Im füllen Kämmerlein haben viele Bayern fchvn lange für Kaiser und Reich gebetet und künf­tig dürfen sie's auch, wenn auch nur vorsichtig und mit Auswahl, in der Kirche. Auf mancherlei Anre­gung ist nemlich höchsten Ortes gestattet wurden, daß an 6 Sonntagen eine Bitte für den Kaiser und das Reich in daS Kirchengebet eingeschaltet werde, wenn es in den betr. Kirchengemeinden gewünscht wird." Diese 6 Tage sind das Weihnachtsfest, der Neujahrstag, das Oster- und Pfingstfest, der Buß­tag und das ReformativnSfest.

In dem bayer. Dorfe Schorndorf brach ein Brand aus, der 3 Hauser in Asche legte; der An­stifter des Feuers, ein verkommener Mensch, der bereits wegen Brandstiftung 14 Jahre im Zucht- Hause gesesjen, knüpfte sich an einen Balken des schon in Flammen stehenden Gebäudes auf. Während er noch baumelte, brannte der Strick ab, und hälbtodt und mit Brandwunden bedeckt wurde er aus dem Feuer gezogen. Die Schorndorfer wollten den halb Erhängten und Verbrannten, um ihm vollends den Garaus zu machen, in den Torsweiyer werfen, was indes; noch rechtzeitig von dem dazwischengckommenen Bezirksamtmann von Eham verhindert wurde.

Unschuldig verurlbeilt. Bor dem Schwurgericht iu Gotha kam in den letzten Tagen ein Fall zur Verhandlung, der die größte Theilnahine iür einen unschuldig zu 3 Jahren Gefängnis; verurtheilten Knaben erregte. Der verheirathete Fabrikarbeiter Ansorg ans Mehlis, Baker von 5 Kindern, unterhielt mit einer Wittwe ein Verbältmß, das nicht ohne Folgen blieb. Ein von der Wittwe geborenes Kind wurde 6 Wochen nach seiner Geburt von dem ItU/z Jnhre alten Sohn der Wittwe bei seiner Rachhanseknnst in einem Zustande ans- gesunden, der ans einen Vergitsnngsversnch mit Phosphor und Schwefel schließen ließ. Mitarbeiter deS Ansvrg beschuldigten den Knaben der Begehung des Verbrechens und schlugen aus denselben los, bis derselbe vor schmerz laut aufschrie:m, ich habe es gethan". Wahrend dem steht der re. Ansorg in der offenen Thiire und sieht der barbarischen Mißhandlung des Knaben zu. Nachdem die Sache zur Anzeige gelangt war, nöthigi auch ein Gendsdarm den Knaben zu einem Geständnis;, und in der vor dem Kreisgcricht zu Gotha stattgesundenen Haupwerbandlnng wiederholt der ängstliche Knabe ebenfalls das Geständnis; und wird zu einer 3jährigen Gesängnisfftrase verurtheilt. Im Gesängnis; zu Ichtershausen findet der Knabe eine liebevolle Behandlung, gesteht, da;; er das Verbrechen au dem Kinde nicht verübt, und erzählt, wie man ihn zu dein Geständnis; gezwungen habe. Er schreibt an seine Mutter, die Wittwe, »nd erkundigt sich dabei in der liebevollste» und zärt­lichsten Weise nach dem Befinden des Kindes, wegen dessen beabsichtigter Vergiftung er verurtheilt worden war. Dieser Briet erregte die Aufmerksamkeit des betreffenden Gefüngnis;- beamten. und derselbe läßt si.ti den ganzen Hergang der Sache von dem Knaben erzählen. Die hierauf aiigestellte» Recher­chen ergeben, das; der Vater des Säuglings, Ansorg, selbst der Thäter des Bcrgistnngsversnch ist. welches Verbrechen derselbe schließticb auch eingesteht. Ansorg wollte sich der Alimentations­pflicht für das Kind entledigen. Glücklicherweise war der Mord­versuch mißglückt, denn daS Kind lebt heute nvch, und die Ge­schworenen verurtheilten den Ansorg zu 3 Jahren Zuchthaus.

Ein Landmann in Welterod bei St. Goars­hausen holt Futter vom Felde und vergißt beim Heimfahren, daß sein Svhnlein ans dem hvchgela- denen Wagen sitzt; er haut die Sense nach ländlicher Art in's Futter und schlägt seinem Kinde den Kops vom Rumpfe.

