Bismarck, welcher von Varzin hier eingetrofsen ist, nimmt nicht an der Hofjagd Theil. Derselbe erhielt Mittags einen längeren Besuch des italienischen Ministerpräsidenten Minghetti.
Graf Harry v. Arnim soll neulich mit dem Reichskanzler eine offene Aussprache gehabt haben, in Folge deren die Differenzen als ausgeglichen zu betrachten sind, welche beide Staatsmänner zu trennen schienen.
B erli n, 25. Sept. Die Regierung hat Berichte aus Paris, Brüssel und anderen Punkten empfangen, zufolge welchen die monarchischen Parteien Frankreichs den Entschluß gefaßt hätten, die Restauration mit allen parlamentarischen und militärischen Machtmitteln in Scene zu setzen. An einem ernsten Widerstand glaubt man hier ebensowenig, als in Frankreich. Wohlinsormirte Pariser Berichte sagen, daß die große Partei der Ordnung, die sogenannte „patriotische Zipfelmütze". sich jede eta- blirte Regierung gefallen lassen werde. Selbst die Anhänger Gambetta's würden, wenn die Sache anders richtig in.Scene gesetzt wird, nicht viel unternehmender sein, als in der neuesten Zeit überhaupt. Der Grund dafür liegt darin, daß außer den Anhängern der Commune in Frankreich zur Zeit keine Partei existier, welche die Absicht und auf der andern Seite auch die Fähigkeit hätte, ernsthaft Revolution zu machen. — Je ungestörter das gegenwärtige Regime in Frankreich den Staatsstreichs-Plan durchführen kann, zu welchem unter dem Titel eines General- Lieutenants Heinrichs V. der „loyale Soldat Frankreichs", Marschall Mac Mahon, seine Hand bietet, um so zwingender tritt an die Cabinette von Berlin, Wien und Rom die Frage eines engen Friedens-Bündnisses heran. Bestätigen sich neueste Privat- Mittheilungen aus Wien, so sind von Oesterreich Vorschläge hierher gelangt, welche ein festes Abkommen der drei Mächte alle» Eventualitäten gegenüber verlangen.
Berlin. Das neue Generalpost-Gebäude für das deutsche Reich (Abtheilung 2 ^es Reichskanzleramts) ist endlich so weit vollendet, daß der Gcneralpost - Director Stephan noch im Lause dieser Woche seinen Einzug wird halten können. Die für ihn reservirten Räume dürften einen Kostenaufwand von 200,000 Thlr. Capital darstellen; er würde somit — wie die „Mrh. Ztg." berechnet — etwa doppelt so viel an Miethe verbrauchen, als sein Gehalt im deutschen Reichsdienst beträgt.
Berlin, 25. Sept. Der Kaiser geht Sonntag Abend nach Baden - Baden. Am Nachmittage desselben Tages reisen der Prinz und die Prinzessin Karl zunächst nach Wien und von dort nach kurzem Aufenthalte nach Rom, wo sie einen längeren Aufenthalt nehmen werden. — Fürst Bismarck ist, wie von mehreren Seiten übereinstimmend versichert wird, durch Unwohlsein abgehalten gewesen, früher als gestern Abend hier einzutrcffen, und in Folge seines Unwohlseins behindert gewesen, an der heutigen Jagd Theil zu nehmen. Nach Ankunft des Extrazuges, welcher den Hof und seine Gäste von Potsdam gestern Abend um 10 Uhr hieher brachte, begab sich der Feldinarschall v. Manie u s f e l zu dem Fürsten Bismarck und konferirte mit demselben bis Nachts um 1 Uhr. Diese Thalsache gibt den früher bereits verbreiteten Gerüchten neue Nahrung, welche missen wollten, der General v. Mantcnffel sei dazu ersehen, den Grafen Roou im Präsidium des preuß. Staats-Ministeriums abzulösen. Thalsache ist es, daß Graf Roon lebhaft seinen Rücktritt aus dem Staatsdienste wünscht und vor ganz kurzer Zeit noch diesem Wunsche Ausdruck gegeben hat. Bon bestunterrichtelec Seite wird versichert, Graf Roon verbleibe nur auf ausdrücklichen Wunsch des Kaisers so lange noch auf seiner jetzigen Stelle, bis sein Nachfolger gefunden sei. — Die „Spenersche Zeitung" will die lange von 10-1 Uhr Nachts dauernde Konferenz des Gcneralfeldmur- schalls Freiherrn von Manteuffel bei dem Reichskanzler damit erklären, daß die Berichterstattung über die Verhältnisse des Landes, in dessen okkupirten Provinzen Herr von Manteuffel so lauge den militärischen Oberbefehl führte, wohl mehrere Stunden in Anspruch genommen haben dürfte.
