hen, um dort ausgewaschen zu werden, suchen sich frei auf den Triften ihre Nahrung. Die Hütten befinden sich alle an dem linken Ufer des Flusses, dessen sil­berner Strom von Norden nach Süden fließt; nach Westen fällt das Auge des Beschauenden über die Spitzen einer mit Unterholz dichtbewachsenen Hügel­kette, auf den mir dem schönen Roth der sinkenden Sonne gemaltem Himmel; gegen Osten wird es von dem dichten Wald, der sich, etwa eine englische Meile vom Flußufer beginnend, an die mächtige Gebirgskette lehnt, welche die Scene schließt, aufgehalten und von dessen schönem, wen» auch herbstlichen, Grün erfrischt.

Einer der Männer hatte sich nach vollbrachter Tagesarbeit mit dem Stutzen unter dem Arm ausge­macht, sich den Abend noch im nahen Walde ein Stück Wild zu schießen. Er mußte mit dem Gang der Thiere genau vertrant sein, denn er stellte sich ohne Bedenken am Eingang des Waldes hinter einen dicken Baum­stamm auf den Anstand. Etwa 70 Schritte von ihm entfernt sprudelte leise murmelnd ein silberheller Quell unter dem bemoosten Felsblock hervor; er wußte, daß ein Rudel prächtiger Hirsche sich hier um diese Zeit ihren Aberdtrnnk holte.

Der Jäger war ein großer, schöner Mann in der gewöhnlichen Tracht der californischen Miner; kurze Jacke, daS Beinkleid in den hohen Stiefeln steckend, und ein breiter Kremphnt zum Schutz gegen Regen und Sonne. So einfach dieser sein Anzug war, so zeigte doch die Art, wie er gehalten und angelegt war, sowie die reich verzierte Büchse und der schön gepflegte Bart, der ihm wallend auf die breite Brust herab­fiel, daß der Mann etwas auf sein äußeres Erscheinen gab. Als er seinen breitgekrämpten Hut herunter- nahm, um sich den Schweiß von der heißen Stirn zu wischen, wurde eine Narbe sichtbar, die sich quer über dieselbe hinzog, jedoch nicht die schönen Züge seines regelmäßigen Gesichts verunzierte; in diesem Augen­blick hätten die Leser leicht in dem Jäger unfern al­ten Bekannten, Robert Birch, oder wie wir ihn lieber nennen wollen, Charles, den Sergeanten aus dem mexikanischen Kriege, wieder erkennen können.

Charles hatte sich in der Zeit auch nicht ver­rechnet, denn kaum hatte er die kurze Pfeife, die er noch als Erinnerung an sein Soldatenleben mit hin- übcrgebracht hatte, frisch gestopft und angeraucht, als ein Knistern und Rauschen in den Zweigen ihm an­zeigte, daß die Gesellschaft, auf die er es abgesehen hatte, sich einstellte. Dir Hirsche zogen langsam nicht fern von dem Baume, hinter welchem Charles stand, vorüber, dieser hatte sich schon den feistesten ausgesucht und sein Rohr gehoben, um sich denselben zur Beute zu machen da fiel von der entgegengesetzten Seite ein Schuß und gerade dasselbe Thier, auf welches Charles angelegt, brach zusammen, der übrige Theil des Rudels stob nach allen Seiten auseinander und unserem Schützen blieb nichts übrig, als seine Büchse wieder abzusetzen. Die Jagd für heute Abend war für ihn vorbei, doch blieb er mehr erstaunt und neu­gierig, wer ihm in den Weg gekommen, als verdrieß­lich für seine unnütze Mühe stehen und wartete das Erscheinen des glücklichen Schützen ab. Dieser ließ auch nicht lange auf sich warten. Er kam schnell auf das gestürzte Thier, welches noch lebte, zu, und als er mit dem Bowie ausholte, dasselbe abzufangen, konnte ihm Charles voll in's Gesicht sehen.

