russische Strömung ins Leben zu rufen. Besonders eisrige Kämpfer schrecken sogar vor einer totalen Frontveränderung nach Auszen hin nicht zurück. Es braucht wohl nicht erst ausdrücklich hervorgehoben zu werden, daß alle russenfreundlichen Kampshähne mit ihren Versuchen schon beim ersten Anlaufen kläglich in dis Pfütze ihrer eigenen unsinnigen Theo­rien stürzten. Daß das Bündnis;, welches Ocstreich- Ungarm mit Deutschland geschlossen hat, das einzige naturgemäße Verhältnis; dieser beiden Nationen ist, davon sind nachgerade auch die simpelsten Geister in der ganzen weiten Monarchie diesseits und jen­seits der Donau überzeugt.

Derrothc Poldl" in Wien ist ein merkwürdiger Mensch. Im Militär bekam er genau protokoilirt 7200 Rn- theubiebe und 300 Stockprüget und wurde dach nicht gebessert, kaum gebändigt. Als er einmal 70 ausgezählt bekam, rief er mit Galgenhumor dem Lieutenant zu:Schicken S' mir noch a paar Leut' mit Besenstiel her, die da können nicht hauen!" Da wurde er ausgestogen. stahl wie ein Rabe und wurde zwei­mal erwischt und übersührt. Vom Gericht zu 4 Jahren schwe­ren Kerkers vernrthcilt, senzste er und bat:lieber 100 Prügel oder aucb 500". aber ohne lrrivlg.

Fordere Niemand mein «chicksal -,n hären, sollte man die Lcbensgeschichte die des Baron v. Skr o n s k p überschreiben. Einem alten böhmischen Adelsgeschlcchte angchereud, aber selber arm, trat er in's Militär als Lieutenant bei den Ulanen. Der Tod naher Verwandter machte ihn znm Herrn großer Güter, er trat aus dem Dienst und heirathctc eine bildschöne und grundreiche Gräfin Nt. Diese wurde sein Unglück. Sie war eine schamlose, liederliche Frau, die ihren Schreiber lieber hatte, als ihren Mann und ihn zur Verzweiflung trieb. Er­ging au> große Reisen und lebte toll darauf los, um seine Schande zu betä-beu. Seine Frau tricb's noch toller, ging auch mit ihrent Galan a:ü Reisen und ist verschollen. Das Ende war, das; die großen Güter und Paläste unter den Ham­mer kamen und dem Baron nichlS übrig blieb als zweitausend Gulden. Die waren bald aufgezeln.t. Da wurde der Baron Hülfssckweibcr bei der Bczirkshanptmannschait Pribrnm mit täglich 20 Kreuzer. Damit und mit kleinen Unterstützungen alter Bekannter schlug er sich redlich durch, bis die Hanptmann- schast aufgelöst und er brodlos wurde. Er war nun 8t Jahre alt, betteln wollte er nicht: da bat er den Statthalter in Prag um die Erlaubnis;, als Leierkastemnann sein Brod verdienen zu dürfe!., und erhielt sie. Mit der Drehorgel zieht er in den Straßen Prags umher.

Italien.

Die Zsiiungeii bringen traurige Nachrichten über das Befinden der Königin Margarita von Italien. Sie soll an Verfolgungswahnsinu leiden.

Hat Rußland seinen Nihilismus, Deutschland seine Socialdemokratie, so besitzt Italien seine »Ita- lia irvöäont.M als Schmerzenskind. Unter dem phantastischen Namen:Italien der Italiener" hat sich eitle eigenartige Verschwörung gebildet, welche sich mit dem schnurrigen Plane trägt, durch eine Revolution oder dergleichen gewaltsame Manoeuvres die im Besitze Oestreichs und der Schweiz befindli­chen italienischen Ländertheile unter den italienischen Scepter zu bringen. Bor der Oefsentlichkeit steht dieseItslia irreäontM mit der italienischen Regie­rung auf bitterbösem Fuße, man glaubt aber auf der Hofburg in Wien nach Anzeichen forschen zu müssen, welche auf einen inneren Zusammenhang italienischer Regierungskreise mit dem Co mite dieser famosen Verschwörung schließen lasset!, weil beide Theile im Grunde genommen doch ein gemeinsames Ziel erstreben.

Belgien.

