an-rveichrm die bis dahin freie Reichsstadt durch Verrath und Hinterlist in fremde Gewalt gefallen war. Am 28. September 1870 Morgens ist die deutsche Fahne zum ersten Male wieder auf den Wällen, vom Straßburg aufgepflanzt worden, feit am 28. September 168-1 die Truppen des Marschalls LouvoiS ohne vorhergegängene Kr iegSerklärung über die wehrlose Stadt herein­gebrochen waren ui td durch Ueberrumprlnng der Rheinredoute die erschreckten Bürger zur Uebergabe gezwungen hatten. Die Be­lagerung von Stra ßburg hat im Ganzen 48 Tage gedauert, vom 11. August bis 27- September.

" Von der krieg Sgefangenen Besatzung von Straßburg kamen 15,000 nach Rastatt, wovon 7000 ein Lager bei Oetigheim bezogen.

München, 28. Sept. Die hiesige Künstlergenoffenschaft erläßt einen Aufruf, wonach sie zum Besten der Jnvalidenstiftung eine Bcrloosung vom Kunstwerken veranstalten wird. Sie bittet die gesammte deutsche Künstlerschaft um Gaben, bestehend in Werken ihrer Hand aus allen Zweigen der bildenden Kunst. Es solle» 100,000 Loose d 1 Thlr. ausgegeben werden, ffsf München, 26. Sept.Lutherisch san wir nit worden in dem Krieg, aber Preußisch. Dös könnts dem Herrn Pfarrer ag'n, weil er bei unserm Ausmarsch gar so a Angst g'habt hat um unser Seelenheil. Die Preußen san gar brave Kameraden und halten mit uns dringest zusammen, rvö's auf die Franzosen losgeht. Da san a falsch Volk, ob's wohl katholisch sein woll'n, wie die Bayern; d' Preußen machen koa Kreuz, san aber doch christlich. Der Herr Pfarrer hät's nur seh'n soll'n dort bei Se­dan, wie Preußische Jäger neben uns nach der Schlacht a geist­liches Lied g'sungen hab'n und die Musik hat dazu g'spielt. Wir hob'n alle g'juchzt aus Freud, aber glei a aufg'hört, wie die Preußen z'stngen ang'fangt hob'n, g'schämt hob'n wir uns a a wenni, denn uns is koa Lied eing'falle, dös so rühri war wie das von den Preußen!" Also lautet der Brief eines Ober­länder Buben, der bei dem Landsberger Jägerbataillon steht, sein Vater las denselben am letzten Markttag im blauen Dock zu München mehrere mal vor und fand der Inhalt allgemeinen Beifall.

Das Central-Komite der deutschen Vereine zur Pflege im Felde verwundeter und erkrankter Krieger macht bekannt, daß bis jetzt an baar Geld bei demselben 1,342,793 Thlr. eingegan­gen, aber bereits auch verausgabt sind.

Berlin, 28. Sept. DieProvinzial-Correspondenz" schreibt: Frankreich kann nicht mehr hoffen, seine Niederlage in Sieg zu verwandeln. Jede Fortsetzung des Krieges ist vergebli­ches und deßhalb doppelt freventliches Blutvergießen. Graf Bis­marck hat diejenigen Forderungen angekündigt, welche Deutschland unbedingt stellen muß. Bei Frankreich steht es, zu verhüten, daß schließlich die Friedensbedingungen größere werden. Ganz Deutsch­land wird der wiedergewonnrnen deutschen Stadt Straßburg nun­mehr die herzlichsten Gesinnungen entgegenbringcn.

Berlin, 30. Sept. Die Versammlung der Stadtverord­neten hat einstimmig den Antrag Virchow's angenommen: den Magistrat zu ersuchen, sich an die Spitze eines Aufrufs zur Hilfe für Straßburg zu stellen. (S. M.)

DieKreuzztg." schreibt, daß eine nochmalige Einberufung des bisherigen Abgeordnetenhauses im Monat Oktober wahr­scheinlich ist.

