Amts- Md Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.

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Erscheint wöchentlich 3mal und kostet halbjährlich hier (ohne Trügerlohn) 1 ^ 60 in dem Bezirk 2 .«t, außerhalb des Bezirks 2 .L 40

Dienstag den 30. September.

! Jnscrtionsgebühr für die Ispaltige Zeile aus ge-! ! wöhnlichcr Schrift bei einmaliger Einrückung 9 !

! bei mehrmaliger je 6 !

1879.

Avonnements-Einladnng.

Mit dem 1. Oktober beginnt wieder ein neues vierteljährliches Abonnement auf den Gesellschaf­ter, weßhälb wir zu recht zahlreichen Bestellungen,

Auswärtige' bei den nächstgelcgenen Poststellen, Bahnstationen oder auch bei den betr. Postboten freundlichst einladen. Preis bei der Expedition 80 ^, im Bezirk ^ 1, außerhalb des Bezirks 1 ^ 20

Mit dem 1. Okt. treten aber auch die neuen Reichsjnstiz-Gesetze in Kraft, deren Kenntniß, wenig­stens in den Hauptzügen sich jedermann zu eigen machen sollte. Wir baben uns deßhalb entschlossen, den Abdruck derselben, von einem der hervorragend­sten Juristen Württembergs in gedrängter Kürze zu- sümmengefaßt, in einer besonderen Beilage (Bücher­format) unfern Abonnenten in die Hände zu ge­ben , wodurch wir wohl den Dank aller zu sichern hoffen. Das Schriftchen, 2 Bogen stark,

wird in Abschnitten von je Vs Bogen per Woche ausgegeben, also nach 4 Wochen vollständig in den Händen unserer Abonnenten sein. Dasselbe, um wenige Pfennig mit einem Fülzchen geheftet, dürfte Hann sicher nicht den letzten Platz in der Hausbiblio- thek unserer geehrten Abonnenten finden.

Die Redaktion und Expedition des Gesellschafters.

Das neue Staatenbünimiß.

Die Linien einer neuen europäischen Staaten- gruppirung entfalten sich vor unserem Auge. Oester­reich, dessen Kraft durch eiu unglückseliges Verhältniß seit einem Jahrhundert zwischen Deutschland und Italien gleichzeitig gefesselt war, sieht sich jetzt auf eine feste unerschütterliche Grundlage verwiesen. Die natürlichen Bande zwischen Deutschland und Oester­reich erfreuten sich nicht der wünschenswerthen Festi­gung, jetzt aber, wo sie eine mehr wie äußerliche Besiegelung erhalten, liegen die großen Aufgaben der europäischen Cultur, liegt die friedliche, materielle und geistige Entwickelung Europas nunmehr in diesen beiden Reichen deutscher Volkerabstammung, welche durch ihre Machtfülle zugleich die Mitte Europas beherrschen. Eine solche naturgemäße in sich befestigte Ordnung herbeigeführt zu haben, welche die euro­päischen Verhältnisse zwingt, in einem festen Geleise sich zu bewegen ist das unbeugbare Verdienst des Fürsten Bismarck. Mit freudiger Zuversicht sehen wir der sich neu gestaltenden Zukunft entgegen, und wir hoffen, daß die gleichen Ziele der Staatsmänner Oesterreichs und Ungarns zu gemeinsamem Wirken im Interesse des Völkerfriedens sich vereinen werden.

Was war natürlicher, als daß Deutschland- Oesterreich-Ungarn enger aneinander rückten, um in der Mitte Europas ein Friedensbollwerk zu bilden, bestgefügt durch gemeinsame Interessen und verwandte Ziele? Es ist anscheinend eine gewaltige Umwälzung in den europäischen Staatenverhältnissen, und doch erscheint sie so natürlich und zweckentsprechend, daß man sich fast darob wundern könnte, warum sie jetzt erst sich vollzieht. Wenn man dem Fürsten Bismarck sonst wohl den Grundsatz ansann:Theill und herrsche

großes Wort!" so könnte man angesichts der Constellation, welche wir zu skizziren versuchten, seiner Politik die weisere Regel nachrühmen:Ein' und leite bess'rer Hort!"

