Der Gesellschafter.
Aslts- und Intelligenz-Blatt sür den Oberamts-Bezirk Nagold.
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Donnerstag den Juni.
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1880.
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Die europäische Auswanderung.
Abermals ist Amerika das Loosu'ngswort sür Hunderttauscndc europamüder Menschen. Während in Amerika reiche Ernten allen industriellen und com- mcrziellcn Unternehmungen einen kaum geahnten Aufschwung verleihen, gestaltet sich's am europäischen Horizonte immer trüber und trüber. In der Hun gersnoth in Irland, den Ucberschwemmungen inlUngarn, den vielen Mißernten und den socialen Mißverhältnissen in Deutschland gesellt sich noch das ewig drohende Schreckgespenst des Krieges und vernichtet jede Hoffnung, endlich einmal aus dem allgemeinen Jammer und Elend herauszukommen.
Da ist's kein Wunder, wenn die Massen namentlich in Deutschland zu dem einzigen Rettuugs- mittel greifen, welches ihnen übrig bleibt - zur Auswanderung. Noch viel zahlreicher aber würden diese Heimathslüchtigen sein, wenn die Zustände der ländlichen Bevölkerung Deutschlands eine preiswürdige Veräußerung der liegenden Güter möglich machte: nur die momentane Werthlosigkeit derselben hält viele Besitzer von dem Verkaufe und der Auswanderung zurück.
Dagegen helfen alle absichtlich über Amerika verbreiteten nachtheiligcn Berichte und alle Vorstellungen und Abmahnungen der Behörden nichts. Der „Steuerzettel,, des deutschen Bürgers und Bauern ist das gewaltigste Mittel, welches ihn zur Auswanderung antreibt; dort sieht er schwarz aus weiß die Mark und Pfennige, welche er zur Erhaltung vieler Soldaten, zum Festungsbau und zur Pulverfabri- cation beisteuern muß und gegen solche Argumente gicbts keine Einwendungen.
Stets sind es politische und sociale Erschütterungen, welche große Auswanderungen im Gefolge haben. Dieselben begannen mit der Julirevolution des Jahres 1830. Damals kamen in einem Jahr 23,322 europäische Einwanderer nach den Vereinigten Staaten und in einem andern sogar 60,482. Dann kam das Jahr 1848 mit seinen 226,530 Einwanderern aus der alten Welt. Der stärkste Strom traf im Jahre 1854 ein; in jenem Jahre kamen 319,000 Personen an. Von 1854 an nahm die Einwanderung ab, bis sie in 1862 auf 76,000 gefallen war. Von diesem Jahre an nahm sie wieder allmälig zu.
Das Jahr 1866 brachte die Gesammtsumme der Einwanderer wieder auf 318,494. In den zwölf Monaten vor Ausbruch des deutsch-französischen Krieges trieb ein banges Vorgefühl 395,922 Europäer nach Amerika. Im Jahre von Wörth und Sedan selbst kamen trotz der Strenge der Preußischen Mili- tärgesetze 378,796 Einwanderer in den verschiedenen Häsen der Vereinigten Staaten an! Anno 1872 waren es 266,000. Nun kam die Panik von 1873 und von da an schrumpfte die Einwanderung immer mehr zusammen bis zum Jahre 1877, in welchem nur 54,000 Personen ankamen, — die niedrigste Zahl der Einwanderer, die in irgend einem Jahre seit 1820 an Amerikas Gestaden landeten.
Im Jahre 1878 stieg sie aber sofort wieder auf 75,000 Personen, im Jahre 1879 aus 135,000 und in diesem Jahre wird sie aller Wahrscheinlichkeit nach die ungewöhnliche Höhe von 400,000—500,000 erreichen. Der eigentliche Strom der deutschen Einwanderung beginnt erst im Mai, während die Irländer im Hochsommer zu folgen Pflegen. Auffallend groß ist die Zahl der Einwanderung aus Deutschland. Von den in den ersten drei Monats des Jah
res 1880 angekommeuen 34,675 Einwanderern kam mehr als ein Viertel 9,875 - ans Deutschland. Im Monat März allein trafen 31,090 Einwanderer ein lau zwei Tagen, am 27. u. 28 Mürz, deren 2,677 j und nach allen Berichten von drüben ist dies nur die Avantgarde einer bevorstehenden kolossalen Völkerwanderung.
