gebrauchtes Sprachrohr gilt, einen Artikel, der so zu sagen sein politisches Programm Frankreich gegen­über enthält. Aus dem Diplomatischen und Hoch­offiziösen ins unzünftige, aber allgemein verständliche Deutsch übersetzt, besagt dieses Programm: Wir wer­den, was immer in Frankreich geschehe, unsere sried- liche und freundliche Hattang nicht ändern, und jedes (franz.) Ministerium, mag es noch so radicale Mit­glieder haben, wird uns angenehm sein, wenn cs eine friedliche Politik beobachtet. Wir wollen die Fort­dauer der Republik in Frankreich, und darum haben Unternehmungen wider die gesetzliche Staatsform von unserer Seite auf keine Förderung zu rechnen. Die letztere Andeutung bezieht sich wahrscheinlich auf einen vergeblichen Versuch der monarchischen Feinde der Republik (Bonapanisten, Bourbonen und Orlea- nisten) für einen gewaltsamen Staatsstreich die Un­terstützung Bismarcks zu gewinnen. Diese Haltung Bismarcks hat in Frankreich ungemein grossen und günstigen Eindruck gemacht und nur die Verschwörer geärgert und enttüutscht.

Die antisemitische Bewegung säugt jetzt an, auch in die Gymnasien einzudringeu. In einem Berliner Gymnasium, schreibt inan derMagdeb. Ztg." aus Berlin, ließen Schüler einer Oberklasse eine Oiste cirkuliren, welche die Unterzeichneten verpflichtet, jeden Umgang mit jüdischen Mitschülern zu meiden.

Seitens des Vatikans wird gegenwärtig eine vor Kurzem erst nengcgründete Zeitung heransgege- ben. Dieselbe führt den NamenAurora" u. ver­folgt zuerst den löblichen Zweck, die Rolle einer Frie­denstaube für den kirchlichen Frieden in Deutschland zu spielen. In einer ihrer jüngsten Nummern wer­den dem Fürsten Bismark alle möglichen Eigenschaf­ten zugeschriebcn, zugleich wird aber auch angenom­men, das; es für ihn ein Leichtes sei, den Frieden mit dem KleruS zu schließen -- sei er doch die trei­bende Kraft gewesen für jene Thaten, welche die Welt in Erstaunen zn setzen vermochten. Nach der obigen durch verschiedene Cvmplimente versüßten An­sicht ruhe die ganze Verantwortlichkeit für die Ver­handlungen mit dem heiligen Stuhle aus den Schul­tern des Fürsten Bismarck.

Italien.

Der schon so lange schwebende Eheschließungs- Prozeß zwischen General Garibaldi und seiner Gat­tin, Marquise Raimvndi, ist endlich vom Appella­tionsgerichte in Rom entschieden und die Ehe für ungiltig und nicht bindend erklärt worden.

Schweiz.

Bern. Pfarrer Körber in Bern hat einen Ruf als Direktor der Knabcnerziehungsanstalt in Kornthal bei Stuttgart erhalten und angenommen. Frankreich.

Paris, 18. Jan. Seit der Proklamation der Verfassung von MID welche verfügt, daß am ersten Sonntag nach Eröffnung der gewöhnlichen Session in allen Gotteshäusern Frankreichs öffentliche Gebete stattfinden, um den Segen des Himmels für die Arbeiten der Kammern zu erflehen, fand der Gottes­dienst für den Präsidenten der Republik und die 'Mitglieder der beiden Kammern zum ersten Male nicht mehr in der Schloßkapelle von Versailles, sondern in der Notre-Dame-Kirche von Paris statt. Tie Plätze, welche mau für den Präsideuteu Gröoy und sciu Gefolge, sowie für Gambetta hingerichtet, blieben leer. Gambetta ließ sich durch Krankheit entschuldige», daß aber Präsident Grövy einer Feier fern blieb, der kraft der Verfassung er anznwohnen hatte, macht Aussehen.

Paris, 20. Jan. Jules Favre ist heute Nacht in Versailles gestorben. Er war geboren 21. Marz 1800. Er be'theiligc sich an der Revolution von 1848, nahm neben Thiers im gesetzgebenden Körper eine gefürchtete Stelle ein, und als er, wie früher gegen den Zug nach Rom, gegen die Expedi­tion nach Mexiko donnerte, war er der Mann des Volkes und stand im höchsten Glanze des Führers der Opposition. Seine Rolle während der Belage­rung von Paris ünd als Unterhändler mit Bismarck in Ferneres wie in Versailles und Frankfurt ist be­kannt. Unter Thiers noch bis 1872 Minister war von da an seine Nolle anSgespielt.

Paris, 21. Jan. Die Beerdigung Jules Favre's erfolgt am Donnerstag um 1 Uhr nach pro­testantischem NituS.

England.

