Don Carlos befahl, die Aufständischen, wo inan sie gefangen nehme, zü süsiliren.
Ans sehr leidenschaftlichen Auftritten in der Nationalversammlung Frankreichs darf man schließen, Laß die Republikaner von der Partei Gambettas die Bonapartisten für ihre gefährlichsten Gegner und die Kriegsminister und Finanzminister Cissey und Magne, wenn nicht den Präsidenten Mac Mahon selbst, für deren Helfershelfer Hallen und deren Anstrengungen, einen Napoleon IV. auf den Thron zu setzen, nicht unterschätzen. Gambetta verlas auf der Rednerbnhne den Ausruf eines „Central- ausschusses zur Herbeiführung einer allgemeinen Volksabstimmung" (für Napoleon) vor, denunzirte denselben als eine Bonapartistische Verschwörung und fragte die Minister, was sie lhnn würden. Die Minister antworteten, sie würden einen solchen Verein nicht dulden und, wenn er wirklich rxffüre, gerichtlich verfolgen. Abg. Rouher, der frühere „Vwekaiser", welcher an der Spitze der Bonapartisten steht und von jeher ein großer Lügner war, erklärte, er kenne einen solchen Verein nicht, er Halle den Aufruf für gefälscht und beantragte eine Untelsnchung. Da sprang Gambetta nochmals ans, klagte die Minister Clssey und Magne als Mitschuldige der Bonaparlisten an und schleuderte Rouher die Beleidigung ins Gesicht, es gebe Leute, welchen ein Unheil vom 4. Sept. 1870 gar nicht znstehe, das seien jene Elenden, welche Frankreich vom blutigen Staatsstreich des 2. Dezember bis zur schimpflichen 'Niederlage von Sedan geführt hätten. Vergeblich forderte der Präsident der National-Versammlung Gambetta aus, seine Schmähungen zurückzunehmen, Gambetta rief: Meine Aeußernngen sind mehr als eine Schmähung, sic sind eine Brand- markung und ich Halle sie aufrecht. Er wurde zur Ordnung gerufen. Furchtbarer Tumult. Als Rouher in demselben auf die Rednerbnhne eilt, rnfc ihm Abgeordneter Cazot zu: Gebt uns Elsaß und Lothringen zurück, ehe Ihr wieder die Rednerbühne betretet. — Der Tumult wurde so furchtbar, daß die Sitzung geschlossen werden mußte. (Die ganze Linke sprang auf, als Gambetta zur Ordnung gerufen wurde und rief: Rufen Sie uns alle zur Ordnung! Der Streit zwischen den Bonapartisten und Republikanern setzte sich draußen in den Gängen und Zimmern, auf den Straßen und am Bahnhof fort; es kam zu furchtbaren Kämpfen mit den Fäusten, Stöcken und Regenschirmen. Duelle wurden mehrere eingegangcn und die Bonapartisten wollen künftig nur noch mit Revolvern in die Sitzungen kommen.)
Paris, 12. Juni. Außer S a i n t e cr o ix, der auf Gambetta einen thätlichen Angriff gemacht, sind noch andere Personen wegen Lärmens und Schreiens polizeilich verhaftet. Saintecroix erklärte bei seiner Vernehmung, er sei mit der bestimmten Absicht nach dem Bahnhöfe gegangen, um Gambetta zu provoziren und zu züchtigen. Saintecroix diente früher bei den Zuaven der Kaiscrgarde.
Paris, 13. Juni. Die „Agence Havas" meldet: Das linke Centrnm wird Montag einen Antrag aus Proclamirung der Republik mit der siebenjährigen Präsidentschaft Mac Mahons einbringen. Der Antrag läßt eine gänzliche oder lheilweise Revision der republikanischen Verfassung zu. Das linke Centrnm wird die dringliche Beralhung verlangen.
