Amtsblatt sm den Oberasttsbezirk RagvlL.
Nr. 87.
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Dienstag den 28. Juli.
Ini'erationsgedübr für die Rpattige Zeile aus gewöhnlicher Schritt bei einmaliger Einrückung 8 Kreuzer, bei mehrmaliger je 2 Kreuzer.
Amtliches.
Nagold.
Nach Ablauf der Wahlperiode der Abgeordneten zur Diöcesansynode ist die Wahl derselben vorschriflmäßig wieder vorzunehmen und der Bericht darüber dis 11. August d. I. zu erstatten. S. Amlsbl. S. 50/207,
Nagold, den 27. Juli 1874.
K. Dekauatamt.
F reihofer.
T a g e s - N e u i g k e i t e u.
Seine Königliche Majestät haben vermöge Höchster Entschließung vom 9. Juli au- Anlaß der Visitation des Overamts Herren- berg 1) dem Amtspfleger S t ö s fl e r von Herrenbcrg wegefl seiner lang» jährigen treuen Dienste die goldene Eivilverdienstmedaille, 2) dem üchult- beitzen Marquardt in Oberjesingen, 3) dem Schultheißen Arnold vo>l Unterjesingen. 4s dem Stistungspfleger Schürer von Tbailsingen und 5) dein Waldmeister Nothacker von Herrenberg in Anerkennung ihrer vieijährigen guten Amtsverwaliung die siiberne Eivilverdienstmedaille gnädigst verliehen.
Ellwangen, 22. Juli. Als der um halb 2 Uhr hier abgehcnde Zug Nr. 115 gegen das erste Bahnwärterhäuschen, Japtzell zu, ausuhr, lief das zweijährige Mädchen des dort ltaiiouirten Bahnwärters Schneider auf das Geleise herein und wurde, unter den Augeu des Vaters, von der Maschine erfaßt und zermalmt.
Hall, 23. Juli. Der zur Zeit der Reichstagsmahlen vielgenannte katholische Vikar Sebastian Rohr, als solcher in Western- Hausen, OA. Künzelsau, angcstellt, seit einiger Zeit aber ohne Stelle, ist vor einigen Tagen wegen Beleidigung des Deutschen Kaisers gefänglich eingezogen worden. Er soll sich dieses Vergehens in einer früheren Predigt schuldig gemacht haben.
Tübingen, 24. Juni. Die „T. Ehr." schreibt: Von Ncuttingen erhalten wir von glaubwürdiger Seite die Mit- theiluug, daß die dortige gesundheitspolizeiliche Commission den Wirtheu, welche schlechtes und zum Theil saures Bier ausschenken, genau auf die Finger sehe und vor einigen Tagen mehreren Wirlhc» den Inhalt ihrer Fässer, der sich als gesundheitsschädlich erwiesen, „laufen" ließ. Es ist dies wohl das beste Mitel, das Publikum vor schädlichem Bier zu schützen und ihm dazu zu verhelfen, daß es für sein-"Geld auch ein entsprechendes Getränke bekomme, das bei dem gegenwärtigen Preis von 4 kr. pr. halbes Liter gewiß noch mit einem schönen Nutzen hergestellt werden kann.
Karlsruhe, 25. Juli. Die Einführun g der Neichs- markrechuung auf 1875 wurde heule amtlich verkündigt, der Umrechuungsfuß ist 7 Gulden für 12 Mark, Einguldenstück gleich 171 Pfennige.
München, 21. Juli. Das „Bairische Vaterland" schließt einen Leitartikel: „Warum sollten wir hinschießen?" mit den Worten: „Nein, Bismarck lebe, wir gönnen ihm den Tod nicht, der ihn aus einem Meere von Verlegenheiten und vor künftiger Verzweiflung retten würde; er lebe, damit er dabei sei, wenn das N a rr e n s ch i ff d e r Z eit a m Fe lse n P etri z er s ch e l lt!"
K i s s i n g e n, 21. Juli. Aus Göttingen traf gestern folgendes Telegramm hier ein, das wir auf diesem Wege der betreffenden Dame zur Kennlniß bringen: „Der behäbigen wohlhabenden Dame, die (bei der Transportirung des Attentäters Kullmann nach Schweinfurt) den welthistorischen Ausspruch that: „So a Lausbub!" widmen einen kräftigen Salamander eine Anzahl Ostsricsischer Studenten."
Kissingen, 23. Juli. Unter den vielen Begrüßungen, die an den Fürsten Bismarck in jüngster Zeit von überall her ergangen sind, befanden sich auch eine Sendung von 2 jungen Hunden, die der Oekonom Essig in Leonberg aus der weitberühmten Hundezüchtnngsanstalt dem Fürsten zum Geschenk gemacht hat. Fürst Bismarck hat eine so große Freude an den beiden Thieren, daß man sie ihm täglich ins Zimmer bringen muß. Die Hunde werden später nach Varzin kommen.