Es war Forx, Charles erkannte ihn auf den ersten Blick, und die Leichenblässe, welche jetzt seine frische Gesichtsfarbe verjagt hatte, konnte Zeugniß da­von geben, wie furchtbar ihn dies unerwartete Zu­sammentreffen ergriff. Forx, der frühere Genosse sei­ner Schandtaten, war der Mensch, den er am meisten zu fürchten hatte. Die vielen Morde und Berandun­gen, welche in letzter Zeit an den Ufern des Flusses und im Gebirge verübt waren, hatten jetzt ihren Thä- ter, Charles wußte, daß es Forx war. Der Anblick dieses fürchterlichen Mannes, der dort vor ihm lag, das gefallene Thier auszuweiden, beschwor seine ganze verbrecherische Vergangenheit, die zu vergessen er sich so viele Mühe gegeben, wieder in ihm herauf. Er wußte es, dieser sein früherer Genosse würde ihn ver­derben, wenn er ihn hier fände; er würde ihn ent­weder wivder zu seinem Gehüsten machen wollen, oder seinen Abfall von der Verbrecherlanfbahn durch seinen Tod an ihm rächen. Charles hatte sich in letzter Zeit so glücklich gefühlt, er hatte den alten Robert Birch so ganz von sich abgestreift, und eine Zukunft voll Glück, Tugend und Zufriedenheit vor sich gesehen, jetzt kam dieser Mann und alle seine Aussichten waren zertrümmert. Bei diesem vernichtenden Gedanken stieg

der alte Teufel der Rache und der Blutbegier, der so lange aus dem Herzen des Unglücklichen verdrängt ge­wesen, wieder in ihm auf, seine Faust krallte sich krampfhaft um den Schaft seiner nie fehlenden Büchse und ihm selber fast unbewußt lag sie im Anschlag, doch ehe der Drücker berührt wurde, hauchte ihm sein guter Engel den Gedanken an Müller, an seine Schwe­ster und an das Versprechen, welches er sich u. ihnen gegeben, und mit den Worten: Nein, keinen Mord mehr, lieber mag er mich verderben, ließ er das ver­derbenbringende Rohr wieder sinken und verließ das Gehölz.

Forx hatte seinen früheren Genossen nicht be­merkt. Die drei Kameraden, mit denen Charles zu­sammen eine Hütte bewohnte, warteten an diesem Abend vergebens auf seine Rückkehr. Er kam erst spät am folgenden Abend, als seine besorgten Freunde sich schon angeschickt hatten, seinetwegen das Gehölz zu durch­streifen, zu ihnen zurück, und kündete zu Aller Er­staunen seinen Entschluß an, in kurzer Zeit mit seinen Verwandten Californien zu verlassen.

Wir müssen unsere Leser jetzt in das Haus unseres Freundes Müller einführen. Es ist aus dem vorhergehenden Abschnitte bekannt, daß es in einer Colonie (wenn wir eine Ansiedelung kalifornischer Minenarbeiter so nennen dürfen) zwischen dem Hause des Krämers Louis Bock's und der Niederlassung, in deren Nähe wir Charles auf dem Anstand stehen sa­hen, belegen ist etwa 5 englische Meilen von je­der entfernt. Die Ansiedelung, zu der es gehört, ist bei weitem die größere von den dreien, auch ist sie die beste. Die Hütten der Arbeiter sind größer u. besser gebaut, und der Schauplatz ihrer Thätigkeit zeigt, daß diese von größerer Einsicht und Ordnungssinn gelei­tet sind. Ein hufeisenförmiger starker Damm, dessen beide Enden mit dem hohen Ufer in Verbindung ste­hen, machte einen großen Einschnitt in den Feather River, dessen goldreiches Bett innerhalb des Dammes trocken gelegt ist. Diese Arbeit war unter Müller's Leitung ausgeführt worden und ein reicher Gewinn an edlem Metall hatte die Mühe der fleißigen Arbeiter gelohnt.

