Köln; an der Loreley stimmte man das Silcher'sche Ich weiß nicht was soll es" rc. an. In Köln wurden die Wiener von dem dortigen Mannergesang­verein empfangen. Derselbe sang ausgezeichnet und den Gästen wurde der Ehrenwcin kredenzt. Im Dom wurde nicht gesungen, weil ein Protest des Domka­pitels erfolgt war. In Brüssel, wo die Sänger Nachts 10 Uhr eintrafen, waren die Straßen, durch welche der Zug sich bewegte, illuminirt und beflaggt. Graf Chotek rief am Bahnhof den Sängern ein herzlichesGrüß Gott" zu. Der Bürgermeister von Brüssel begrüßte sie ebenfalls, die Vereine überreich­ten Kränze; vor dem Bahnhofe auf dem National­platze brannten taufend und tausend Lampions, strahl­ten elektrische Lichter, wehten Fahnen und Banner. In der Mitte des Platzes nahmen die Sänger Auf­stellung, vor ihnen defilirten unter Faüelbeleuchtung die Korporationen. Immer neue Musikkapellen stimmten ihre Weisen an. Hochrufe erschütterten die Luft. Der Jubel der Sänger vermischte sich mit dem Jubel der entzückten Menge. Erst spät gelangten die Sänger in ihre Gasthöfe.

Wien und Pest sind aufeinander eifersüchtig, wie früher Coburg und Gotha. Die Ungarn klagen in den Zeitungen, sie würden von dem kaiserlichen Hofe vernachlässigt, der Kaiser nehme viel zu selten und zu kurz seine Residenz. Die Wiener dagegen nehmen es der Kaiserin Elisabeth übel, daß sie die Ungarn so bevorzugen scheint und z. B. die Herbste der Jagden halber fast ganz in Gödöllö zubringt. Die Ungarn scheinen zu vergessen, daß Wien die Hauptstadt und Residenz für das ganze Oestreich ist und daß der Kaiser Franz Joseph nichi wie weiland Kaiser Karl der Große seine Pfalzen oder Burgen in allen Provinzen haben kann. Sie nehmen's so­gar dem Kronprinzen übel, daß er in Prag seinen Sitz nimmt. iDorfztg-)

Aus Wien wird geschrieben: Sämmtliche Mächte erhalten von ihren Konsuln auf der Balkanhalbinsel Berichte, in welchen diese darthun, daß die Beamten der Pforte mit den Albanesen unter einer Decke spielen. Uebereinstimmend wird berichtet, daß die Be­amten der Pforte der albanesischen Liga Geld, Waffen, Munition und Proviant liefern. Die Brächte haben der Pforte Mittheilung von diesen Berichten gemacht und die Entfernung der am meisten Compromiltirten von ihren jetzigen Posten verlangt. Obwohl man allseits mit Spannung auf die Antwort der Pforte wartet, ist man doch bisher zu keinerlei weiteren Be­schlüssen gelangt. Es ist eben das alte Spiel der Pforte.

Italic».

Mailand, t7. Mai. In Boffito, einem kleinen Dorfe in der Lombardei, ereignete sich im vergangenen Monate ein eigenthümlichcr Fall. Eine Frau war gestorben und wurde begraben. Der M-ann, welcher über den Verlust seiner Ehe­hälfte untröstlich war, hatte während des Begräbnisses entfernt werden müssen. Als derselbe nun des Abends wieder in seine Wohnung zuriickkebrte, fand er zu seinem Schrecken die Leiche seiner Frau, wetcke er bereits begraben glaubte, noch im Bette liegen. Die Behörden, denen der erschreckte Mann sofort An­zeige machte, hielten denselben für verrückt. Eine Besichtigung ergab, daß man wirklich vergessen hatte, den Leichnam in den Sarg zu legen.

Frankreich.

