Der Gesellschafter

AMlsblaU sür den Oberamtsbezirk Nagold.

Nr. 84.

Erscheint wöchentlich 3mai und kostet baidjährlich diec 54 kr., im Bezirk

Disnstkia üen 21. önli.

Inserationegebübr sür die Zspnltigc Zeile aus gewöhnlicher Schri't bei

mit Postausschlag t fl. 8 kr.

A m t l ich e s.

Au die Ortsvorsteher.

Dieselben haben umgehend hieher auzuzcigeu, aus wie viel Bänden das Güterbuch ihrer Gemeinde besteht.

Nagold, den 17. Juli 1874.

K. Oberamtsgericht. K. Obcramt.

Kißling. Husuadel, Amtm., g. Stv.

Lages-Nenigkeiten.

Seine jiöni gliche Majestät haben vermöge Höchster Ent- scbließung vom 9. Juli dem Pfarrer Hainlen zu Oderjettingen, OA. Hsrrenberg, das Ritterkreuz erster «lasse des Friedrichsordcns gnädigst zu verleihen geruht.

Stuttgart. Der heutige Wochenmarkt war mir Kar­toffeln so stark befahren, daß man den Centncr um 2 fl. 30 kr. kaufen kouuie. Die Zufuhr von Birnen war heule so be­deutend, daß man das Pfund um 6 und 7 kr. kaufen konnte.

Der Preis der Bohnen schwankte heute zwischen 9 und 10 kr.

Stuttgart, 17. Juli. Gestern Abend constituirte sich hier ein Berein für Leichcn-Verbrennung mit mehr als 300 Mit­glieder, worunter viele Familien-Bäter, unter dem Vorsitz eines Rectors des Polytechnikums, Professors Zech.

Der Komet schlägt sich in diesen Tagen für uns Europäer in die Büsche, d. h. er wird für uns unsichtbar. 'Nun, Herr Nachbar, wie groß ist der Kometenschweif? Ar ms laug!

H'm, die Arme sind verschieden, der Arm des Kaisers ist länger als der meines Nachbarn und der Arm des Himmels ist so lang, daß er manchen Sünder noch gelangt hat, der ihm lange enlflohen zu sein glaubte. Und dieser armslange Kometenschweif, wie er uns Erdwürmern vortommi, ist in Wirklichkeit 1'/4 Millionen Meilen lang.

Kissingen, 16. Juli. Der Attentäter Kullmann wurde heute Nachmittag 2 Uhr von hier nach Würzburg in das dortige Schwurgerichtsgefängniß eskordirt.

Kissingen, 17. Juli. Ueber das Befinden des Fürsten Bismarck wird gemeldet: Die Heilung der Verletzung schreitet fort und ist die Bewegung des Handgelenks abermals freier. Seit gestern konnten die Eisumschläge weggelasseu werden. Die anstrengende mündliche und schriftliche Beantwortung der in großer Zahl eingehenden Beileids-Bezeugungen ist dem Fürsten ärztlich verboten.

Aus Kissingen kommen noch immer Einzelheiten über nähere Umstände der That und über die betheiligten Persön­lichkeiten. So schreibt man derSchles. Presse":Bis jetzt ist ein Dienstmädchen vernommen worden, welches aussagt, sie habe kurz vor dem Wegsahren Bismarck's von seiner Wohnung drei Menschen bei einander stehen sehen und habe gehört, wie der eine von ihnen sagte:Jetzt aber gehe hin, sonst versäumst du ihn." Der eine von diesen sei der Attentäter gewesen. Die Polizei fahndet auf die Komplicen. Ein preußischer Major hat den Verbrecher als die Person erkannt, welche mit noch einem anderen Individuum im Walde bei dem Altenburger Haus sich mit Pistolenschießen eingeübt hat. Man fand bei dem Attentäter eine Brieftasche, in welcher die Notiz stand, daß Bismarck um 1 Uhr stets nach der Saline fahre; in der Tasche lag auch ein Militär­losungsschein, aus welchem die Persönlichkeit des fremden Indivi­duums als die des Böttchergesellen Eduard Kullmann aus Neu­stadt bei Magdeburg festgestellt wurde."

Am Montag Abend fand, wie schon erwähnt, Dankgot­tesdienst in der ev. Kirche in Kissingen statt. Man be­richtet darüber der Nat.Z.: Angeschlagen war: Um 7 Uhr in der ev. Kirche Dankgottesdienst und nun strömte Alles hin, kein Apfel konnte zur Erde fallen, Protestanten, Katholiken und Juden, den türkischen Botschafter in Petersburg nicht zu vergessen, der Vornehmste neben dem Arbeiter, der von der Arbeit fortgelaufen, und mächtig klang die prachtvolle Orgel bis zu der Menge, die draußen vor der Thüre stand und in der überfüllten Kirche keinen Platz mehr finden konnte. Der Prediger, der am Sonntag vor acht Tagen schon in seine Rede ein Gebet für Bismarck's Gene­sung eingeflochten, ist ein ächtcr Deutscher, ein begeisterter An­hänger alles Großen und Schönen, ein höchst intelligenter, frei­sinniger Mann; was er spricht, kommt ihm vom Herzen, und so

. 1874 .

bei mehrmaliger je 2 Kreuzer.

war seine heurige Predigt eigemlich ein Dankgebet. Wie er es empfand, so übertrug er das Gefühl auf die Menge, die lodtenstill lauschte. Als die Predigt bereits begonnen hatte, hörte ich neben mir ein Geräusch, und als ich aufblickte, setzte sich mir gegenüber die Fürstin Bismarck mit Tochter und Sohn, letzterer in einer Aufregung, die er nur mit Mühe bemeistern kouitte; die Thränen stoßen ihm immer aus den Augen, die Tochter tiefernst, die Fürstin unendlich bewegt; ehrfurchtsvoll machte die Menge Platz, als sie die Kirche verließen.

