„O gewiß, ich könnte nicht leben ohne seine Liebe!" rief das schöne Mädchen begeistert.
„Was steht also Ihrem Glücke, Ihrer Verbindung entgegen ?" fragte Katharina.
„Meine Eltern, erwiderte Jadwiga. „Unsere Familie ist stolz auf ihren alten Namen und Reichlhum und Samarin ist arm und man behauptet, er stamme von Leibeigenen ab."
„Lächerlich!" rief Katharina die Achseln zuckend, „als ob der Mann unfrei oder frei geboren zu etwas anderem da wäre, als unser Sklave zu sein. Ich sehe aber noch immer nicht ein, wozu Sie Soldat werden wollen, mein armes, schönes Kind?"
„Majestät," antwortete Jadwiga bescheiden, „Sie werden mich augenblicklich verstehen. Nicht genug, daß meine Eltern uns ihren Segen verweigern, unsere Verbindung nicht gestatten, haben Sie noch überdies, seitdem unsere Liebe durch Samarins Werbung offenkundig geworden ist, ihm verboten, ihr Haus zu betreten und bewachen mich so strenge, daß wir uns seit Wochen nur aus der Ferne sehen konnten. Da — als ich im Dome betete — kam es wie eine Erleichterung über mich. Die große, geniale Frau, die auf Rußlands Thron sitzt und den Hermelin so kaiserlich zu tragen versteht, hat auch mein Geschlecht gelehrt, die Feder und den Degen zu führen, Frau Mellin, die Gräfin Sallikow, Fräulein Naristin und viele andere Amazonen glanzen in den Reihen unseres Heeres durch ihre Schönheit und ihren Muth; ich will ihrem Beispiele folgen, meinen Arm, mein Leben der Kaiserin weihen, vielleicht gelingt cs mir, mich auszuzeichnen, die Aufmerksamkeit der Monarchin auf mich zu lenken und mir so den Geliebten, gleichsam den Degen in der Faust, zu erobern, und schnell entschlossen ging ich geradeaus in den Palast und zur Audienz, um Euere Majestät um Ihren Schutz und die Einreihung in die Armee und zwar in das Regiment Tobolsk, in welchem mein geliebter Nikolaus dient, nnterlhänigst zu bitten."
„Sehr gut," rief die Kaiserin übcrlustig, „sehr gut, vortrefflich ausgedacht, eines Weibes würdig. Nun, Ihre Bitte fei gewährt, Iadwign, kehren Sie ruhig zu Ihren Eltern zurück und erwarten Sie meine Anordnungen; ich werde Sie fortan nicht anS dem Auge verlieren, denn ich bin Ihnen gewogen, Jadwiga Niewelinski, sehr gewogen. Gehen Sie mit Gott!"
Eine Woche war beinahe dahingegangen, ohne daß eine Ordre von Seite der Czarin gekommen wäre; Jadwiga ließ bereits das schöne Köpfchen, das schon so kühne und reizende Hoffnungen genährt, ein wenig hängen-, sie saß jetzt von früh bis Abend an dem Stickrahmen in der Fensternische, bis der Klang von Sporen den Geliebten ankündigte, dann nickte sie ihm zu und winkte ihm noch lange mit dem weißen Tuche, bis er um die Ecke bog.
Auch heute harrte sie auf ihn, aber vergebens, er kam nicht und die Wachtparade war doch längst vorbei. Jadwiga's Herz pochte immer unruhiger und als die Glocke sie an den Miltagstisch rief, glühte sie vor Aufregung und nahm ihren Platz an der Tafel ein, ohne eine Silbe zu sprechen oder etwas zu nehmen.
„Was ist Dir?" fragte die Mutter besorgt.
„Nichts, nichts," erwiderte das Mädchen, „vielleicht werde ich krank."
„Einbildungen!" polterte der Vater, „ich werde Dich an einen vornehmen und reichen Mann verheirathen, der wird Dich rasch von Deiner Krankheit heilen."
Dem armen Mädchen schossen die Thränen in die Augen, da — in dem Augenlicke der höchsten Beängstigung — meldete der Kammerdiener einen kaiserlichen Adjutanten.
„Was kann das sein?" stotterte der Vater, „aber führe ihn doch herein!" Zugleich erhob sich der alte Niewelinski und ging dem jungen Offizier entgegen, welcher ihm schweigend eine Ordre der Czarin übergab. Herr Niwelinski erbrach sie, las und las sie wieder und sagte endlich: „Bin ich toll, vergeben Sie, Herr Adjutant, oder kann ich nicht lesen. Ich bitte, lesen Sie gefälligst selbst."
Der Adjutant nahm die Ordre und las: „Befehl der Kaiserin an Alexander Jwanowitsch Niewelinski! Derselbe hat sofort nach Empfang dieses seine Tochter Jadwiga für den kaiserlichen Kriegsdienst ansznrüsten.
„Also doch," fiel der Alte ein, aber wie ist das möglich — meine Tochter — für den Kriegsdienst —"
„Wenn Ihre Majestät die Kaiserin es befiehlt," sprach der Adjutant, „ist alles möglich." Dann las er mit lauter Stimme weiter: „Ich habe in meiner Gnade für Jadwiga Ale- xandrowna verfügt, daß dieselbe in das Regiment Tobolsk eingereiht wird und hat sich das Fräulein binnen 24 Stunden bei der Oberstkommandantin dieses Fußregiments, Frau von Mellin, zu melden, und den Dienst zu beginnen. Ihr Vater wird zu gleicher Zeit verhalten, dieselbe in kürzester Zeit auf seine Kosten und zwar mit vier Uniformen, zwei für die Parade und zwei für den Dienst, welche sämmtlich ans dem besten Sammle anzufertigen und die Ueberröcke mit Zobelpelz zu füttern und auszuschlagen sind. Ferner hat er dem gemeinen Jadwiga Alexan- drowna Niewelinski im Regiments Tobolsk 50 Rubel monatlich Zulage zu geben."