Paris, 17. Mai. (Ein 14jähriger Vatermör­der.) Bor der Jury der Stadt Mbi stand am 15. ds. ein 14jähriger Knabe, «ngektagt des Vatermörder. Er ist beschul­digt, in Gemeinschaft eines wenig älteren Kameraden seinen Vater getödtet zu haben. Frauyois Sidoine dies der Name des jugendlichen UebelthäterS ist der jüngste dreier mißra­tener Brüder, wclcke ihrem Vater, einem achtbaren Manne, viel Kummer bereiteten. Zu den Freuuden Frangois' gehörte Pierre Ehazotte, ein durchaus verkommenes Individuum, dem der Bater Sidoine das Betreten seines Hauses untersagt hatte. Am 25. Februar dieses Jahres legte sich der entartete Sohn in Gesellschaft seines Freundes an einer Straße, die, wie er wußte, er passiven würde, in den Hinterhalt. Sie hatten eine geladene Flinte mit sich. Als der Wagen herankam, ertönte ein Schuß und Sidoine Bater sank schwer verletzt in den Wagen zurück. Der nichtswürdige Bursch« hatte seinen Bater ermordet, weil ikm derselbe streng behandelt batte. Vor Ge­richt suchte er die Hauptschuld auf seinen Freund Ehazotte zu wälzen, der den Sckuß abgeseuert habe. Der Gerichtshof vcr- urtheilte den Vatermörder zu 7 Jahren Gcfängniß, seinen Freund den Mitschuldigen zn «jähriger Hast.

Paris, 18. Mai. An der Brücke von Grenelle hat man dieser Tage die Geschichte ist, wie seltsam sie auch klingt, vollkommen wahr die Leiche eines Negers aus der Seine gefischt, in der sie schon mehrere Tage gewesen sein mußte. In einer Tasche des Mohren fand man eine hermetisch verschlossene Blechbüchse, welche sehr merkwürdige Aufzeichnungen enthielt. Dieser Neger war der Sohn eines gegen den Negus von Abyssinien empörten Häuptlings. Sein Vater war ge­lobtet, sein Bruder und er waren gefangen genommen worden. Eine Frauensperson verhaft den beiden Brüdern zur Flucht. Bei Tag verbargen sie sich in Bäumen oder Höhlen, des Nachts wanderten sie weiter, nährten sich von Früchten und mußten

beständig fürchten, von wilden Thieren angefallen zu werden. Der jüngere Bruder kam in den Sümpfen des blauen Flusses (Bar-El-Az-Rak) um. Als sie sich uämlich verirrt hatten, stieg der ältere Bruder auf einen Baum, um sich zu orientiren. Plötzlich hört er ei» furchtbares Achgeschrei; er gleitet herab und sieht eine ungeheure Boa um den Leib seines Bruders ge­schlungen. Unbewaffnet, wie er war, konnte er ihm in seinem tiefen Schmerze nicht zu Hilfe kommen. Erst nach sicbenwö- cheutlichen Wanderungen durch unwegsame Gegenden kam er ganz erschöpft bei den cgyptischen Vorposten an. Die Solda­ten boten ihm das Nothdürftigstc, und nachdem er sich einige Tage ausgcruht, ging er nach Kairo, wo der Khcdive ihm eine Unterstützung reichen ließ, mit der er nach Paris kam.Ich glaubte," schließt das Tagebuch,in Paris leben zu können; aber, wie überall, so muß man sich auch hier nützlich machen und ich habe nichts gelernt. Den Qualen des Hungers habe ich einen gewaltsamen Tod vorgezogen." Also berichtet das Journ. des Debats", von dem man eine Mystifikation nicht erwarten darf.

In der französischen Armee soll die Trom­mel abgeschafft werden. Der Budgetausschuß der Abgeordnetenkammer in Paris hat die Abschaffung der Tambours angenommen. Ohne Trommler keine Trommeln.

Die Franzosen sehnen sich schon wieder nach Abwechslung, das ruhige Wirken ihrer republikanischen Regierung langweilt sie. Die Legitimisten suchen diesem Drange Rechnung zu tragen, indem sie einen Fond für agitatorische Zwecke zu sammeln bemüht sind, die Bonapartisten Hetzen ihrerseits, was das Zeug hält, und die Radikalen wälzen der Regierung jeden Tag neue Steine in den Weg. Im Großen und Ganzen hat dies noch wenig zu bedeuten, aber man weiß zur Genüge, daß sich in Frankreich große Ereignisse stets aus Kleinigkeiten entwickelten. Die Regierung hat alle Ursache auf ihrer Hut zu sein, denn durch ihr Vorgehen gegen die Jesuiten hat sie einem großen Theile ihrer Landbevölkerung auf den Kopf gestoßen, welcher Umstand von ihren Gegnern natürlich weidlich ausgenutzt wird.

Alle Streikenden in Reims haben ihre Ar­beit wieder ausgenommen; die Arbeitgeber versprachen, daß, falls die Arbeit 8 Tage lang fortgestzt werde, sie die Forderungen der Arbeiter bezügl. der Löhne ernstlich m Erwägung ziehen würden.

