Der junge Mann machte unverzüglich von dieser Erlaubnitz Gebrauch. Bange Gedanken umströmlen auf dem Gange nach dem Gefängnisse sein Gemüth Welcher unerwartete und plötzliche Schlag, der Gerhard und Alle, die ihn liebten, betroffen!
War es viclleuchl eine teuflische Jutrigne, von einem Schurken angestiftct, um Geld zu Erpressen? was würde Hermine bei der Nachricht empfinden? fragte er sich. Selbst das Bewußtsein von der Unschuld des Bruders, das unerschütterlich in ihm feststand, vermochte nicht, ihn ganz zu beruhigen.
Mit gesenktem Haupt, mit klopfendem Herzen, bleich wie ein Verbrecher, der auf seinen Urtheilsspruch wartet, folgte er dem Gefangenwärler, der ihn nach der Zelle brachte, die man Gerhard angewiesen.
Dieser saß neben einem kleinen, unter einem Zensier angebrachten Tische. Er wandte der Thür den Rücken und betrachtete, sein Gesicht, in die Hand gestützt, das durch das Fenstergitter ihm sichtbare Stückchen des blauen Himmels. Selbst das Geräusch des Schlosses und der Riegel bewogen ihn nicht, sich umzusehen. Doch als Ferdinand, allein in der Zelle geblieben, ausrief: „Mein Bruder!" sprang er auf und warf sich in seine weit ausgestreckten Arme.
Beide Brüder hielten sich lange umfangen. Nachdem ihre Aufregung sich einigermaßen gelegt, setzten sie sich nieder, und Gerhard, die Auge» zu Boden gesenkt, sagte mit leiser und bewegter Stimme: ,,Du weißt Alles, Du weißt, wessen man mich anklagt?"
„Ja," entgegnete Ferdinand mit Bitterkeit, „ich habe den Staatsanwalt gesprochen."
„O, der hat sich in dieser Angelegenheit merkwürdig benommen, sehr merkwürdig! rief Gerhard in gereiztem Tone. „Doch hast Du Herminen gesehen?" Weiß sie Alles?
„Ich habe sie noch nicht gesehen."
„Und was wird sie denken, wen» sie erfährt, wo ich mich befinde und welcher Verdacht auf mir lastet? Ja, was denkst Du selbst?"
„Daß die Anklage eine niederträchtige Verleumdung ist, die bei der ersten gründlichen Untersuchung in sich selbst zerfallen wird."
„Nicht wahr? nicht wahr?" fragte Gerhard in fieberhafter Aufregung, „es ist unsinnig, unwahrscheinlich. Niemand kann, Niemand wird daran glauben. Eine wahnsinnige Anklage gegen einen Mann, wie mich, geschleudert, noch dazu von einem übelberufenen Individuum, ohne andere Beweise, als einen Hand
schuh und die Adresse eines Briefes, kann unmöglich irgend eine ernsthafte Folge haben. Es wird gar nicht zu einer öffentlichen Verhandlung kommen."
„Der Staatsanwalt," sagte Ferdinand, „deutete die Noth- wendigkeit einer öffentlichen Verhandlung an."
„Dieser Mann ist also mein Feind geworden! Er will, daß der Flecken einer solchen stets an meinem Namen und meiner Ruhe hafte. Denn eine Verurtheilung ist unmöglich. Nicht wahr, Du kannst dafür bürgen? Du bist Jurist, Du weißt, daß man ohne Beweise Niemand verurtheilen kann. Du wirst dies auch den Andern einleuchtend machen, denn wenn ich eines Ver- lheidigers bedürfen sollte, wirst Du es sein."
„Sprichst Du im Ernst?" fragte Ferdinand. „Es gibt geschicktere Vertheidiger, als ich."
Gerhard machte eine abwehrende Bewegung und versank in düsteres Schweigen.
„Verzeihe nur, mein Bruder, „nahm der Andere das Wort, indem er ihn mit Blicken der tiefsten Zärtlichkeit ansah, „verzeih' mir die seltsame und peinliche Frage, die ich an Dich richten will. Da Du mich zu Deinem Vertheidiger wählst, muß ich als solcher handeln. Nicht der geringste Zweifel, nicht der leiseste Verdacht darf mich verwirren. Vernichte mit einem Worte jegliches Mißtrauen, das, wenn auch in der Phantasie, den mehr oder minder Dich bezüchtigenden Thatsachen gegenüber auftauchen könnte, sage mir: „Ich bin unschuldig!" und nichts soll die Ueberzeugung erschüttern, die Deine Worte in mir erwecken werden. Aber — wenn Du diese Worte nicht sprechen
könntest-ach, mein theurer Bruder, mein Gerhard, wende
Dich nicht ab von mir, stoße mich nicht zurück! Unter allen Umständen bin ich Dein treuster Freund, Dein Bruder, der niHts auf der Welt so liebt, als Dich."
Ferdinand hatte bei diesen Worten das Gesicht auf die Hand des Bruders gedrückt, die er in der seinen hielt, als sei es ihm unmöglich, ihn bei diesen Worten anzuseheu. Er beugte sich tiefer und tiefer nieder, so daß es den Anschein gewann, als wolle er vor ihm niederkniee».
(Fortsetzung folgt.)
Allerlei.
