Amtsblatt für den Oberamtsbezirk Nagold.

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Nr 133 halbjährlich hier 54 kr., im Bezirk I SaiNSttlg döN 15. UoveMvör. ^ Zeile aus gewöhnlicher Schrift 1873. mit Postaufschlag 1 fl. 8 kr. je 2 Kreuzer.

Tages-Neuigkeit-n. .

Stuttgart, 9. Nov. In der gestrigen Sitzung der Abge-! ordneten wurden zwei Anträge berathen, welche die ganze Sitzung aussüllten. Der erste, von Hötver näher begründet, lautenDie Kam­mer der Abgeordnete» wolle an die k. Staatsregierung die Bitte richten um gesetzliche Einleitung: 1) zur Aushebung des k. Geheimenraths; 2) zur Herstellung eines obersten, mit richterlicher Unabhängigkeit ausge- gestatteten Verwaltungs-Gerichtshofes mit öffentlichem und mündlichem Verfahren; zur Beseitigung der Ministerial-Jnstanz in Sachen der Ad- ministrativ-Justiz, und zur Ueberweisung der bisherigen Functionen des k. Geheimenraths in diesen Angelegenheiten an den zu errichtendeu Ge­richtshof; 3) zur Ueberweisung der weiteren Functionen des k. Geheimen­raths an den Minister-Rath." Die Frage der Abschaffung des Gehei­menraths ist eine schon oft angeregte; darum wurde aus besonderes Ver­langen nicht sofort in die materielle Beratbnng eingetreten, sondern be­schlossen, den Antrag der staatsrechtlichen Commission zur Berichterstat­tung zu überweisen und dieselbe zu dem Behuf um 4 weitere Mitglieder zu verstärken. Diese Commission hat auch über die von der Regierung vorgelegt- Aenberung des Abschnittes IX der Verfassung zu berichten. Inzwischen zeigten sich schon bei der Berathung über die Behandlung dieses Antrages, wo theilweise auch die materielle Seite der Sache be­rührt wurde, Meinungsverschiedenheiten und zwar nicht über die Besei­tigung des Geheimenraths. der außer Molsi Niemand widersprach, son­dern in Betreff der an seine Stelle zu setzenden Behörde. Bücher und andere Juristen wollten keinen Verwaltungs-Gerichtshof, sondern Ver­weisung der Abminijtcativ-Jnstiz an die Civil-Gerichte, und Nümelin, Mohl und Andere fanden es nicht richtig, daß die übrigen Functionen au den Minister-Rath gehe, sondern es solle ein Staatsrath sür Begut­achtung der Gesetz-Entwürfe u. s. w. eingesetzt werden. Entschieden wurde natürlich nichts. Der zweite Antrag bezweckt, die Negierung wolle im Bundesrathe darauf hinwirken, daß den Reichstags-Mitgliedern neben der Reisekosten-Entschädigung entsprechende Diäten gewährt werden. Es wurde sogleich in die Berathung ohne vorherigen Bericht eingegangen. Der Antragsteller behauptete, daß durch die Diätenlosigkeit besonders Süddeutschland benachtheiligt und das centralistiiche Element im Nor­den wesentlich verstärkt worben. Auch betonte er, daß von den 382 Mit­gliedern des Reichstags über 150 Erb-Adelige seien, so daß also der Bürgerstand, der Haupt-Träger der modernen Cultur, am meisten getrof­fen werbe, v. Rümelin allem redete der Diätenlosigkeit vom conserva- tiven Standpunkt aus Las Wort. Andere Gegner waren nur gegen eine Behandlung in diesem Saale; man solle dem Reiche lassen, was des Reiches sei und sich hier nur mit Landesangelegenheiten befassen, was aber Hölder, Schmid u. s. w. unter Berufung auf Aeußerungen des Reichskanzlers und des Ministers v. Mittnacht, sowie auf wiederholte Beschlüsse dieses Hauses bestritten. Minister v. Mittnacht theilte mit, daß er von Berlin die Mittheilung erhalten habe, es sei dem Reichs­tags-Abgeordneten über die ganze Dauer des Reichstags freie Fahrt auf den deutschen Eisenbahnen gewährt worden; letztere wurden vom Reich entschädigt. Der Anicag wrroe mit 56 gegen 27 Stimmen ange­nommen; v. Mittnacht enthielt sich der Abstimmung. Mit Nein stimm­ten 11 von den 13 ritterjchastlichen Abgeordneten, 3 evangelische Prä­laten, der Kanzler v. Rümelin und 12 vom Volk gewählte Abgeordneten, meist Beamte.

Eine Correspondenz aus dem Bezirk Freuden st adt im Staats - Anz. hevl die Nothwendigkeit des baldigen Angriffs des Baues der Eisenbahnlinie Eutingen - Freudenstadt hervor und sagt: Das Brod hat hier den höchsten Preis im ganzen Lande eine Folge davon, daß aus klimatischen Gründen und wegen geringer Ertragsfähigkeit der Aecker die Bewohner viel weniger Früchte ernten, als sie zur Nahrung brauchen, und deßhalb sehr viele Früchte eingeführt werden muffen. Weit abgelegen von jeder Eisenbahnstation kann unsere Industrie und unser Handel wegen der Frachten nur schwer konkurriren und muß immer mehr Herabkommen, je länger die Eisenbahn fehlt. Wenn man nn sere Zustände genau erheben würde, so kämen gewiß sprechende Resultate hervor, daß den Bewohnern unserer Gegend sofort mit der Eisenbahn geholfen werden müsse. Auf dem Lande ist der Ernst der Zeit groß Man betrachte die Gesichter. Ent­behrung und Nolh ist vielfach ihr Ausdruck. Der Verdienst vieler reicht nicht einmal zur Anschaffung des Broos für ihre Familien und manche müssen beinahe ausschließlich von Kartof­feln leben. Möchte nun Hand ans Werk gelegt werden! Oie Bahn von Eutingen - Freubenstadt würde sich unmuteibar an die bestehende Bahn Eutingen-Nagold und Eutingen - Horb anschlie­ßen und dadurch auch diese im Ertrag erhöhen.

