gegeben; ein Amerikaner zahlte 360 fl. für ein Kabcltelegramm, ein Engländer für 2 Depeschen nach Laudon je 270 fl. — Durch öffentliche Anschläge lad das katholische Pfarramt ein zu einem feierlichen Amt „ans Anlaß der Vereitelung des Attentats", die schlagfertigen Israeliten luden zu einem Gottesdienst ein „ans Anlaß der glücklichen Rettung Bismarcks."
Berlin, 18. Juli. Die „Rordd Allg. Ztg." bestätigt, daß der Justizminister wegen strenger Ueberwachnng der ulira- niontancn Presse ein Rundschreiben an die Siaatsanwaltschaften erlassen habe; in demselben sei ausdrücklich aus die Wahrnehmung Bezug genommen, daß gesetzwidrige Handlungen, selbst schwere Verbrechen wie das Kissinger Attentat, auf den verderblichen Einfluß der uttramontanen Agitation, namentlich in der Presse, zurückzuführen seien. Dasselbe Blatt hört von enischiedenen Weisungen , die aus Grund der stattgchabten Minister Berathuugen betreffs der Handhabung der Vercinspolizei gegenüber den Katho- likeuvereinen in den letzten Tagen ergangen seien.
Braun schweig, 15. Juli. Durch herzogliche Verordnung wird die Reichsmark-Rechnung im Herzogthum Brauuschivcig mit dem 1. Januar 1875 eingefüh«.
Coburg, 15. Juli. Die Eisenacher (Bebel Liebknecht'- sche) Social-Demokratie halten am 18. d. dahier einen Congreß ab. Interessant ist ein Antrag der Marburger Partei-Mitglieder, dahin lautend: „Alle Partei Mitglieder haben sich als confes- sionslos zu betrachte» und demgemäß aus der Landes-Kirche auszuscheiden." Damit wird ein Moment hervorgehobcu, welches zwar auch bisher in der social-demokratischen Bewegung gelegen hat, unseres Wissens aber nicht zur Partei-Sache gemacht war. Mit der Aufnahme dieses Antrages in das Partei-Programm würde die social-demokratische Arbeiter-Partei also eine ganz neue Seite annehmen.
Aachen, 13. Juli Tie H ei li gth u ms-Fah rt nimmt ihren ruhigen und ungestörten Fortgang. Nach einer oberflächlichen Zählung der Pilger, welche am Samstag Nachmittag von 1—8 Uhr ins Münster und an den Reliquien oorbeigezogen, betrug die Zahl derselben 23,000. Ans 25 Ständen Rheinlands und Westsahlens waren die Gesellen-Vereine hier eingekehrt, welche am Nachmittage in stattlichem Zuge mit ihren zum Theil prächtigen Fahnen durch die Stadl zogen. An den Thoren der Stadt waren zur Zählung der Einkehrenden von den städtischen Behörden angcstellte Männer anwesend. Mit Bezug darauf glaubt die „Germania" nicht zu hoch zu greifen, wenn sie die an diesem Tage in Nachen anwesenden Fremden ans 50 — 60,000 schätzt.
In Wien wurden in den Monaten April bis Juni 1134 Pferde geschlachtet, um 376 Stücke mehr als in demselben Quartale deS Vorjahres. Die Pferdefleischpreise waren per Pfv. 12 und 16 kr. ,
Die Muttergotteserschein un gen in E.-L , welche jüngst in der Zeitschr. im neuen Reich eine ausführliche und quellenmäßige Beschreibung gefunden, haben jüngst in Oberelsaß ein kleines Nachspiel erlebt, indem eine der damaligen Hauptvi- sionärinnen, eine Frauensperson von Landsee, wegen Diebstahls verhaftet wurde. Wäre das nur ein einzelner Fall, so würden wir ihn nicht erwähnen, aber auch bei den „Erscheinungen" im Kreise Saarburg und im Kanton Reichshosen waren es wegen Betrugs bereits bestrafte oder übel beleumundete Personen, welche den Anlaß des Erscheinungstreibens in der betreffenden Gegend abgaben.
