p. 72,000 Thlr. Hcuis, nach so langer Zeit ist die Angelegenheit abermals Gegenstand lebhafter Besprechung, denn soeben hat das Stadlverordneten-Collegium, aus Grund eines eingehol- len juristischen Gutachtens, beschlossen, die damaligen Administratoren der Sparcasse wegen mangelhafter Nevision - bezw. Nichl- revisiou — für das ganze Deficit verantwortlich zu machen. Rendant Bitte machte sehr stark in Frömmigkeit, so daß jeder Zweifel an seiner Ehrlichkeit uo ipso ausgeschlossen war.
Berlin, 20. Sept. Die „Spener'sche Zeitung" theilt mit, daß die landesherrliche Anerkennung Reinken's als altkatholischer Bischof erfolgt sei. Die königliche Anerkennungs-Urkunde werde unmittelbar nach der Vereidigung demselben eingehändigt werden.
Kassel, 20. Sept. Gegen die renitenten Pfarrer, welche sämmrlich die vom Consistorium verhängten Geldstrafen nicht bezahlt haben, ist deren Beitreibung ans dem Wege der Execution verfügt.
Kehl, 10. Sept. Heute wurde dem Bürgermeisteraäite von Stadt Kehl die amtliche Mittheilung, daß von jetzt ab die hiesige Stadt in den Festungsbereich von Straßburg gehöre und zum 15. Armeekorps zähle. Die Soldaten der Straßburger Besatzung können daher ohne besonderen Urlaub den hiesigen Platz besuchen. Die Unteroffiziere des in der Zitadelle liegenden würt- temdergischcn Infanterieregiments Rc. 126 haben die Verpflichtung, für Ausrechthaltung der Ordnung zu sorgen.
Die Spen. Ztg. bringt folgende erschütternde Mitlhcilung: „Die einzige Tochter des Componisten M arschner war vcrhei- ralhet an einen Hauptmann in schleswigholsteinischen Diensten. Der Mann halte das Unglück, im Kriegs zum Krüppel erschossen zu werden, und erhielt dann eine Anstellung mit 300 Thlr. Gehalt. Da sich die Familie vergrößerte, versuchte die Frau ihre Einnahmen durch eine Pensionsanstalt zu erhöhen, aber das Unternehmen mißglückte an zwei Orten. Jetzt, nach ihrer Vaterstadt Hannover zurückgekehrt, hat sich diese durch Nahrungssorgcn bedrängte Mutter von sieben Kindern vor erlichen Tagen in einer Schmiede erhängt. Und eben ist man im Begriff, dem Tonkünst- ler an dem Orte seiner langjährigen Wirksamkeit ein Monument zu fetztn!"
Gelegentlich der Ernennung des bisherigen Bundesraths- Mitglicds für beide Mecktenberg, des Hrn. v. Bülow, zum Uutirstaats Sekretär im auswärtigen Amt des deutschen Reiches bringt der „B. Ä.-C." in geeignete Erinnerung, daß Hr. v. Bülow derselbe Staatsmann ist, der vom Tische des Bundes- rathes im Reichstage das große Wort gelassen anssprach: „Die Prügelstrafe in Mecklenburg wird nur besonders dazu qualisicirien Individuen applicirt."
^ Die durch die Annexionen von 1866 nothwendige Aende- rung des königlichen Litcls und Wappens ist durch Cabi- uetsordre vom 16. August nunmehr ersolgt. Der königliche Titel schließt mit dem Zusatz: „Herr in Frankfurt."
Wien, 19. Sept. Dem heutigen, zu Ehren des Königs von Ftalien gegebenen Gala Diner wohnten außer dem ganzen Gefolge des Königs die hier anwesenden Erzherzoge und Erzherzoginnen, die Großwürdenträger des Staates, die Minister und viele hiesige wie fremde Personen von Distinction bei. Der Kaiser brachte folgenden Toast aus: „Aus das Wohl des Königs von Italien unseres erlauchten Gastes, Bruders und Freundes!" Der ".König brachte einen gleichen Toast auf den Kaiser und die Kaiserin ans. Stach dem Diner wurde Cercle abgehalten.
