Berlin, 5. September. Das General-Postamt hat so­eben verfügt, daß die österreichischen Viertel-Gulden Seitens der Postanstalt bis auf Weiteres wieder an Zahlung angenommen werden.

Berlin. 5. Sept. Der Reichskanzler hat im Hinblick auf die herrschende Choieraepidemie an die Bundesregierungen und an den Chef der Admiralität General von Stosch das Er­suchen gerichtet, Erhebungen nach einem U ntersu ch u n gsp la n zu veranlassen, welchen die Spezialfommission zu Erforschung der Ursachen der Cholera und deren Verhütung ausgear­beitet hat. (N.-Z.

Die katholische Geistlichkeit in Berlin glänzte bei der freier des 2. September durch :b:e Abwesenheit, die Glocken der katholischen Kirche waren die einzigen in Berlin, die an diesem Tage stumm blieben, und die Germania, das Leibblatt der Röm­linge, brach ihr beredtes Schweigen am Nationalsesie mit einem Leitartikel über oeu Ausspruch des Bischofs von Paderborn, daß der Tag von Sedan der Anfang der Diocletamscheu Verfolgung der katholischen Kirche geworden sei. Das Bayerische Vater­land in München secundirt seinem College:! mit Artikeln über die Festseier der Beiteipreußen und Inden" und dem Tröste, daß es bald alle sein wird mit dieser Herrlichkeit des Reichs."

Die Ultramontanen haben ausgerechnet, daß es späte­stens 1874 mit dem deutschen Reiche zu Ende sei; voll Mitleid setzen sie hinzu: wenn nur der Kaiser Wilhelm diesen Jammer nicht erlebt!

Straßbnrg, 4. Septbr. Zwei Straßburger Kauslente und zwei Eisenbahnbeamte von Straßbnrg und resp. Aoricourt wurden vorigen Sonntag in Luneville ohne jede Provokation von wüthenden Volksmassen lebensgefährlich bedroht und ver­folgt. Nur mit Mühe gelang es französischen Offizieren, die Bedrohten zu retten.

Im Elsaß gehl ein offener Brief des Redactcnrs Schnce- gans von Hand zu Hand und macht gewaltigen Eindruck. Schneegans war ein enragirter Franzose in Straßburg unv ^än­derte nach Frankreich aus, als der Elsaß deutsch wurde. Er wurde in Lyon, was er in Straßburg gewesen war, Rcdacteur einer liberalen Zeitung und ließ seinem Haß gegen Deutschland und seiner blinden Vorliebe für Frankreich freien Lauf, fand aber überall nur Abneigung, Verläumdung und Verfolgung. Die Leute, die drüben am Ruder sind, können nur Leute brauchen, die vor ihnen auf dem Bauche liegen, und verfolgten ihn als Liberalen, als Protestanten nud als Eljäsfer. Furchtbar ent­täuscht Hai er endlich die Flinte ins Korn geworfen und Frank­reich einen offenen Abschiedsbrief geschrieben. Wie diesem Einen, so ergeht es den meisten Elsässern, die nach Frankreich ausge- wandert sind; sie finden in Frankreich nur Vorwürfe, Mißach­tung und Verfolgung, zumal wen» sie Liberale und Protestan­ten sind. Am schlechtesten ergehts den Taufenden von Elsässern, die nach Algerien geschickt worden sind, weit man in Frankreich nichts mit ihnen anznfangen wußte, sie schicken Klagelieder über Klagelieder in ihre alte HAmalh. Daß diese Klagelieder werth­volle deutsche Bundesgenossen sind, brauchen wir nicht erst zu sagen.

Wien, 3. Sept. Im -Lchooße des internationalen Me­dizin i s ch e n K o n g r c s s e s wurde dieImpffrage von Aerz- ten aus allen Himmelsgegenden einer langen Erörterung unter­zogen. Die Gegner der Impfung erhoben nur schwachen Wie­derspruch und diesen nur aus dem Grunde, weil mit dem Im­pfen Mißbrauch getrieben werden könne. Am Schluffe der Dis­kussion führte der Berichterstatter aus: Vollkommen erwiesen sei, daß Geimpfte der Ansteckung durch Blattern weniger ansge­setzt sind, und daß jene, wenn sie an denselben erkranken, die Krankheit leichter überstehen und ein geringeres Sterbekontingent liefern. Obgleich, sagt Redner, viele der hier deskulirten Fra­gen vertagt werden müssen, so ist bezüglich des Kardinalpunkres, ob nämlich geimpft werden solle oder nicht, hier jetzt schon eine moralische Entscheidung gefällt worden, denn die meisten Redner aus allen Herren Ländern, reich an Wissen und Erfahrung, ha­ben sich sür die Nützlichkeit, ja für die Nothwendigkcit der Im­pfung ausgesprochen. Wir wollen und sollen dieses Resultat nicht verschweigen, denn die ganze gebildete Welt, die meisten Regie­rungen harren der Entscheidung, die durch die Abstimmung der Mitglieder des Kongresses gefällt werden soll. Den Ausfüh­rungen des Referenten folgte lebhafter Beifall. Der Präsident bringt nunmehr folgende Resolution zur Abstimmung:Der dritte internationale medizinische Kongreß erklärt die Kuhpocken- Impfungen für nothwendig und empfiehlt den Negierungen die Dugchführung einer allgemeinen Jmpspflicht." Der Antrag wird einstimmig angenommen.

