erwünscht, wenn sie durch irgend ein Vergehen ein Unterkommen im Arrest finden. Wer einen Begriff von dem herrschenden Elende einerseits und menschlicher Verkommenheit anderseits erhalten will, darf hier nur die neben der Stadtdirektion sich befindliche Almofenpflege besuchen, woselbst es oft zugeht wie auf einem Jahrmärkte. Dort werden nicht nur bedürftige hiesige Arme mit Holz w. unterstützt, sondern auch halbnackte Vaganten mit Schuhen, Kleidern ic. equpirt. Der Verkehr ist derart, daß die gebrauchte Bezeichnung nicht einmal übertrieben ist. Macht der Winter länger in seiner nnerbitterlichen Strenge fort, dann dürften die Gaben, welche nach auswärts wandern sollen, auch bei uns genügende Unterkunft finden. (N.-Ztg.)
Stuttgart. Die grimmige und anhaltende Külte hat leider bereits auch in den Weinbergen begonnen, ihre nachtheiligen Folgen geltend zu machen. Die Reben zumal in den unteren Lagen, sind meist erfroren; es werden uns aus Untertürkbeim Mittheilungen gemacht, wornach selbst das Eingraben der Weinstvcke in einzelnen Fällen diese nicht vor dem Erfrieren bewahrte, da der Frost in diesem Winter das Erdreich zu tief hinein durchdrungen hat. (N. T.)
Brandfälle: In Leinzell (Gmnud)am 16.Dez. ein in unmittelbarer Nähe des Rathhauses stehendes, von mehreren Familien bewohntes Haus; am 16. Dez. in Waldsee ein von 6 Familien bewohntes Haus in nächster Nähe des Gastyvfes „zum Schwanen", wodurch nicht weuiger als 22 Personen obdachlos wurden.
P Rottweil, 17. Dez. (Strafkammer.) Heute kam der seltene Fall vor, dag ein Geistlicher wegen Verfehlung gegen Z. 67 des Reichsgesetzes vom 6. Februar 1875, sich vor der Strafkammer zu vcrantmorteu hatte. Helfer Gast pur von Schwenningen hat am 6. November d. I. in Deißlingen die religiösen Feierlichkeiten einer Eheschließung vorgenommen, ehe die Ehe vor dem Standesbeamten geschlossen war. So- sort nach der kirchlichen Trauung stellte sich heraus, daß die gesetzliche Aufgebots-Frist erst mit dem folgenden Tage ablicf und somit der Standesbeamte erst 2 Tage später die Ehe vollziehen konnte. Der Herr Helfer wurde zu 20 .iil Geldstrafe und in die Kosten verurtheilt.
(Schwurgerichtshof Tübingen.) Der 30- jährige ledige Maurer und Steinhauec Friedr. Rühm von Deckenpfronn wurde wegen Fälschung einer öffentlichen Urkunde in gewinnsüchtiger Absicht zu der Zuchthausstrafe von 1 Jahr 5 Monaten und dem Verlust der bürgerl. Ehrenrechte auf die Dauer von 5 Jahren vernrtheilt.
Wangen, 17. Dezbr. An dem schrecklichen Doppelmord (Raubmord) in Unter-Mooweiler ist der Taglohner Rapp, der im Schmid'schen Hanse öfter Arbeit und Aufnahme gefunden hatte, alsbald der That verdächtig geworden u. an das hiesige Amtsgericht eingeliefert worden; derselbe soll im ersten Verhör ein vollständiges Geständnis; über seine That abgelegt haben. (Schw. M.)
Gaildorf, 6. Dez. Als Landtagsabgeordneter wurde Oberamtspfleger Haas gewählt.
Ulm. Die Soldaten des Füsilierbataillons des 6. Reg. haben sich heute freiwillig bereit erklärt, ihr zu fassendes Brvd den Oberschlesiern zu geben.
