Briefe heraus, und entdeckten Geheimnisse, die nur für die Augen der heiligen Jungfrau bestimmt waren, jetzt aber zu Duellen und Mordthaten führten. Dabei ginge» auch die Briesbeilagen, um die es den „hochwürdigen" Herren doch allein zu thun ist, verloren, und dem konnten sie nicht lange zusehen. Das einzige Mittel ihren fromme» Kummer zu beschwichtigen, war, die Briefkasten in der Nähe des Altars aufzustelleu und sie mit kräftigen Riegeln oder Schlössern zu sichern, damit ja der heiligen Jungfrau nichts wegkomme. Interessant ist die Art und Weise, „wie diese Briese in den Himmel expedirt werden." Wenn nämlich genug der Botschaften vorhanden sind, daß ihre Abfindung der Mühe lohnt, so werden sie von den Priestern herausgchoben, geöffnet, gelesen und die wcrlhvollen Beilagen fallen in der Kirche heiligen Schooß. Die leeren Briefe werden dann im Beisein vieler Gläubigen aus eine silberne Platte gelegt und vor einem Bilde der Jungfrau Maria verbrannt. Die ganze Ceremonie geht in möglichst feierlicher und imponirender Weise vor sich. Auf Rauchwolken schwingen sich die irdischen Botschaften in den Himmel. Wenn alle Briefe in Asche verwandelt sind, wird diese in einem Gefässe vor das Madonnenbild hingestellt, und die schönen Korrespondentinnen, welche der Scene meist mit athemloser Spannung beiwohnten, erhalten von den Priestern die Versicherung, Laß die Antworten in geeigneter Zeit durch das Medium des Beichtstuhles zurückgelangen würden. Da die Priester alle Briefe gelesen haben, ist es ihnen natürlich leicht, im Beichtstühle jene Antworten zu geben, die für jeden einzelnen Fall pässen. Die Briefkasten sind nicht nur für die Priesterschaft ein Mittel, ihr Einkommen zu mehren, sondern sie gewinnen dadurch, daß sie zahllose Geheimnisse erfahren, auch einen mächtigen Einfluß, den sie selbstverständlich zuerst in ihrem matekiellen Interesse verwerthen.
— (Eine zw ei köpfi ge-Schlange.) Der zoologische Garten in Hamburg ist augenblicklich im Besitze einer ganz besonderen Merkwürdigkeit ersten Ranges, eines Thicres, das Manche wohl ins Fabelreich verweisen würden, wenn man sie nicht durch Len Augenschein davon überzeugte, nämlich einer lebenden Schlange mit zwei. Köpfen. Das Thier,' ein Exemplar der giftigen Kreuzotter , wurde auf dem Gute Groß-Thorau bei Ratzeburg gefunden und dem Garten zum Geschenk gemacht. So lange man die Gewohnheit hatte, die erschaffenen Gebilde als unabänderliche Grundformen zu betrachten, wurden alle auffälligen individuellen Varietäten, also namentlich die Verdoppelung einzelner Körperlheile gewissermaßen als Verirrungen der Natur angesehen und man stand verwirrt und zweifelnd vor diesen räthselhaften Erscheinungen, deren Erklärung allen Anstrengungen spottete. Aber seitdem^ man als die wichtigste und interessanteste Aufgabe der Natursorschung das Studium der Eulwickelungsgesetze ansteht, ist man in den Besitz einer so reichen Menge von Thalsachen gelangt, daß das frühere Dogma von der Unveräuderlichkeit der Arten und ihrer Merkmale in ein sehr bedenkliches Schwanken gerathen ist. In Bezug auf die Mehrfach beobachteten Doppelkörper hat man die Entwickelung so weit rückwärts verfolgt, um zu erfahren, daß in einigen Fällen zwei Keime in einem Ei im Laufe ihrer Ausbildung mit einander verschmolzen oder auch, daß ein einziger Keim sich an irgend einer mittleren Stelle theilte und nun zwei mehr oder weniger gesonderte Geschöpfe zur Perfektion kamen. Auch bei Schlangen sind diese Fälle, wenn auch höchst vereinzelt, so doch hin und wieder beobachtet worden. Man fand Eier mit doppelten Keimen in gemeinsamer Hülle, man fand Embryonen mit höchst bizarren Unregelmäßigkeiten, die vor der Reifezeit abgestorben waren, und schon Aristoteles zählt Fälle auf von Schlangen mit doppelten Köpfen. Nach ihm erwähnten Aldrovardi, Nedi, Mitchell u. A. ähnliche Vorkommnisse, auch Schlangen mit zwei Schwänzen sind gesehen worden. Die Kreuzotter ist ein noch sehr junges Thier, von Mr 16 Centimeler Länge; die beiden Köpfe sind je 2 Centimeter lang und jeder besitzt ein Stück Hals, so daß er sich einzeln zu bewegen vermag. Man sieht häufig, wie sich der eine Kopf nach oben oder nach der Seite wendet, während der andere ruht; eins der Mäuler steckt die zweispitzige Zunge hervor, während das andere geschlossen bleibt.