Berlin, 27. Juni. Die Tarif-Ko mmi ssion diskutirte die Frage der Finanzbedürfnisse der Einzel- staaten. Der preußische Finanzminister berechnete das Defizit für Preußen auf etwa 100 Millionen. Ri­ckerl u. Richter-Hagen kritisirten die Budgets der Einzelstaaten und führten deren Finanznoth auf die verfeblte Eisenbahn-Politik zurück. Der bayerische Mi- nisterialrath Frhr. v. Räs felg widerlegte sachlich diese Bemängelung, und der württembergische Ober­steuerrath v. Moser bestritt das Recht der Kommis­sion, die Budgets der Einzelstaaten zu kritisiren. Be­schlüsse wurden nicht gefaßt. In derTabacksteuer- Kom Mission wurden die Anträge Buhl (den Zoll für ausländischen Tabak auf 85, die Steuer für in­ländischen auf 45 </L festzusetzen) mit 17 gegen 11 Stimmen angenommen. Mit der Majorität stimmten vom Centrum Graf Fugger, Lender, v. Bodman. Der An­trag Stepbani: der Reichstag wolle beschließen, §. 1 des Nachsteuergesetzes abzulehnen, wurde mit 22 Stim­men gegen 5 konservative angenommen, nachdem der Regierungskommissär eine Erklärung über den Antrag Buhl: die Nachsteuer auf Rohtabak zu beschränken, verweigert hatte. Den Ertrag der Buhl'schen Sätze berechnete der Regierungskommissär auf höchstens 39 Mill. Mark.

Berlin, 27. Juni. Die Tabaksteuer-Kommis­sion des Reichstages lehnte den Antrag von schmid (Württemberg), den importirten Tabak mit 100 und inländischen mit 60 H zu besteuern, ab. Der Re- gierungskoinmiisär hatte vorher erklärt, daß durch

Ablehnung des Antrags v. Schmid die Vorlage ernst­lich gefährdet würde.

Berlin, 28. Juni. Die Tabaksteuer-Kommis­sion beschloß ferner, daß die volle Steuer von 45 -4L für inländischen Tabak erst am l. April 1882 ein­trete und das; die Steuer vom l. April 1880 bis 1. April 1881 nur 20 , vom 1. April 1881 bis

1 April 1882 30 c/U betrage.

Berlin, 28. Juni. Die Tarifkommission be­endigte die allgemeine Debatte über die Bedürfnisse der Einzelstaatcn und die Finanzzvlle, nahm den Weinzoll nach der Borlage an und lehnte den Bier­zoll ab.

Berlin, 28. Juni. DieNat.-Ztg." erwähnt eines in der heutigen Sitzung der Tariskvmmission ausgetretenen Gerüchts, wonach der Finanzminister Hobrecht seine Entlassung eingereicht habe. Die an­deren Abendzeitungen enthalten nichts darüber.

Berlin, 29. Juni. DieNativnalzeitung" berichtet: Der Zurücktritt Hobrecht's wird anderer- seirs bestätigt, mit dem Zusatz, das; die Demission am Freitag Abend nach Ems abging. Gerüchtweise verlautet, Falk's und Friedenthals Demission sei be­vorstehend.

Die Ernennung des Generalseldmarschalls v. M antcusfel zum S tatthalter in Elsaß - Lvthriugc n soll so zeitig publizirt werden, daß derselbe mit dem 1. August, an welchem Tage das Gesetz über die Verfassung und Verwaltung von Elsaß-Lothringen,, in Kraft treten soll, sein Amt antreten kann. Nach­träglich wird bekannt, das; der Reichskanzler selbst das Gehalt für die Unterstaatssetretäre ans 24,000 ^ normirt hatte, eine Summe, welche dann der Bnn- desrath aus 21,000 gebracht hat. Es gilt als sicher, das; als Staatssekretär der jetzige Unterstaats- sckrctär Herzog und als llnterstaatSsekretäre der Geh.Rath v. Pommer-Esche und der Abgeordnete v. Puttkamer sFranstadtj für Justiz und Inneres designirt sind. Für die beiden anderen Ressorts werden die Namen des Gencralsteuerdirektors Fabri- cius und des Ministcricilrathc-Stempel, z. Z. erster Nach im Oberpräsidinm, genannt.