Es ist am Abend desselben Tages und etwa zur selben Zeit, wo Charles auf der Jagd seines frü­her» Genossen Forx wieder ansichtig wurde, an wel­chem wir die Wohnung Müller's besuchen. Sein Haus ist bei weitem das größte und schönste in der Nieder­lassung, stark und regelmäßig gebaut und hat sogar einen Anstrich von grüner und weißer Oelfarbe, wel­ches ihm ein besonders freundliches und sauberes An­sehen verleiht. Es ist nur einstöckig, doch hat es ein sehr geräumiges Dach, unter dem sich ein freundliches Zimmer mit einem Giebelfenster nach dem Garten zu und ein großer Bodenraum befindet. Der untere Theil des Hauses ist durch Bretterwände in drei Ab­theilungen getheilt; die vordern sind durch eine kleine Vordiele getrennt; sie bilden eine größere und eine kleinere Stube und eine Küche, von welcher eine ein­fache Treppe in den obern Theil des Hauses führt. Ein kleiner, mit einer Fenze umgebener Blumen- und Gemüsegarten schließt sich an die Hintere Wand des Gebäudes, welches halb mit einem Spalier bekleidet ist, woran sich ein paar junge Pfirsichbäume hinauf­ziehen. Hinter dem Garten befindet sich ein großes, ebenfalls eingehegtes Feld. Müller hatte das Erd­reich desselben seiner Goldkörner beraubt und in den gelockerten Boden Kartoffeln gepflanzt, die ihm, wenn auch nicht so kostbare, so doch schmackhafte Früchte für den Winter geliefert hatten. An dem Ende desselben ist ein kleiner Stall gebaut, welcher einer Kuh, zwei Maulthieren und einem Dutzend Hühnern zur Woh­nung diente.

Dies war Müller's Wohnung im Herbst des Jahres 1851 und es war gewiß eine schöne ausge­zeichnete Minerwohnung. Die innere Einrichtung war so einfach und bescheiden, aber auch so freundlich und bequem, als das Aeußere. Die milde Abendsonne schien durch die blankgeputzten Fenster in ein paar Zimmer, so sauber gehalten und wohnlich anzuschauen, daß man sich wünschen konnte, darin zu wohnen. Blicken wir mit der Abendsonne durch das Fenster der großen Stube, so sehen wir, daß das ganze Mobiliar in einem großen Tisch, einem halben Dutzend Stüh­len, einem großen Schrank und ein paar Schemeln neben dem Kamin, in welchem kein Stäubchen Asche lagerte, obgleich noch gestern ein tüchtiges Feuer darin geprasselt hatte, besteht. Die Holzwände waren mit keiner Tapete bekleidet, sondern wie das ganze Mobi­liar grün angestrichen; sie schmückten keine Gemälde,

aber sie hatten einen andern Schmuck, der dem Be­sitzer alle Gemälde ersetzte, da dessen Anblick im Stande war, ihm tausend schöne Scenen und Gegenden vor's innere Auge zu führen, es war die Uniform, Rock, Hut, Schwert und Pistolen, welche Müller im mexi­kanischen Feldzuge getragen hatte.

Dieses Zimmer übertraf die kleineren Schlaf­stuben nicht an Sauberkeit, und das obere hatte Char­les inne gehabt, so lange er mit der Familie zusammen wohnte, und er logirte darin noch bei Gelegenheit sei­ner häufigen Besuche, das untere kleine Zimmer war der Lieblingsaufeuthalt der Müller'schen Familie, es stand durch eine Thür mit der Küche in Verbindung und die ganze Einrichtung überhaupt bewies, daß es das gewöhnliche Wohnzimmer sei. Die Wiege, welche neben dem mit schneeweißem Leinen belegten Bett stand, zeigte dies schon, denn wo die Wiege steht, sind in einer kleinen und glücklichen Familie die Eltern ge­wiß nicht fern.