Aus den Mittheilungcn der vom Kon. Finanzministerium »ach Wilhelmsglml entsandten und von da wieder zurück- gekehrten Mitglieder des Kön. Bergraths sind wir in der Lage, folgendes Nähere über das am 15. d. Mts. in Wilhelmsglück statkgehabte Unglück zu veröffentlichen: Zum Beginn der Schicht war die gesammte Grubenmannschaft in der Schachtstube zum Gebet und Verles versammelt. Nach Beendigung des Gebets entfernte sich ein kleiner Theil der Mannschaft aus der Schachtstube, während die übrigen ihre Vorbereitungen zum Einfahren trafen. Wenige Minuten nachher entzündete sich in bis jetzt noch unaufgeklärter Weise eine Quantität brennbaren Salpeters des zur Gewinnung des Steinsalzes gebräuchlichen Spreng- materials, welche» gegen das bestehende ausdrückliche Verbot Einer der Bergleute in die Schachtstubc mitgebracht zu haben scheint. Die Wirkung der Verbrennung des Salpeters, — eine Explosion war damit nur in geringem Maße verbunden — war so verderbenbringend, daß von 24 in der Stube anwesenden Personen sich nur zwei und zwar mit bereits brennenden Kleidern durch die Fenster flüchten konnten, während die 22 übrigen bewußtlos hauptsächlich in der Nähe der Thüre zusammengedrängt und aufeinander geschichtet und brennend angetroffen wurden, als es gelungen war, die Thüre, welche sich nach innen öffnet, auszuheben. Zugleich waren auch die Decke des Raumes und die vielen darin aufgehängten Kleidungsstücke in Brand gerathen. Beim allmäligen Herausschaffen der Körper der Verunglückten zeigte es sich, daß zehn todt, die übrigen zwölf meist sehr bedeutend durch Verbrennung verletzt waren. Bon letzteren sind bis gestern leider weitere fünf gestorben und von deu fiebrigen sind einige in einem Zustand, der wenig Hoffnung auf ihre Rettung Raum läßt. — Aerztliche Hilfe war in verhällnißmäßig kurzer Zeit ausreichend vorhanden. — Das K. Finanzministerium hat bereits Anordnung getroffen, daß für die nächsten Bedürfnisse der Verwundeten und der Hinterbliebenen auf Koste» der Saliuenkasse gesorgt werde; auch sind weitere Verfügungen betreffs bleibender Unterstützung der Ver
wundeten wie der Hinterbliebenen Vorbehalten, sobald amtlicher Bericht über sämmtliche Verhältnisse derselben eiugcgangen.
In den Wäldern findet man sehr viele erfrorene und verhungerte Vögel. In Hugenhof (Gemeinde Gschwend) sollen 4 Stücke Vieh im Stall erfroren fein.
Auf einer -Itägigen Treibjagd in Bingen wurden 1700 Hasen geschossen und meist nach Paris j verkauft.
Liegnitz. Die schärfste Kälte soll in der Nacht vom Montag zu Dienstag in Liegnitz konstatirt worden fein. Wie das Liegnitzer Stadtblatt erfährt, sollen dort die Thermometer um 3 Uhr Nachts 32 Gr. R. gezeigt haben.
Auf dem Bahnhof in Planen prüfte dieser Tage ein Dresdener Revisor die Rechnungen; da ging der Stationsvorstand hinaus und erschoß sich. Er hatte zu Gunsten eines Bruders Schulden und Kasscndefekte gemacht.
Drei Frauen aus Piesau (Herzogthum Meiningen) kamen in voriger Woche nach Schwiebus, um am Jahrmarkt feil zu halten. Am Abend des Sonntags heizten sie im Gasthause ihre Stube, und Jede nahm dann einen Strickstrumpf zur Hand, um sich die Zeit zu vertreiben: sie hatten aber, als das Feuer im Ofen noch nicht ganz erloschen war, die Ofenklappe geschlossen. Infolge des Kohlendunstes, welcher nun in die Stube drang, wurden sie betäubt und am Morgen wurden sie, angekleidet auf dem Bcttrand sitzend, todt vorgefuuden.