In Rom empfindet man es immer noch schmerzlich, daß Döllinger der päpstlichen Unfehlbarkeit Widerpart hält. Pins IX. soll jüngst die Fürstin von Taxis dringend ersucht haben ihren ganzen Einfluß aufznbieten, um Döblinger zur Unterwerfung zu bringe». Sie versprach cs, fand aber bald, daß ihre Kraft zn schwach sei.
Brüssel, 11. Juni. Henri Nochefort wird nicht ins Land gelassen, so lauter hier die offizielle Ordre. Sind wir gut unterrichtet, so denkt derselbe weder an London, noch an Brüssel oder Rotterdam. Nochefort geht in die Schweiz — so schreibt er wenigstens einem seiner hiesigen Freunde.
Ein Amerikaner hat eine kleine Dampfmaschine zum Betrieb von Nähmaschinen erfunden, die billig herzustellen ist, auch bei jeder alten Maschine benutzt werden kann und den verderblichen Folgen vorbengt, welche durch das Treten der Nähmaschinen für die Gesundheit der Näherinnen entstehen.
Das Zauberbild.
(Zortsetzung.)
,,Aber Minni," fragte der sehr aufmerksam gewordene Geliebte, „aber Minni, da wäre ja wieder eine Aussicht nicht?"
„Leider eine recht trübe/' seufzte das Mädchen, jedoch mit einem neckischen Anflug im Gesicht. „Siehe, das ist die närrischste, unglaublichste Geschichte, die jemals in der Welt vorgekommen ist. Denn Liva ist — verliebt; aber so, wie es sonst nur in Romanen steht, so ganz idealisch tief; und in wen? Du räthst es in Deinem Leben nicht — in ein Bild!"
„Du treibst wohl Deinen Scherz mit mir?" bemerkte Alfons gutmüthig.
Das würde ich dem gestrengen Herrn gegenüber gar nicht wagen. Das Mädchen, als die einzige Tochter reicher, schwacher Leute, ist in der Thal etwas verzogen worden; von Natur edel und herzensgut, hat es sich durch die frühzeitige Lektüre von
Gedichten und Romanen eine Welt zurechtgelegt, die es gar nicht gibt, in der es aber nichtsdestoweniger mit der größten Hartnäckigkeit allein athmen zu können behauptet. So ist denn Lima ein Stack sentimentaler Blaustrumpf geworden; sie steht in Mondnächten stundenlang am Fenster nnd holt sich einen Schnupfen, schließt am Hellen Tag ihre Fensterläden, um einen Vers auf die Dämmerung zu machen, und schreibt regelmäßig an ihrem Tagebuch."
„O weh, dann ist sie unheilbar," rief der böse Maler.
„Was verstehst Du von den Empfindungen einer zartbesaiteten Mädchenseele, Du rauher Bär? Aber laß' mich auserzählen. Es galt sei jeher für entschieden, daß Livia ihren Vetter Schani heiralhen werde. Dieser gute Junge ist Oekonom, sehr reich, Gutsbesitzer, nnd hinreichend dumm, um einer Frau glückliche Tage zu versprechen. (Sei still, Alfons, ich verspreche mir keine!) Sie konnte ihn zwar niemals recht leiden, hieß ihn Rolhkopf, weil sein Haar einen Stich in's Goldige hat, verspottete seine etwas starke Nase, lachte über seinen großen Mund, verglich seine Hände mit Kuchenbrettern, seine Füße mit Backmuldeu, seinen Wuchs mit einem Sack voll Ochsenhörnern und seine Bewegungen mit denjenigen des Nachkommens einer der wohlgenährten Milchgeberinnen auf seinem Hofe; sie nannte ihn, seiner breiten Sommersprossen halber, nichts anders, als das getüpfelte Ai, und auf den letzteren Namen hörte er ganz bereitwillig; aber eine wirkliche, leidenschaftliche Abneigung gegen den ungeschlachten Elegant zeigte sich erst, als der Vater vor einigen Wochen mit der Anfrage nach der Zeit der Verlobung heraus- rückie. Dazu mochte er aber gute Gründe gehabt haben, denn ich brachte heraus, daß er als Vormund seines 'Neffen, ohne lange zu fragen, bedeutende Gelder von des letzteren Vermögen in seine eigenen ausgebreiteten Geschäfte verwandt hat, wo sie zwar sicher und einträglich genug, aber doch unrechtmäßig angelegt sind; auch wäre Herr Werlheim nicht ohne die größten Verluste im Stande, diese Summen wieder herauszuziehen, oder anderweit flüssig zu machen. Daher liegt ihm Alles daran, daß Schani zugleich mündig und sein Schwiegersohn wird, dann erbt er doch Alles zusammen; der gute Bursche ist auch von Herzen damit einverstanden, denn die schöne, die kluge, die glänzende, vielbewunderte Livia hat es ihm längst angeihan, aber sie will nicht und schwört, eher verhungern, als ihren Vetter oder irgend sonst einen Mann ans der Welt heirathen zu wollen, natürlich mit Ausnahme des Einzigen, ihr Bestimmten, des Originals von ihrem — Bild!"
