1) Deutsche, welche in Diensten des Reichs oder eines deutschen Bundesstaats stehen, sind, wenn sie ihren dienstlichen Wohnsitz in Württemberg haben, hier steuerpflichtig, dagegen der diesseitigen Steuer nicht unterworfen, wenn sie neben einem Wohnsitz in Württemberg den dienstlichen Wohnsitz in einem andern Bundesstaat haben.
2) Landes-- und andere Reichsangehörige sind diesseits steuerpflichtig, wenn sie
a) ihren Wohnsitz in Württemberg haben, oder
- b) in keinem Bundesstaat einen Wohnsitz haben, aber in Württemberg sich anshallen.
. 3) Abgesehen von Ziff. 1 unterliegen Landesangchörige, welche in Württemberg und außerde m in anderen BundeSilaaten einen Wohnsitz haben, diesseits der Steuer, ebenso Angehörige anderer Staaten des deutschen Reichs, es sei denn, daß letztere
Win-vberg und außerdem in ihrem Heimalstaale einen Wohnsitz haben, in welchem Falle sie in Württemberg steuersrei bleiben.
4) Sind Landes- und andere Rcichsangehörige nach Ziff. 1 bis 3 steuerpflichtig, dieselben haben aber noch ein anderes Domizil außerhalb des Deutschen Reichsgebietes, so bleiben die in dem Lande des letzteren ihnen anfallenden Einkünfte von der diesseitigen Besteuerung ausgenommen.
5) Landesangehörige, welche ihren Wohnsitz außerhalb des Deutschen Reiches haben, unterliegen nur in Ansehung ihrer in Württemberg erwachsenden Einkünfte der diesseitigen Steuer, wenn sie nicht in Württemberg sich aufhalten (oben Ziff 2 b und 4). Haben dieselben zugleich einen Wohnsitz oder Aufenthalt in einem anderen Bundesstaate, so fällt die diesseitige Besteuerung ganz hinweg.
6. Ausländer, welche dem Deutschen Reiche nicht angehören, sind in Ansehung ihres in Württemberg erwachsenden Einkommens
s) wenn sie am Ansange des Steuerjahres bereits 6 Monate in Württemberg wohnen, unbedingt,
b) andernfalls aber blos dann zu besteuern, wenn in dem Heimatland derselben die Württemberger eine gleiche oder ähnliche Steuer trifft.
IV. Die nach Ziff. I oben abzugebenden Erklärungen, (Fassionen)
1) über das Kapital- und Renten-Einkommen können entweder mündlich in das von der Ortssteuerkommission zu führende Aufnahmepro'.okoll, oder schriftlich nach den in §. 1? Ziff. I der Instruktion vom 10. Juni 1853 gegebenen, aus d"en Fassionsformuiarien ersichilichen näheren Bestimmungen abgegeben werden. Dagegen sind
2) die Fassionen über das Dienst- und Berufs-Einkommen in der Regel schriftlich nach dem vorgeschriebenen Formular zu übergeben; es kann aber im zweiten und dritten Jahre einer Etatsperiode die Erklärung, daß das Einkommen des Fatenten dem des Vorjahres gleich geblieben sei, auch mündlich in das Aufnahmeprotokoll abgegeben werden.
V. Von der Fassionspslicht befreit sind bezüglich des oben Ziff. II. 1 bezeichnten Kapital- und Renten- Einkommens die im Gesetz Art. 3 b. Z. genannten Anstalten die im Gesetz Art. 3 4, s. erwähnte allgemeine Sparkasse in Stuttgart und diejenigen, welche in diese Sparkasse Ersparniß- einlagen gemacht haben, hinsichtlich der denselben aus diesen Einlagen zufließenden Zinse, ferner die in Art. 3 .4. k. genannte Kaffe des Wohlthäthigkeitsvereins, sowie bezüglich des Dien stund Berufs-Einkommens die Landjäger und die militärischen Forst-, Zollgrenz- und Steuerschutzwächter und diejenigen Personen, deren Dienst- und Berufs-Einkommen den jährlichen Betrag von 200 fl. nicht übersteigt. (Einkommenssteuergesetz Art. 3 0. a. und b. und Gesetz vom 20. August 1861 Reg.Bl. S. 186 Art. 3). Uebrigens muß auf etwaiges Anfordern der Ortssteuerkommission gleichwohl die in §. 14 Abs. 2 der Instruktion vom 10. Juni 1853 vorgeschriebene Anzeige abgegeben werden.
