fand Nachahmung. Nacheinander traten ein Deutscher, ein Schweizer und ein Russe auf und verlangten, daß auch in der Schweiz die Revolution gemacht werde, und ein Anderer fand — gewiß ganz logisch! —, daß das Richtigste eine „internationale Revolution" sei." — Mußte das aber ein Gaudium für die Demokraten und Genossen sein!
Schlochan, 27. Mai. Einem Privatbriefc entnehmen die Br. Nachr. über die Ermordung einer Greisin durch einen löjährigen Jungen folgende entsetzlichen Details: „Die alte Dame, ihres ReichthumS und ihrer Wohlthätigkeit wegen bekannt, wohnte in einer der kleinen Billen, die sich von der Stadt ans links von der Chaussee erstrecken. Sie war geistig gesund und seit längerer Zeit an der linken Seite gelähmt, so dag sie nur mit fremder Hilfe und vermittelst eines Krückstockes sich svrthelfen konnte. Ihre Umgebung bestand ans einem Dienstmädchen und einem Kutscher. Das Dienstmädchen hatte sie aber am Tage vvr dem Morde entlassen. An dem Tage, an dem sie ermordet wurde, bat der Kutscher »ui die Erlaubnis;, nacki der Stadt zu gehen; er erhielt dieselbe, und nachdem er ihr Verschiedenes uni ihren Lehnstuhl gestellt, was sie benutzen wollte, schloß er sie ein und ging. Nun war in Schlo- chau ein Gcschwistcrnpaar, Waisen, welche die alte Dame hatte kleiden und erziehen lassen. Das Mädchen hatte die Putzma- cherci erlernt und der Junge - 15 Jahre alt - war einge- segnel und sollte nun ein Handwerk lernen. Er war aber ein Taugenichts, der nicht gern arbeitete und am liebsten von seiner Wohlthätcrin Geld erpreßt hätte. Er benutzte nun das Alleinsein der alten Frau, drang in ihr Zimmer in der Absicht, durch Drohungen Geld zu erhalten. Als ihm dies verweigert wurde, ergriff er den Krückstock der Gelähmten und schlug mit demselben so lange aus ihren Kops, bis er sie für'todt hielt. Vorübergehende wurden durch de» Lärm aufmerksam gemacht, drangen in das Haus und ergriffen den Mörder, als er eben dabei war, den Geldschrank zu öffnen.
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Oesterreich-Ungarn.
sRaubmvrd an den; So h n e. j Eine fast unglaubliche Geschichte wird dem „Pesti Hirlap" ans Tarczlal mitge- theilt. Vor fünfzehn Jahren wanderte ein junger Mensch nach Amerika aus und ließ seine Mutter uns zwei Brüder hier zurück. Während der ganzen Zeit seiner Anwesenheit ließ er nichts von sich hören, und man nahm an, er sei bereits gestorben, als er plötzlich um die Mitte dieses Monats zurück- kchrtc und seine beiden in der Umgebung von Kaschan wohnenden Brüder anssuchte. Die Freude über die Heimkehr des schon todt Gewöhnten war groß, und sie steigerte sich noch durch die Mittheilung, daß er aus Amerika nicht weniger als 30V 000 fl. beimgebracht habe. Rach der Mutter fragend, wurde ihm ge-, sagt, sie habe ans einer Puszta ein Wirthshaüs. Die Brüder kamen überein, der Heimgckehrte solle zuerst die Mutter nufsuchcn n. sich ihr nach und nach zu erkennen geben, während die anderen Brüder erst nach drei Tagen Nachfolgen sollte». Der Amerikaner kam Abends an und bat um Nachtquartier. Die Mutter erkannte id» nicht und erfüllte sein Begehren. Bor dem Riederlegen bat er sie, sein Geld, das er bei sich nichr für sicher genug halte, in Verwahrung zu nehmen. Die Frau that das ihr vvrgczählte Geld auch weg, in der Nacht indes; erwachte in ihr der Dämon der Geldgier. Sie ergriff ein Rasirmesser und schnitt ihrem eigenen Sohne die Kehle durch, so daß er ans der Stelle todt war, woraus sie die Leiche in den Keller hinab- trng. Am dritten Tage darauf kamen die beiden anderen Brüder an und fragten nach dem Reisenden, welcher vor drei Tagen hier cingekehrt sei. Die Frau erbleichte und gestand alsbald, was sie gethan. Ihre Verzweiflung, als sie erfuhr, daß der Ermordete ihr Sohn gewesen, kannte keine Grenzen, und sic stellte sich selbst dein- Gerichte.
Frankreich.
Paris, 31. Mai. Eine der chilenischen Gesandtschaft zugegangene Depesche meldet, daß die ganze peruanische Armee bei Tacna von den Chilenen geschlagen worden ist. — Das Duell zwischen Köchlin und Rochefort findet Donnerstag früh statt. (Schw. B.)
Ein reicher Kaufmann in Lille hatte die Gewohnheit bis tief in die Nacht im Wirthshans zu sitzen, ja manchmal kehrte er erst mit Tagesanbruch zu seiner jungen hübschen Frau zurück. Diese, von Eifersucht geplagt, kündigte ihm an, wenn Das noch einmal passire, so werde sie sich das Leben nehmen. Dieser Drohung ungeachtet kam der Mann am letzten Montag erst wieder am frühen Morgen heim. Schwankend betrat er sein Schlafzimmer. Da stieß er an eine in der Luft hängende Masse, welche die Kleider seiner Frau trug. Kein Zweifel, die Unglückliche hatte sich wirklich das Leben genommen. Der Betrunkene eilte ans die Polizei, und diese verfügte sich mit einem Arzte in seine Wohnung. Wer beschreibt aber ihr Erstaunen, als sie daselbst von der todtgeglanbten Madainc empfangen wurden, die zum Scherz, um ihren Mann zu erschrecken, eine große Puppe in ihre Kleider gesteckt und sic daun an der Decke aufgehäugt hatte. Der schlechte Spas; machte den Betrunkenen so wüthend, daß er seine Frau tödten wollte, und der Polizeikommissär hatte die größte Mühe, ihn daran zu verhindern.
Alle sehen mit Neugierde und Spannung dem Ausgange des Kulturkampfes in Deutschland zu. Die Liberalen find voller Schadenfreude, die Cleri- calcu aber gar machen eine Miene, als ob der Papst vom Fürsten Bismarck als Gensdarm gegen das Centrum gebraucht würde. Andere glauben sich über die „schönen Reformpläne" des Fürsten Bismarck lustig machen zu müssen, und wieder Andere endlich können nicht mehr die Zeit abwarten, in der Deutschland in lauter klägliche Trümmer zerschmettert sein