Berlin, 7. Okt. Die Nachricht, daß die Sendungen von Belagerungsgeschütz nach Paris nunmehr beendet seien, wird jetzt amtlich durch denStaatsamzeiger" mit der Meldung bestätigt, daß nun der gesammte Belagerungspark vor Paris angekommen sei. Es herrscht jetzt dort und hier jene tiefe Stille, die dem Sturme vorherzugehen pflegt; man wird an einem Tage und zu einer Stunde das Bombardement beginnen und so lange fort­setzen, bis die Capitulation erfolgt.

Nach dem Eintreffen der französischen Depesche, welche ein unentschiedenes" Gefecht zwischen Raon l'Etape und BruyereS im Dep. der Vogesen, Bezirk St. Die, meldete, kam die auf dasselbe Gefecht Bezug habende deutsche Depesche aus Etival, einer Station an der Eisenbahn von Luneville nach St. Die, von dem sehr entschieden siegreichen Gefecht der ba­dischen Brigade Degenfeld. Der Sieg der badischen Truppen ist um so höher anzuschlagen, als diese 15,000 Franzosen so nahe an Lunoville waren (etwa noch 8 Stunden), wo sie die Eisenbahn zerstören und damit die Verbindung Süddeutschlands mit der Pariser Belagerungsarmee hätten abschneiden können. Die Brigade wird nun sonder Zweifel gegen die obere Marne vormarschiren, wo das Nest für die Banden ist, welche unsere Proviant- und Sanitätskolonnen schon so manchmal angefallen haben. Noch bedeutender war der Bazaine'sche Ausfall aus Metz am 7. Oktober. Nachdem fast jeden Tag Gefechte auf dem rechten Moselufer vorgekommen, wobei am 2. Oktober vorzugsweise die Landwehrdivision Kummer betroffen wurde, welche überhaupt bei den meisten Ausfällen der feindlichen Besatzung engagirt war, wurde diese Division, um sie mehr zu schonen, auf das linke Ufer herüber verlegt, da bisher das rechte Ufer den Hauplan­griffspunkt gebildet hatte. Allein am 7. fiel Bazaine gerade da­hin aus, wo die Division Kummer ihre neue Stellung genommen hatte, und so hatte diese wiederum die meiste Arbeit und Gefahr. Diesmal, wie sonst immer, wurde der Feind, der seine Garden in Feuer geführt hatte, nach Metz zurückgeworfen. Betheiligt waren noch Truppen vom 10., 1., 3,, preußischen Korps.

Versailles, 9. Okt. Officiell. Eine Escadron des 16. Husarenregiments wurde in der Nacht vom 8. auf den 9. Okt. durch Verrätherei der Bewohner Ablis im Arrond, Rambouillet, überfallen. Der Ort wurde zur Strafe niedergebrannt. Von der Loire vorgegangene größere feindliche Abheilungen sind am 9. Okt. von preußischen und bayrischen Truppen südlich von Camps zersprengt worden. Die geflohenen Bewohner der Ort­schaften nördlich von Paris kehren in ihre Dörfer zurück. (N.-Z.)

Versailles, 11. Okt. Offiziell. Ein gemischtes Corps aus. Truppen, der Armee des Kronprinzen unter General Tann schlug am 10. Okt. einen Theil der Loirearmee bei Orleans, 1000 Gefangene gemacht, drei Geschütze erobert. Feind in regelloser Flucht. (S. M.)

Wie das überall geschieht, so scheint auch die Gesellschaft von Versailles allmählich sich in das Unvermeidliche zu fügen. Man sieht bereits elegante Toiletten in den Straßen: Alles kriecht sachte aus seinem Versteck heraus, denn der Kommandant von Versailles, General v. Voigts-Rhetz, läßt es nicht an beruhigen­den Aufforderungen fehlen, welche das Vertrauen wieder Herstellen.

Wie preuß. Bl. mittheilen, hat der König befohlen, ferner­hin junge Soldaten nicht eher nach dem Kriegsschauplätze zu schicken, bevor sie nicht wenigstens eine dreimonatliche militärische Ausbildung genossen haben.