In einer von der Posener Ztg. veröffentlichten Erklärung über das Kissinger Attentat ruft der Domherr Dulinski in Gnesen aus: Bischöfe und Priester der katholischen
Kirche! Unser Heiland gibt uns jetzt Gelegenheit, zu bewirke», daß aus dem fluchwürdige» Verbreche» Legen für die katholische Kirche, ja für die ganze Menschheit, erwachse! Ihr Bischöfe, die Ihr unter uns einen uudcstriNeuen Vorrang habi, gehet auch jetzt den Priestern und Laien voran! 'Nicht dadurch, daß Ihr Euch auspsäudeu und in's Gefängnis, führen lasset, bereitet Ihr der katholischen Kirche Triumphe! Nur dann, wenn Ihr, nicht wartend aus eine Aufforderung, sondern aus freiem Antriebe aufs Eifrigste dafür Sorge tragen werdet, daß das Entsetzen, welches Euer ganzes Innere bei der Kunde von dem um der Kirche willen ausgcsührlen Mordversuche unzweifelhaft durchdrungen hat, überall laut ivcrde und in den Herzen der Bewohner selbst der ärmsten Hütte» unausgesetzt nachklinge, wird der ganze Himmel frohlocken lind auf Erde:: werden die spätesten Generationen mit Rührung und Liebe Euer gedenken. Wie schön wäre es, wenn die Bischöfe durch das Attentat Kull- mauns sich veranlaßt sehen, nächstens wieder in Fulda Mammen- zukommen! Jetzt ist es an der Zeit, von der Höhe der bischöflichen Sitze kräftige und salbungsvolle Worte an die Katholiken zu richten und dadurch aus den Herze» der wilden Zeloten die finsteren dämonischen Mächte zu vertreiben." Eine' solche Sprache läßt sich schon hören, sie wird aber von den Ohren, für welche sie bestimmt ist, nicht gern gehört werden und im Winde verhallen.
DaS ckberbayerische Appellationsgericht hat die gegen das Erkenntniß des Bezirksgerichts v./J. in Sachen dcrGicsinger Kirchenbaulotterie erhobene Berufung verworfen und damit ausgesprochen, daß die Ziehung noch einmal stattfinden muß.
Aus Leipzig wird berichtet: Es zirkultt-,, xi,'.e Masse neue 20.Pfennigstücke von Pappe mit Silberblattüberzug, die geeignet sein dürsten, bei ungeprüftem Annehmen neuen Geldes Manchen zu täuschen. Dieselben sind sehr gut ausgeführt und tragen die Jahreszahl 1873; obgleich nur von Pappe, sind dieselben äußerst fest und dürften hiusichlUch der Schwere hinter den echten Münzen kaum Zurückbleiben. Nur der Klang dieses Geldstückes kann vor Täuschung bewahren.
Berlin, 24. Juli. Das vom Kaiser Franz Joseph an den Fürsten Bismarck gesandte Glückwunsch-Telegramm lautete: „Lieber Fürst! Ich danke Golt für seine Gnade, mit der er Sie so stchtbarlich beschützt hat. Empfangen Sie meine Glückwünsche und die Versicherung meiner Freundschaft! Franz Joseph."
Berlin, 25. Juli. Die „Nordd. Allg. Ztg." bespricht die Unterstützung der Carlisten Seitens Frankreich und erinnert daran, daß im Jahre 1870 Frankreich wegen der nicht vorhandenen, nur vermeintlichen Einmischung Preußens in spanische Angelegenheiten den Krieg begann. Dasselbe Blatt vernimmt, das bei der Insel Wight stationirendc deutsche Geschwader werde die Bestimmung erhalten, einige Zeit an der spanischen Nordküste zu kreuzen.
Windthorst, der bekannte ultramontane Welfe im Reichstag , ist derzeit Badegast in Ems. Als er das Attentat auf Bismarck erfuhr, schüttelte er bedenklich den Kopf und sagte: Das ist schlimm, das, ist nicht gut, das ist eine fatale Geschichte.
„Gesperrte" junge katholische Geistliche in Deutschland können in Brasilien Unterkommen. Dort sucht die Regierung für mehrere deutsche Colonien Geistliche und stellt sie mit 1800 Thaler an, wofür sie sich ein Reitpferd halten müssen; denn ihre Lämmer weiden weit auseinander.
Der gesetzliche Sinn der ultramontanen Partei läßt sich an folgenden Sätzen bemessen, womit die Germania die Schließung der ultramontanen Vereine in Berlin beantwortet: „Die gewonnene Erfahrung wird die Katholiken veranlassen, nunmehr erst recht das politische Gebiet zu betreten, und gewisse Rücksichten bei Seite zu setzen, welche ihnen bis dahin maßgebend erschienen, um die Besprechung der Tagessragen ans fast allen ihren Vereinen mit ängstlicher Sorfalt fern zu halten. Sie werden jetzt ihre sämmtlichen Vereine, so weit deren Natur es zuläßt, in politische umgestalten, und es darauf ankommen lassen, ob man cs etwa versuchen sollte, ihnen das allgemeine Vereins- und Versammlungsrccht zu verkümmern."