Der Gesellschafter.
Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oderamts-Bezirk Nagold.
L/* ^ 4^ i Erscheint wöchentlich 3mni und kostet halbjährlich
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/ Die ne«e Kirche it« Nagold.
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Der Chor ist mit einem sternförmigen Topf- gcwöldc zivischen nlassiven Rippen überspannt, deren Dienste bis zum Chorbodcn reichen: die Nicrung, die beiden neben derselben befindlichen Abschnitte des Oucrschiffs und die drei Schiffe des Langhauses aber, welche letztere in je drei Traveen getheilt sind, werden von massiven bis zur Kirchendecke reichenden, auf Halbsänlen und Cvnsolcn ruhenden, mit Maß- wert durchbrochenen Gurten eingefaßt, zwischen welchen der Deckcnranm zcltartig überdacht ist.
Die Höhe dieser Gurtbvgen vom Kirchenbodcn
Sonntag den 16. Mai.
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Langhauses 11,56 m. Die in einer und derselben Höhe befindlichen Dächer des Mittelschiffs, des Querichiffs und des Chors haben eine Höhe von 7,04 in und sind mit farbigen Schiefern in geometrischen Figuren in der Weise eingedeckt, daß sich zwischen der unmittelbar auf dein Gespärre ruhenden, schräg übcrfalzten Bretter-Vertäferung ein 3 ein hoher leerer Raum befindet, in welchem eingetriebener Schnee und Regen abfließen kann.
Der, wie schon oben bemerkt, in der Mitte der westlichen Giebclfatzadc des Langhauses angelegte Thurm bildet unmittelbar über dem Sockel, einschließlich der Umfassungsmauern, ein allweg 6,58 Nieter großes Viereck und hat vom Sockel bis zur ersten Galerie, oder dem Umgang, welcher zum Abblasen von Chorälen benützt wird, eine Höhe von 29,12 in; von da an bis zur zweiten Galerie heim Beginn des Thurmdachs eine solchevon 10,64 in; das Thurmdach selbst von der Basis bis zur Spitze hat eine Höhe von 20 in, und beträgt somit die Gesammthöhe des Thurms einschließlich des 1,74 in hohen Sockels vom Boden bis zum Thurmknopf, auf welchem das Thurmkreuz aufgesetzt ist, 61,5 in.
Die unterste Abthcilung des Thurms dient, wie schon bemerkt, als Eingang zum Mittelschiff des Langhauses, die nächst obere unmittelbar hinter der Orgel zur Aufstellung der Bläsbalke, die weiter oben befindlichen als Zugang zum Dachraum des Langhauses, Oucrschiffs und Chors und als Läuteraum, ferner zur Aufstellung der Uhr und ihrer Gewichte, und als Zugang zur ersten Thurmgalerie. Hierauf folgt das bis zum Thurmdachgebälk reichende Glockenhaus, in welchem sich drei nach dem System des Dombaumeistcrs Ritter in Trier aufgehüngte, von Bachert in Kochendorf gegossene, harmonische Glocken von 4 bis 10 Centner Gewicht befinden.
. Als Baustil ist der einfache frühgothische, als Baustein der in der Nähe von Nagold in besonders guter und schöner Qualität gebrochene bunte Sandstein gewählt und durchgeführt; die drei im Lichte je 1,71 in breiten, 8,0 in hohen Chorfenster haben Glasgemälde, die Geburt, Kreuzigung und Auferstehung Christi darstellend, mit stilgemäßer architektonischer Umrahmung, eine Stiftung des Königs Karl von Württemberg, und sind nach den Cartons, welche Professor Karl Schmidt entworfen, durch den Hofglasmaler Wilhelm in Stuttgart ausgeführt. Die Fenster des Querjchiffs, des Mittelschiffs und der Seitenschiffe des Langhauses sowie des Thurms, soweit letztere im Innern der Kirche sichtbar sind, wurden von dem Glasmaler Beiler zu Heidelberg mit farbig verziertem Maßwerk, im Ucbrigcn mit einfachen Bordüren und gedämpftem Glase gefüllt.
