Amtsblatt für des Oberamtsbezirk Nagold.

Nr. 122

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halbjährlich hier 54 kr., im Bezirk AlSNStag böN 21. Wtoöer. ^ Zeile aus gewöhnlicher Schritt 1873. mit Postaufschlag 1 ft. 8 kr. je 2 Kreuzer.

TageS-Neuigkeiten.

Die ev. Schulstelle in Mühlheim a. B. wurde dem Schulmeister Wal z*in Sulz Dorf übertragen.

Unter den für Fleiß und Leistung in den ev. Winterabendschulen prämirten Lehrern haben wir zu nennen übersehen: Schulmeister Un­serer in Egenhausen.

Eine Erinnerung, wie nöthig es ist, auf Kinder Acht zu haben, vernimmt man aus Altenst aig - Dorf. Ein blühendes Mädchen von 1*/r Jahren war dieser Tage neben der Lampe allein gelassen; die Mutter hört einen Schreckensruf, eilt herzu, und findet des Kindes Kleid brennend und am Unterleib und Fuß die Haut schon abgeschält. Nach zwei Tagen starb das Kind.

Berlin, 16. Okt. In politischen Kreisen will man aus der ebenso scharfen wie gewandten Ausführung der königlichen Antwort an den Papst schließen, daß in der Fassung der­selben der Urheberschaft des Fürsten Bismarck ein wesentlicher Antheil zuzuschreiben ist. Jedenfalls kann man nicht in Zweifel darüber sein, daß diese Fassung dem Geiste entspricht, in welchem der deutsche Staatsmann das Verhältnis; zwischen Staat und Kirche zu ordnen als seinen Beruf erkennt.

Berlin, 16. Okt. Der bisherige Verlauf des Prozesses Bazaine hat die Stellung unserer leitenden Kreise zu dem Vor­gänge nicht unerheblich modifizirt. Wenn auch von Reklamatio­nen, wie sie hie und da in Aussicht gestellt werden, nicht die Rede sein kann, so ist doch durch die augenfällig gegen die Ehre der deutschen Waffen gerichtete Tendenz des Prozesses die Teil­nahme für den sachlichen Theil desselben so sehr verringert wor­den, daß man entschsossen ist, dem Ganzen gegenüber völlige Passivität zu bewahren und den bisherigen Anschauungen entge­gen selbst das Zeugniß deutscher Offiziere, wenn es verlangt werden sollte, nunmehr nicht zu gestatten.

Dresden, 17. Okt. DasDresdener Journal" bestätigt die eingetretene Verschlimmerung in dem Befinden des Königs. Asthmatische Zufälle stören den Schlaf und wiederholen sich wäh­rend des Tages, wodurch der Kräftezustand geschwächt wird.

Dresden, 17. Okt. Am Mittwoch Abend fühlte sich der König so schwach, daß er die Nacht zu überleben nicht hoffte und sich mit den Sterbesacramenten versehen ließ.

Der altkatholische Bischof Dr. Reinckens hat nun defini­tiv seinen Bischofsitz in Bonn aufgeschlagen.

In Berlin u. a. O. sind kürzlich wiederholt Dienstherr­schaften bestraft und zu Schadenersatz verurtheilt worden, weil sie ihren Dienstmädchen unrichtige Zeugnisse ausgestellt und z. B. vorgekommcne Unredlichkeiten verschwiegen hatten. Die nachfol­genden Herrschaften, die durch unehrliche Mädchen in Verlust kamen, waren gerichtlich klagbar geworden.

Wien, 7. Okt. Allgemeine Aufregung hat der Selbstmord eines jungen Mädchens gegen den Veranlasser desselben, den eige­nen Vater, hier hervorgerufen. Der bei der Kunstreitergesellschaft Carr4 engagirte Kunstreiter Nagels bildet seine Kinder sämmt- lich für den Cirkus aus. Die Tochter, ein 14jähriges Mädchen, leistete in ihrem Fach Ausgezeichnetes und war beim Publikum sehr beliebt. Der Vater behandelt seine Kinder sehr roh und mißhandelt sie in den Proben bei jedem Fehler derartig, daß nicht selten ihm seitens seiner Kollegen sehr ernstliche Vorstellungen gemacht worden sind. Einem seiner Eleven, einem 13jährigen Knaben, waren vor etwa 2 Jahren die Mißhandlungen uner­träglich, und gab dieser sich selbst den Tod, indem er sich erschoß. Vor einigen Tagen nun machte die hübsche Tochter des Nagels in der Probe einen Fehler, und wurde auch sie dafür auf das Empörendste gemißhandelt. Bald darauf ging das junge Mäd­chen aus dem Cirkus fort und kehrte nicht wieder dahin zurück. Ihre Leiche wurde in der Donau gefunden. Die Handlungsweise des Vaters hat das Publikum derart empört, daß an demselben Lynchjustiz geübt und er so zerschlagen wurde, daß er voraussicht­lich mehrere Tage wird das Bett hüten müssen.