Paris, 18. Sept. Legilimistische Kreise versichern, es sei ein Einverständniß mit Chambord nächstens zu erwarten. Derselbe würde seine Anhänger zu der Erklärung ermächtigen, er weise die Rechte der Nation nicht zurück und willigte ein, mit den Vertretern der Nation über die künftige Staatsverfassung zu verhandeln. Die konservativ-liberalen Kreise bleiben übrigens bedenklich; sie befürchten, Chambord wolle zwei Hauptbedingun- gcn iür seine Nestaurirung nicht erfüllen: nämlich 1) daß die Regelung der Fahnenfrage der Nationalversammlung überlassen bleibe, und 2) daß die öffentliche Meinung über die Intentionen Chambord's gegenüber demAusland, namentlich gegenüber Italien, beruhigt werde. — Dem „Temps" zufolge ist der Depulirte de Larcy mit Ueberreichuug einer von 130 Deputirten der Rechten unterschriebenen Adresse beauftragt, worin erklärt wird, das Recht Chambord's, in der Fahnenfrage das Prinziv zu wahren und keinerlei Zugeständnisse zu machen, werde anerkannt. Dessenungeachtet sei Chambord verpflichtet, die Krone anzunehmen, wenn Frankreich sie ihm mit der dreifarbigen Fahne biete. Zum Voraus werde kein Opfer von ihm verlangt, er könne aber, ohne sich untreu zu werden, den Wünschen der Nation im Interesse des Vaterlandes und der Kirche sich anbequemen, falls ein derartiger Beschluß der Nationalversammlung vorliegc. — Dem „Journal de France" zufolge beglückwünschte Chambord den Erzbischof von Paris wegen dessen jüngsten Hirtenbriefes. Diese letztere Nachricht wird dementirt.
Paris, 20. Sept. Der König von Italien soll sich in Wien zu Gunsten der Ernennung des Cardinals Bonaparte zum Papste verwenden, der die Einheit Italiens anerkennt.
Wahrheit oder Dichtung? Ein französ. Blatt rühmt sich
nicht nur den wörtlichen Text des deutsch-österreichisch-ita- lien isch en Freu ndfchafts ve r lrags zu kennen, welcher dieser Tage in vem Bismarckischen Entwürfe durch Hr. v. Ksudelt dem italienischen Cabinet überreicht worden fei, sonvern druckt ihn auch schwarz auf weiß ab, wie folgt: „Art. 1. Gegenseitige Garantie der Integrität und der Rechte jeder der 3 Staaten, unter welchen Umständen es auch immer sei. Art. 2. Offensive und defensive Allianz zwischen den 3 Staaten im Falle eines europäischen Conflicts. Art. 3 Allgemeine Abrüstung in den 3 Limiten nach Maßgabe der noihwendigsten Erfordernisse der Heereseinnchlnngen jedes Landes." Der etwas auffällige Inhalt des letzten Artikels wird damit erläutert, daß Deutschland jetzt im Fall des Bedürfnisses binnen 10 Tagen in voller Kriegsmacht auf den Beinen sein könne und alle Ursache habe, die durch die Friedensstärke seiner Heere verursachte ungeheure Belastung seines Etats zu vermindern.
Im Prozeß Bazaine sind 272 Belastungszeugen vorgefordert woroen. Wie der GauioiS berichtet, befinden sich darunter 129 Militärs und 143 Zivilisten, davon 9 Frauen. Unter den Militärs find 2 Marschälle, Canrobert und Leboeus, und 17 Generale; unter den Zivilisten Jules Favre, Gambelta, Keratry und Ramean, der Bürgermeister von Versailles.