Die Wandungen im Chor, Querschiff und
Langhaus sind einfach bemalt, die Gliederungen der Gurtbogen mit farbigen Ornamenten, die Kapitäle und Consolen der Halbsänlen unterhalb der Gurtbogen farbig gefaßt und müßig vergoldet. Die den Chor polygonal abschließenden Wandungen sind bis zur Höhe der Fensterbänke mit einem reichen Teppichmuster, die oberen Theilc derselben, die Gewölbedienste, Rippen und Gewölbefelder reich mit farbigen und vergoldeten Ornamenten bemalt.
In wohlthuendem Contraste hiemit und mit der den Hauptpfeilern im Innern der Kirche belassenen Naturfarbe des röthlichen Sandsteins, sind die beiden unteren massiven Seitenabschlüsse des Chors, in welchen sich die zu der Sakristei und dem abgesonderten Zuhörerraum führenden Thüren und Fenster befinden, mit reicher Gliederung und Laubwerk versehen, aus hell grünlichgclben Hausteinen von den Brüchen bei Hochdorf ausgeführr, ebenso Altar und Taufstein, beide ebenfalls mit stilgcmüßem reichem Laubwerk versehen, während die Kanzel, zu welcher man von der Sakristei aus auf einer gewundenen Treppe mit reichem Geländer gelangt, massiv von Eichenholz gefertigt ist. Dieselbe rnht aus einer Säule mit reich belaubtem Kapitäl; in den tiefen Füllungen der Kauzclbrüstung befinden sich die Symbole der vier Evangelisten in erhabenem Schnitzwerk und inmitten des 4,6 in hohen Schalldeckels das Standbild des Heilands als Lehrers — ein Geschenk des Obcrbauraths von Landauer.
Ebenso ist das Gehäuse der von C. Weigle in Stuttgart gefertigten Orgel seines Meisterwerks mit 32 klingenden Registern', welches einen Raum von 8,30 in Länge und 3,4 in Tiefe einnimmt und in einzelnen Abtheilungen eine Höhe von 9,75 in erreicht, in mehrere giebelförmig abgeschlossene, reich gegliederte Felder getheilt, dem Stil der Kirche entsprechend, eichenholzfarbig lasirt, mit Farben gefaßt und reich vergoldet.
Auch die Emporcnbrüsrungen, mit reichem Maßwerk aus Lindenhvlz geschnitzt, sind eichenholzfarb lasirt und an Kehle und Gesims gliedern mit rother, brauner und blauer Farbe gefaßt.
Das Innere der Kirche ist für 2000 Sitzplätze bestimmt, wovon sich 1066 im untern Kirchenraum, 902 auf den Emporen und 32 weitere Sitzplätze auf einer an den beiden Enden des Querschiffs erbauten zweiten Empore befinden.
Die Sakristei und der dieser gegenüber liegende abgesonderte Zuhorerraum wird mittelst Regulirfüll- öfen, die Kirche selbst durch sechs Luftheizungsöfen aus der Fabrik von I. H. Reinhardt in Würzburg erwärmt.
Die Akustik der ihrer Anlage nach den Charakter eines evangelischen Gotteshauses bezeugenden Kirche hat sich im allgemeinen als befriedigend bewährt.
Der Aufwand beläuft sich einschließlich der auf Kosten der Gemeinde angeschafften Kirchenstühle, Orgel, Uhr und Glocken, auf rund 230,000 fl. —
Zu dem westlichen mit Sträuchern bepflanzten Vorplatz der Kirche führen 34 Stufen. Rechts und links derselben ist neuerdings ein schönes eisernes Geländer angebracht. Die übrigen Seiten und der Platz hinter dem Chor sind gegen die Straßen hin abgeschlossen und mit einigen Zierbäumen versehen.
