Straßburg, 3. Juli, Hiesigen Blättern geht die Meldung zu, daß das Gesetz, betreffend die Einführung der Deutschen Reichsverfassung in Elsaß Lothringen, am 25. Juni vom Kaiser vollzogen worden sei und die Publikation desselben demnächst bevorstehe.

Wien, 4 Juli. Königin Olga von Württemberg und die Großfürstin Vera besuchten heute Vormittag die Welt­ausstellung, wo dieselben von dem Kaiser und den Erzherzogen Karl, Ludwig und Rainer emvfangen wurden. (N Z.)

In Troppau erregt die Entweichung einer Nonne aus dem Kloster der Deutschen Ordensschwestern immenses Aufsehen.

In Preßburg (Ungarn) wurden am 2 Juli Sendlinge der englischen Bibelgesellschaft, welche öffentlich Bekehrungsschrif- len vertheilen wollten, mißhandelt und verjagt.

Nach demSiccle" wurde in Nismes bei einer Prozession im St. Charles Kirchsviel die Siatue des heiligen Petrus mit Ketten an den Außen nmhergetragen, um die Noih desGefange­nen im Vatikan" anzudeuten, und in Paray le Monial vertheilte man Strohhalme unter die Wallfahrer, welche gerade aus dem Kerker gekommen waren, in welchem der unfehlbare Märtyrer gefangen gehalten wird.

Zu Ehren des Schah will man in Varis eine große Revue abhalten, wobei auch die Schuljugend mit Chassepots bewaffnet werden soll.

Bern, 29 Juni. Dr. Michelis ist in Zürich eingc- trosien, um daselbst die Gründung und Ordnung der altkatho­lischen Gemeinde zu vollenden.

Rom, 3. Juli. Die in Fulda versammelt gewesenen Bi­schöfe batten dem Papste eine Abschrift des in Berlin überreichten Collectivprotokolls übersandt und hat derselbe in einem an den Erzbischof von Köln gerichteten Schreiben geantwortet und darin erklärt, er sehe das größte Vertrauen in die deutschen Bischöfe, welche alle Rechte der Kirche zu wahren suchen werden.

Am 21. Juli d I. werden es 100 Jahre, daß Papst Clemens XIV (Ganganelli) den Jesuitenorden aufgehoben hat. Lange überlebt bat er sein menschenfreunlichcs Werk nicht. Feiern können wir das Jubiläum auch nur mit Haldem Herzen; denn den Krebsen sind die Schwänze wieder gewachsen.

Am Tegernsee und am Achensee hat ein Erdbeben den Leuten angst und bange gemacht. Das Wasser warf haushohe Wellen und die umliegenden Häuser wurden 20 Secnnden lang erschüttert. Man hat auch in München eine Erdcrschütterung gespürt, ebenso in Salzburg, Gör;, Ischl und Venedig. Auch aus einigen Orten der Ostgrenze Württembergs wurde solche wahrgenommen.

Die unterirdischen Mächte haben am Morgen des 29. Juni in Oberitalien, besonders jenseits des Pavie, wieder arges Unheil'angerichtet. In Felleto stürzte in Folge eines heftigen Erdbebens die Kirche ein und begrub 38 Personen unter ihren Trümmern In vier Ortschaften bei Viktore kamen 14 Personen um; eine weit größere Anzahl wurde durch zusammen­brechende Häuser verletzt. Der Dom in Bellnno und eine Kirche in Venedig erlitten Beschädigungen, in Verona nur einige Häuser. Weitere Nachrichten aus Görz, Triest, Pola, Riva, Klagenfurt, RadmannSdori, Ischl, Salzburg und München melden von gleich­zeitigen, ziemlich heftigen und theilweis von donnerähnlichem Ge­töse begleiteten Erdstößen in der Richtung von Nordwest gegen Südost, welche jedoch, ohne wesentlichen Schaden anzurichlen, vorübergegangen zu sein scheinen. In Wien und Umgegend ent­lud sich in den Nachmittagsstunden ein furchtbares Unwetter mit wolkenbruchartigen Regengüssen, wie es in solcher Heftigkeit und Ausdauer dort zu den größten Seltenheiten gehört. Der auf dem Welt au sstellu ngsp latze angerichtete Schaven läßt sich noch gar nicht berechnen. Alles war unter Wasser gesetzt; der heftige Sturm entwurzelte Bäume und riß die mit Leinwand ge­deckten Verbindungsgänge nieder. Der Verkehr, soweit überhaupt möglich, mußte durch improvisirte Brückenbauten und . Wagen bergestellt werden, deren Bespannung fußlief im Wasser watete. Nach einer guten halbe» Stunde verzog sich langsam das Gewit­ter und die mit Macht durchbrechende Sonne durchschien gleich­gültig den Schauplatz der Verheerungen.