(Eharakteristijche Anekdote.j Bekanntlich hat die Popularität ihre Schattenseiten und diese Schattenseiten werden oft sehr unangenehm, wenn man Popularität in jenen Schichten des souveränen Volkes genießt, wo ein reiner Hemdkragen atS ein schmählicher Verrath an der Sache der Freiheit, Gleickheit und Brüderlichkeit betrachtet wird. Ein sranzösisches Blatt erzählt eine charakteristische Anekdote, welche auf's Neue die Wabrhcit der obigen Behauptung beweist. Louis Blanc, der radikale pariser Abgeordnete, ist, obwohl nichts weniger als reich, die Zielscheibe zahlloser Betteleien. Eines Tages erwar­tet ihn ein Mann, der schon mehrmals bei ihm gewesen war, an der Hausthüre und erwischt ihn im Vorübergehen.Aber ich habe Ihnen ja schon gegeben!" sagte Louis Blanc. Ja, aber wenig." Ich habe gethan, was ich konnte. Ich arbeite, wie Sie."O ja, wie ich! Sie haben aber zu essen, und ich nicht. Ich habe keine Arbeit. Ich verlange ja kein Geld von Ihnen, ich will nur Brod!"Wenn das so ist," sagte Louis Blanc,so will ich Folgendes für Sie thun: Zwei Monate lang können Sie jeden Tag einen drclpsündigen Laib Brod bei mir holen. Damit können Sie sich wenigstens sättigen und in zwei Monaten werden Sie wohl auch Arbeit finden."Gut!" sagte der Mann. Zwei Monate lang holte er nun regelmäßig sein Brod bei dem pariser Deputaten; am Ende dieser zwei Monat« aber erhielt Louis Blanc von seinem dankbaren Schützling solgenden Brief:Ich kenne Dich jetzt: Du bist verurthcilt, denn Du bist ein falscher Demokrat. Es gefällt Dir wohl, unsere Stimmen zu erhalten, aber es macht Dir noch mehr Vergnügen, Deine Wähler zu demüthigen, in­dem Du sie uöthigst, Deine vier Treppe» zu ersteigen, um den Bissen Brod zu holen, den Du ihnen zu bewilligen geruhst. Das ist gut. Ich habe Dich immer im Verdacht gehabt, daß Du ein falscher Freund des Volkes seist." Das pariser Blatt, welches diese Geschichte erzählt, fügt hinzu, daß di« pariser Volksmänner noch mit Hunderten ähnlichen Kalibers auswarten könnten.

Auch eine Trauungsrede. Den Prscuseur will man folgendes Geschichtchen. verantwortlich ma­chen : In einem französischen Dörfchen ist der Maire im Begriffe, zwei feiner Unterthanen durch das ehe­liche Band zu verknüpfen. Wie bei solchen Gelegen­heiten üblich, richtete er einige passende Worte an die von dem feierlichen Acte tief ergriffenen Braut­leute, indem er sich zuerst an den Bräutigam wendet: Aus tiefstem Herzen wünsche ich Dir, Joseph, Glück zu dem großen Entschlüsse, den Du gefaßt hast. Es war in Wahrheit betrübend, Dich Deine Jugend in so liederlicher Weife verschlemmen und Dich dem äoUrinm tremens mit Riesenschritten nahen zu sehen. Jedoch Ende gut, Alles gut, und ich hoffe, Du hast jetzt dem Wirthshausleben auf immer Valet gesagt." Dann an die Braut gerichtet:Was Dich betrifft, meine arme Catharina, so mußt Du dem Himmel auf den Knieen danken, so häßlich wie Du bist, ei­nen Mann gefunden zu haben. Vergiß nie, daß Du durch unablässige Sanftmuth und grenzenlose Erge-

benheit Dich bemühen mußt, denn ich wiederhole es Dir, ein häßlicheres Frauenzimmer als Dich, habe ich in meinem ganzen Leben nicht gesehen. Und hiermit meine Kinder lege ich Eure Hände in ein­ander zu einem schönen Bunde."

Spanien.

Barccllona, 22. Mai. Die hiesige Baum­wollspinnerei Marzell ist ein Raub der Flammen geworden, und zwar durch meuterische Arbeiter, welche auch die Maschinen zerstörten. Die Anstifter wurden verhaftet und alle Arbeitervereine in Cata- lonien von dem Präfekten aufgelöst. Die Ordnung ist wieder hergcstellt.