VI. Wenn weitere (s. Ziff V oben) im Gesetz Art. 3 s. k. genannte Anstalten, oder wenn Institute der im Gesetz
Art. 3. 4, e. cl. k. bezeichnten Art Steuerbefreiung ansprechen, desgleichen, wenn auf Grund der Bestimmungen im Gesetz Art.
3 /V. b. ein solcher Anspruch erhoben werden will, so sind diese mit vollständigen Nachweisen zu begründeten Ansprüche durch die Ortsstenerkommission beim Cameralamt anzubringen. Die den Mitgliedern des K ap italisten- V ereins in Stuttgart früher eingeräumte, seit 1. Juli 1859 aber aufgehobene Steuerfreiheit für ihre Einlagen in diesen Verein bleibt laut der vom K. Steuerkollegium auf Grund des Art. 1 des Gesetzes vom 20. August 1861 (Reg.Bl. S. 185) unterm 1. Juli 1864 (A.Bl. S. 85) getroffenen Verfügung aufgehoben; die Mitglieder dieses Vereins werden daher ausgesorderl, die Zinse ans diesen Einlagen gleich ihren übrigen Kapitalzinsen zu saliren. Ebenso haben die Mitglieder der Allgemeinen Nentenaustalt in Stuttgart die Renten, welche siechon dieser Anstalt beziehen, zu saliren und zu versteuern, da die Rcnteuaustalt seit 1. Juli 1860 nur die nach Abzug der auszubezahlenden Reuten ihr verbleibenden Aktivzinse versteuert
welches Verhältnis; laut der vom K. Steuerkollegium unterm 9. August 1864 (A.Bl. S. 99) auf Grund des Art. 1 des Gesetzes vom 20. August 1861 getroffenen Verfügung fortbestehen bleibt. Desgleichen haben die Einleger in die mit der allgemeinen Rentenanstalt verbundene Spar- und Depositenkasse als Gläubiger der Rentenanstalt die hieraus zu beziehenden Zinse gleich ihrem sonstigen Kapital- und Nenten-Einkommen, und ebenso haben die Mitglieder der an die Allgemeine Renteuanstalt übergegangenen sogenannten Rottenbnrger Wittwenkasse ihre diesfälligen Bezüge nach Art. 1. II b. des Einkommenssteuergesetzes zu versteuern.
VII. Wer die Fatirung seines Einkommens gänzlich unterläßt, oder solches theilweise verschweigt, wird nach Art. 11 des Gesetzes vom 19. September 1852 und § 16 der Instruktion vom 10. Juni 1853 mit Strafe belegt.
Den 9. Juli 1874.
K. Kameralämter
Alte nstaig. Horb. Reuth in.
Nagold.
Flößerei auf der Enz und Nagold betreffend.
Nach einer Mitthciluug Großherzogl. badischen Bezirksamts Psorzheim ist in Gemäßheit § 21 der Floß-Ordnung auf der badischen Strecke der Enz und 'Nagold für die Dauer des Monats August d. I. Floßsperre angeordnet worden, was hiemit zur allgemeinen Kenntniß gebracht wird.
Den 12. Juli 1974.
K. Oberamt. Güntuer.
T a g e S - N e u i g k e i 1 e n.