Berlin, 26. Sept. Der König von Italien ist heute Abend 10 Uhr mit der Görlitzer Bahn abgereist. Derselbe verabschiedete sich aufs Herzlichste von dem Kaiser durch Kuß und Umarmung, ebenso von dem Kronprinzen und dein Prinzen Friedrich Karl Der Bahnhof war bengalisch beleuchtet. Eine ungeheure Menschenmenge begrüßte den König mit sympathischen Zurufen.
Zu dem alten Wränget sagte Viktor Emanuel: Ich bin hieher gekommen, um meinen Alliirten persönlich kennen zu ler nen un d freu e mich da rüb er. Ebenso freue ich mich über den herzlichen Empfang und bin dankbar dafür.
Berlin, 26. Sept. Der König von Italien tritt heute Abend 10 Uhr vom Görlitzer Bahnhofe die Rückreise nach Italien an; ein Aufenthalt findet während derselben nirgends statt. Die zum Ehrendienst beorderten Militärs und der italienische Gesandte, Graf Launay begleiteten ihn bis zur Grenze. Heute Vormittag fuhr der König mit dem Kaiser, den er aus dem Palais abholte, zur Truppenbesicbtignng nach Moabit. Nachmittags 5 Uhr ist Diner bei dem Grafen Launay, woran der König, der Kaiser, sämmtliche Prinzen, Fürst Bsmarck, die Minister Delbrück und
Eulenburg, im Ganze» 36 Geladene theilnehmeu. Fürst Bismarck hatte gestern Nachmittag im Schlosse eine längere Unterredung mit dem italienischen Minister.
Berlin, 27. Sept. Louise Mühlbach (Schriftstellerin) ist gestorben.
Berlin. I» Folge der erhöhten Herstellungskosten haben für das kommende Quartal die meisten hiesigen Zeitungen einen Preisansschtag der Inserate und des Abonnements vorge- nommen. Diese Erscheinung ist sehr geeignet, die vielfach beim Pnbliknm herrschenden völlig irrigen Vorstellungen von dem geschäftlichen Ertrage der Zeitungs-Unternehmungen zu berichtigen.
Es ist aufgefalle», daß Viktor Emanuet bei den offiziellen Gastmahle!! keine der ihm präsentirten Speisen berührt; nicht ein- mat die Serviette nimmt er von seinem Teller. Man sagt, daß Viktor Emanuel, welcher bekanntlich überaus einfach lebt, nur die frugalen Speisen genieß!, welche ihm sein eigener Koch bereitet.
Leipzig, 26. Sept. Der Schriftsteller Roderich Benedix ist heute Mittag nach langem Krankenlager verschieden.
Der Kronprinz von Sachsen ist aus Einladung des Kaisers von Oesterreich am 23. ds. über Wien nach Eisenerz (in Steiermark) gereist, »in an den in den nächsten Tagen dort abzuhaltenden kaiserlichen Jagden Theil zu nehmen.
Straßb u r g, 24 Sept. Es ist gelungen, die Individuen, welche die Gasleitung des hiesigen Stadttheaters durchfeilten, um das Haus in Brand zu stecken, ausfindig zu machen und zu in- haftircn. Es sind zwei Elsässer und ein Franzose; einer der Brandstifter hat bereits gestanden.