DieFrbgr. Ztg." schreibt: Nach glaubwürdigen Nachrichten aus dem Oberelsaß sollen dort Brunnenvergiftungen festgestellt sein, und mehrere deutsche Soldaten und Pferde, welche Wasser aus diesen Brunnen tranken, Symptome der Vergiftung gezeigt haben.

Da die Franzosen mit Pulver, Blei und Eisen, den gewohnten Waffen civilisirter Völker, so ensetzlich schlecht gefahren sind, so werden sie's wie schon bekannt ist, mit dem Petroleum versuchen. Statt die Finsterniß der Pariser Straßen, denen das Gaslicht bekanntlich entzogen ist, mit Hilfe dieses nützlichen Äeleuchtungsmittels zu erhellen, tabriziren sie zwei-, vier- und sechspfündige Peiroleumgeschosie, denen sie den an­genehmen NamenSatansraketen" gegeben haben, und dies schauerliche Instrument, dessen Name schon die Herzen der deutschen Krieger erzit­tern läßt, wird in einer Mädchenschule bereitet.Ein Feuermeer wird auf die preußischen Massen fallen, Alles verbrennend, die Patronen und die Patronentasche der Soldaten entzündet und die Munition der Ar­tillerie in Brand steckend: ihre Auflösung wird vollständig sein." Einige übertrieben verständige Menschen haben zwar gemeint, diese Satansra­keten zahlen nicht eigentlich zu den erlaubten Mitteln der Kriegführung. Aber die» Bedenken ist bei den edlen Parisern rasch erledigt. Sie lügen nämlich, die Preußen hätten Straßburg mit Petroleumbomben beworfen und geben nun vor, in edler Sittlichkeit abwarten zu wollen, daß dies auch gegen Paris geschehe, um dann mit den Repressalien derSatans-

' ö" antworten. Es steht also der Anwendung derselben .in Paris Nichts entgegen, denn die Lüge von Straßburg läßt sich ohne erhebliche Anstrengung auch für Paris leisten.

Stuttgart. Man spricht hier davon, daß der Herr Ju- fnztminster Mitt nacht das Ministerium des Aenßern überneh­men werde. Faktisch ist er gegenwärtig bereits Minister dieses Departements. (D. ^ )

Stuttgart. Die Depositenbank veröffentlicht ihre Ver­luste, welche sie durch die Unterschlagungen und Fälschungen ihres

geflüchteten Direktors Burger erleidet. Sie belaufen sich auf nahezu eine halbe Million.

Die diesjährige Volkszählung für Zollvereinszwecke ist auf das nächste Jahr verlegt worden.

Rottendurg, 8. Oktbr. Der Hopfenhandel scheint nun hier allmählig sich wieder zu beleben, da neben Platz- und Ex­porthändlern namentlich viele Bierbrauer hier sind, welche zu 25 bis 33 fl. hier und in nächster Nähe aufkaufen.

Merklingen, OA. Leonberg, 7. Okt. In Folge einer telegraphischen Anzeige des Oberamtsthierarztes, daß eine weitere Kuh schnell verendet habe, ordnete der Oberamtmann die Töd- tung fämmtlicher mit den erkrankten Thieren in Berührung ge­kommener Rindviehstücke, acht an der Zahl, nach vorgängiger Schätzung ihres Werthes an. Gott gebe, daß durch diese ener­gischen Maßregeln die weitere Verbreitung der Rinderpest ver­hütet werde (St.-A.)

Von der Rinderpest sind bis heute heimgesucht die Orte Merklingen, Ober- und Unterriexingen, Obernhausen, OA. Neuen­bürg. und Renningen, welche militärisch abgesperrt wurden.

Am 23. Juli, wo das Vorpostengefecht bei Hagenbach stattfand, und die Turkos zurückgeworfen wurden, hatte ein ver- möglicher Bauer in Möhringen gm Bussen einen solch panischen Schrecken vor den Rothhosen, daß er in seinem Keller zur Si­cherheit 40 Napolconsdor, 10 doppelte und 17 einfache Friedrichs- dor in einer Blechbüchse vergrub. Da nun die Deutschen vor Paris stehen und keine Invasion mehr zu befürchten ist, so wollte er vor kurzem den Schatz wieder holen, aber siehe das Nest ist leer und die Goldvögel sind ausgeflogen, keine Spur vorhanden. Dem Rath sich am neuen Staatsanlehen zu 6 pCt. zu betheiligen, gab er kein Gehör, glaubte keine genügende Bürgschaft zu haben, nun hat er zu seinem eigenen Schaden noch von Manchen den Spott.