Der Köln. Ztg. wird von Berlin geschrieben: In Berlin circulirt eine jedenfalls wohlgemeinte Adresse an Se. Majestät, worin der König gebeten wird, sich den Gefahren und Strapa­zen des Krieges nicht mehr in der bisherigen Weise auszusetzcn. Bei dieser Gelegenheit erwähnen wir, daß wir gewarnt werden vor Anschlägen auf das Leben der Mitglieder der kgl. Familie. Wir vertrauen darauf, daß gegen derartige abscheuliche Ausbrüche des sranz. Fanatismus alle Vorsichtsmaßregeln getroffen werden.

Die Kreuzzeitung bringt einen Leitartikel, worin sie die Hand­lungsweise des Generalgouverneurs Vogel von Falckenstein, den Demokraten vr. Jacobi in Königsberg eingesperrt zu haben, vrrtheidigt. Die Socialdemokraten in Deutschland und Frankreich hätten es auf den Umsturz aller Monarchiecn abgesehen und da­rum sähen sie es nicht gern, daß Preußen durch Elsaß und Loth­ringen vergrößert werde, weil sie dann ihr Vorhaben so leicht nicht durchführen könnten.

Der Eorrespoudent einer engl. Zeitung, der den Kaiser Na­poleon auf Wilhelms höhe besucht hat, erzählt, er habe ihn am Schluffe seiner Unterredung mit der Hoffnung getröstet, es könne noch alles gut gehen mrd man könne ihn bald wieder in den Tuilerien sehen. Der Kaiser schwieg einige Augenblicke, dann stieß er einen Seufzer aus und antwortete: Niemand, mein Herr, kann sagen, was jetzt geschehen kann.

DerBund" meint, Deutschland solle jetzt, da die von Bis­marck geforderten Wasienstillstandsbedingungen durch Straßburgs Einnahme so ziemlich erfüllt seien, den Waffenstillstand selbst ent­bieten. Allerdings ist nicht zu zweifeln, daß die Franzosen den­selben annehmen werdem Allein diese Schweizer vomBund" halten denn doch denDülschen" nach alter Schweizer Manier für gar zu einfältig.

Bern, 30. Sept. General Uhrich ist gestern Abend mit 14 Personen in Basel zu den drei Königen abgcstiegen. (S. M.)

Tours, 30. Sept. Zufolge eines Dekrets werden in die Mobilgarde der Freiwilligen" alle Männer vom 21. bis 40. Jahre cingcreiht. Die Organisation derselben ist dem Präfekten übertragen. Die Militärpflichtigen vom 25. bis 35. Jahr ver­bleiben in der Mobilgarde, bis der Kriegsminister sie rcklamirt. Die Präfekten können der seßhaften Nationalgarde die Waffen abnehmen , um die Mobilgarde zu bewaffnen, und können sämmt- liche Waffen rcquirircn. Die Franctircurs werden zur Dispo­sition des Kriegsministcrs gestellt. Die disciplinarische Ordnung der Mobilgarde ist auch für sie giltig.

DerConstitiitionnel franxais" sagt: Die Wahlen zur Con­stituante werden am 16. Oktober vorgcnommen.

Toulouse befindet sich ebenfalls im Zustande der Anarchie. Das Seminar wurde verwüstet, das Bild eines Bischofs in Stücke gerissen und eine bedeutende Geldsumme aus dem Seminar geraubt. Nach der Emancipation hielten die Jakobiner eine große Volksversammlung, worin einstimmig unter großem Ent­husiasmus folg. Beschlüsse gefaßt wurden:Die Versammlung verlangt, daß sämmtliche Bürgermeister, Friedensrichter, Feldhüter und Gerichtsdiener' sofort ab- und dafür radikale Republikaner eingesetzt werden. Die Versammlung fordert den Bürgcrpräfekten auf, das Gesetz gegen die Jesuiten sofort in seiner ganzen Strenge anzuwenden. Die Versammlung fordert den Stadtrath auf, sich ein Muster an Lyon, Marseille und anderen großen Städten des .Südens, namentlich aber an der revolutionären Pariser Gemeinde von 1793 zu nehmen, da andernfalls die Bürger durch den Drang der Verhältnisse gezwungen sein würden, die Sorge für das Ge­meinwohl ohne Zeitverlust selbst in die Hand zu nehmen.