Es hat sich min heransgeskcllt, wcßhalb der Leichenschänder ans dem Labrador Kirchhofe den Sarg einer Frau erbrochen und der Todtcn den Koos abgeschnitten hat. Es war ihm gejagt worden, er könne seine Krämpfe nur dann heilen, wenn er einer tvdten Frau den Kops abschneidc, ihn verbrenne und die Asche in Wasser trinke.

Frankreich.

In seinem Testament hat Prinz Louis Na­poleon seine Mutter zur Universalerbin eingesetzt und sie gebeten, seinen Jugendfreunden Cvnncan und Espinasse einige Waffen und Bücher zum Andenken und seinem alten Kammerdiener, einem Kürassier von Reichshofen (Wörth) eine Leibrente zu zahlen. Po­litisches enthält dieses Testament gar nichts.

Handel L Uerkehr.

* Stuttgart. (Wochenmarktsache.) Von amt

kichcr Seite kam uns folgendes zur Veröffentlichung zu. Nach­dem in jüngster Zeit durch einen hiesigen Korrespondenten in verschiedenen hiesigen und auswärtigen Blättern wiederholt unrichtige Behauptungen über einen Betrug, der auf hiesigem Wochenmarkt vorgekvmmen sein soll, verbreitet worden sind, ist es erforderlich geworden, den Sachverhalt zu veröffentlichen. Ein an sich zwar nicht unglaubwürdiger Restaurateur will vor Pfingsten ans dem hiesigen Wochenmarkt von einer Händlerin angeblich neue Kartoffeln gekauft haben, die sich beim Absieden als alte herausgestellt hätten. Sobald an maßgebender Stelle dies bekannt geworden, wollte man sich von der Wahrheit über­zeugen, allein der betr. Wirth erklärte, nicht mehr im Besitz des eorpu, ikelioti zu sein und cs ist ihm auch bis dato nicht ge­lungen, irgendwelche andere Beweismittel für seine Behauptun­gen beiznbringen. Es ist entschieden unwahr, daß eine hiesige Händlerin zugegeben hat, alte für neue Kartoffeln verkauft zu haben. Daß unter den vorliegenden Umständen von Einlei­tung einer gerichtlichen Untersuchung keine Rede sein konnte, ist selbstverständlich.

Mittlere Frachtpreise per «entner

vom 18.

bis

23.

Juni.

Kernen.

Roiien.

Gerste.

Haler.

4

4

Backnang . .

. . .

.

.

.

7.

66.

Biberach . .

. . 10.

97.

S.

74.

7.

75.

7.

37.

Wangen . . .

. . ii.

64.

9.

10.

7.

50.

8.

12.

Winnenden . .

. . 10.

50.

.

.

.

.

7.

71.

Giengen . . .

. . 11.

30.

9.

20.

7.

50.

7.

35.

Ebingen . . .

. . 10.

86.

.

.

7.

58.

Geislingen . .

. . 10.

78.

8.

50.

.

.

.

Heidcilheim . .

. . 11.

17.

8.

80.

7.

80.

7.

67.

Hall ....

. . 10.

84.

.

.

.

7.

.

Nagold . . .

. . 10.

7.

80.

8.

.

8.

15.

Rortmeil . . .

. . 11.

99^

.

.

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7.

97.

Ulm ....

. . 10.

88.

7.

96.

?!

70.

7.

41.

Urach ....

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.

.

.

7.

70.

7.

34.

Kirchheim . .

. . tl.

54.

8.

85.

8.

76.

Friedlos.

(Fortsetzung.)