London, 7. Jan. Den Statistikern desBu­reau Beritas" zufolge haben während des Monats

November v. I. folgende Schiffs Unfälle stattgc- funden: Es gingen 130 Segelschiffe zu Grunde, und zwar 43 englische, 17 deutsche, 12 amerikanische, 12 französische, 11 norwegische, 9 holländische, 7 schwe­dische, 6 dänische, 4 italienische, 2 griechische, 2 por­tugiesische, 1 österreichisches, und 4, deren Nationali­tät unbekannt ist. Ferner scheiterten 18 Dampfer, darunter 13 englische, 2 spanische, 1 deutscher, 1 amerikanischer und 1 holländischer, und 2 werden einfach vermißt.

Lvndvn, 21. Jan. In der Kohlengrube Ley- sett (Grafschaft Stafivrdj erfolgte heute Nachmittag in Folge schlagender Wetter eine Explvsivn, wodurch 7090 Personen getödtet wurden. (N. TU

London. Ein Anzeichen dafür, daß der Ar- beilsmarkt sich belebt, liegt in dem schlechten Gang des Rekrntengeschäfts. Es ist in den letzten 6 Wo­chen in der Zahl der sich Anbielendcn ein Ausfall von etwa 30 pCt. gegen das Vorjahr bemerkbar. Zumal dies bei strengem Wintcrwetter geschieht, kann keine Frage bestehen, daß der gewerbliche Arbeitgeber denWerbesergantenwieder ernstlichercKonkurrenzmacht.

Das Folgende mulhet uns etwas wunderbar an. Unter der Unterschrift:Die Unbehaglichkeit in Deutschland" (tlie nnoasinoss in Oormanv) wird die­sem der dringende Rath gegeben, ohne weitere Um­schweife über Rußland herzufallen.Die deutsche Armee, heißt es daselbst, wird mit Enthusiasmus gegen einen Feind marschiren, mit welchem cs schon oft gewünscht hat die Klingen zn kreuzen. Ein er­folgreicher Krieg würde Deutschland nicht allein von einer ernsten äußeren Gefahr befreien, sondern ihm auch den größten Dienst im Innern bereiten, der Socialismns würde damit niedergeschlagen werden: ein Problem, das Fürst Bismarck nicht seinen Nach- übeclassen darf. Dem Uebel kann nicht gesteuert werden, so lange daS Land arm bleibt, und ein Wiederaufleben der nationalen Wohlfahrt ist unmög­lich bis eine gänzliche Umgestaltung Europas Deutsch­land gestattet, die Lasten, welche seine Industrie trägt, durch eine umfassende Reform seines militä­rischen Systems zur erleichtern." Wir werden wohl nicht nöthig haben, noch viel hinzuzufügen.

In Irland hat man einen Wallfahrtsort ent­deckt. DieTuam News" berichtet von wiederhvl- ten Erscheinungen der Jungfrau, welche sich im Berein mit Jvseph und dem Evangelisten Johannes an der Mauer der Sakristei in Claremorris gezeigt habe, und von ganz wundersamen Kuren, welche durch diese Erscheinung oder durch Auflegen von Mörtel, den man von dieser geheiligten Mauer ge­löst halte, bewirkt worden sein. So sollen am 9. d. zwei blinde Mädchen, welche das Glück hatten, in Claremorris gerade in den, Zeitpunkte einzutreffen, als die heilige Jungfrau sichtbar war, ihr Augenlicht wieder erhalten haben.

Rußland.

An den zerfahrenen und revolutionären Zu­ständen in Rußland trügt Niemand größere Schuld als der größte Feind jeder Art Revolution, der ei­serne Kaiser Nievlaus, der Vater Alexanders. Revolntivn und energische geistige Thätigkeit war ihm dasselbe Ding und sein Abscheu gegen Revolution dehnte sich auf jene freie geistige Regsamkeit ans. Er wollte einen geistig stillstehenden Zustand der Gesellschaft in seinem Reiche schaffen, in dem alle großen Aufgaben der Menschheit einmal und für immer abgemacht sein und Niemanden mehr beschäf­tigen sollten. Aber diese geistig stillstehende Gesell­schaft sollte dennoch materielle Fortschritte machen u. zwar möglichst große und rasche. Er wollte brauch­bare und tüchtige Miliär- und Civil-Jngcnienrc ha­ben, Baumeister, Mechaniker, Chemiker und Physiker und des Effektes wegen auch Maler, Bildhauer und Dichter, nur keine europäischen Gedanken und Ideen. Daß der Paradepkatz große Feldherrn bilden werde, verstand sich für ihn von selbst; alle diese brauchba­ren Menschen aber sollten Leute sein, deren Denk­vermögen nie geweckt worden war. Wie oft hat er den Offizieren zngerufen:Beschäftigt Euch mit dem Dienst, mit dem Frontdienst und nicht mit Philoso­phie!" Unter Philosophie verstand er jede geistige Thätigkeit überhaupt. Berühmt ist auch die Anrede, die er einmal an die versammelten Professoren der Universität Kiew richtete:Ich brauche keine unsin­nigen Getthrieu, rief er, mögen die Studenten Dumm- köpse sein, wenn sie nur dem Throne und Altäre ergeben sind." Der innere Widerspruch lag darin, daß die gewünschten Dnmmköpfe zn allem und jedem

brauchbar und tüchtig sein sollten.Der Bien' muß." Diese Unterdrückung jedes freien geistigen Strebens rächte sich.