Eine Depesche der Times meldet aus Lyon, äck. 29. Sept.: Gestern wurde eine regierungsfeindliche Demonstration versucht. Der General Cluserct erzwang den Eingang ins Stadthaus und haranguirte das Volk. Die Nationalgarde stellte die Ruhe wieder her. Cluseret sammt anderen Rädelsführern wurde ver­haftet.

Napoleons Manifest soll in wenigen Tagen in engli­schen und belgischen Blättern erscheinen. Es will wahrheitsge­treu die Genesis des Krieges erzählen, zum Frieden mahnen, das zwiefache Verderben, die drohende Gefahr der Fortsetzung des Krieges mit dem besser gerüsteten und in vortheilhasten Stel­lungen befindlichen feindlichen Nachbar und die Gefahr eines Bürgerkrieges schildern und endlich in energischen Ausdrücken die Mitglieder der jetzigen Regierung für Usurpatoren und Hochver­räter gegen Krone und Nation erklären. Palikao hat sich von Wilhelmshöhe in das preußische Hauptquartier begeben.

Brüssel, 28. Septbr. Aus Paris wird gemeldet: Die Regierung hat eine Proklamation erlassen, in welcher die Ge­rüchte als unwahr bezeichnet werden, daß die Regierung die Po­litik, wegen welcher sic auf den Ehrenposten der Gefahr gestellt worden sei, zu verlassen gedenke. Die Regierung werde diese Politik bis zum Ende aufrecht halten und keinen Zoll Gebietes, keinen Stein der Festungen abtreten.

Antwerpen, 29. Sept. Heute Nacht fand eine furchtbare Feuersbrunst statt; die Zuckerrasfinerie Meens ist vollständig abgebrannt; vier anstoßende Häuser stehen in Flammen. Die Feucrsbrunst dauert aufs Heftigste fort.

Rom, 28. Sept. Die indirekten Ausgleichsverhandlungcn mit dem Pabst dauern fort und sprechen für die versöhnliche Stimmung eines Theils des hohen römischen Klerus. Die ita­lienische Regierung soll die Garantien der geistlichen Unabhängig­keit und die Höhe der Civilliste des Pabstes vorschlagen, und alle andern Mächte sollen eingeladcn werden, diejenigen Bürgschaften beizufügcn, welche sie dem Pabst bezüglich ihres Verkehrs mit ihm, bezüglich der Unabhängigkeit seines Verkehrs mit den Katho­liken in ihren Staaten und bezüglich ihrer Beiträge zum Unter­halt des heiligen Stuhles anbieten wollen. Der Pabst beauf­tragte die Kardinäle Guidi, Silvestri und Di Pietro zur Ausar­beitung von Vorschlägen über den moäus vivonül mit Italien. Baldoni, der Chef der päbstlichen Sbirren, ist wegen gemeiner Verbrechen verhaftet. Die Junta dekrctirte die Errichtung eines Denkmals für die 1867 und 1870 für die Befreiung Roms Gefallenen. General Cadorna dehnte die Befugnisse der römischen Junta auf die ganze Provinz aus.

Rom, 29. Sept. Der Papst erklärte sich in einer Protest­note vom 20. d. an alle fremden Gesandten als Gefangener in seinem eigenen Hanse.

Petersburg, 30. Sept. Das Journal dementirt formell den Ankauf amerikanischer Panzerschiffe, sowie das Gerücht von Truppenansammlungen im Südwesten des Reiches, und von der Berufung Jgnatiesfs nach Petersburg anläßlich von Ver­wickelungen mit der Türkei. Rußland habe stets in loyaler Weise die Politik des Friedens musterhaft befolgt. Der Kai­ser hat Herrn Thiers empfangen.

RedaMcn, Druck und Verlag der G.W. Zaiser'schen Buchhandlung.