Kirchheim, Heule früh wurde an der untern Mühle in Dettingen eine ledige Weibsperson erfroren aufgefnnden. Man vermulhet, daß dieselbe vorher in eine sogenannte Hanfröste ge. fallen und sich wieder aus derselben herauSarveiiele und vor Er mattung liegen blieb, was ihr tragisches Ende zur Folge halte.

Die bayerische Kammer d. h. die liberale Mehrheit, hat

den Freiherrn v. Stauffenberg zu ihrem Präsidenten ge­wählt und damit einen guten Griff gethan. Der Gewählte ist ein Mann von bedeutendem Talente, von reicher parlamentarischer Erfahrung und von seltener Hingebung für das öffentl. Interesse. Er ist liberal und national und das letztere vielleicht noch mehr als das erste. Dabei versteht er es, seinen Partei - Eifer durch feinen Takt und gewinnende Manieren zu verdecke» ; er ist das anerkannte Haupt der liberalen Partei in Bayer» und Feuer und Flamme, wie man sagt, für Kaiser und Reich.

München, 12. Nov. Die Präsidenten der Abgeordneten­kammer hatten eine Audienz beim König nachgesucht; dieselbe wurde indeß nicht gewährt.

Darmstadt, 1. Nov. Bon der Presse verlangt man, daß sie den Leiernreinen Wein einschenkt." Leider scheinen unsere Weinproduzenten und Wirthe diese Maxime wenig zu beherzigen; der reine Saft der Reben wird auf die skandalöseste Art gefälscht; ans Trestern und Traubenzucker wird ein Getränk bereitet, das vom Wein blos den Namen hat. Bis ins kleinste Dörfchen Rheinhessens ist diese Weinfabrikation gedrungen und ist der Konsum des Traubenzuckers ein so enormer, daß derselbe erheb­lich im P eise gestiegen ist. In den Lokalblättern sind Dutzende von dahin bezüglichen Annoncen zu finden.

Frankfurt, 11. Nov. Lasker hat die Abgeordneten- stelle in Frankfurt definitiv angenommen.

Berlin, 11. Nov. DerKreuzztg." zufolge wäre Ge­neral v. Kameke zum wirklichen Kriegsminister nunmehr ernannt, bezüglich der Ernennung v. Blanckenburgs zum Minister für die landwnthschaftlichen Angelegenheiten indeß noch keine Entschei­dung getroffen.

Berlin, 12. Nov., Mittags. Soeben ist der Landtag durch den Minister-Vice-Präsidenten Camphansen eröffnet worden. Die Thronrede wurde beifällig ausgenommen, namentlich der Passus über Durchführung der Kirchengesetze. Die Feier schloß mit einem Hoch auf den König, welches vom Präsidenten des Herrenhauses, Grafen Stolberg, ausgebracht wurde.

Zur Warnung für Eltern und Dienstboten wird aus Köln Folgendes mitgetheilt: Es ist wiederholt vorgekommen, daß bei Menschen das Verschlucken von heißem Obst den augenblicklichen Tod zur Folge halte. Dieser Tage ereignete sich hier wiederum ein derartiger deklagenswerther Fall. Eine Frau setzte eine Schüssel mit gekochten, noch sehr heißen Pflaumen auf den Tisch. Ihr zwei Jahre altes Söhnchen, das am Tische stand, langte zu, nahm eine Pflaume und verschluckte sie. Wenige Augenblicke später war es eine Leiche.

Posen, 10. Nov. Dem Erzbischof Ledochowski ist zum zweiten Male, nunmehr unter Androhung einer Strafe von 1000 Thalern, vom Oberpräsidenten die Besetzung der Propstei Filehne aufgegeben worden.

Posen, 12. Nov. Der Erzbischof Ledochowski erhob Protest gegen die Tcmporaliensperre. Derselbe erklärte der De­putation, welche ihm anbot, in Anerkennung der von ihm bewie­senen Standhaftigkeit für seinen Unterhalt zu sorgen, er nehme das Opfer dankbar an.

Brüssel, 10. Nov. Der ErzbischofVedochowski be­absichtigt, sich in Belgien niederzulassen, sofern seines Bleibens in Deutschland nicht mehr sein wird. Ledochowski begleitete hier bekanntlich die Stelle eines apostolischen Nuntius, bevor er zum Pofener Erzbischof berufen ward. Wir erinnern uns, damals von einem Ohrenzcugen gehört zu haben, daß Mons. Ledochowski sich zu Gunsten der völligen Trennung der Kirche voü, Staate aussprach, indem er sich dabei auf seine persönlichen Erfahrungen in Süd-Ameriki stützte. Das belgischeComite der päpstlichen guten Werke" hat dem Bischof hier in Belgien eine Zuflucht- Stäne angeboien, welche er auch, der klerikalenGazette de Liege" infolge, mit Dank angenommen.

In Nom ist am 6. Nov. plötzlich mit großer Heftigkeit die Cholera nusqebrocben.

P-i> i--, iO Nov. Die Liberi« zeigt an, daß Oberst Stof­fel v >r die Jnchtpolizei Kammer von Versailles geladen ist, um sich wegen de, Beschimpfung des Generals Rivisre zu verant- . Worten