Die belgische Kammer hat den Gesetzentwurf, betreffend die Verlängerung des Handelsvertrags mit Deutschland angenommen.

Schweden und Norwegen.

Christiania, 11. Febr. Der König hat heute Mittag 1 Uhr das Storthing eröffnet; in der Thron­rede wird hervorgehoben, daß der Druck, der aus den Erwerbszweigen laste, noch fortdaure, aber der Beginn einer Besserung bemerkbar sei. sSt.-A.) Rußland.

Petersburg, 11. Febr. Das neueste ärztliche Bulletin konstatirt eine Besserling in dem Befinden der Kaiserin. (St.-A.)

Der Gesundheitszustand in ganz Rußland wird immer bedenklicher. Die Diphteritis - Epidemie hat schon 19 Gouvernements und das Weichselgebiet ergriffen, wo eine Lehranstalt nach der anderen in Folge der raschen Verbreitung der Epidemie geschlos­sen wird. Außerdem wüthet der Typhus und neuer­dings meldet man aus dem Gouvernement Tombow das Ausbrechen einer räthselhaften Kinderkrankheit, die meist tödtlich verläuft. Seit dem Beginn des verflossenen Jahres herrscht nach demGolos" in der Umgegend von Kisljar im Terekgebiet eine unbekannte Krankheit, die seit dem Oktober einen epidemischen Charakter angenommen hat und zahlreiche Opfer

dahinrafft. Im Laufe des verflossenen Jahres sind von 8000 Einwohnern 700 an dieser Krankheit ge­storben.

Amerika.

Neue Art von Prämien. Ein amerikanischer Zci- tnngsauSgeber ist vor Kurzem auf die kühne Idee verfallen, seinen männlichen Adonnenlen junge Damen als Prämien an- zubieten. Mehrere hundert Damen haben ihm ihre Visitenkarte und Photographie eingesandt. Jeder neue Abonnent erhält einen Zettel, der den Inhaber berechtigt, an einer großen Ber- loosnng von Prämiendamen Theil zu nehmen, die im Lause des Jahres statlsinden soll. Ein glücklicher Gewinner kann aus diese Weife eine Frau erlangen, wenn er nur den Abvnuemcnts- preis für ein Jahr bezahlt, und eine junge Dame hat nunmehr gar keine Mühe oder Kosten mehr, einen Mann zu bekommen.

Dies Geschäft ist unter den Damen beliebter als bei den Herren. Die Spalten der Zeitung sind mit glühenden Beschrei­bungen der Prämiendamen gefüllt, und da die meisten dieser von'den Damen selbst verfaßt sind, hat inan also gar keine Ursache, an deren Wahrheit zu zweifeln oder sie für übertrieben zu halten. Unter den Damen befinden sichjunge schöne Witt- wen",schöne junge Mädchen von 13 dis 20 Jahren" und außerordentlich schone Damen von 25 Jahren". So theiit dieFr. Pr." in ihrem Feuilleton mit.

Handel L Verkehr.

M a n n h eim, 9. Febr. (Getrcidemarkt.) Seit ei­nigen Tagen hat sich die Stimmung befestigt und zeigt sich etwas mehr Frage; namentlich ist Roggen sehr begehrt und auch etwas besser bezahlt. Heute ist zu nvtiren: Waizen, ame­rikanischer Wintertzl 26.50, dto. Sommer .ktl 25.50, mo. Sa- ronSka 2525.50, dto. nordd. -ttl 25.2525.75, Roggen PetersburgerAl 19.25, dto. Nieölajefflik 18.50, Gerste, Pfälzer ttL 19.50--20, Haser, hierländischer 15, dto. württcmb. und bayer. 15.75.

Erhöhung der Eementpreise. In einer in Cöln stattgefnndenen Versammlung wurde seitens dee bedeutendsten Ecinentjabriken beschlossen, in Anbetracht der bedeutenden Preis­steigerung aller Betriebsmaterialien eine vorläufige Preiscrqo- hung von 0,75 »L pro Tonne Portland-Cement von 180 Kgr. brutto oder 0,45 ./L pro 100 Kgr. in Säcken verpackt von jetzt ab einlreten zu lasse».