Wien, 22. Sept. Dem Privatbriefe eines jüngeren ungarischen Abgeordneten entnimmt ein hiesiges Blatt folgende launige Klage: „Es ist schrecklich, was ich zu thuu habe in diesen wenigen Wochen, wo ich ,,nuf Ferien" zu Hause bin. Am Sonntag muß ich natürlich alle die guten politischen Freunde bewir- then, muß zu trinken geben und, was noch mehr ist, selber trinken. Am Montag kommen dann einzeln dieselben politischen Freunde, der eine hat ein Gesuch an die Regierung, das soll ich schreiben, der andere hat einen Sohn, der ist ein Taugenichts, den soll ich protegiren. Am Dienstag schreckt mich eine dicke Bäuerin aus. dem Bette, weil ihr Söhnleiu die Cholera hat. Ein Abgeordneter muß alles wissen, ich geb' ihr also Cholera- Tropfen. Am Mittwoch ladet man mich auf ein drei Stunden entferntes Dorf zu einer Bauernhochzeit. Wenn mir etwas an meiner Popularität gelegen, muß ich natürlich hin und mit allen Dirnen im Dorfe schön thun. Spät nach Mitternacht bin ich endlich zu Hanse und im Belte. Da pocht's an die Thür. Der Diener öffnet. Ein Telegramm ist angekommen. Der Notar des Grenzortes meines Bezirks hat einen Sohn bekommen, da muß der Abgeordnete natürlich Pathe sein. . . Und das ist noch die heilere Seite. Nun aber kommt die ernste Seite. Der Obergespan hat eine, der Vicegespan hat zwei Töchter. Meine heilige patriotische Pflicht ist es natürlich, allen Dreien den Hof zu machen. Unglücklicher Weise sind alle Drei hübsch. „Erobere" ich die Eine, so agitirt der Vicegespan gegen mich, und „erobere" ich die Zwei, da schass' ich mir den gefährlichsten aller politischen Gegner" die Frau Obergespanin. Gott bewahre! Jedenfalls aber falle ich durch. Das sind so die Ferienfreuden eines ungarischen Abgeordneten Sie meinen, warum ich da nach Hause und nicht lieber nach Italien oder Frankreich auf Ferien geh'? Ja, wer sich Das getraute! Dann sagt man, ich sei stolz geworden und wolle von den „armen Leuten" nichts mehr wissen, und da falle ich gewiß durch, mit Pauken und Trompeten."
Das Wallsahrtfieber ergreift auch setzt die schweiz. Katholiken. Aus Gens und Wallis zogen viele nach Allinges, dem Heiligthum des h. Franz v. Sales, und wurden, wie die Franzosen durch einen gewaltigen Sturm hineingejagt. Sodann sammelten sich circa 40,000 Walliser und Savoyer bei dem Gnadenbild der sich jetzt noch „königlich" nennenden Abtei St. Moritz. Vorige Woche strömten wohl 30,000 aus Deutschland, Elsaß und der Schweiz zur „Engelwcihe" in Einsiedeln, und jetzt bekommt das solothurnische Mariastein den Besuch vieler Tausende abermals aus Elsaß und der Schweiz. (Wie viel Zeit und Geld mag bei diesem heilige» Müssiggehen verloren gehen.)
London, 23. Sept. Die „Daily News", den Besuch des Königs von Italien in Berlin besprechend, sagt: Das Einver- ständniß zwischen Preußen und Italien, welches allen Plänen der Kreuzfahrer des 19. Jahrhunderts ein Ende mache, wäre ein Segen nicht nur für Preußen und Italien, sondern für das gesammtc Europa.
Ein Stück italienisch-preußischer Politik.
Ein berühmter Geschichtsschreiber sagte einmal: Cavour sei gerade noch zur rechten Zeit gestorben. Nun, der geistvolle sa- voyische Ministerpräsident hatte das Seinige gethan, um mit Ehren abscheiden zu können, aber er würde heutigen Tages die Pläne seiner Politik der Verwirklichung weit näher geführt sehen und würde mit mehr Geschick als die italienischen Minister von