Amerika.

Ans Nordamerika. (Ländlich, sittlich.) In derberühmten" Stadt Leadville in Colorado lies; sich ein bekannter Klopffechter, der bereits einige Morde auf dem Gewissen hatte, in der Kirche vom Pfarrer trauen, indem er eine Lebensgefährtin ge­funden hatte, die zu ihm paßte. Als der Pfarrer die üblichen Fragen an den Burschen und seine Dnl- cinca stellte, unterbrach ihn der liebenswürdige Bräu­tigam mehrere Male, indem er ihm sagte: Das gehe ihn nichts an. Der Herr Pastor nahm das ruhig hin, selbst als der Kerl seinen Revolver zog und ihm damit drohte, wenn er nicht die Sentenz beendige. An, Schluß der Zeremonie küßte der Pfarrer die Braut in der in Amerika vielfach üblichen Weise; das war dem Bräutigam zu viel und er erhob wirklich den Revolver und schoß nach dem Ohr des Pfarrers in Gegenwart von einer ganzen Menge Zeugen, die denSport" mit ansehen wollten. Wie ein Blitz warf der Pastor aber seine Predigerkutte ab, sprang ans den jungen Ehemann los und streckte ihn mit einem wohlgezielten Faustschlage zu Boden. Eine regelmäßige Boxerci entstand, allein der Pfarrer war ein so geschickter Schläger, daß er den Burschen in fünf Minuten kampfunfähig machte und dieser um Gnade bat. Während des Kampfes formirteu die Braut und die Gäste einen Ring um die Kämpfen­den und feuerten dieselben durch Zurufe an und am Schlüsse gratnlirten die Anwejenden dem Sieger, voran die Braut, und seit der Zeit ist der Pastor der gefeierte Held von Leadville.

Aer gebesserte Werbrecher.

(Fortsetzung.)

Ein starkes Klopsen an der Anßenthür unter­brach hier das Gespräch und verwundert, wer noch so spät zum Besuche käme, ging Müller dem Klopfenden zn öffnen.

Müller erstaunte, seinen Schwager, den er am wenigsten heute erwartet hatte, vor sich zu sehen, doch als er mit ihm in's Zimmer trat, und das Licht hell auf dessen blasses Gesicht siel, fuhr er erschrocken zu­rück über die furchtbare Veränderung, welche mit ihm seit wenigen Tagen oorgegangen war.

Der Ausruf Sarah's, als sie ihres Bruders ansichtig wurde: Mein Gott, Charles, was ist mit Dir, bist Du krank? zeigte, daß auch sie durch sein verstörtes Aussehen erschreckt worden war.

Charles fiel erschöpft auf einen Stuhl, der kurze Weg von seiner Hütte hierher, den er schon hundert Mal ohne Mühe gemacht, schien ihn jetzt ganz ermat­tet zu haben und es währte einige Zeit, bis daß er im Stande war, zu sprechen.

Die Leser wissen, was ihn in eine solche Auf­regung versetzt hatte: es war sein Zusammentreffen mit Forx, und als er seinen Geschwistern es mit­theilte, waren diese wegen der Folgen, welche die Nähe des Räubers für sie und ihren Bruder haben konnte, nicht weniger besorgt.

Er wirb mich finden und wiedererkennen, und dann mich und Euch in's Verderben stürzen. Ach, warum sollte mein Glück und mein Friede von so kurzer Dauer sein, sagte Charles. Doch ich habe im­mer eine solche plötzliche Unterbrechung des Glückes, dessen ich nicht werth bin, befürchtet. Zhr sollt aber darunter glicht leiden, daß ich diesen alten Genossen meiner Sünden hier wied erfinde. Ich gehe schon morgen von hier nach San Franzisko und verlasse von dort mit dem ersten abgehenden Schiffe Califor- nien. Ich will ihm aus dem Wege gehen, fort von hier, wohin es auch sein mag.

Wenn es nothwendig wird, daß Du fort mußt, Charles, dann gehen wir mit Dir, wir lassen Dich nicht allein in die Welt hinausziehen!

Das Unglück (denn das Zusammentreffen des Forx mit Charles ivar gewiß ein Unglück für die Fa- mlie) wurde nun init mehr Ruhe besprochen und end­lich beschlossen, lieber die Gegend oder das Land gänz­lich zn verlassen, als sich der Gefahr ausznsetzen, von Forx erkannt zn werden. Es war vorauszusehen, daß er in solchem Falle sich entweder wieder an Birch anschließen und dessen Hülfe bei seinen verbrecherischen Unternehmungen verlangen oder Gelderpressungen ma­chen wurde, der einzige Weg, beidem ansznweichen, war die Flucht vor einem Schurken, den sie den Ge­richten hätten überliefern können, um seiner los zu