Beschnittene Reichs g old münzen kommen jetzt öfters znm Vorschein, die so kunstvoll abgedreht sind, daß nur die UmschriftGott mit unS" fehlt und man bei Zahlung ei­nes einzelnen solchen Stückes den Unterschied gegen ein voll­wichtiges nur bei der größten Aufmerksamkeit entdecken kann. Die dadurch veranlagte Entwerthnng ist ganz bedeutend; sie bArägt beim Zehnmarkstück 180, beim Zmanzigmarkstück 220 -4. Es ist deßhalb von Nöthen, daß man das Goldstück, welches man in Zahlung erhält, prüft, denn eine so entwerthete Münze wird von jeder Staatskasse als ungültig znrückgemiesen.

Der GehermnitzvoUe.

Ans den nachgelassenen Papieren eines Arztes.

Nachdruck rcraotcn!

1 .

Es war die Zeit der Frühlings Tag- und Nachtgleiche, ein wüstes, umheimliches Wetter. Mau hat im Westen Europas keinen Begriff von der Wuth und der Ausdauer dieser Aequinoctialstürme, welche, über die endlosen Ebenen Rußlands und Polens hin­blasend, keinen Bergrücken finden, an welchem sich ihre Kraft bräche; Stürme, welche nicht Tage, sondern Wochen lang mit endloser Heftigkeit wüthen, während das graue Gewölk, mit welchen sie den Horizont bedecken, Ströme von Regen herabgießt, als wolle eine neue Sündfluth die alte Erde ersäufen.

Der Sturm, welcher an den Mauern des alten Schlosses rüttelte, als wolle er dieselben znsammen- stürzen, und von Zeit zu Zeit eine Pause machte, wie um Athem zu schöpfen, dann mit erneueter Kraft her­anströmte, und durch die schöne Lindenallee, die den Eingang zum Schloßhofe bildete, hiuheulte, trieb die großen, prasselnden Regentropfen auch gegen das wohlverwahrte Doppelfenster eines Zimmers, in wel­chem sich der Besitzer des Schlosses, der Graf Seld- nitzky, mit seiner Gemahlin und zwei anderen Herren befand, von denen der eine der Doctor Bärmann, der Kreisarzt in dem nächstgelegenen polnisch-russischen Landstädtchen Z. war.

Der Doctor war ein bereits bejahrter, grau­haariger, aber noch kräftiger Mann, nicht allein der Hausarzt des Grafen, sondern auch der Hausfreund desselben, der ihn wegen seiner strengen Rechtlichkeit hochschätzte und ihn nicht nur in allen Krankheits-, sondern in allen anderen Fällen consultirte, welche Rath und Beistand erforderten.

Die vierte Person des kleinen Zirkels war ein Mann von etwa dreißig Jahren, eine schlanke elegante Figur mit einem feinen, blassen, aber scharf geschnitte­nem Gesichte, dessen Ausdruck durch das schwarze Haar und den starken Bart von der gleichen Farbe noch mehr gehoben wurde. Dieser Mann nannte sich Baron Kölöny. Er war ein geborener Ungar und hatte schon früher die Bekanntschaft des Grafen in Italien ge­macht, wo sich dieser Letztere mit seiner Frau eine Zeit aufgehalten hatte, und zwar in einer Veranlas­sung, die wir zugleich näher erwähnen werden.

Vor nicht langer Zeit hatte sich Kölöny in der Nähe der gräflichen Besitzungen, hart an der preußisch-rus­sischen Grenze angekauft. Er schien sehr reich zu sein und hatte jenes Gut bezahlt, ohne Schulden darauf zu lassen. Sein Benehmen war außerdem das eines fein gebildeten Mannes, der weit in der Welt umherge­kommen ist und sich jeder Zeit in den besten Zirkeln bewegt hat. In seinem Gesichte aber schien es im Hintergründe wie ein finsterer, feindseliger Dämon zu lauern, ein seltsamer, fast wilder Ausdruck zog in ein­zelnen Momenten darüber hin, und sein eigentlich schönes, großes, dunkles Auge irrte mitunter mit einem cigenthümlich stechenden und gehässigen Blick auf den einzelnen Personen der Gesellschaft umher, einen Blick, der jedoch in demselben Augenblicke wieder verschwand, in welchem man ihn anredete, oder wenn er sich von Jemand beobachtet glaubte.