In Betreff der Aeußerungen deutscher Blätter über das Attentat gegen Bismarck steht dasBayerische Vaterland" einzig seiner Art da. Das Blatt meint:Zur Auffrischung der ziem­lich abgestandenen durchlauchten Popularität thul's eine unbe­deutende Verletzung, etwa durch den Papierpfropsen einer blind- geladenen Schlüsselbüchse auch, zumal da kein edler Theil, sondern blos der Vorderarm getroffen wurde;" der fanatische Bauern­junge habe seine Schuldigkeit gethau,und kann durch den Gerichtssaal mit einem schönen Stück Geld aus dem Reptilien­fond in aller Stille nach Amerika gehen." Der Artikel schließt: Ein Feind Bismarck's, und wenn er auch nur ein fanatischer Bauernbube wäre, muß wünschen, daß dieser Manu noch ein paar Jahr länger lebe, damit er sich krümme unter den Schlägen einer höheren Macht, damit er selbst doch davon später. Ein Feind Bismarck's kann seinen Tod zur Zeit, wo sein Stern in jähem Falle begriffen ist, nicht wünschen, denn jetzt wäre er eine Wohlthat für ihn, weil er ihn reiten würde von Aergercm als einer mitleidigen Kugel. Der Attentäter muß also entweder ein als Fanatiker maskirtes Reptil oder ein Narr sein.

Schweinfurt, 18'. Juli. Das hiesige "Tagblatt" meldet, daß der vou Kissingen ins Lchweinfurter Bezirksgefänqniß eiu- gelieferte Pfarrer Hauthaler gestern Vormittag bereits wieder als völlig uubetheiligt amAttentat gegenBismarck freigelassen ist.

DerMagdeb. Zig." zufolge befände sich die Mutter Kull- manu's seit ungefähr einem Jahre in Halle wegen unheilbarer Geisteskrankheit. Ferner meldet das Blatt:Gestern Abend be­gaben sich der Polizeipräsident und der Staatsanwalt nach der Neu­stadt, um in dem elterlichen Hause des Kullmann eine Haus­suchung vorzunehmen. Soweit uns bekannt, ist dieselbe ohne Erfolg geblieben. Der Vater des jungen Menschen, ein schon bejahrter Manu, erklärte, er wisse gar nicht, daß sein Sohn in Kissingen sei, habe vielmehr geglaubt, daß er sich in Hamburg befinde."

Der WienerPresse" geht über den Geistlichen Hauthaler folgende Mittheilung zu:Nach dem Leumunde, welchen Hau­thaler nach den uns aus Kissingen zukommeuden verläßlichen Be­richten in der dortigen Gegend allgemein genießt, erscheint dessen Theilnahme an der verbrecherischen Handlung jedenfalls sehr zweifelhaft. Hauthaler wird nämlich als ein ganz einfacher schlichter Landgeistlicher von friedfertigster Stimmung, und entfernt von jeder Agüiationslust geschildert. Thatsache ist, daß sich Hau- thalcr derzeit auf seiner gewöhnlichen Erholungsreise befindet." Im Verhör gibt derselbe an, er habe von Schweinfurt aus einen Abstecher nach Kissingen gemacht, um sich den Badeort zu be­trachten und den Fürsten Bismarck zu sehen. Bezüglich des Er­gebnisses der gepflogenen Erhebungen verlautet außerdeu, man habe bei Hauthaler eine Summe von 5000 fl. gefunden. Sonst wurden unter seinen Effekten, die sofort mit Beschlag belegt wurden, außer den üblichen Reise-Effekten noch zwei Fläschchen mit einer unbekannten eigenthümlich riechenden Flüssigkeit vorge­sunden, die er als geweihtes Oel (Margarethenöl) bezeichnete.

Der Herzog Decazes soll, wie man derNat.- Ztg." und derN. Frkf. Pr." aus Paris mittheilt, die französische Bot­schaft in Berlin beauftragt haben, dem Fürsten Bismarck seine Freude über das Mißlingen des gegen ihn gerichteten Attentats auszudrücken.

Ist die Kölnerin gut unterrichtet? Sie behauptet, schon Tage lang vor dem Kissinger Attentat sei in gewissen Kreisen in Paris das Gerücht verbreitet gewesen, daß in Deutschland ernste Ereignisse bevorstünden. In Kissingen wurden nach dem Attentat von 1'i»sirö Uhr mehr als 300 Depeschen auf-