— Das Sprödethun, welches bei einer Frau die Tugend und die Schönheit überlebt, erscheint mir wie die Vogelscheuche, welche nach der Ernte in den Feldern vergessen wurde.
Amtliche und Privat-Bekanntmachungen.
K. Oberamtsgericht Nagold.
Dielistrchlg-Aiyeigr.
Der 24 Jahre alte Schirmmacher August Reinhardt von Dissen, OA. Haigerloch, und der 18 Jahre alte Schauspieler Heinrich Sattler aus Stein, Bayrischen Amts Nabburg , welche hier wegen schweren Diebstahls in Untersuchung und Haft stehen, sind unter Anderem verdächtig, im Engel- wirthshause in Oberthalheim 1 leinenes Hemd, ein weißes Taschentuch — diese Gegenstände mit den Buchstaben k>. L. gezeichnet — sowie ein gelbes Kopf- tüchle entwendet zu haben. Sie wurden am Tage des Diebstahls — 27. April d. I. — in Eutingen, OA. Horb verhaftet und steht zu vermuthen, daß sie die bezeich- neten Gegenstände in einem der genannten Orte, vielleicht auch in Unterthalheim, Schietingen oder Hochdorf veräußert haben.
Dies wird zu den bekannten Zwecken veröffentlicht, insbesondere ergeht an die etwaigen Käufer der Gegenstände die Aufforderung, solche unverweilt durch ihr Schultheißenamt hieher gelangen zu lasten.
Den 4. Mai 1874.
_J.-A. Lämmert.
Nagold.
Zeichen-Schule.
Mit dem Frühjahr beginnt wieder ein neuer Kursus im Zeichenunterricht der hiesigen gewerblichen Fortbildungsschule. Dtezenigen jungen Leute, welche an demselben Theil nehmen möchten, werden an- durch aufgefordert, sich am
nächsten Sonntag den 10. Mai, Morgens 8 Uhr,
im Zeichens«»! des neuen Schulhauses zur Ausnahme anzumelden.
Da zugleich eine neue Classeneintheilung
vorgenommen wird, so haben sich auch sämmlliche seitherige Zeichenschüler zur genannten Zeit im neuen Zeichensaal einzufinden.
Am 4. Mai 1874.
K. Diakonat.
__ Elsäßer._
Revier E n z k l ö st e r l e.
Holz-Verkauf.
Am Dienstag den 12. Mai, 9'/, Uhr, im Hirsch in Enzthal, Scheidholz, 35 eichene und 45 Nadelholzstangen, 4 Raummeter eichene Scheiter,
49 dito Prügel und Anbruch, 9 Raummeter buchene Scheiter, 10 dito Prügel und Anbruch, 18 Raummeter birkene Scheiter,
50 dito Prügel und Anbruch, 87 Raummeter Nadelholzprügel, 287 dito Anbruch, 22 Raummeter eichene und 137 Raummeter Nadelholz-Reisprügcl.
Altenstaig, den 4. Mai 1874.
K. Forstamt.
Forstamt Wildberg Revier Nagold.
Holz-Verkauf.
Montag den 11. Mai:
1) Aus dem Distrikt Moltenberg: 4110 gebundene Nadelholzwellen. Zusammenkunft Morgens 8 Uhr auf dem neuen unteren Moltenbergweg.
2) Aus dem Distrikt Krrrenplatte, Abtheilung 1 und Scheidholz: aus den Distrikten Forst, Nonnenbirke und Burg-
stall: 3 Stück Nadelholzlangholz IV. El. mit 1,26 Festmeter.
Nadelholzstangen bis 12 rm. stark:
10 Stück über 11 Meter lang.
13—20 rm. stark: 7 Stück 10 bis 13 Meter, 100 Stück 13—16 Meter, 103 Stück über 16 Meter lang;
8 Raummeter Nadelholzscheiter, 53 Raummeter Nadelholzprügel, 2180 gebundene Nadelholzwellen.
Zusammenkunft Morgens 10 Uhr beim Windloch.
Unterschwandorf, Oberamts Nagold.
Bau-Akkord.
Bei Einrichtung eines heizbaren Zimmers in das Schulhaus werden folgende Arbeiten erforderlich und zwar:
1) Maurer- u. Steinhauerarbeit40 fl. 30 kr.
2) Zimmerarbeit . .
3) Gipseracbeit . . .
4) Schreinerarbeit . .
5) Schlosserarbeit . .
6) Glaserarbeit . . .
7) Anstricharbeit . .
8) Gußeisen . . .
9) Hafnerarbeit. . .
Von diesen Arbeiten, welche im Submissionswege vergeben werden, liegen Riß, Ueberschlag und Bedingungen bei dem Schultheißen zur Einsicht parat und sind die Offerte, in welchen der Abstreich in Prozenten ausgedrückt sein muß. schriftlich versiegelt bis
Dienstag den 12. Mai d. I., Nachmittags 1 Uhr,
einzureichen, um welche Zeit die urkundliche Eröffnung der Offerte stattfindet, wobei die Submittenten anwohnen können. Den 4. Mai 1874.
— Gemeinderath.
50
fl-
—
kr.
22
fl-
36
kr.
62
fl-
—
kr.
20
fl-
53
kr.
7
fl.
6
kr.
7
fl-
6
kr.
77
fl.
—
kr.
2
fl-
—
kr.