— Heilkraft des schwarzen Rettichs. Der häufige Genuß schützt vor Harnbeschwerden, Hämorrhoiden, Magenweh, Sodbrennen, Verstopfungen, Harnkrampf, Sand-, Gries- oder Blasenstein u. s. w. Nicht der Rettig erzeugt das Ausstößen aus dem Munde, jenes übelriechende Gas, sondern er hat nur die Eigenschaft, daß er versteckte Luft abführt, indem er sich mit ihr mnalgamirt. Aber welche Stickluft befindet sich venn fast bestän dig mehr oder weniger in unserem Körper und ist so etwas denn ungesund? Sehr! und zwar durch unsere zusammengesetzten Nahrungsmittel, gegohrnen Getränke, besonders durch das Hopfen- Narkot unseres Bieres setzt sich während der Verdauung ein Gas ob, welches alle Muskeln und Zellengewebe durchdringt, erfüllt und ausdehnt und dadurch dieselben theilweise außer gehörige Function setzt. Diese abgesetzte Stickluft erschlafft das Muskelsystem des Unterleibes und bindet die gehörige Kraft zur ungestörten Eingeweideactivität. lieber Gebühr erhitzen sich die Ge
faste und so entstehen denn so viele beschwerliche Uebel. Der Rettig hat nun die chemische Eigenschaft, daß durch seinen ätzenden Saft diese schädliche, abspannende Stickluft gesammelt und abge- stoßen wird. Er reizt die Gefässe zu neuer Thätigkeit, neue Spannung kommt in die Eingeweide, man fühlt deutlich, daß sich durch alle Kanäle schädliche Stoffe absondern, und wenn das Gas vollends nach und nach aus dem Körper gezogen wird, stellt sich von selbst eine ordentliche Function aller Theile und Verrichtungen ein. Sowie die Sommerrettige angehen, nehme man sich vor, 3 Wochen täglich gegen 4 Uhr Nachmittags einen oder zwei Rettige zu essen, womöglich schwarze oder braune, deren Schalen eine besondere auflösende Kraft besitzen. — Wer sie 'zu spät ißt, stört seine Nachtruhe. — Hierauf wird eine Bewegung gemacht, um des Rettigs Thätigkeit zu untersuchen. Man spaltet die Rettige, salzt sie und ißt sie sogleich, denn wer sie wässern läßt, legt sich schädliches Leimleder in den Magen. Wer hartnäckige Uebel zu überwinden hat, gebrauche die Rettigkur noch 8 Tage länger, wer die Kur unterbricht, mache sie nach 14 Tagen nochmals durch. Der Rettig wirkt aber nur mit oder ohne Salz. Zum Rindfleisch mit Essig und Oel gegessen, bleibt er unwirksam, denn der Essig neutralisirt die auflösende Kraft, die zur Aussonderung der schädlichen Stoffe nothwendig ist und die eben genossener Speisen lassen auch ohnehin keine Wirkung zu. Als Kur muß der Rettig außer Essenszeit gebraucht werden. In Ermangelung guter Zähne schabe man den Rettig, salze den Teig und genieße ihn sammt dem Saft. Für delikatere Gaumen wird der Rettig ebenfalls gerieben, sodann aber gepreßt und der Säst, etwa eine kleine Kaffeetasse voll, getrunken. Die Rettigkur erlöst nicht nur von gegenwärtigen Beschwerden, sondern macht heiter, beweglich und gibt einen ganz delikaten Appetkt.
Mannigfaltiges.
Es ist bestimmt im hohen Rath,
Daß man von Allem was man hat,
Gibt Steuern.
Du zahlst von jedem Gegenstand Ein Pflichttheil deinem Vaterland,
Dem theuern-
Du ißt und trinkst ein Gläschen Wein,
Du rauchst in deinem Kämmerlein,
So einsam.
Es siebt der Staat vor deiner Thür Und ißt und trinkt und raucht mit Dir Gemeinsam.
Er kommt gefälligst in dein Hans,
Zählt freundlich die Familie aus Nach Kopsen,
Und zu dem Herr für Seel' und Leib Kind, Kutscher, Köchin, Man» und Weib Zn schröpfen.
Thcilnehmend prüft er den Besitz,
- Ob schulde» dich und Deficits Belasten —
Darum verschweig ihm keine Last,
Und sag ihm deutlich was du hast,
Im Kasten
Von Geld und Gold, von Schaf und Schwein,
Von Spiritus, von Bier und Wein,
Vom Brode,
Von Seid' und Zwirn, von Knopf und Band Gieb dem geliebten Vaterland '»e Qizote.
Der Staat, er braucht es nicht zum Staat,
Wenn er den Steuerapparat Läßt rollen!
Drum sollst du, wenn er, was ihm taugt,
Mit Gier in alle Poren saugt,
Nicht grollen.
Drum klage nicht und zage nicht,
Und drückt der Steuern Voltgewicht Auch bleiern. ^
Als Deutscher denke früh und spat,
Daß wir auf einen großen Staat Los — steuern!
Eine der ältesten illustrirten Zeitschriften, die „Illustrirte Welt" (Stuttgart, Verlag von Eduard Hallberger), welche in mehr als hunderttausend Exemplaren verbreitet ist und sich mit Recht des Rufes eines echten Familienblattes erfreut, hat sich jüngst bei ihrem Eintritt in das dreiundzwanzigste Jahr in überraschendster Weise verschönert und vergrößert. Die „Illustrirte Welt" erscheint fortan in größtem Folioformat, kann somit ihren Lesern größere und prächtigere Bilder geben und fast doppelt so viel Lesestoff bieten. Die ersten Hefte excelliren durch die Pracht ihrer äußeren Ausstattung, durch die großen, gut gewählten Bilder und fesseln durch die unterhaltenden Romane und Erzählungen, regen durch die belehrende» Artikel an, erheitern und zerstreuen durch das bunte Allerlei. Wir emvsehlen die „Jllustrirt- Welt" bestens. Dieselbe besorgt pünktlich vie G. W. Zaiser'- fche Buchhandlung.