Was die Vermögensverhältnissc der Einwan derer betrifft, so wird angenommen, daß die deutschen Einwanderer durchschnittlich etwa 68 Doll, per Kopf in baarem Geld mitbringcn. - Herr Jackson, der Secretär der ncwyorker Einwanderungscommission nimmt au, daß man in diesem Jahre mindestens 60 Doll, baares Geld aus jeden Einwohner rechnen kann. Demnach würden die erwarteten 400,000 Einwanderer mindestens 24 Millionen Doll, in das Land bringen. Natürlich ist dies das Wenigste, was das Land von diesen durchschnittlich in der Blüthe des Lebens stehenden Frauen und Männern haben wird. Ihre Erzieluing hat dem Lande nichts gekostet und ihre Arbeit wird den Amerikanern jährlich Millionen einbringen. Das weißt jetzt dort jeder im Lande nud würdigt es auch. Nach den statistischen Aufzeichnungen über die Einwanderung beträgt dieselbe seit 1820 etwa 10 Millionen, welche mit ihren Nachkommen fast die Hälfte der gegenwärtigen Bevölkerung der Vereinigten Staaten ausmachen.
Angesichts dieses großen Verlustes, den die deutsche Nation in nur einem einzigen Jahre durch die Auswanderung erleidet, tritt die Nothwendigkeit des Besitzes eigener Ackerbau und Handelscolonicn nur um so dringender zu Tage!
Ernennung: ig. Jakob Blaich, Bauer von Hornberg, zum Schultheißen von dort.
Tages-Neuigkeiterr.
Deutsches Reich.
(-) Unlängst las man in diesem Blatte, daß die Gemeinde Jselshausen ihrem pensionirtcn Lehrer einen Ruhesessel verehrt habe. Diesem löblichen Beispiele will nun die Gemeinde Rpthfelden nicht nachstehen, indem auch sie ihrem ebenfalls in den Ruhestand versetzten Lehrer Hezer einen Ruhesessel verehrte.
Calw, 30. Mai. Im Oberamtsgcfängnisse erhängte sich ein wegen widernatürlicher Unzucht in Untersuchung stehen- derjnnger Mann, und in Tcinnach machte der dortige Apotheker seinem Leben durch Chloroformvergiftung ein Ende. Unangenehme häusliche Verhältnisse sollen die Ursache dieser That sein.
Stuttgart. In den letzten Tagen sind nach dem „N. T." die Berhandlungssäle im Justizpalast mit Uhren versehen worden. Dieselben werden auf elektrischem Wege in Gang gesetzt und stehen sämtlich lnit einer Centraluhr, einem großen Regulator, der sich im Zimmer des Präsidenten des K. Landgerichtes befindet, in Verbindung, so daß alle Uhren genau die gleiche Zeit zeigen. Die Batterien für die Leitungen befinden sich im Aufwärterzimmer.
Brandfälle: Am 28. Mai in Moosbeurcn (Ehingen) 2 Wohnhäuser.
Rottcnburg, 30. Mai. In gestriger Nacht wurde der Wittwe Sch ... dahier in ihrem Hopfengarten sämtliche Stöcke, ca. 600 Stück, ausgerissen, und zwar von ihrem eigenen Sohne, einem in A. verheirathcten Küfer, der damit Rache nehmen wollte gegen seine Mutter, weil sie ihm in seinen heruntergekommenen Vermögensverhältnissen nicht wieder Geld gegeben, wie sic es schon zum öftern — leider ohne Dank und Erfolg — gethan hat. Der unge- rathene Sohn sollte vor nicht langer Zeit nach Amerika spedirt werden, und die Mutter hatte bereits das Uebcrfahrtsgcld bezahlt: demselben gefiel aber
nur die Reise nach Bremen, machte dann „kchrum" und steuerte wieder der Heimath zu, wohl nicht zur Freude der Mutter und Verwandten.