Die dreifarbige französische Fahne ist endlich von dem Thurm der Kathedrale in Metz heruniergeholt worden. Sie saß auf der höchsten Thurmspitze und es war demjenigen, der sie herunterholte, eine Belohnung von 100 Thlrn. nusgesetzt, denn die Sache war lebensgefährlich. Wenn der kühne Steiger auf der in gothischem Style gebauten Thurmspitze angelaugt war, galt es noch, über eine große, mehrere Fuß dicke Kugel zu gelangen und daun, etwa 260 Fuß über der Erde, noch eine zweite kleinere Kugel zu erklimmen, um zu der Flaggenstange zu gelangen. Ein Pionier, ein Brandenburger, erbot sich zu dem gefährlichen Wagniß. Mit voller Musik marschirte gestern, Sonnabend, kurz nach Mittag eine Truppen-Abtheilung nach dem Platze vor der Kathedrale, der Pionier siegesgewiß in dem Zuge. Der Furchtlose begann seine Arbeit, die mehrere Stunden in Anspruch nahm. Zunächst wurden von der Galerie aus, von welcher ab sich die gothische Spitze erhebt, zwei Stangen, in einem Abstand von 1 Fuß voneinander, an den über der Spitze befindlichen großen Knopf gelegt und die noch darüber hinausragenden L-tangen von Militärmannschaften festgehalten. Der Pionier hatte in der Tasche große Nägel und einen Hammer in der Hand, mit welchem er die Nägel stufenförmig eiuschlug und so langsam immer hoher stieg. Auf der Höhe der großen Kugel angelangt, rutschte der Tollkühqe einmal ans — „er fällt!" tönte es ans dem Munde der Tausende, die nntenstanden oder die aus den Fenstern das furchtbare Schauspiel beobachteten. Aber der Brandenburger siel nicht, sondern stieg unerschrocken höher, bis er die Flaggenstange erreicht hatte; noch einige Fuß und — die Tricolore sank und an ihrer Stelle befestigte der Brave eine hinaufgezogene riesige
: schwarz weiß-rothe Fahne. Der Pionier kletterte wieder herunter, j nachdem er noch zuvor die große Kugel nach Möglichkeit wieder bJank geputzt. Dann erscheint er — nach einer Zeit von vier Stunden — wieder unten aus dem sichern Erdboden, — er halte sein Werk vollendet. Ein Händedrücken der Offiziere, ein Hurrah der Deutschen empfing ihn, und unter rauschender Musik marschirte die Truppe wieder ab.
Paris, 15. Juli. Seit drei. Tagen bringen hiesige Blätter der Reihe nach einen Brief „einer bedeutenden katholischen Persönlichkeit aus der Rhcinprovinz, gerichtet an einen Freund in Frankreich". Der Ort, woher der Brief kommt, wird nicht genannt, „weil das dem Verfasser die Rache Bismarck's zuziehen könnte". Sein Inhalt lautet im Wesentlichen: „Man verfolg! mich, weil ich meine Fahne hoch Halle und alle preußischen Schänd- lichkeiten aufdecke. Sie fragen: Wohin geht Ihr? Ich antwortete : Bismarck wird nicht zurückweichen. Er schmiedet ein Gesetz nach dem andern und er wird genölhigt sein, immer schroffer vorzu- geheu: Aber wie soll er es anstellen, 20,000 Priester einzukerkern? denn kein einziger wird abtrünnig werden. In Posen hat man schon einen bürgerlichen Bisthumsverweser ernannt; was wird folgen? kein Pfarrer wird ihn anerkennen. Und dann muß man die Kirchen schließen. Das katholische Volk wird nicht revoltiren, aber der Sozialismus macht Riesenschritte und er wird die Revolution bringen. Aber dazu gehört Zeit; denn die Disziplin der Armee ist von Eisen, und vorläufig werden die Soldaten aushalten. Sie glauben, daß mau schließlich den Katholcken Avancen mache, ja aufdrängen werde; das ist ein Jrrlhum, denn die