Nicht geringe Sensation hat in London die Kunde hervor­gerufen, daß in Wien die asiatische Cholera aufzuireten be­ginnt und daß dieser Krankheit bereits zwei engl. Besucher zum Opfer gefallen sind.

Der persische Schah kann auch artig sein. Bei seinem Besuche in Windsor sagte er der Königin Victoria: Bisher habe ich meine Jahre von dem Tage meiner Geburt an gezählt, in Zukunft werde ich sie von der Stunde meiner Begegnung mit der Königin von England zählen. Die Königin beantwortete das Compliment, indem sie ein neues Dampfschiff nach dem Schah nannte. Bei allen Festen rc. kommt der Schah wenig­stens eine Stunde zu spät, er hat also keine Ahnung, daß Pünktlichkeit die Höflichkeit der Könige ist. Am übelsten spielte er der englischen Bank in London mit. Sie hatte ihn eingela­den, ihre Schätze und Eiurichtigungen zu besichtigen und einen ganzen halben Tag gefeiert, was bei dem Riesenvcrkehr der

Bank mit aller Welt, wo die kleinste Stockung Tausende kostet, keine Kleinigkeit ist. Der Schah ließ zusagen, aber .auch wieder in der letzten Stunde absagen, er sei zu müd. Die Bank ver­lor einen ganzen Tag und allen Respect vor dem Schah; denn etwas, wie die Bank von England kann er nirgends sehen.

Washington, 3. Juli. Eine Proklamation des Präsi­denten Grant kündigt eine allgemeine Weltausstellung in Phila­delphia für das Jahr 1876 an.

In Jedo in Japan ist der kaiserliche Palast (5 englische Meilen im Umfang) abgebrannt.

Genrebild aus dem Tagebuch eines Musketiers, s Aus derStation.")

Es ist nicht wenig geflucht worden, als wir nach der Ka­pitulation von Metz nach Verdun zu dessen Belagerung marschi- ren mußten. Auf dem ganzen Marsche hat cs furchtbar gereg­net und das trieb den Galgenhumor auf die Spitze. Auch ich bin nicht karg mit allerhand Verwünschungen unzarter Natur ge­wesen, in den Quartieren habe ich mit den Kameraden oft um die Wette auf. die Franzosen geschimpft, aber heute bereue ich die während der letzten zehn Tage mitgemachte Belagerung von Verdun nickt Wir haben damals, ein Bataillon stark, in dem Dörfchen Eix gelegen, und an diesen Aufenthalt knüpft sich für mich manch heitere, fast rührende Erinnerung. Mit besonderem Vergnügen gedenke ich der guten Frau Wittwe Martin, oder wie sie in Eix kurzweg genannt wurde:Möre Martin."