Laupheim, 28. Mai. Der hiesige Gerichtsvollzieher, ein junger Mensch von 23 Jahren vom Schrciberfachc, wurde wegen Unterschlagung in gerichtliche Untersuchungshaft genommen u. ist schon nach Ulm au das dortige Landgericht abgcführl worden.
Bei gegenwärtigen baulichen Veränderungen des Schul- und Rathhanses in Willmandingen stieß man bei der Kellcrgrabung aus 6 menschliche «Skelette, welche ganz ordnungslos und in den verschiedensten Lagen aufgesunden wurden. An einem der aufgefundencn Schädel und dem Kiefer mit schönen, wohlerhaltcnen Zähnen glaubt man die Ueberreste einer Frau zu erkennen. Man ergeht sich selbstverständlich in den verschiedensten Vermuthungen über diesen Fund. Vielleicht bringen weitere Nachforschungen und Nachgrabungen etwas mehr Licht.
Von der schwäbischen Alb. 29. Mai. In sämmtlichen Alborten, welche S. Majestät der König Karl bereist, war man eifrig bemüht, dem hohen Besuch einen glänzenden nnd festlichen Empfang zu bereiten. Auch die Ortschaften, in welchen nicht angehalten wurde, gaben ihren Loyalitätsgefühlen durch Beflaggung, Verzierung der Häuser, Ehrenpforten u. s. f. angemessenen Ausdruck.
Aus der Pfalz, 28. Mai. In Albsheim a. E. wurden am Dienstag in der dem Bürgermeister Krauß gehörigen Sand- und Erdgrube 9 Menschen verschüttet. 5 von den Verschütteten wurden todt aufgefunden, während 4 theils leichtere, theils schwerere Verletzungen davon trugen.
Augsburg, 30. Mai. Rechtsanwalt Dr. Völk feiert heute sein fünfundzwanzigjähriges Jubiläum als bayerischer Landtagsabgeordneter, indem er am 30. Mai 1855 von dem Wahlbezirk Günz- burg sein erstes Mandat erhielt. Es wird ihm in einer Ovation die Anerkennung für sein rastloses, dem Dienste des öffentlichen Lebens gewidmetes Streben dargebracht.
München, 31. Mai. In der oberen Saline von Kissingen werden bereits alle Vorrichtungen, und zwar mit sichtlicher Hast, zum Empfange des Fürsten Bismarck getroffen. Man sieht daraus, daß der Kanzler seine Abreise beschleunigt, welche in den ersten Tagen des Juni erfolgen dürfte.
In dem Orte Rutzendorf (Mittelsranken) machte ein reicher Bauer einen bedeutenden Münzfund. Derselbe besteht aus circa 1100 größeren und kleineren Silbermünzen. Die Münzen sind aus der Zeit von 1502—1694, um welches Jahr sie vergraben worden sein sollen.
In der Gegend von Hemau, Oberpfalz, müssen die Kornfelder umgeackert werden, weil das junge Kor» in Folge der jüngsten kalten Nächte vollständig erfroren ist.
Grumbach (Kreis St. Wendel), 26. Mai. Die Kunde von einem schrecklichen Ereignisse durchläuft unfern Ort: Pfarrer A. von hier hat seinem Leben durch Erhängen ein Ende gemacht. Er hinterläßt eine Frau mit vier unversorgten Kindern, von denen das jüngste noch nicht getauft ist. Der Anlaß zu der schrecklichen That ist nicht bekannt: man vermuthet Geistesstörung.
In Mainz wies ein Baptist, Freiherr v. Richthofen, in einer großen öffentlichen Versammlung aus der Bibel und den Zeichen der Zeit nach, daß die persönliche Wiederkunft Jesu Christi und das jüngste Gericht außerordentlich nahe sei. Die Gegenwart schilderte er als so verderbt wie die Zeit vorder Sündfluth und er wollte nicht einmal einen Noah gelten lassen.