An jenem Abend schon, wo ich den unseligen Gedanken faßte, sollte ich Gelegenheit haben, in anderer Weise meinem Bruder zu schaden, denn als ich in meiner Verzweiflung ingrimmig im ganzen Palast umherirrte und nirgends Ruhe fand, kam ich auch an meines Vaters Zimmer vorbei und hörte wie er seinem Kam­merdiener Jean eine starke Summe übergab, um da­für den Kauf eines Gutes noch am andern Tage ins Werk zu setzen, da er es Helenen schenken wollte. Weil ich dem Schurken niemals traute und glaubte, daß er wahrscheinlich auch jetzt wieder ein hübsches Sümmchen unterschlagen werde, folgte ich ihm unbe­merkt bis auf sein Zimmer. Aber was ich dort sah, überstieg doch alle meine Erwartungen, denn er schloß einen Wandschrank auf und legte dort zu einer gewal­tigen Menge von Baargeld und Wertbpapieren un­gefähr die Hälfte der eben erhaltenen, während er den anderen Theil in sei» Pult schloß. Dann übersah er mit einem frohen Lächeln seine Schätze und sagte schmun­zelnd:So, das ist wieder für mich, und für das andere kaufen wir ihm ein ganz verschuldetes Gütchen, ans die Weise kommt er nach und nach an den Bettel­stab. Hahaha!"" Ich lachte laut ani, denn ich dachte daran, daß ich Nichts von dem Vermögen zu ermarten hatte. Jean blickte sich bebend um und sah mich mit einer verzweifelten Miene an, doch ich ging, ohne ein Wort zu sagen, fort. Aber bald ergriff mich die Reue, und, um etwas von dem Gelbe zu retten, ließ ich mir von dem Vater am folgenden Tage ungefähr zwanzig- tauscnd Thaler zum Geschenk machen, da er in jenen Tagen außerordentlich freigebig war. Endlich aber kam die Zeit der Vermählung Emils, und ich war es, der ihm die Braut entfremdet und verführt. Die Un­glückliche hielt unsere Schuld für nicht allzu groß und bat mich immer, sie dem Bruder zu entdecken. Doch mich selbst ihm enthüllen, nein, das konnte ich nickst, und deshalb floh ich, in der Hoffnung, daß Emil mir den Verrath verzeihe» und so glücklich werden würde. Anfangs hielt ich mich in der Nähe von Paris auf und vernahm dort von der Vermählung mit Helene», die auf das Glänzendste gefeiert würde. Keiner hatte meine Abwesenheit allzu sehr bedauert, und nur meine Mutter war düster und traurig gewesen, und war jedesmal bei Nennung meines Namens in Thränen ausgebrochen. Ob auch Helene meiner gedachte ich weiß es bis heute nicht. Noch ehe die Feste all' zu Ende waren, entschloß ich mich, eine Reise nach dem Orient anzutreten und brach ohne Säumen nach Mar­seille auf. Aber ehe ich dort ankam, erfuhr ich, daß der Graf Saint-Msard sein ganzes Vermögen ver­loren habe, und je mehr ich nach Süden kam, desto schlimmer wurden die Nachrichten. Fast Nichts hatte mein Vater von seinem Vermögen gerettet, aber es war ausgefallen, daß einer seiner Diener sich plötzlich als Franä-86i»e1ur aufführe und viel Geld vergeude. Der Graf habe auch sofort einen Prozeß gegen ihn angestrengt, aber es sei sehr unwahrscheinlich, daß er ihn gewinnen werde, da auch der Hof gegen ihn sei. Ich hatte manchmal vor, wieder unizukehren, doch da in Marseille gerade ein Schiff seegelfertig lag, so blieb ich bei meinem ersten Vorsatz und schickte jenes Geld, das mir einst mein Vater geschenkt, der Mutter nach Paris, weil ich glaubte, daß sie es am Besten ver­walten würde. Dann schiffte ich mich ein, landete in Afrika und durchreiste unter unsäglichen Mühen und Gefahren die Wüste, bis ich in die persischen Länder gelangte. Besonders gefiel es mir bei den Ruinen von Persopolis, und verlebte dort mehrere Monate in dem Zelte eines schiitischen Einsiedlers, rin hochgebil­deter und vornehmer Mann, der sich durch die Feind­schaft der Menschen verbittert, in diese Einsamkeit ge­flüchtet hatte. Als ich endlich Abschied nahm, da mich eine immer wachsende Sehnsucht nach meiner Heimath ergriffen, reichte er mir die Hand und rief:Wenn Allah Dich leben läßt, so hoffe ich Dich noch eines Tages wiederzusehen, denn in der Welt wird Dein Herz und Deine Kraft bald müde und matt werden; wenn Du Dich dann nach Ruhe sehnst, so komm hierher, dies Zelt wird Dir offen sein.""

Und er hat Recht gehabt, ich ersehne jetzt Frie­den, drum will ich zu ihm, zu ihm. Darauf kehrte ich nach Frankreich zurück. Manches hatte sich dort während meiner Abwesenheit geändert, und ich hatte nicht gleich den Muth, die mix Liebsten aufzusuchen. Als ich mich nach ihnen erkundigte, hörte ich, daß meine Eltern wieder in glücklichen, wenn auch nicht