ein einziger falscher Allarm, obwohl so nahe der Grenze! Kein Offizier, kein Dragoner sprengt durch die Straßen und regt die Einwohner auf. Alles geht seinen fürchterlichen, großartigen, ernsten, rnhigeu Gang! Dagegen muß man die Mobilmachung i,n Jahr 1866 gesehen haben!! Auf dem Kriegsministerium herrscht dieselbe Ruhe bei derselben Thätigkeit und Schweigsamkeit. Gestern Abend sah ich einen Spion transportire»; das Volk ohne Lärm und Geschrei schwieg, als wenn nichts wäre, während der Pöbel in Straßbnrg den gefangenen Generalstabsoffizier C. v. Röder an die Laterne hängen wollte, hätte ihn die Wache nicht ins Gefängniß geführt. Es gelang der Energie der badisch-preußi­schen Offiziere, ihn wieder gegen die Drohung, alle im badi­schen Lande noch befindlichen Franzosen aufzugreifen freizu­machen. Kommt nur nicht aberpials wie die österreichische Landwehr zu spät mit dem Mobilmachen wie im Jahr 1866. Leicht möglich, daß die Franzosen einen Theil unseres Landes erobern und aussangen, aber doch wird cs gut gehen. Unsere norddeutsche moralische wie materielle Uebermacht ist zu colossal!

Auf der badischen Bahnstrecke Offenburg-Rastatt ist der Bahnverkehr gänzlich unterbrochen, weil die Bahn zerstört ist.

München, 20. Juli. Wir haben bereits die Aeußecnng Kolbs in der Ausschnßsitzung erwähnt. Wir stellen diesem das Auftreten eines Ultramontancn, des Dr. Sepp, in der Kammer gegenüber. Sepp sagt u. a.:Der Krieg bricht los, jedes Wort kommt jetzt zu'spät! Es ist ein großer Moment'in der Geschichte. Wir ziehen mit, sonst rollt das Rad der Zeit über uns weg, wie allzeit über die Neutralen. Wie immer die Würfel fallen, wollen Sie, m. H., uns gegenüber nicht die einzigen Deut­schen sein. Wir alle sind hier deutsch, und es gibt keinen Halb­franzosen unter uns. Die französischen Chauvinisten sind längst ansgestorben. Wir halten uns an das Wort des deutschesten unter den deutschen Fürsten, weiland König Ludwig I. von Baiern, Wir wollen Deutsche sein und Baiern bleiben! Was mich am meisten empört, ist die Beleidigung, daß mir und wohl auch an­dern, ans Frankreich eben eine briefliche Aufforderung zngegan- gen, ja für die Erneurung der alten Waffenbrüderschaft mit Wort und That einzustehen, wie sie im Rheinbund bestanden. Ich gebe hiemit darauf Antwort. Auch nur an diese Möglichkeit zu den­ken, halten wir für eine nationale Schmach, erklären wir laut für Vaterlandsvcrrath! Ich bitte und beschwöre >sie, meine Freunde! Nur nichts Kleinliches in diesem Augenblicke. Wir können nicht anders, wir müssen die Mittel zur Kriegführung im vollen Um­fange bewilligen. Ich trage mit Freuden diese Verantwortung meiner geflügelten Rede. Gott gebe den Waffen der Deutschen den Sieg.

München, 22. Juli. Der Landtag ist bis auf Weiteres vertagt; der Präsident sprach znm Abschied den Wunsch aus: Gott möge das Vaterland beschützen. (S.V.)

München, 23. Juli. Se. Mas. der König hat auf tele­graphisches Anerbieten Sr. kgl. Hoh. des Kronprinzen von Preu­ßen bei der jüngsten Tochter des letzteren Pathenstelle übernommen.