Wien, 15. Okt. Die Neue Freie Presse fällt folgendes Unheil über den Briefwechsel zwischen dem deutschen Kai- ser und dem Papste:Mit einem Schlage ist in die gewundene und verworrene Strömung des großen dreijährigen Kirchenkon- sliktes Licht und Klarheit gekommen und die nach Wahrheit rin­

gende Welt wird die Worte des deutschen Kaisers mit Genug- thunng begrüßen, kio ksono hat durch sein Schreiben vom 7- August d. I. den Kaiser Wilhelm so zu sagen genöthigt, Farbe zu bekennen, und Jene, welche gleich dem Schlüsselhalter von St- Peter sich der Täuschung Hingaben, daß er von den Konsequenzen des deutschen Kaisers zurückschrecke, persönlich und bündig zu widerlegen. Zwei Momente in der kaiserlichen Antwort sind es vornehmlich, welche die Hoffnungen der Ultramontanen unerbittlich zu Boden schlagen. Kaiser Wilhelm billigt die Maßnahmen seiner Räthe wider den rebellischen Klerus und dessen Umtriebe, welche weder mit der Religion, noch mit der Wahrheit etwas zu schaffen haben. Er weist aber auch die Prätension, als ob Jeder, welcher die Taufe empfangen hat, dem Papste angehöre, mit eherner Entschiedenheit zurück. Vielleicht noch niemals in der ganzen Zeitdauer der Universalgeschichte ist dem Papstthume von einem weltlichen Fürsten so kühn und rückhaltlos begegnet worden. Freilich ist es ein protestantischer Fürst, der also spricht. Allein protestan­tisch oder nicht: es ist die Anschauung der modernen Welt, welche Wort für Wort aus dem Schreiben des deutschen Kaisers pricht, und wo immer ein Gemüth noch schwankend war, auf welche von den kämpfenden Seiten es sich schlage: die Wahl zwischen der von dem Papste proklamirten Wahrheit und jener, welche das Schreiben deutschen Kaisers verkündet, wird fortan auch dem Gläubigsten keine Qual mehr sein.

Wien, 17. Okt. Gestern Abend ist der Großherzog und die Großherzogin von Baden hier eingetroffen und vom Kaiser auf dem Westbahnhofe empfangen worden. Die Herrschaften fuhren nach erfolgter Begrüßung und Vorstellung der Suiten nach der Hofburg.

Wien, 17. Okt. Die offizielle Abendpost sagt bei Bespre­chung des Besuchs des Deutschen Kaisers: Der Besuch bekräftige die Beziehungen wechselseitiger Freundschaft und Sympathie, die zum Heile beider Staaten an Stelle alter Gegnerschaften getreten.

Wien, 18. Oktbr. Fürst Bismarck erschien heute Mittag zum Besuche bei dem Minister des Aeußern, Grafen Andrassy, und verweilte eine Stunde bei demselben. Nachmittags gibt Graf Andrassy zu Ehren des deutschen Reichskanzlers ein diplomati­sches Diner.

Wien, 18. Okt. Der deutsche Kaiser traf um l'/iUhr in St. Pölten ein, woselbst er von dem Kaiser von Oesterreich er­wartet worden war. Die Monarchen umarmten und begrüßten sich aus's Herzlichste. Kaiser Franz Joseph reichte dem Fürsten Bis­marck die Hand und bewillkommncte das Gefolge des Kaisers Wilhelm in sehr warmer Weise. Außer den Spitzen der Behör­den waren auch der Bischof Binder und das Domcapitel anwesend. Nach eingenommenem Dejeuner erfolgte die Abfahrt nach Penzing, wo der auf's Festlichste geschmückte Hofzug um 4 Uhr 34 Min. anlangte. Kronprinz Rudolph, die Erzherzoge (in preußischer Uniform,) Prinz Leopold von Bayern, Prinz Ratibor, Fürst v. Putbos, der Herzog von Sachsen-Weimar, der deutsche Botschaf­ter, der Statthalter und zahlreiche Notabilitäten erwarteten hier die Monarchen. Der deutsche Kaiser begrüßte den Kronprinzen Rudolph wärmstcns, ihm die Hand reichend. Nach Besichtigung der Ehren - Compagnie und der Vorstellung der Erzherzoge und der Suite begaben sich die Monarchen, von einer dichtgedrängten Menge mit lebhaften Zurufen begrüßt, nach Schönbrunn. Kaiser Wilhelm trug die Uniform seines österreichischen, Kaiser Franz Joseph jene seines preußischen Regiments.

Paris, 15. Okt., Abds. Es läuft heute in den diplo­matischen Kreisen ein Gerücht um, das wir mit allem Vorbehalt miltheilen, das aber, wenn es sich bestätigte, eine große Tragweite hätte. Fürst Bismarck, heißt es, habe hier sagen lassen, daß die europäischen Kabineie entschlossen seien, im Interesse der Menschlichkeit und des Friedens für die Beendigung des Bürger­kriegs in Spanien einzutreten und zwar im Sinne einer Aner­kennung der jetzigen Regierung, und er habe auch Frankreich aufgefordert, sich diesem Vorgehen anzuschließen. Es wird nicht gesagt, ob die Madrider Regierung selbst den Wunsch nach Ein­schreiten der europäischen Kabinete ausgesprochen habe. Wie die Dinge augenblicklich jenseits der Pyrenäen stehen, glaubt man, daß eine bloße Ancrkennungserklärung das schnelle Ende des