München. 8. Okt. Zwanzig bei Sedan und Toul auf Ehrenwort entlassene Offiziere haben sich freiwillig in Ingolstadt gestellt, darunter der Gouverneur von Toul: Frankreich wollte sie wieder zum Kriegsdienst pressen.

Der Erzbischof von München-Freising hat einen Hirtenbrief erlassen, in welchem er über die Ereignisse, durch welche dem heil. Vater Pius IX. der letzte kleine Rest seines weltlichen Be­sitzthums auf gewaltsame Weise entrissen worden ist, seinen tief­sten Schmerz öffentlich zum Ausdruck bringt. Die Diözesanen werden aufgefordert, zu Gott zu beten, einmal, daß er dem heil. Vater auf dem höchsten Gipfel der Prüfung seinen göttlichen Bei­stand verleihe, daß er ihn stärke und erleuchte, und dann, damit der Krieg, in den unser theures Vaterland verwickelt ist, in einem durch das Blut so vieler seiner tapferen Söhne zwar schwer er­kauften, aber durch so viele glänzende Siege wohlverdienten glück­lichen Frieden seinen baldigen Abschluß finde.

Die Zahl der in Deutschland zur Zeit befindlichen französ. unverwundeten Kriegsgefangenen beläuft sich nunmehr durch den Zuwachs nach dem Falle der Festungen Laon, Toul und Straß­burg auf 3577 Offiziere und 123,700 Mann.

Berlin, 8. Okt. Das Staatsministerium hat beschlossen, den neuen Landtag gegen Mitte Nov. einzuberufen. Die Wahl­männerwahlen sind gegen den 25. d, die Abgeordnetenwahlen für die ersten Tage des Nov. beabsichtigt. (S. M.)

Berlin, 9. Okt. Eine Versammlung von Katholiken hat einstimmig beschlossen, eine Adresse an den König zu richten, welche denselben bittet, dem Pabste in seiner bedrängten Lage zu helfen.

Berlin, 10. Okt. Die italienische Regierung mißbilligt Garibaldi's Betheiligung am Krieg Frankreichs gegen Deutschland. Eine bonapartistische Restauration, die niemals ernstlich beab­sichtigt war, ist von allen Seiten aufgegeben. (S. M.)

Berlin, 10. Okt. Die Regierung ließ mehreren Regie­rungen eine Denkschrift folgenden Inhalts mittheilen: Die Re­gierung spricht die Ueberzeugung aus, die Hauptstadt (Paris) müsse über kurz oder lang fallen. Wird der Zeitpunkt hinaus­geschoben, bis drohender Mangel an Lebensmitteln zur Capitu­lation zwingt, so müssen schreckenerregende Consequenzen entste­hen. Der deutschen Armeesührung ist es in diesem Falle unmög­lich , eine Bevölkerung von 2 Millionen nur einen einzigen Tag mit Lebensmitteln zu versehen. Die Umgegend von Paris bietet alsdann, da deren Bestände für die diesseitigen Truppen gebraucht werden, auf viele Tagemärsche ebensowenig Hilfsmittel; es sei daher nicht gestattet, die Bewohner von Paris auf Landwegen zu evacuiren. Unausbleibliche Folge hievon ist, daß Hundert­taufende dem Hungertode verfallen. Der deutschen Armeeführung bleibe nichts übrig, als den Kampf durchzuführen. Wollen die französischen Machthaber es zu einem Extrem kommen lassen, so sind sie für die Folgen verantwortlich. (W. C.Bl.)

DieWeser-Ztg." meldet:Wie verlautet, sollen zu den im Hauptquartier beabsichtigten Verhandlungen über den Anschluß der süddeutschen Staaten an den norddeutschen Bund auch die süddeutschen Fürsten eiugeladen werden. Man hofft das Re­sultat der Verhandlungen dem bereits im November zusammen­tretenden Reichstag vorlegen zu können."