Wie sehr in Baiern noch die ultramontane Partei gegen Preußen schürt, Mag folgender Fall beweisen: 810 bairische Soldaten stellten sich bei ihrem Kommando, verweigerten aber zugleich, mit Preußen gegen Frankreich zu ziehen. Ueber den Grund hievon befragt, gaben sie an, ihr Pfarrer habe ihnen beim Heil ihrer Seele verboten, dies zu thun. Die betreffenden Soldaten wurden eingesteckt, und werden sich jetzt ohne Zweifel rasch anders entschließen; der Herr Pfarrer aber bekam Besuch von einem Unteroffiziere und 4 Soldaten, welche ihn in ihrer Mitte vor das Kommando brachten, woselbst er zu vorläufigem Sicherheitsarrest verurtheilt wurde. Diese entschiedene Handlungs­weise wird allgemein gebilligt und wird manchem ähnlich Gesinnten den Mund stopfen. (S. M.)

Die Passions-Vorstellungen im Oberammergau sind durch den Krieg unterbrochen worden. Die Augsburger Allgemeine Zeitung meldet, daß der Darsteller des Christus als wohlbestell­ter Artilleriekorporal hat einrücken müssen; zwei Apostel folgen nach und 30 Mitspielende wird das gleiche Loos treffen.

Vom Mittelrh ein, 20. Juli. Die bange Furcht, in der wir seit Samstag lebten, weicht allmälig einer mehr gefaßten Stimmung. Alle Nachrichten, die uns von jenseits der Gränze zukommen, weisen darauf hin, daß die französische Arm.ee noch keineswegs zum Angriff bereit ist, und damit schwindet die Sorge, das linke Rheinufer plötzlich vom Feinde überrumpelt zu sehen. Erst heute haben sich die meisten französischen Reservisten bei ihren Fahnen einzufinden. Auch ist die Zahl der dem fran­zösischen Heere zu Gebote stehenden Pferde trotz der großen Zwangsrequirirungen noch keineswegs genügend, um einer gro­ßen Armee die nöthigen Requisiten in Feindesland nachzuführen. Die Schnelligkeit, mit der die diesseitigen Rüstungen betrieben werden, läßt uns das Beste hoffen. Schon jetzt steht längs der französischen Grenze von Trier bis Basel eine Truppenmacht zum Empfange der Feinde bereit, welche ein rasches Vorrücken dersel­ben in das Herz Deutschlands unmöglich macht.

Berlin, 19. Juli. Die europäischen Mächte haben ver­geblich ihren Einfluß bei Frankreich geltend zu machen gesucht,

um dasselbe von dem ungerechten Kriegsunternehmen zurückzuhaljxn. Es gibt keine Regierung, keine Nation in Europa, die nicht mit immer wachsender Entschiedenheit das Verhalten Frankreichs, zu­mal nach der Erledigung der hohenzollernschen Candidatur, ver­urtheilt hätte. Was die weitere Stellung der Mächte betrisst, so haben dieselben sämmtlich ihre Neutralität ausgesprochen. Die Rüstungen gehen in Preußen und in ganz Deutschland mit eben so großer Ruhe und Zuversicht, wie mit lebendigem Eifer vorwärts und werden in Kurzem so weit gefördert sein, daß die deutschen Armeen zur Abwehr und zum Angriff getrost hinaus­ziehen können. Die Rüstungen in Frankreich, welche von langer Zeit her vorbereitet waren, scheinen freilich im Augenblicke weiter vorgeschritten zu sein, als die unserigen; aber dieser Vorsprung wird, Dank der trefflichen Organisation unseres Heerwesens, ho- fentlich in kürzester Zeit ausgeglichen sein. Es ist wohl möglich, daß die Franzosen ihren augenblicklichen Vortheil zu vorläufigen wohlfeilen Erfolgen auszubenten versuchen; aber auf den Ge- sammtverlauf des bevorstehenden Krieges wird dies schwerlich von Einfluß sein. Auch in dieser Beziehung darf das deutsche Volk der Voraussicht und der sorglicheu Führung seitens des Oberseld- herrn und seiner erprobten Räthe vollkommen vertrauen. Wir wollen uns rein halten von Ueberhebung und Uebermuth aber zum Kleinmuth haben wir keinen Grund.

Berlin, 20. Juli. Die dänische Regierung hat in Lon­don offiziell erklären lassen, sie werde neutral bleiben.