Bei den Vorbereitungen des Baues hat Bauinspektor Sa nt er wesentlich mitgewirkt. An der Ausführung waren betheiligt Bauführer Kau pp und die Werkmeister Gebrüder Chr. und Heinr. Schuster, von denen auch der größere Theil der Bildhauerarbeiten gefertigt wurde. Bildhauer A. Cleß von
Zwiefalten hat die Kanzel, und Bildhauer Meintet's Wittwe in Horb das Orgelgchäusc nach dem Entwurf des Architekten ausgcsührl, die Dekorationsmaler I. Haverlampf in Reutlingen und A. Schraivogcl in Rottenburg die Bemalung, Schreinermeister Stcim und Vogelweyd von Horb die Gestühle, das Maßwerk der Emporen und die Kirch- thüren hergesiellt und Fabrikant A. Stotz in Stuttgart die verzierten Thürbeschlägc mit vollstem Ver- ständ niß der hiebei a n gewendeten Fo rmen gefertigt.
Der Dreikaiserbund.
Neuerdings tauchen Gerüchte auf, welche von einer Wiederherstellung des Dreikaiserbündnisses wissen wollten.
Veranlassung dazu mag die von Wien und Berlin aus entsendete Mililitair-Deputation gewesen sein, welche dem russischen Kaiser zum 62. Geburtstage zu gratuliren hatten und ferner auch gewisse officiöse Hinweise, die darauf hinausliefen, daß man in St. Petersburg jedenfalls besser fahren würde, wenn man dort sich entschließen könne, das frühere Verhältniß wieder aufzurichten.
Wenn man sich eine deutliche Vorstellung von der Weltlage zur Zeit des Drei-Kaiserbundes und von der Beschaffenheit der gegenwärtigen Situation macht, so hat man die Antwort darauf, ob 1880 noch möglich ist, was in den Jahren 1872—1877 möglich war, bereits in der Hand. Bei Beendigung des deutsch-französischen Krieges befand Oestreich sich in dem Zustande völliger Jsolirung, während Rußland und Deutschland als intime Bundesgenossen dastanden. Mit Rußland war das Wiener Cabinet wegen der Aufkündigung des Pontus-Vertrages, mit dem deutschen wegen des Grafen Beust franzosenfreundlicher Gesinnungen verfeindet. Fürst Bismarck machte diesem Zustande damit ein Ende, daß er Oestreich zu einem Friedensschlüsse die Hand bot und daß er sich angelegen sein ließ, diese Macht auch mit dem russischen 'Nachbarn auszusöhncn. Die Grundlage des neu geschaffenen Verhältnisses war nach wie vor die russisch-deutsche Intimität und wesentlich aus Rücksicht auf die Wünsche Deutschlands ließ sich das Petersburger Cabinel zu dem Versprechen herbei, es sollte von beiden Seiten im Orient Frieden gehalten und dadurch dem östreichisch-russischen Antagonismus die Spitze abgebrochen werden. Das auf solche Weise geschaffene Verhältniß hielt genau so lange vor, als der Kta-tns guo auf der Balkanhalbinsel vorhielt. Als dieser unhaltbar geworden war, trat der alte, neu bemäntelte Gegensatz russischer und österreichischer Orientinteresscn in sein volles Recht. Den Frieden zwischen seinen beiden ehemaligen Murten wußte Fürst Bismarck zu erhalten, um das alte freundschaftliche Verhältniß war es indessen geschehen, sobald die Russen mit der Pforte abrechneten. Sein Bemühen, zwischen St.. Petersburg und Wien ehrlich zu vermitteln, wurde dem deutschen Kanzler aber durch die Aufkündigung der russischen Freundschaft vergolten.
Wie liegt die Sache heute? Deutschland und Oestreich sind durch Bande enger Freundschaft verbunden und nur davon ist die Rede, ob Rußland ein gewisser Anthcil an derselben gegönnt werden soll. Wir lassen ununtcrsucht, ob das St. Petersburger Cabinet sich mit der Rolle eines „Dritten im Bunde" begnügen würde und fragen einfach, unter welchen Bedingungen Oestreich und Rußland einander wieder genähert werden könnten. Als bekannt setzen wir dabei voraus, daß der Grund unserer Entfremdung von Rußland allein darin gelegen hat, daß wir die österreichischen Orient-Jnieressen nicht im Stiche