Genf, !3. Sept. Die zur Begründung eines internationalen Instituts für Völkerrecht hier zusammengetrelene Versammlung von Vöikerrechcslehrern hat ein Statut festgesetzt, dessen Artikel 1 Aufschluß über den Zweck des Instituts gibt: „DaS internationale Institut für Völkerrecht ist eine ausschließlich wissenschaftliche Vereinigung ohne stattlichen Charakter. DaS Institut hat die Aufgave: I) für den Fortschritt des Völkerrechts zu arbeiten, indem es dem gemeinsamen Rechtsbewnßlsein der cioi- lifirten Well als Organ zu dienen sich bemüht; 2) die allgemeinen Principien der Wissenschaft und die daraus abgeleiteten Regeln zu sormuliren u,nd deren Kennlniß zu verbreiten; 3 zu jedem ernsten Unternehmen einer allmählichen und fortschreitenden Codifikalion des Völkerrechts mit seiner Kraft mitzuwirken; 4) auf stattliche Anerkennung der Grundsätze hinzuarbeiten, welche dem Bedürfniß der modernen Gesellschaft entsprechen; 5) innerhalb der Grenze seiner Befugnisse zu Gunsten der Erhaltung des Friedens unter den Völkern und im Kriege auf Beachtung des civilisirten Kriegsrechtes zu wirken; 6) die Schwierigkeiten zu prüfen, welche sich bei der Auslegung und Aendernng des Völkerrechtes ergeben und je nach Bedürfniß in zweifelhaften und streitigen Füllen sein motioiries Rechtsgulachlen nbzugeben; 7) durch die Presse, den öffentlichen Unterricht und andere Mittel zu dem Sieg der Grundsätze der Gerechtigkeit und der Humanität beizu- lrage», welche die Beziehungen der Völker unter einander regeln sollen.
Rom, 19. Sept. Nachrichten ans Tanger zufolge ist der Sul: a u vonMarokko, SidiMoha m e d (regierte seit 1859,) gestorben. Die Opinioue meldet, daß in Folge dieses Todesfalls ein B ü rgerkrieg zwischen dem Bruder und dem Sohne Sultans ausgebrochen sei. (Liese letztere Nachricht wird für grundlos erklärt.)
Die vom Papst für den 20. Sept. angeordneie Kjnnd- gebung gegen Italien wirb, wie aus den Bekanntmachungen der Geistlichkeit heroorgeht, in allen Kirchen Frankreichs slatt- sinden. Die betreffenden Anschkagezcttel kamen: „Nächsten Sams- lag den 20. Sepl., Jahrestag des gotteslästerlichen Einfalls in die heilige Stadl, werden sich die Gläubigen der ganzen Welt in einem gemeinschaftlichen und heißen Gebete vereinigen, um mit der Verzeihung für so viele abscheuliche Verbrechen das Anfhören der Uebel zu erlangen, welche die Kirche trostlos machen."
Der italienische Ex-Ministerpräsident und General Lamarmora hat eine Schrift, sog. Enthüllungen aus dem Jahre 1866, veröffentlicht, über welche, wie über den Hirtenbrief des Erzbischofs von Paris, selbst gute Freunde die Köpfe schütteln. Er hat darin von Urkunden Gebrauch gemacht, die ihm nux in seiner amtlichen Stellung zur Kennlniß kamen und ihrem Charakter nach jede Veröffentlichung durch einen Privatmann ausschlossen, um angeblich seine Politik im Jahre 1866 zu rechtfertigen, hauptsächlich aber wohl.imr, um dem siegreich aus den damaligen Wirren hervorgegangenen, verhaßten Bismarck einen tödklichen Streich zu versetze». Daß er hierzu einen Zeitpunkt gewählt, wo die mitteleuropäischen Mächte, die alten Eifersüchteleien und Feindseligkeiten ausgehend, in eine ziemlich enge freundschaftliche Verbindung getreten sind, zu deren Befestigung der König von Italien eben nach Wien und Berlin zu gehen im Begriff steht, läßt auf Triebfedern schließen, die außerhalb eines ehrlichen und wahren Patriotismus zu suchen sind. Glücklicherweise ist die heutige Friedensliebe so stark und so sehr von materiellen Interessen gestützt, daß es an Licht und Luft für solches Unkraut unter dem Waizen fehlt.
Die in Mantua erscheinende Provincia veröffentlicht einen Brief Garibaldi's, in welchem der Alte von Caprera erklärt, das Duell, welches sich zwischen Italien und Frankreich vorbereile, finde auf einem Vulkan statt, auf den er sich scheue, den Fuß zu setzen. Die Ausmerzung der Pfaffen müsse dem Konflikt voran- g-hen, sonst sei Italien verloren. Man habe ihm selber eine Ehr«