Motto.
30 . März: Wer besitzt, der lerne verlieren, wer im Glück ist, der lerne den Schmerz,
zz Philosophen berichten: die Welt sei leicht zu regieren.
Last't sie mir gehen und seht, wie sie sich selber regieret.
T a g e s - N e « i g l e i l e n.
* Nagold, 28. März. Aus dcm 5. Rechenschaftsbericht (vom 3K März bis 3t. Dez. 1869.) der hiesigen Handwerkerbank entnehmen wir, daß deren Mitgliederzahl sich auf 141 gehoben hat. Die monatlichen Einlagen betragen 1457 fl., die ausgenommenen Vorschüsse 29,462 fl., die zurückbezahlten 30,606 fl. 30 kr. Das ektzene Betriebskapital stellt sich aus 5685 fl., wovon 559 fl. 30 kr. als Rcservefond dienen. Der Reingewinn von 134 fl. 50'/, kr. wurde dem Rejervefond zugeschlagcn. Der Gesammtumfatz, auf «in Jahr berechnet, ergibt die Summe von 171,907 fl. 58 kr. Die Einnahmen der mit der Handwerkerbank verbundenen Sparkasse beziffern sich mit 3278 fl. 31 kr., und der Gesammt-Spar- kassen-Conto mit 6783 fl. 6 kr. Seit einem Vierteljahr ist für die Mitglieder der Bank auch eine Conto corrent-Rechnung eröffnet worden, von welcher erfreulicher Gebrauch gemacht wird.
A lte nstaig Stadt. Unsere Handwerkerbank hat nunmehr das zweite Jahr hinter sich und zeigt einen für dieses kurze Bestehen sehr günstigen Stand. Die Zahl der Mitglieder beträgt 111- Vorschüsse wurden geleistet 26,321 fl., zurückbezahlt wurden 17,350 fl. Die Einlagen betrugen 3112 fl. ^Der Reingewinn betrug 290 fl., wovon nach Abzug einer Summe für den Neservefond eine Dividende von 4"/o gewährt werden konnte. Der Kassenumschlag betrug 102,461 fl. gegen 48,000 fl. im vorigen Jahr. — Auch unser Gcwerbeoerein, der jetzt das erste Vereiusjahr hinter sich Hai, scheint festen Fuß gefaßt zu haben; derselbe zählt 78 Mitglieder, -seine Aufgabe suchte er theils durch Verbreitung gemeinnützlichcn Wissens vermittelst eines Lesezirkels und öffentlicher Vorträge, theils durch öffentliche Besprechung örtlicher Bedürfnisse (Backhansfrage u. dgl.) zu fördern; namentlich hat er auch um die Fortbildung der Jugend sich angenommen und für diese im Verein mit den hiesigen Behörden durch Beschaffung eines Lokals gesorgt, in dem Sonntags durch Bücher rc. Gelegenheit zur Fortbildung geboten ist. Auch bei den städtischen Wahlen hat er sich, zum Theil mit günstigem Erfolg, betheiligt. — Noch verdient der Erwähnung, daß die städtischen Behörden die Anschaffung und Aufstellung einer großen Wage für den Frucht- und Viehmarkt beschlossen haben.
Stuttgart, 24. März. Die heutige Kammer-Vertagung ist vielen unerwartet gekommen, und doch war sie wohl das einzige Mittel, um vielen Streitigkeiten, Verbitterungen u. s. w. aus dem Wege zu kommen und doch den Wunsch des Landes um Verminderung des Budgets, Verringerung der Militärlast erfüllen zu können. Der Hauptfinanzetat wird inzwischen umgearbeitet und namentlich das Militärbudget. Um das aber recht zu verstehen, ist zugleich nothwendig, die Veränderung in der Person des Kriegsministers ins Auge zu fassen. Generalmajor v. Suckow, der neue Kriegsdepartementschef, gilt als Verfasser des Kricgsdienstgesetzes von 1868; er wird es also nicht aufgeben und die Regierung kann das auch kaum wollen. Aber cs läßt sich dem Wunsche des Landes durch verringertes Kontingent und Herabsetzung der Präsenzzeit entgegenkommen und durch Er- fparniß von Million am Kriegsbudget. Das kann Generalmajor v. Suckow am besten, ohne das Gesetz selbst zunichte zu machen und die Organisation zu erhalten. Durch den Rücktritt des Herrn Golther vom Kultministerium und dessen Ernennung zum Präsidenten des königl. evangelischen Konsistoriums ist auch das Präsidium des königl. Geheimenraths erledigt. Dies wird nun ohne Zweifel Minister Freiherr v. Varnbüler führen, als der nun älteste Ressortminister. Auch v. Golther hatte den Vorsitz des Gch.-Raths nur in interimistischer Weise und so wird es wohl bleiben, da der Geheimeralh abgefchafft und ein Staatsrath und ein Staatsministcrium dessen Stelle ersetzen soll. Die Finanzkommission kann nun während der Vertagung den Etat inzwischen vorberathen, da die Aenderungen an demselben, mit Ausnahme des Kriegsetats, nicht sehr bedeutend sein werden. — Der ständische Ausschuß ist derselbe geblieben und eine Neuwahl nicht nöthig geworden. Derselbe dürfte demnächst bei dem neuen Anlehen für Eisenbahnbauten in Funktion zu treten haben, da er dieses in Gemeinschaft mit dem Hrn. Finanzminister zu unterhandeln hat. (Schw. B.)