„Nun, da sind wir ja endlich bei dem Bilde", sagte der Maler; „das schlägt in mein Fach und ich will doppelt aufmerksam sein."
„Solltest Du es glauben — nein, Du wirst es für ein schlecht erfundenes Märchen halten, und doch ist es vollkommen wahr — Livia ist wirklich verliebt in ein wesenloses Bild. Vor ein paar Monaten geht sie durch die Schottengasss, da steht in dem Schaufenster des Vergolders ein Brustbild — ich habe es seitdem selber oft genug gesehen — cs stellt einen jungen Mann dar in der kleidsamen Uniform eines Seeoffiziers —"
„Alle Teufel," fuhr Alfons empor, „doch entschuldige, fahre fort, ich bitte Dich!"
„Leider ist es nur nach einer Photographie in Oel gemalt, das Original starb den Heldentod in der Seeschlacht, wie die beigefügte Afftche sagt, die zugleich sich erbietet, die Adresse des Malers anzugeben."
„Hier sitzt er," sagte der Künstler ganz bescheiden.
„Du? Das wird ja immer wunderbarer; „ich ahne höhere Mächte," würde Livia sagen. Nun dann brauche ich das Porträt nicht näher zu beschreiben, aber ein allerliebster Junge ist es in der Thal mit seinen schwärmerischen, regelmäßigen Zügen, dem blauschwarzen Lockenhaar, den braunen Augen und frischen Lippen; schade, daß er so jung sterben mußte, vielleicht ohne zu wissen, was Liebe ist. In dieses Bild aber hat sich Livia vom ersten Blick an auf das Heftigste verliebt. Er oder Keiner! sagte sie, nnd schreibt es seitdem in ihr Tagebuch.
„Vielleicht, um es nicht zu vergessen," meinte Alfons trocken.
„Garstiger, weißt Du denn gar nicht, was Gefühl ist? Kurz, das Mädchen ist einmal verrückt, will nur einen Mann, der diesem Bilde ähnlich sieht, spricht von göttlichen Eingebungen, vom Zuge des Herzens (ist des Schicksals Stimme, sagt Hauff- Clauren, murmelte der unverbesserliche Maler dazwischen), von Vermeinen der Jugend um den ihr bestimmten Heimgegangenen, läuft täglich zwei oder dreimal in die Schottengasse, um vor dem geliebten Conterfei zu stehen und sich von den Leuten stoßen oder verlachen zn lassen — und haßt den Schani gründlicher, als je zuvor. Da hast du nun meine Erzählung, und vergiß nicht, daß sie ein Gcheimniß zwischen uns Beiden bleiben muß."
Der Künstler saß eine Zeit lang in tiefem Sinnen, den Kopf in die Hände gestützt. „Minni," sagte er plötzlich, „vielleicht kann uns doch geholfen werden. Ich habe einen Plan — er ist kühn, aber versprechend — ist des Schweißes der Edeln werth. Du sollst darin keine andere Rolle übernehmen, als die folgende: Morgen früh begibst Du Dich zu dem Rathe Herrn