In gewissen politischen Kreisen, deren Freund­schaft für Deutschland keineswegs über jeden Zweifel erhaben ist, ruft das deutsch-österreichische Freund­schaftsbündnis; eine geheime Beunruhigung hervor. Vor einigen Wochen machte man sich über^ die Staatsmänner lustig, welche noch an der Existenz

des Dreikaiserbündnisses glaubten, oder zu glauben sich den Anschein gaben. Damals galt es für eine Beschönigung offenkundiger Thatsachen, wenn die Spannung zwischen Berlin und St. Petersburg aus die sog. Kanzlerfehde zurückgcführt wurde. Mittler­weile ist man plötzlich zu einer erleuchteten Auffassung der Verhältnisse gekommen. Das Dreikaiserverhältniß, dem man eben erst das Todtenlicd singen wollte, besteht in aller Innigkeit fort und ist keinen Augen­blick bedroht gewesen. Gras Schuwaloff kehrt nach Ablauf seines Urlaubs nach London zurück und Fürst Gortschakoff wird zurücktreten, da seine unfreundliche Gesinnung gegen Deutschland und Oesterreich als zwingende Momente für baldige Berufung einer jüngeren und der Politik des Kaisers Alexanders angemesseneren Persönlichkeit betrachtet werden.

Einen deutlichen Beweis, daß die Gegner Deutschlands die Befürchtung hegen, Fürst Bismarck werde seine Anwesenheit in Wien benutzen, einen Strich durch ihre Rechnung zu machen, giebt das Verhalten der Petersburger und Pariser Presse: nach ihr hätte Oesterreich gar keine Veranlassung, sich mit Deutschland attznfest einzulassen. Selbst Fürst Gortschakoff muß sich gefallen lassen, in seinem eigenen Blatte, demJournal de St. Petersburg" wegen seiner offenherzigen Bemerkungen in der Un­terredung mit dem Schützling deS Herzogs von Decazes desavouirt zu werden, da die deutschfeind­lichen Kreise des russ. Hofes die Entdeckung gemacht haben, daß sie ihre Karten zu früh gezeigt haben. Sogar die Beurlaubung des russ. Ministers des Innern wird in diesem Sinne verwerthet. Der un­glückliche Herr Makoff muß auf Reisen gehen, weil er dieÄgence gonorale Russe" und die übrigen Blätter, die aus der Kanzlei des Fürsten Gortscha­koff und den Bureaux des Kriegsministers Miljutin beeinflußt werden, nicht gehindert hat, ihren Unmuth oder vielmehr den Unmuth ihrer Beschützer an dem Fürsten Bismarck und der deutschen Politik auszu­lassen. Wenn Fürst Bismarck erst in Wien den Korb erhalten haben wird, den unsere Gegner ihm zugedacht haben, so ist ja immer noch Zeit, wieder andere Saiten anzuschlagen. Wir aber thun gut, uns lieber nicht aus solche Leute zu verlassen.

Tages-Neuigkeiten.

Deutsches Reich.

Horb, 25. Sept. Am vergangenen Dienstag hat sich hier ein beklagenswerthes Unglück ereignet. Ein Gastwirth, Herr Singer, war damit beschäftigt, den letzten Wagen voll Hopfen einzuheimsen, als er vom Wagen fiel, und zwar so unglücklich, daß er nach einigen Stunden an den erhaltenen Verletzun­gen gestorben ist.

Stuttgart, 26. Sept. (Kougreß fürinuere Mis­sion.) Auf der Tagesordnung des gestrigen letzten Tages stand das Lehrlingswesen im Zusammenhänge mit der religiösen und sittlichen Fürsorge für die gewerbliche Jugend. Es resenren hierüber die HH. Pfarrer Schuster, der Gründer des hiesigen Handwcrkervereins, und Gemeinderath Stähle hier. Es wird betont, daß die Lehrlingsfrage eine Lebensfrage für das Handwerk geworden sei, daß nur das Jnnungswcseu diese Frage zu lösen im Stande sei. Schuster verlangt Jn- nungszwang, Stähle weist auf fakultative Innungen hin. Die Lehrlingsprüsung, der Lehrvertrag, die Fortbildungsschule und vor allem die sittlich-religiöse Erziehung der Lehrlinge seien die Hebel zur Besserung. Für letztere werden die Jünglings- und Handwerkervereine empfohlen. Au der Diskussion bcthciligcu sich 6 Redner, welche die Gründung von Lehrlingsvercinen, Verlegung der Fortbildungsschule auf die Tageszeit der Werk­tage laut Gewerbeordnung verlangen, auf die Nolhwendigkeit tüchtiger Meisterinnen Hinweisen u. s. w. Hofprediger Stö­cker (Berlinl schlägt dem Kongreß eine Resolution vor, welche einstimmig angenommen wird, dieselbe spricht 1) die Sympathie des Kongresses für die Bestrebungen aui dem Gebiete des