„Mein Gott," stammelte der Alte, „das kann ja nur Scherz
sein."
„Es ist voller Ernst," belehrte ihn der Adjutant.
„Da muß ich gleich selbst zur Kaiserin," rief die Mutter.
„Sie wird Sie nicht empfangen," sagte der Adjutant.
„Also ist diese Ordre unwiderruflich? rief der Vater.
„Unwiderruflich," antwortete der Adjutant.
„Meine Tochter ein Soldat, ein Gemeiner!" jammerte die Mutter.
„Sei ruhig, Mutter," sprach Jadwiga, „der Kaiserin muß man ohne Widerrede gehorchen; das wollen wir auch thun und ich will der großen genialen Frau gerne, ja mit Enthusiasmus, dienen."
„Erlauben Sie, daß ich mich setze," seufzte Herr Niewelinski, „und diese Kosten; muß eS wirklich Zobel sein, thätc es Marder- oder Fehpelz."
„Wenn in der kaiserlichen Ordre Zobel sieht," entgegnete der Offizier lächelnd, „so thut es nichts als Zobelpelz und die Damen, welche in der Armee dienen, tragen alle dieses Zobelwerk."
„Und diese Zulage," seufzte wieder der Alte, „aber da hilft nichts, Sibirien ist auch nicht geheizt, da heißt es lieber den Zobel zahlen und die fünfzig Rubel."
„Gewiß, Herr Niewelinski," sprach der Adjutant, „und ich werde mich beeilen, Ihrer Majestät Ihre Bereitwilligkeit, sowie Ihren begeisterten Dank zu melden."
Damit ging er und ließ die Familie Niewelinski mit ihren sehr gemischten Empfindungen allein, den Vater fluchend, die Mutter schluchzend, die Tochter im vollsten Jubel.
Jadwiga ließ indeß ihre Eltern nicht merken, wie viel Anlaß sie zu dieser seltsamen kaiserlichen Entschließung gegeben und wie selig sie über dieselbe war, sie machte ein möglichst schwer- müthiges Gesicht, beeilte sich aber Toilette zu machen und stieg dann in eine Sanfte, welche sie rasch zu Frau von Mellin brachte, der schönen, kühnen und durch ihre galanten Abenteuer berühmten Frau, welche damals das Regimenj Tobolsk commandirte.
Frau von Mellin empfing das schöne Mädchen in ihrem Bonboir in einem offenen Spitzenschlafrock und nöthigte sie sofort auf den Divan zu sich.
„Ich bin durch die Kaiserin in Alles eingeweiht," sprach sie. „Auf mich können Sie unbedingt zählen."
Dann klingelte sie und beschick» durch eine Ordonnanz den Lieutenant Samarin zu sich. Er erschien in wenigen Minuten, salulirte und blickte in militärischer Haltung an der Thnre stehend mit Erstaunen und einiger Verlegenheit ans die beiden schönen Damen, welche in lautes Lachen ansbrachen.
Frau von Mellin indeß faßte sich rasch, zog zwei Docu- mente aus der Tasche und begann: „Ordre der Kaiserin an den Lieutenant Samarin. Mein lieber Samarin! Ich finde es, Sie zum Capitän in Ihrem Regiments zu ernennen. Katharina II."
„Zum Capitän!" rief der überraschte Samarin, „wie wäre das möglich!"
„Es ist doch so," erwiderte ein schöner Oberst, „hören Sie nur weiter." „Ordre der Kaiserin an die Oberstcomman- dantin des Regiments Tobolsk. Das Fräulein Jadwiga Ale- xandrowna Niewelinski ist mit heutigem Tage als Gemeiner in das Regiment Tobolsk zu assentiren und sofort einzureihen. Sie ist in die Compagnie des Capitäns Samarin zu rangiren und es hat der genannte Capitän auf die Ablichtung dieses Rekruten seine ganz besondere persönliche Sorgfalt zu verwenden. — Hören Sie, Herr Capitän, — Seine ganz besondere persönliche Sorgfalt —"
„Werde nicht ermangeln." —
„Das setze ich von Ihrem Eifer für den Dienst Ihrer Majestät voraus. Dem Soldaten Jadwiga Niewelinski ist in der Kaserne des Regiments ein abgesondertes Zimmer mit aller einer Dame gebührenden Bequemlichkeit einzurichten und ein Mann zu ihrer persönlichen Bedienung beizugeben, sie ist auch in Allem wie ein Offizier zu halten. So, mein lieber Capitän, jetzt kennen Sie die Befehle Ihrer Majestät und ich kann nur noch wünschen, daß Sie strenge darnach handeln. Adieu!"
(Fortsetzung folgt.)
Allerlei.
— (Sperlings-Humor). Die zum Sprüchwort gewordene Zudringlichkeit der Sperlinge bewährte sich neulich auf merkwürdigste Weise. Ein Gartenbesitzer in Königshofen hat, um die Früchte eines Frühkirschbaumes vor dem gefiederten Gesindel zu bewahren, schon lange vor der Reife einen Popanz, sogenannten Strohmann, wie das auch bei den Weizenfeldern zu geschehen pflegt, als Vogelscheuche auf dem Baume befestigt. Er hatte dazu einen alten Tuchrock mit großen Seitentaschcn verwandt. Nachdem er jetzt, da die Kirschen gepflückt, den Strohmann vom Baume herabnimmt, findet er beide Seitentaschen des dazu verwendeten Rockes — mit Spatzennestern gefüllt!