Zu ihr kam ich in's Quartier. Sie empfing mich und meine beiden Cameraden in schlechter Laune. Man hatte ihr auf die weiße Außenseite ihres reinlichen Häuschens mit großer Schrift und schwarzer Kohle geschrieben: 3 Mann der 4. Compagnie, das ärgerte sie, erstens hielt sie ungemein auf Reinlichkeit und die Prussiens hatten ihr so rücksichtslos die saubere Mauer be­schmutzt, dann war sie zu dem nebenan wohnenden Schulmeister gelaufen, und hatte sich von ihm, der ein wenig Deutsch verstand, die räthselhafte Inschrift erklären lassen. Die Hände schlug sie über dem Kopf zusammen, als der Schulmeister sagte:Möre Martin, Ihr bekommt 3 Mann in's Quartier."Was," hat sie ausgcrufen,mir, die ich keinen Dienstboten und kaum die Kraft habe, für mich selbst zu sorgen!" Sie sprach, wenn sie in Aufregung kam, noch ganz-geläufig, die Möre Martin, trotz der 80 Jahre, die sie zählte. Ja, man hätte dieses alte, weißhaarige Mütterchen mit der faltenreichen Pergamenthaut und den manch­mal noch funkelnden Augen sehen müssen, und ivenn man nicht gelacht hätte, wäre man mitleidig geworden. Arm war sie nicht, auch nicht geizig, aber sie lebte nun schon so viele Jahre allein, und hatte bis zu unserer Ankunft immer nur einen Soldaten im Quartier gehabt; jetzt aber drei, das war zu viel, darüber mußte sie sich ja ereifern. Wie wir drei also zu ihr iu's Zimmer ka­men, saß sie am Fenster vor dem Spinnrad und spann; das war ein Bild wie aus einem guten alten deutschen Märchen. Anfangs mochte sie nun schlecht hören, oder that sie es absichtlich, Anfangs ignorirte sie uns. Erst beim dritten bau zour that sie uns die Ehre an, aufzustchen. Nicht ohne Seufzer führte sie uns in ein anderes Zimmer, in dem ein breites Himmelbett stand. Es war die Putzstube. Jetzt erst sprach ich sie an, ich sprach auf Französisch, daß wir ihr wenig Umstände machen und sehr genügsam sein würden Sie mußte wohl noch wenig gutes Fran­zösisch von unseren Soldaten gehört haben, denn sie sah mich ganz verwundert, aber nicht mehr unfreundlich an, murmelte etwas vonbon xaryon" uich ijxf hinaus, um nach einigen Mi­nuten mit einer Flasche Wein und drei Gläsern wieder zurückzu­kommen. Wir tranken auf ihr Wohl, das freute sie so, daß sie alle Feindschaft vergessend, auch für sich ein Glas herbeiholte und mit uns anstieß. So ward die Alte redselig, fragte neu­gierig nach unfern Namen, die sie natürlich weder nachsprechen noch beh üten konnte, und sagte, zwei von uns sollen in dem Himmelbette, der dritte auf einer paillaee, die sie auf den Fuß­boden legen würde, schlafen. Der dritte, der den Strohsack be­kommen sollte, war ein ganz gelungener Kerl. Soldat war er nicht; dazu war er noch zu jung und auch zu klein; es war ein Junge, der von dem Garnisonsorte des Bataillons aus mit die­sem mitgelaufen und bei unserer Compagnie geduldet wurde; ein untersetzter strammer Junge, der mir die Sachen putzte und jeden Augenblick nach irgend einem französischen Ausdruck fragte. Er verstand es, sich bei unserer alten Wirthin rasch in Gunst zu setzen, indem er nicht ohne Anstrengung folgenden Satz zusam­men- und herausbrachte:0, Llaclams, I» guorrs! xranä malbeur pour vous «t pour nous." Das sagte er so komisch, daß wir Alle, die Alte mit, lachen mußten. Jetzt verständigte ich mich mit der Möre Martin über die Art und Weise unseres Haus­haltes ; das war eine der Hauptbedingungen.Wenn Sie so es­sen wollen, wie ich's gewohnt bin," sagte sie,so will ich für Sie mitkochen, es macht dann nur eine Arbeit. Wir waren da­mit einverstanden. Und nun hätte man die Möre Martin sehen müssen, mit welcher Geschäftigkeit, mit wie vielem Eifer sie trotz