Lehrlingswesens aus und sicht 2) in der Wiedereinführung des Jnnungswesens ein Hauptmoment zur Erreichung des gesteckten Zieles, 3) appellirt er an die Großindustriellen, Fabrikanten, Kausleute, für die Hebung des Lehrlingswcseus das Ihre beizu- tragcn, da ohne ihre Mitwirkung alles vergeblich sein würde, 4) verspricht der Kongreß und jedes seiner Mitglieder für sich, nach Kräften in der durch die Verhandlungen dargelegten Weise zu wirken. Damit ist der letzte Arbcitsrest des Kongresses gethau, der Kongreß zu Ende. Der Herr Präsident dankt Allen für die Theilnahme, dankt der Königl. Regierung, der Stadt Stuttgart w. w. und schließt damit die Versammlung.

Das landwirthschaftlichc Hauptfest in Ca anstatt ist wegen schlechter Witterung abbcstellt und auf nächsten Montag den 29. l. Mts. zur ge­wöhnlichen Zeit verlegt worden.

Äraudfällc: Am 25. September, Nachts, in Oberndorf ein von mehreren Familien bewohntes Doppelhaus; am 25. Sept., früh 5 Uhr, in Ostels­heim (Weil der Stadt), ein Wohnhaus und eine Scheuer.

Von der Enz, 25. Sept. Ochsenwirth Mann von Weissach bei Baihingen a. d. E. wollte am 22. d. M. auf den Anstand gehen. Er schlug seinen Weg durch die Weinberge ein und stellte sich auf eine Mauer: der Stein, worauf er sich stellte, rutschte aber und Mann fiel rückwärts auf einen Weinbergs- Pfahl, welcher ihm durch den Aster in den Unterleib drang. Aerztliche Hilfe war alsbald zur Stelle, aber vergebens, denn gestern starb Mann im Alter von' 29 Jahren.

Wie dasN. T." vernimmt, werden bis Mitte November die Theilstreckcn Bietigheim Backnang und Hessenthal Gaildorf der Murrthalbahn mit den Zwischenstationen Beihingen, Marbach, Kirchberg, Burgstall und Wilhelmsglück dem Betriebe übergeben, während die Strecke GaildorfMurrhardt wegen zu großer Terrainschwicrigkeiten und hiedurch hervorge- rufencr Bauvcrzögerung erst nächstes Frühjahr eröff­net werden kann.

Baden-Baden, 26. Sept. Die Versammlung der deutschen Geologen wurde heute hier eröffnet.

Berlin, 24. Sept. Ein hiesiger Rechtskonsu­lent hat sich kürzlich nach der Ausnahme einer Klage mit seinem Klienten, einem Tischler, an einer Flasche Steinhäger so gütlich gethan, daß Beide in einen nicht dispositionssähigen Zustand geriethen, den der beim Rechtsanwalt beschäftigte Schreiber insofern be­nutzte, als er seinem Prinzipal das Portemonnaie aus der Tasche zog, ihm daraus 415 cM entnahm und ihm die Uhrkctte von der Uhr riß, während er dem Tischler seine silberne Zylinder-Uhr abnahm. Zeugen hatten jedoch diese Manipulation mit ange­sehen, aber in dem Wahne, daß der Schreiber die Gelder und Sachen nur in Verwahrung nehmen wollte, eine Anzeige davon nicht gemacht. Erst als letzterer am anderen Morgen die vermißten Sachen nicht zurückerstattete und auf das Entschiedenste be­stritt, dieselben zu besitzen, wurde er verhaftet.

Berlin, 25. Sept. Fürst Bismarck traf heute Mittags 12Vi Uhr auf dem Dresdener Bahnhof ein. Die Gräfin Rantzau, Tochter des Fürsten, war mit ihrem Gemahl längere Zeit vor Einlaufen des Zugs erschienen; die Begrüßung, namentlich zwischen Mut­ter und Tochter, war eine äußerst innige. Sehr freundlich erwiderte der Reichskanzler die Grüße des Publikums. Seine ganze Erscheinung machte einen überaus frischen, kräftigen Eindruck. Der Fürst schien auch in bester Stimmung zu .sein. Er trug eine Brille, die er sonst nicht zu tragen pflegte. Ich ent­sinne mich seit Jahren nicht eine solche Elastizität im ganzen Auftreten des Reichskanzlers bemerkt zu haben als heute. Von; Bahnhof fuhr Fürst Bis­marck in Begleitung seines Schwiegersohnes, der auch