Berlin, 11. Dez. Me Strenge, mit welcher der diesjährige Winter auftrilt, hält gleichwohl keinen Vergleich aus mit derjenigen seiner strengsten Vorgänger im vorigen Jahrhundert. Da begann, wie wir ans den Aufzeichnungen der „Preußischen Gesellschaften der Wissenschaften" entnehmen, der Winter des Jahres 1708 schon am 2. Oktober mit einer solchen Vehemenz, daß die alten Obstbäume und Weinstöcke in Berlin und in der Mark eiugingen. Die Bewohner Lapplands, heißt es, hätten die Kälte kaum so sehr empfunden, als wir. Der Spiritus im Thermometer fiel am 8. Januar 1700 auf 90 Grad Fahrenheit, was gleichbedeutend mit 55 Grad Reaumur sein würde, wenn nicht, wie anzuuehmeu, die Kältegrade damals auf einer anderen Scala beruhten. Anno 1716 stieg die Külte sogar auf 107 Grad, und 1729 waren zu Ende März noch die straßen-(Zich-)Bruuncn Berlins eingefroren, während die Eisdecke des Müggelsees erst im April zu weichen begann. Nicht minder grimmig trat der Winter 1731 auf: 100 Grad Fahrenheit in der Nacht zum 25. Januar. Es wird sogar berichtet, daß der Wein bei Ertheilung des Abendmahls im Kelche gefror (?) DieS Alles war nur ein Kinderspiel gegen das Wüthcn des gestrengen Herrn von Anno 1739 — 1740; seine Herrschaft währte von Michaeli bis zum Juli; noch am 13. Juli hatten unsere guten Voreltern von Frost und Reif zu leiden, und 102 Grad Fahrenbeit waren, nach den Messungen obiger Gesellschaft, an der Tagesordnung. In den gewöhnlichen Thermometern fiel der Spirüus bis in die Kugel und zersprengte die Instrumente: beim Lauten vernahm man durch die stark verdichtete Luft nur einen dumpfen Glockentou; Wassertropsen und der aus einer Höhe von 20 Fuß ausge- worfeue Speichel froren zu Eis. Die Erdrinde war in der Umgegend von Lepus dermaßen gehärtet, daß man die Tod- teu nicht bestatten konnte, während der fette Boden der Alt- mark ost Spalten von mehreren Fuß in der Breite aufzeigte. DaS Vieh ging noch Anfangs Mai, ohne einzubrechen, aus dem Eise: bei Prenzlau waren die Bache und Gräben bis auf deu Grund ausgefroren: die Eisdecke der Elbe hatte noch im März eine Stärke von 2 Ellen, und zwischen Spandau und Potsdam benutzte man im April die Eisdecke als Passage, während zu derselben Zeit in Berlin die Straßen mit hohem Eise belegt waren. Erfroren doch am 10. Juni einem Bauern aits Salzwedel, der auf einem nächtlichen Ritt nach dem Dorfe Bergen betrunken vom Pferde gefallen war, in jener Nacht Hände und Füße! Furchtbar litten unsere heimischen kleinen Vögel, während die Störche, wieder umkehrend, nach wärmeren Ländern zogen. Damals konnte man erst gegen Ende August zur dürftigen Ernte schreiten; das Fuder Heu, sonst 1 Thlr. im Preise, stieg bis zu 20 Thlr., und die Lebensbedürfnisse erreichten eine bis dahin nicht gekannte Höhe.
Berlin, 15. Dez. Die „Post" bringt auch heute wieder einen Artikel, welcher den Mdanken der uns bevorstehenden langen Friedensepoche weiter ansführt. Es heißt darin: „Der nunmehr gesicherte äußere Friede bietet den Völkern die willkommene Möglichkeit schöpferischer Arbeit auf dem Felde der inneren Politik." Der Geist der Völker sehne sich nach Ruhe, aber nicht nach der Ruhe des Schlafs, sondern nach der Ruhe der friedlichen besonnenen Arbeit. Jetzt sei die „Umwälzungsepoche" von 1853—1878 überwunden und überall mache sich das Bedürfniß nach Ruhe und Arbeit dringend geltend. Ueberall verlangen die Völker die Einkehr bei sich, die Bestellung des eigenen Hauses, die Rückkehr zur Beschäftigung mit geistigen und mit Kultur-Interessen; auch in Rußland sei ein gewaltiges Bedürfniß nach Ruhe vorhanden; freilich drohe der Nihilismus mit Schrecken, aber wenn dieser überwunden, werde auch für Rußland eine Periode der stillen Reformen beginnen. — Der ganze Artikel entspricht dem neulich bekannt gewordenen Diktum des Fürsten Bismarck, daß nur das Einvernehmen derjenigen Mächte, welche entschlossen seien, eine streng konservative und friedliche Politik zu führen, die Abrüstung möglich machte.
Bismarck arbeitet an der Begründung des Weltfriedens, den er eben auf der Grundlage des österreichischdeutschen Bundes um so eher schaffen zu können meint, als die Völker satt seien des Haders und der unaufhaltsam sich vollziehenden Wandlungen der äußern Staatenverhältnisse. Es ist das ein Programm, dessen Verwirklichung freilich noch nicht verbürgt ist.
Berlin, 17. Dez. Der Handelsvertrag Deutschlands mit Italien wurde bis Ende 1880 verlängert. Derjenigen mit der Schweiz bis Juli 1880. Mit Belgien schweben Verhandlungen.