Am Abend, zu der Zeit, von welcher wir spre­chen, hatte die Familie gerade ihr Mahl beendet, Sa­rah beschäftigte sich noch mit dem Abräumen des Ti­sches, Müller hatte ein Buch von dem kleinen Bücher­stand genommen, in welches er einige Notizen machte. Als seine Frau mit ihrer Arbeit fertig war und sich zu ihm hinsetzte, schlug er das Buch zu, machte sich seine Pfeife an und lehnte sich gegen die Lehne seines Stuhles zurück, so recht, als ob er sagen wollte: so liebes Weib, nun bin ich ganz zur Unterhaltung und Ruhe fertig. Die Unterhaltung ließ nun auch nicht lange auf sich warten, doch wurde sie nicht von Sa­rah, sondern von einer feinen kleinen Stimme, die unter den Kissen der Wiege hervorkam, eröffnet. Der kleine darunter versteckte Erdenbürger gab im höchsten Diskant zu verstehen, daß er wach sei und Lust habe, seinen Eltern Gesellschaft zu leisten.

Dem armen Schelm muß etwas fehlen, daß er so unruhig ist, Müller, sagte Sarah besorgt.

Ihm fehlt nichts, meine Liebe, er will nur ge­hätschelt sein, und weiß schon recht gut, daß jetzt die Zeit da ist, wo wir am besten Muße dazu haben. Er ist ein Schelm, ja, und wird's vielleicht bleiben, doch arm wird er nicht werden.

Wir sind doch vom Glück wunderbar gesegnet, Sarah, fuhr Müller nach kurzem Schweigen fort, vor noch nicht drei Jahren kamen wir hier sehr arm au, Bock's Unglück half uns zuerst auf die Beine, indem wir ihm wieder zu den seinigen verhalfen. Wohl sind wir drei, Dein Bruder, Du und ich, im Vertrauen auf unsere Kraft mit frischem Muth ans Werk ge­gangen und haben tüchtig gearbeitet; doch der Zufall ist uns gewaltig günstig gewesen, wie Viele sind eben­so fleißig und kommen doch zu Nichts. Jedes Mal, wenn ich zu meinem Notizbuche gelange, muß ich mich wundern, wie unser Wohlstand wächst. Ich, sonst immer ein solcher Pechvogel, begreife gar nicht, wie ich zu all' dem Glück komme.

Du, der Du andere so glücklich machst, ver­dienst doch wohl glücklich zu sein. Aus meinem Bru­der, der ein so großer Verbrecher war, machtest Du einen braven Menschen, und mich, die ich nicht besser erzogen war, wie mein Bruder, zu einer so glücklichen Frau. Gewiß, Du verdienst auch glücklich zu sein.

Ich bin es auch und gerade durch Euch, die Ihr mich verpflichtet glaubt. Ohne Eure Theilnahme und Hülfe wäre ich nie zu etwas gekommen. Wenn ich Charles nur erst wieder hier habe, er wird sich, ich weiß es, unter seinen neuen Genossen langweilen und uns ist er ein so lieber Freund; doch es werden auch keine vierzehn Tage vergehen und er zieht wie­der zu uns.

Müller erzählte nun seiner Frau, daß er in Verbindung mit mehreren andern Minern eine neue Abdämmung vornehmen wollte, die, wie er hoffte, eine gute Ernte bringen würde, und daß Charles an dem Unternehmen Theil nehmen wolle, und dann, schloß er seine Erzählung, wenn der nächste Winter anbricht, überlassen wir Haus und Hof einem Andern. Ein Käufer wird sich leicht finden, wir führen unfern al­ten Plan aus und ziehen nach England oder nach Deutschland. Unser kleines Vermögen ist dort Reich­thum und sichert uns sorgenfreie Zukunft. Dann wird auch die Furcht, welche Deinen armen Bruder noch immer beseelt, die Furcht, hier von irgend Jemand als Robert Birch erkannt zu werden, ein Ende haben. _ (Fortsetzung folgt.) _

Auflösung des Räthfels in Nro. 8 :

.Mark."