Berlin, 21. Juli. Der König wird jedenfalls am 27. d., dem allgemeinen außerordeutiichen Buß- und Bettag, noch in Berlin anwesend sein und sich überhaupt nicht früher zur Armee begeben, als bis das Hauptquartier etablirt ist. Nach den jetzt erfolgten endgültigen Bestimmungen werden die gesammten am Rhein operirenden Streitkräfte aus drei Armeen bestehen und außerdem noch, eine weitere Armee zur Küstenvertheidigung gebildet werden.

Der Kronprinz von Preußen hat den süddeutschen Höfen seine Ernennung zum Befehlshaber der süddeutschen Armee an­gezeigt. Der Großherzog von Baden erwiderte hierauf: Jubelnd sehen wir Ew. Königl. Hoheit Ankunft entgegen.

Berlin, 22. Juli. Ein k. Erlaß vom 21. d. M. ordnet die Abhaltung eines außerordentlichen allgemeinen Bettags für den 27. d. M. an, sowie die Abhaltung besonderer Gottesdienste während der Dauer des Kriegs.

Berlin. 20. Juli. Heute hat sich das Auge eines Man­nes für immer geschlossen, der so viele Augen dem irdischen Lichte wieder geöffnet hat. Der berühmte Augenarzt Gräfe ist von seinen Leiden durch den Tod erlöst worden. (S. M.)

Sämmtliche deutsche Fürsten, heißt es, würden in den nächsten Tagen in Coblenz eintreffen.

Der Herzog Karl von Holstein-Glücksburg, Bruder des Kö­nigs von Dänemark, hat sich entschlossen, den Feldzug gegen Frankreich mitznmachen.

Die brave k. sächsische Armee hat durch König Johann den obersten Bundesfeldherrn gebeten, sie im Kampfe gegen die Franzosen in die erste Reihe zu stellen. (Dfz.)

Der Oberpräsident von Hannover veröffentlicht folgendes Telegramm des Königs:Hocherfreut über den patriotischen Auf­schwung in Hannover, den ich gestern (21. Juli) überall in der Pro­vinz gefunden. Gott mit uns!"

Saarbrücken, 20. Juli. Heute Mittag erschoß ein Sol­dat des 40. Infanterieregiments, der auf Vorposten stand, einen französischen Infanteristen auf 300 Schritt Entfernung. Die französischen Chasseurs zu Pferde gaben darauf mit ihren Kara­binern Feuer, gingen aber dann zurück, als unsere Ulanenpatrouil­len vom 7. Ulanenregimente vorrückten. Die französischen Patrouil­len kommen jetzt häufig über die preußische Grenze. Es haben noch verschiedene andere kleine Vorpostengefechte stattgefunden und es wurden heute Abend zwei gefangene französische Soldaten ein­gebracht. Die Franzosen klagen über die Gewaltmärsche, die sie in letzter Zeit gemacht hätten. Der Feind steht drüben in Stärke von 2 Brigaden mit etwa 16 Geschützen, ist aber augenscheinlich noch nicht fertig. Kaiser Napoleon, der schon vor mehreren Tagen zu Metz ankommen sollte, wo das schöne Hotel de l'Eu- rope für ihn gemiethet ist, beeilt sich nicht, zu Pferde zu steigen. Im Allgemeinen gelangt man hier mehr und mehr zu der An­sicht, daß die Kriegsbereitschaft in Frankreich noch keineswegs so weit vorgerückt ist, wie geglaubt wurde.

> Ueber die Veranlassung , welche den Herzog Adolph von Nassau bewogen hat, sich für den ausgebrochenen Krieg dem obersten Bundesfeldherrn zur Verfügung zu stellen, geht derPost" folgende Mittheilung zu: Der Kaiser Napoleon III. hat an den Herzog die Anforderung gestellt, sich unter seinen Schutz zu be­geben, und ihm für den Fall des Eingehens auf diesen Vorschlag die Wiedererlangung Nassan's zugesichert. Herzog Adolph hat darauf geantwortet, daß er sehr wohl wisse, was er als Deut­scher dem Deutschen Vaterlande schuldig sei, und stellte unmittelbar nicht nur sich selbst dem Bundesoberfeldherrn zur Disposition, sondern veranlaßte auch den Prinzen Nikolaus, seine Dienste dem Vaterlande anzubieten.