Dänemark.

Ein Kopenhagener Correspondent der Pallmall Gazette erfährt, daß der Gesundheitszustand der Her­zogin von Cumberland ein sehr unbefriedigender fei.

Die Herzogin leidet an unaufhörlichem trockenen Husten und das Nervensystem scheint zerrüttet. Seit ihrer Verheirathung führt die Herzogin (als Prin­zessin Thyra früher bekannt) ein sehr zurückgezogenes Leben und leidet an tiefer Melancholie. Man hofft Besserung von dem baldigen Besuch in der Hermath.

England.

London, 20. Mai. Die Thronrede sagt über die auswärtige Politik, die Regierung hoffe im Einvernehmen mit den anderen Mächten demnächst die vollständige Ausführung des Berliner Vertrages erreichen zu können, sowohl bezüglich wirksamer Re­formen in der türkischen Gesetzgebung, als auch hin­sichtlich der Regelung der Territorialfragen. welche noch nicht gemäß den Bestimnmngen des Berliner Vertrages geordnet sind. Eine solche Ausführung des Vertrages sei wesentlich, um neue Komplikationen im Orient zn vermeiden. Die Regierung habe es demnach für geboten erachtet, einen außerordentlichen Botschafter an den Sultan zn senden. In Betreff § Afghanistans sagt die Thronrede:Die Regierung ^ ist für die Pazifikation des Landes und für Ernrich- - tungen bemüht, welche geeignet sind, die Unabhängig­keit des afghanischen Volkes zu sichern und freund­schaftliche Beziehungen desselbenzuJndienherzustiellen." _._

Die Thronrede empfiehlt eine Konföderation der südafrikanischen Kolonien und die Auf­rechterhaltung der Suprematie im Trans- vaalland. Die Ausnahmegesetze für Irland würden nicht wieder erneuert, obschon die Regierung ent- UADfff schloffen sei, Leben und Ergenthum zu sichern und die Ordnung zu erhalten.

London, 21. Mai.Daily News" erfährt, H ein zweites Rundschreiben Granville's schlage den Zusammentritt einer internationalen Kommis­sion in Berlin vor zur Berichtigung der griechi­schen Grenze.

London, 21. Mai. Es landeten 4225 Aus­wanderer am Mittwoch in New-Dork. Der Dampfer Geliert" mit weiteren 1224 Auswanderern, welche erst noch geimpft werden müssen, liegt unter Qua- rantaine, weil ein Blatternfall an Bord stattfand.

Bisher landeten im Mai 37,844 Auswanderer in New-Uork. (Schw. B.)

Die Kaiserin Engenie sucht, wie der Lon­doner Preß - Association mitgetheilt wird, auf ihren Wanderungen in Süd-Afrika genau den Bewegungen ihres betrauerten Sohnes zu folgen. In Durban hat sie sich das nämliche Zimmer zur Wohnung an­weisen lassen, in welchem ihr Sohn gewohnt hat, sie hat sich zu Ausfahrten desselben Wagens bedient, sie hat an demselben Tische gespeist. Es wird weiter gemeldet, daß der Fleck Erde, auf welchem die beiden Cavalleristen, welche zugleich mit dem Prinzen fielen, begraben Legen, mit einer Mauer eingehegt und mit einem Gmben umgeben worden ist. Der auf diese Weise gebildete Begräbnißplatz ist mit Bäumen und Veilchen der napoleonischen Blume bepflanzt worden. Der Führer der Zulus, welche den Prinzen und seine Gefährten überfielen, hat an Ort und Stelle hoch und heilig versichert, daß die Trauer­stätte niemals entehrt werden soll. Da die Zulus die Todten mit abergläubischer Verehrung bettachten, so wird das Versprechen muthmaßlich gewissenhaft gehalten werden.

Türkei.

^ Z. D s

er

S» ^ a!

3 s LZ 8

enz» 3 u

(DieZerbröckelung des türkischen Reichs.) Wer nach Abschluß des Berliner Friedens die Hoff­nung hegte, daß durch ihn Ruhe und Ordnung auf der Balkanhalbinsel einkehren würden, der sieht sich heute bitter getäuscht, und wenn er die Zeit vor dem letzten russisch-türkischen Kriege mit den Zuständen