* In Nr. 78 brachten wir die aus dem Schab. Merkur entnommene Nachricht, daß in Sch ernbach ein braver 63jähriger Vater von seinen beiden Töchtern in einem Anfall von Geistesstörung im Bett erwürgt worden sei. Diese Correspondenz wird uns von einem Sohne jenes Vaters als eine bloße Weiterverbreitung eines grundlos ausgetretenen übelwollenden Gerüchts bezeichnet, indem der Sektionsbefund einen ganz natürlichen Tod conffatirte.
* Das gestern in Wildberg abgehaltene Gauturnfest und die damit verbundene Fahnenweihe für den dortigen Turn- Verein durfte ganz besonders die Gunst des Himmels erfahren. Kein Wunder auch, daß .in der Stadt und ans dem hochgelegenen Festplatze ein Menschenspiel sich zusammenfand, wie es Witdberg noch nicht viel gesehen haben wird. Die Turnerschaft und die Bewohner der Stadt ließen es aber auch an nichts fehlen, um die Festgäste würdig zu empfangen; fast kein Haus war . zu sehen, das nicht ein Festzeichen zur Schau trug. Als wir Vormittags mit dem 11 Uhr-Zug mit der fröhlichen Turnerschaar Nagolds am Bahnhofe ankamen, erschollen Hochrufe und Böllerschüsse von den Höhen und mit Musik wurden die Ankömmlinge durch ein von der Feuerwehr gebildetes Spalier in die Stadt geleitet, welche Ehre und Aufmerksamkeit jedem mit der Bahn ankommenden Turnvereine zu Theil wurde. Da wir den Berathungen des Gautages fern stanhen, so können wir nur über das eigentliche Fest berichten. Nach 1 Uhr sammelten sich die verschiedenen Turnvereine, wir zählten deren 14, beim Gasthof zum Hirsch, und nach genommener Stellung ging es in stattlichem Zug, voran eine gut besetzte Musik und mehrere Reihen lieblicher, weißgekleideter Festjungfrauen, durch die Stadt nach dem Festplatze, der mit einer Festtribüne zur Aufnahme der Festjungfrauen und mit Wirthschafts- tafeln genügend versehen war. Nach Absingung des Liedes: Brüder reicht die Hand zum Bunde, betrat Herr Stadtschultheiß Seeg er die Tribüne und begrüßte die Festgäste mit herzlichen Worten im Namen der Stadt und des dortigen Turnvereins. Die eigentliche Festrede hatte derselbe ebenfalls übernommen, in welcher er auf jene Zeiten hinwies, wo das deutsche Volk um seine Einheit und Freiheit seine Kraft einsctzte, und woran der Jugend, den Männern des Turnens, nicht der geringste Antheil zugefallen. Und wirklich, wenn man die kräftigen, gesunden Gestalten vor Augen sah, entstieg uns der beruhigende Gedanke: Lieb Vaterland magst ruhig sein! Der Schluß der Rede wendete sich nun zum Zweck und Sinn der Weihe und Enthüllung der Fahne des Wildberger Turnvereins und nach letzterer schloß ein kräftiges, vielstimmiges Gut Heil! den ersten Akt des Festes. Nun rüsteten sich die Turner zum Wettkampfe an Barren, Reck und Hochsprung und die Preisrichter, deren Aufgabe uns eine sehr schwierige schien, nahmen an ihrem Tischchen Platz. Trotz der langen Dauer dieses Wettturnens ermüdeten die Zuschauer nicht, denn die meisten Hebungen wurden mit einer Kraft, Sicherheit und Gewandtheit ausgefüyrt, daß das Staunen sich immer mehr steigerte und oft in lauten Bravos sich kundgab. Preise erhielten von den Turnern des Nagold-Gaus: Großer, Vogel und Naschold von Calw, Färber von Hirsau, Dieterle und Reichert von Wildberg und Schaible von Altenstaig. Von außergaulichen Turnvereinen fielen Pforzheim 5 und Tübingen ein Preis zu. Inzwischen rückte die Zeit heran, wo die meisten Festgäste an die Heimfahrt denken mußten, und so hatten auch wir gegen 7 Uhr den Festplatz und die Stadt mit