Es war indessen eben nur der Doktor Bärmann, welcher diese Beobachtungen machte, während dagegen weder der Ehef noch dessen Gemahlin etwas an dem neuen Gesellschafter auszusetzcn fanden, welcher der Einladung des Grafen ihn zu besuchen, erst einige Male entsprochen, dann aber jedesmal nicht wenig dazu beigetragcn halte, durch seine geistreiche Unter­haltung den Anwesenden eine» genußreichen Abend, u. besonders dem Grafen und der Gräfin eine Unterhal­tung und Zerstreuung zu verschaffen, deren Beide im gleichen Maße nur zu sehr bedurften.

Es waltete nämlich ein trübes Schicksal über dieser Familie. Die Gräfin, eine junge Frau von kaum fünfundzwanzig Jahren, war krank, und zwar unter Umständen, welche ihr nicht leicht Hoffnung aus Genesung gaben. Es war die zweite Frau des Gra­fen, der nahe daran war, die Vierzig zu passiven. seine erste Frau war nach'einer Ehe von etwa fünf Jahren im Wochenbette gestorben; Kind und Mutter gleichzeitig.

Nach ihrem Tode hatte der Graf längere Zeit mit seiner Schwiegermutter ein stilles, zurückgezogenes Leben geführt, bis er endlich aus die Vorstellungen des Doctors hin den Entschluß faßte, sich wieder zu verheirathm, einen Plan, dem sich indessen seine Schwiegermutter ans allen ihren Kräften zu wider-" setzen suchte. Sie hatte allerdings ihre guten Gründe dazu, da die bedeutenden Besitzungen des Grasen ihrer Familie zufallcn mußten, wenn derselbe kinderlos starb; aber sic hütete sich wohl, dies Motiv anzugeben, son­dern hob vielmehr das religiöse, oder vielmehr das bigotte Element hervor, indem sie ihrem Schwieger­söhne vorstellte, daß es ein Verbrechen sei, eine zweite Frau zu heirathen, wenn man die Ehe als ein Sa- crament betrachte.

Der Beichtvater des Grasen unterstützte die habsüchtige Frau in ihrem unheilvollen Treiben, und ohne den Doctor Bärmann, an dessen klarem, nüchter­nen Verstände er eine kräftige Stütze fand, wäre der gutmüthige, aber schwache Character des Grafen wahr­scheinlich den Jntriguen seiner Schwiegermutter erlegen. Der Doctor, ein vorurtheilsfreier Geist und noch dazu Protestant, bestärkte dagegen den Grafen in seinem Entschluß, und als derselbe, ohne seine Schwiegermut­ter weiter über dies Thema zu Rathe zu ziehen, dieser Frau eines Tages seine Verlobung mit einer jungen, schönen, aber elternlosen Dame seiner Bekanntschaft ankündigte, ging dieselbe in ihrem Eifer, in ihrer Wuth so weit, ihm, wenn diese Verlobung wirklich vor sich ginge, mit ihrem Fluche zu drohen.

Dieser blinde Fanatismus brachte indessen gerade die entgegengesetzte Wirkung auf den Grafen hervor. Anstatt noch länger zu zögern, beschleunigte er viel­mehr seine Herrath mit seiner gegenwärtigen Frau, ohne mit seiner Schwiegermutter noch ein Wort über diese Angelegenheit zu sprechen. Doch nahm er die Rücksicht, die Hochzeit nicht auf seinen Gütern, sondern in Warschau zu feiern, um jeden etwaigen unange­nehmen Auftritt zu vermeiden, da er nach geschehener Sache leichter jeden Widerspruch seiner ehemaligen Schwiegermutter zu überwinden hoffte. Aber er hatte sich hierin getäuscht. Verborgen konnte derselben das Geschehene nicht bleiben, und als der Graf mit seiner jungen Frau seinen Einzug hielt und von seinen Dienstleuten freundlich bewillkommt ward, drängte sich das erbitterte, in allen ihren Interessen so tief verletzte Weib, von ihrer alten Kammerjungfer begleitet, durch die Menge, indem sie tobend erklärte, daß sie den Staub von ihren Füßen schüttle, und nicht länger in einem Hause wohnen wolle, wo das Andenken an ihre Toch­ter in solcher Weise geschmäht und beschimpft würde.

Die ganze Geschichte, so unangenehm sie im