Berlin, 17. Dez. Aus sicherster Quelle hört der Pariser Correspondent des „Tagbl.", daß Waddington neuerdings an die Vertreter Frankreichs, welche bei den Signaturmächten beglaubigt sind, ein Circular richtete, welches dieselben beauftragt, ein gemeinsames und identisches Vorgehen vorzuschlagen, damit die Pforte zu endgiltigen Cvncessionen gegenüber Griechenland veranlaßt würde. (F. I.)
Berlin. Das neue Feld- und Forstpolizeigesetz, dessen Berathung im Abgeordnetenhause soeben begonnen hat, enthält sehr strenge Bestimmungen, nach ihm dürfte es keinem Deutschen mehr erlaubt sein, sich des Genusses der Waldesluft zu erfreuen. ' — Die Commissionsmehrheit glaubt, daß vernünftige Gutsbesitzer anständige Leute nicht aus ihren Waldungen verweisen. Gibt es aber auch nicht unvernünftige Leute unter den Gutsbesitzern? dann kann ein „anständiger" Mensch Folgendes erleben:
Ich ging im Walde So für mich hin,
Um nichts zu suchen,
Das war mein Sinn — da kommt der Waldhüter und brüllt:
Sogleich hinaus! Potz Donner und Blitz!
Der Wald gehört Herrn v. Strudelwitz!
Der Bundesrath nahm die Vorlage wegen Bethciligung des Deutschen Reichs an der Weltausstellung in Melbourne mit einer Summe von 300 000 Mark an; für Sidney waren nur 200000 ^ bewilligt worden.
Der Besuch, welchen der Graf Schuwaloff ab- stattete, wird in politischen Kreisen lebhaft besprochen. Es wird mitgetheilt, daß Graf Schuwaloff auf besonderen Wunsch des Czaren nach Berlin gereist sei und daß ihm eine wichtige Mission übertragen worden. Diese Mission soll folgende Punkte umfassen: Die Regelung des Russisch-Deutschen Grenzverkehrs mit besonderer Berücksichtigung auf dem Niemen, die Herbeiführung eines Einverständnisses zwischen Rußland und Deutschland in allen, sowohl den Orient, wie auch den Occident betreffenden Fragen und schließlich die Klarlegung der Russischen Politik in Bezug auf Central-Asien. Man versichert, daß nebstbei Graf Schuwaloff den Auftrag erhalten habe, dem Fürsten Bismarck die formellste Versicherung zu er- theilen, daß Rußland niemals an eine Untergrabung der im Westen durch die großen Ereignisse der letzten Jahre geschaffenen internationalen Reichsordnung gedacht hätte. Die Regierung des Czaren verfolgte nach allen Richtungen hin eine loyale Politik und verschmähte es, ,die krummen Pfade der machtlosen Jntriguen zu betreten. Welchen Glauben Graf Schuwaloff mit dieser Versicherung in Berlin gefunden hat, darüber ist man blos auf Vermuthungen angewiesen, welche jedoch dem politischen Programme der Ruff. Regierung nicht günstig scheinen. Rußland macht im günstigen jFalle aus der Noth eine Tugend. — Den Wiener Journalen wird aus Pest telegraphirt, eS seien in einer unter dem Vorsitz Haymerle's ab-- gehaltenen Conferenz die Modalitäten, unter welchen ein provisorischer Handelsvertrag mit Deutschland abgeschlossen werden kann, festgestellt worden. und würden nunmehr diese Instructionen dem Botschafter Szechenyi mit der Ermächtigung übermittelt, auf Grund derselben mit der Deutschen Regierung einen sechsmonatlichen Vertrag zu vereinbaren.
Fürst Bismarck wird am 21. Dezember in Berlin erwartet, wohin er zur Taufe seines Enkels kommt.
Es ist augenscheinlich, daß England in jeder Hinsicht das deutsch-östreichische Bündniß unterstützt, aus dem triftigen Grunde, weil England aufs Höchste an der Erhaltung dieses Bündnisses interessirt ist und daß wesentlich britischer Einfluß dafür gesorgt hat, daß Frankreich dasselbe bis jetzt als Friedensbürgschaft hat gelten lassen. Der Gang der Ereignisse hat Schritt für Schritt zu erkennen gegeben, daß in der aegyptischen Frage Fürst Bismarck gegen Jsmael
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