Schwanenflügel wachsen zu lassen. Das geschah in Troyes im Jahre 1854. Er wurde zu fünf Jahren Gefängniß verurthcilt. Das Kind ist heute Korporal im 14. Linienregimeut. 'Nachdem er seine Haft abgebüßt, üble er seine Kunst nur noch an Leichen. Er verfertigte Fötus mit drei Beinen und vier Armen und verkaufte sie an verschiedene anatomische Museen der Provinz und des Auslandes. Endlich kam er auf die Idee, sich selbst zu verwandeln; er suchte sich einen Hahnenkamm au den Kopf anzn- »ähen; in Folge dessen bildete sich ein Absceß und Fomorus erlag nach vierzehutägiger Krankheit in seiner Dachkammer der Rue de la Valet dem Ehrgeize, sich auf seine alten Tage als ein Naturwunder sehen zu lassen. (Frtf. I.)
Von der Kriegsentschädigung, welche Frankreich an Deutschland zu zahlen hat, fliegen nicht weniger als 853 Mill. Franken nach Elsas; Lothringen, und zwar 325 Mill. für die einer Privatgesellschaft abgekaufte Osibahn; 28 Mill. als Entschädigung für die Notare, Anwälte, Gerichtsvollzieher, und 500 Mill. als Kriegsentschädigung an Private und Gemeinden.
Der Flüchtling.
«Fortsetzung )
lieber dem Thore war das grüne GasthauSzcichen angebracht, dem grünen, durstenden Wanderer Erfrischung verheißend, mehr noch aber als dies verrieth der Lärm und das Gläsergeklirr, das aus den Fenstern drang, daß hier Bier und Wein geschenkt wurde. Der Musikant trat in die Gaststube. Ein Sere- gant und ein paar Loldaten saßen um eine» langen Tisch herum und ließen die Flasche kreisen. In der Ecke lehnte ein Fuhrmann bei einen, Humpen Bier und sah mit halb neugierigem, halb mißtrauischen Blicke auf die fremden Krieger.
Kaum hatte der Geiger seitwärts Platz genommen, als der Sercganl anfsprang und ihn anfforderte, etwas Lustiges zu spielen.
Der Musikant schien anfangs nicht zu verstehen, was man von ihm wollte; als aber der Franzose lachend die Pantomime des Geigcns machte, zog er sein Instrument aus dem Futterale und begann es zu stimmen. Indessen trat das Schenkmädcheu mit Kannen ein und stellte eine derselben vor den, neuen Ankömmling hin. Darauf ging sie hinaus zum Brunnen, Gläser zu spülen
Wohl mochten es die schelmischen schwarzen Augen und vollen Lippen der Dirne dem Musikanten augethan haben, denn er legte das Instrument nieder und folgte ihr in's Freie.
„Sind die Soldaten mit ihren Pferden hier einquartiert?" fragte er, „das wäre viel für ein so kleines Haus."
„Das könnten wir brauchen!" sagte das Mädchen schnippisch, „nein, morgen gehen sie wieder und nehmen den armen Gefangene» mit sich."
„Ist hier drinnen ein Gefangener?" fragte der Musikant erstaunt.
„Ja, im grünen Zimmer," erwiderte sie — „die Fenster gehen auf das Wasser hinaus — dort halten sie ihn eingesperrt bis morgen früh, wo sie ihn nach der Hanptwache führen wollen. Einer sagte gar, sie warteten nur auf Befehl, ihn gleich hierzu erschießen — Anderes haben sie ja doch nicht mit ihm Sinn. Schade um ihn."
Sie sah sich bei diesen Worten fast erschrocken um, ob keiner der fremden Soldaten sich genähert und ihre Rede gehört hatte, denn sie meinte, jede Aeußerung der Theilnahme für den Gefangenen möchte die Franzosen erzürnen und Unheil auf sie selbst herabziehcn. Wirklich kam eben ein Soldat heraus, den flüchtigen Künstler zu holen. Dieser folgte seiner Aufforderung, und in der Stube Platz nehmend, ergriff er den Bogen und ließ eine lustige Melodie erklingen.
Inzwischen war ein neuer Gast eingetreten. Er trug einen Flaschnikorb und stellte ihn sorgfältig neben sich, als er an einem Seilentische Platz nahm.
Sein Kommen erregte Aufmerksamkeit; aber nicht der Mann selbst in seinem lichten, kurzen Sommcrrock und der Kappe auf dem krausen blonden Haar war es, den die Soldaten mit Interesse betrachteten, es war der Wein, den er mit sich gebracht, den sie manchen zärtlichen Blickes würdigten. Der Mnsikant legte, nachdem er ein Stück beendet, die Geige nieder und, aufstehend, trat er zu dem neuen Gast.
Er sah prüfend in den Korb hinein.
„Gehört der alte Wein Ihnen?" fragte er.
„Nein, mein Herr hat mich geschickt, ihn abzuholen. Er trinkt nichts Anderes, als das Beste, was sich auftreiben läßt," antwortete der Diener, denn das war er offenbar, wenn er auch keinen Livreerock trug, „sie sagen, cs sei die beste Qualität, aber das «ist für Unscreinen nicht gewachsen."
Der blasse Musikant seufzte und wandte sich, den Bogen auf's Neue zu ergreifen, als einer der Soldaten, welcher ihr Gespräch so ziemlich verstanden, von dem Tische aufsprang, an dem er zechend gesessen, und, fest, von Wein und von Begehr
lichkeit glühendes Gesicht über den Korb beugend, eine der Flaschen ergriff.