Paris, 5. Sept. Die Regierung hat beschlossen, nach vollständiger Räumung des französischen Gebiets eine religiöse Dankfeier in allen Kirchen, Tempeln und Synagogen anzuord­nen. In Paris soll ein feierliches Tedeum in der Notre-Dame- Kirche statifinden, welchem Mac Mahon, die Minister und die Behörden beiwohnen werden. Der Unterrichtsminister Ba:bie wird ein bezügliches Circular an die Bischöfe uns Eonsistorien

richten. Mac Mahon hat gestern den italienischen Gesandten Nigra empfangen.

In Sedan wurde am l. d. M. ein öffentliches Trauerfest gefeiert. Die öffentlichen Gebäude und viele Privathäuser hatten schwarzumflorte Trikoloren ansgehängt, und um 11 Uhr wurde in der Kirche des h, Karl ein feierliches Amt gelesen, dem die Behörden und die Truppen der Garnison beiwohnten. Dis Kirche war schwarz ausgeschlagen und vor dem Altar stand ein großer Katafalk.

Die römischen Priester in England haben das Wunder zu Stande gebracht, daß^640 Engländer, Männer, Frauen und Geistliche, an ihrer L-pitze der Herzog von Norfolk, eine Wall- fahrt nach Frankreich angetreten haben. -Die wallfahrenden Eng­länder zogen freilich nicht zu Fuß über den Canal, wie weiland die Kinder Israel durchs rothe Meer, sondern fuhren mit einem Dampfer, der als Flagge das heilige Herz Fest, trägt. Das Ziel der Wallfahr! ist Uaray Is iUonial.

Madrid, 4. Sept. Die Cortes beriechen den Antrag betreffs strengster Anwendung der K ri egs a rti kel. Das Amendement Navareile's, die Todesstrafe in den Kriegsar- likeln zu streichen, wird mit 89 gegen Stimmen abgelehnt. Darauf gaben die Minister ihre Demission.

Ein ueapvlitanischer Bäckerjuuge.

(Fortsetzung.!

Ich bringe die bestellten Maisbrode vom Meister Mattes aus der Toledostraße."

Gut hier ist die ausbeduugene Bezahlung."

Domenico hatte die Rechte ausgestreckt, um das Geld in Empfang zu nehmen, aber klirrend fiel es zu Boden.

Warum hältst Du auch nicht fest, Junge!" sagte die alte Magd scheltend. Nun, meinst Du etwa, daß ich es meinem von der Last der Jahre gebeugten Rücken noch znmuthen soll, diese Geldstücke für Dich aufznheben?"

Domenico beugte sich hastig darnach und steckte die Münzen in sein Täschchen.

Verzeiht," sagte er dabei in sichtlicher Verwirrung,ich wollte gewiß nicht unhöflich sein. Ich ich war so erschrocken"

Bah," rief die Alte,hat sich was zu erschrecken. Wor­über denn? Hast wohl noch nie einen Menschen die Geige spielen hören?

O ja, viele," erwiderte Domenico,aber so so, wie sie eben da drinnen im Gemach gespielt wird, so habe ich sie noch nie spielen hören."

Und er neigte sich lauschend gegen die Thüre vor und machte der allen Magd eine flehende, ausdrucksvolle Geberde, mir jetzt nicht ;u sprechen, ihn nicht zu stören in dem Genüsse dieses Augenblickes.

Die alle Theresina schien erfreut und geschmeichelt durch den Eindruck, den das Spiel ihres Herrn ans den Bäckerjungen gemacht hatte. Noch einmal so freundlich als zuvor blickte sie auf ihn herab und willfahrte gern seiner Bitte, sich schweigend zu verhalten.

Als aber das Tonstück zu Ende gespielt war, sagte sie mit um so geläufigerer Zunge:

Ja, ja, mein Kleiner, Du hast einen ganz guten Geschmack, wenn Du findest, daß der Signor Sacchini unvergleichlich schön spielt, denn das haben vor Dir schon Kaiser und Könige gesagt und viele Leute, die es besser zu benrtheilen verstehen als solch' ein kleiner Teigkneter wie Du! Na, laß nur gut sein! Brauchst nicht so grimmig d'rein zu schauen. Ich will Dich ja damit nicht herabsetzen. Das Handwerk ernährt auch seinen Mann, und es wäre ja ein Unglück, wolltest Du Dir nun in den Kops setzen, ein großer Geigenspieler und Musiker zu wer­den, wie mein Maestro."

Domenico gieng.Wäre denn daS wirklich ein Unglück?" fragte er sich wieder und wieder, ohne eine andere Antwort als tiefe und schwere Seufzer daraus zu wissen.

Unter einemUnglück" stellte er sich doch eigentlich ganz etwas Anderes vor. Wenn er den Vater oder die Mutter plötz­lich durch den Tod verlöre; wenn er jetzt fiele und sich Arm oder Bein bräche; wenn eine Krankheit ihm das Augenlicht oder Ge­hör raubte, ja das wäre alles Unglück, großes Unglück zu nennen! Aber warum denn sollte er nicht auch ein Sänger oder Musiker werden? Wäre es nicht viel eher ein Unglück für ihn zu nennen, wenn er Teigkneter bleiben müsse? Brode backen, allenfalls Maisknchen und dergleichen; die Kunden bedienen; die Hausen kleiner Münze durchzählen, welche alltäglich sür die Waare ein­ging. Puh, und die Hitze am Backofen, die weißbestäubten Haare und Kleidungsstücke, der unaufhörliche, widerlich-süße Ge­ruch der frischen Backwaare es erschien ihm das Alles jetzt in einem fremden, abschreckenden Lichte. Er begriff nicht, wie er es bisher dabei hatte aushalten können.

Mit solchen Betrachtungen wird Niemand pünktlicher, fleißiger und eifriger in seinem Berufe, und die Ansicht der Frau Sybilla, daß aus dem Domenico schwerlich jemals ein