Maigesetze, welche alle Prinzipien der Kirche im Fundament vernichten, steuern auf eine deutsch nationale Kirche mit Bismarck als Pabst n. s. w. Damit können wir Katholiken nicht transigiren. Wir werden mit Festigkeit alles abwarten, unsere Kinder selbst taufen, wenn man uns die Kirchen schließt. Unsere Priester sind schon mit den nöthigen bischöflichen Gewalten ausgerüstet; nmherziehende Seelen werden die Sterbenden trösten, aber nachgeben — niemals. Wie das werden soll, weiß Gott. Bismarck hat eine Diversion in Gestalt eines neuen Krieges gegen Frankreich machen wollen, und führwahr es sieht in Deutschland schlecht genug aus, um einen solchen für viele Leute wünschens- werth zu machen. Die 5Milliarde» sind verzehrt, die Geschäfte stocken, Deutschland treibt dem Abgrund zu. Aber Frankreichs edle und weise Haltung sowie die Gesinnung des übrigen Europas läßt das nicht zu: Europa sieht klar, es will keinen neuen Sieg Deutschlands. So ist die Lage Bismarck's; die Katholiken revoltiren nicht, aber er fürchtet sich schrecklich vor den Sozialisten."
Der Pariser Berichterstatter eines deutschen Blattes bedauert, den vielgerühmten Edelmuth des sranz. National- characters bei dem Eintreffen der Nachricht von dem Mord- anfall auf den Fürsten Bismarck nicht bestätigen zu können. An öffentlichen Orten, namentlich an der Börse, wurden n»- Ausdrücke des Bedauerns über das Mißlingen des Attentats laut. Von den darauf erschienenen Blättern enthielt kein einziges eine Aeußernng des Abscheues oder der Verdammung, aber beinahe sämmtliche stimmten in der einfältigen Behauptung überein, daß der Anfall der Politik des Fürsten zu gelegen komme, um nicht verdächtig zu erscheinen. Hieraus könnte man freilich indirect auf das Zugeständniß schließen, daß der ultramontane Fanatismus, nach Erschöpfung seines letzten Mittels, einen Selbstmord begangen hat.
Eine Rabenmutter. Die Zeitungen von Oise theilen ein schauderhaftes Verbrechen, über das am dortigen Gerichtshof abgeurtheilt wurde, mit. Der Sachverhalt ist in Kürze folgender: Ein 18jäyriges Mädchen, Taglöhnerin in Saint-Marthin-du-Thil, kam am 28. Februar d. I. mit einem Knaben nieder. Am 12. und
13. März hörten Nachbarn das Kind häufig schreien und cs stellte sich heraus, daß dasselbe zu wenig zu essen bekam. Am
14. März ertönte furchtbares Geschrei und zwei Personen sahen bei ihrer Ankunft die Mutter an einem Feuer, im Begriff, die Füße des kleinen Würmchens zu verbrennen. Das Kind wurde der Mutter entrissen, allein es starb trotz versuchter Rettungsmittel einige Stunden darauf. Der Gerichtshof von der Oise verurtheilte die Verbrecherin zu lebenslänglichem Zuchthaus.
Madrid, 17. Juli. Man versichert, die Karlisten hätten 1600 Personen fortgeführt in der Absicht, sie zu erschießen, sobald sie angegriffen würden. Der „Jmpartial" sagt, es sei die Rede von einer neuen Aushebung von 100,000 Mann im Alter von 23 bis 35 Jahren. (N. Tgbl.)
In Schottland herrscht große Dürre und ist der Wasserstand im Tweed seit 1826, in welchem Jahre das Getreide so kurz im Halm war, daß es mit der Hand herausgezogen werden mußte, nicht so niedrig gewesen, als jetzt. Schafe und Kühe leiden sehr unter Hitze und die Dürre der Weiden dürste ernstlich für die Schafzucht werden, wenn es nicht bald regnen sollte. Schon hat sich das übrige Sterblichkeitsverhältniß durch die Dürre etwas vergrößert.