„Das soll ineine Beute sein!" rief er jubelnd aus, „die wollen wir ausstechen!"
Erschrocken sprang der Mann im lichten Rock empor und suchte sich der Flasche zu bemächtigen; aber lachend kehrte ihm der Franzose den Rücken, und einen Augenblick später kollerte der Stöpsel über die schmutzige Diele hin, und perlend floß der klare, goldene Wein i» die Gläser der Soldaten.
Der Bursche war außer sich.
„Meine Herren, Sie machen mich unglücklich!" rief er, „was soll ich ihun, wenn ich nicht alle Flaschen nach Hause bringen kann? Am Ende verliere ich meinen Dienst!"
Aber all' sein Flehen war vergebens, iheils verstanden ihn die trunkenen Soldaten nicht, thcils wollten sie ihn nicht verstehen.
Schläfrig schaute der alte Fuhrmann auf die Szene; wohl mochte er, wie so viele Andere, dem Spruche: „was Dich nicht brennt, das blase nicht," huldigen, denn er schloß gleich wieder die Augen, als sei die Angst des armen Menschen und das brutale Benehmen der Franzosen von gar keinem Interesse für ihn. Des Musikanten Züge jedoch drückten Staunen und Mißbilligung aus, aber offenbar wagte er nicht, seinen Gefühlen Luft zu machen. Er nahm wieder die Violine zur Hand und ließ eine fröhliche Melodie erklingen.
'Nun wollte der Mann mit dem Flaschenkorke sich leise davonschleichen; aber wie cs geht, wenn man jedes Geräusch vermeiden will, er stieß an den Tisch, die Gläser, welche darauf standen klirrten zusammen, und somit war die Aufmerksamkeit der Franzosen auf den Fluchtversuch gelenkt. Der Rädelsführer des Anschlages auf das köstliche Naß war es wieder, der die Nolle des bösen Genius übernahm.
„Laßt den Schelm nicht fort!" rief er, mit unsicherem Schritt auf den Erschrockenen zutanmelnd, „er will unser» Wein wegtragen."
„Ja, den Wein, den Wein!" riefen die Anderen, „den muß er dalasseu, dann mag er gehen, wenn er will "
„Aber die Flaschen gehören nicht mir!" rief der Mann heftig aus, „mein Herr wird außer sich sein!"
„Deine Gesundheit!" rief der trunkene Soldat, sich mit einem Griff des Flaschenkorbes bemächtigend.
Noch gab der Beraubte den Widerstand nicht auf. Bitten und Vorstellungen aller Art strömten von seinen Lippen, das Gelächter der Berauschten antwortete ihm, und mit schwerer Zunge murmelte der Seregant, er solle schweigen und ihn ruhig seinen Wein trinken lassen.
Nun war aber des Musikanten Geduld zu Ende. „Ist es nicht eine Schande, aus Trunksucht einen armen Menschen unglücklich zu machen?" sagte er im reinsten Französischen, „Ihr sollt ihm fldoch keinen Tropfen mehr nehmen!"
„Oho!" rief einer der Soldaten mit vor Zorn und Staune» funkelnden Augen, „wer darf uns hier etwas sagen? wir sind die Herren!"
Da ergriff der blonde Bursche den Leuchter und warf ihn zur Erde; zugleich erloschen die beiden Kerzen an den Nebentischen und Nacht ward es mit einmal. Einen derben Fluch ausstoßend, sprang der Seregant auf,, im selben Augenblicke aber fühlte er sich ergriffen, und trotz seiner heftigen Gegenwehr mit Stricken gebunden.
„Macon, Gouard herbei, helft mir doch!" ries er. Aber keiner der Soldaten kam ihm beizustehen — sie waren selbst der Hilfe bedürftig — ja sie hörten ihn nicht einmal in dem Lärm, in der grenzenlosen Verwirrung. Sie eilten zu ihren Waffen, fanden sie jedoch in der Dunkelheit nicht. Wäre es aber selbst helllichter Tag gewesen, sie hätten sie vergeblich gesucht, war ja doch der Fuhrmann indessen nach der Ecke geschlichen wo sie lehnten, und hatte sich ihrer bemächtigt. Der eine der Soldaten, sich den Händen entwindet, die ihn zu knebeln trachteten, eilte die Thüre zu gewinnen; ehe er aber sein Vorhaben ausführcu konnte, erreichten ihn die Verfolger, und nach kurzem Widerstand unterlag auch er der Gewalt.
Nun war es plötzlich still geworden nach all dem wüsten Lärm. So vergingen ein paar Minuten; da schlug der Fuhrmann Feuer, und es ward licht im Zimmer. In ohnmächtiger Wuth lagen die geknebelten Soldaten auf dem Boden.
Der Musikant näherte sich nun dem Seregant, und sich über ihn beugend, suchte er mit zitternden Händen in den Taschen des Betäubten.
Da erhob der eine der Soldaten, der Unruhestifter Macon, die Augen, welche er im Jngrimme gesenkt, und sein flammender Blick siel durchbohrend auf des Geigers Gesicht, das plötzlich von Hellem Roth übergoffen, durch Freude verklärt erschien. Hoch erhob dieser den gefundenen Schlüssel, und rasch sich aufrichtend, eilte er damit nach dem anstoßenden Zimmer. Die Thüre sprang auf, uud zeigte ein in tiefe Dämmerung gehülltes Gemach.
„Herrmann, Herrman!" rief der Musikant mit fast versagender Stimme.
„Bruder, bist Du es wirklich?" tönte es von des Ge-