AusOberschwaben. Eine Illustration zu der Agitation gegen das Kriegsdienstgefetz und der Ministerkrise einerseits und der Gesinnung unseres Königs anderseits dürfte folgender verbürgter Vorgang auf dem jüngsten Königsball zur Geburtsfeier des Königs dienen. Der König war auf dem Balle, den ihm zu Ehren die Stadt Ulm veranstaltete, erschienen, und unterhielt sich leutselig mit den Ballgästen. Besonders frenudlich sprach er mit dem Herrn Oberstudienrath Rector Nagel und nachdem er sich nach dessen persönlichen Verhältnissen erkundigt hatte, fragte er ihn auch nach der Frequenz der Realanstalt und den Einwirkungen des neuen Kriegsdieustgesetzes auf dieselbe. Hr. Nagel
erwiderte, daß in Folge der Vorbereitung auf den einjährigen Dienst die Frequenz der Realschule zunehme und besonders die Oberralschule viel besuchter sei, auch sei der Fleiß der Schüler im Zunehmen und die Unterrichtserfolge viel besser. Der König freute sich über diese Wahrnehmungen und sprach seine hohe Befriedigung darüber aus, daß das Kriegsdienstgesetz in dieser Richtung zur intellectuellen Hebung unserer Jugend beitrage. Nach diesen Kundgebungen wird es den Agitatoren gegen das Kriegsdienstgesetz schwer werden, die Gesinnung Sr. Majestät zu ändern, denn was Einzelne durch die verlängerte Präsenz verlieren, gewinnen wieder Andere durch intensivere Bildung, und damit das gesammte Volkswohl. (S. V.)
Um die Bedeutung politischer Vorgänge in unserem Württemberg richtig zu beurtheilen, ist von Werth, zu sehen, wie die Gegner sie beurtheilen. Den Miuistcrwechsel nennt das „Deutsche Volksblatt": „eine bedeutende Concession au die preußische Seite"; und der „Beobachter" schreibt in seiner mehr poetischen Weise: „Das Land wird aufschauen und aufschaudern über solche Wirkung seiner Bewegung, die das Gegentheil von dem bringt, was es damit wollte." Unter „Land" versteht der Beobachter bekanntlich immer seine Partei, und daß dieser und den verbündeten Großdeutschen die Sache verwunderlich, sogar schauerlich vorkommt, wollen wir gerne zugeben.
Ein flottes achtzehnjähriges Bürschchen, mit ordnungsmäßigen Papieren versehen, aus Oestreich zugereist, hat dieser Tage als Schncidergeselle bei verschiedenen Meistern in Rastatt Arbeit gesucht und wurde zuletzt als Mädchen erkannt.
Unter den Flößern und Taglöhneru in Gernsbach im Murgthale ist ein ziemlich allgemeiner Slrike ausgebrochen, der dadurch veranlaßt wurde, daß eine Gesellschaft Waldbesitzer an der obern Theiß, also an der Grenze von Galizien, Ungarn und der Bukowina, dieselben gegen hohen Lohn zu gewinnen sucht.
Augsburg, 25. März. Ein Telegramm der „Allgem. Ztg." datirt Rom, 24. März, meldet: Bischof Stroßmayer erklärte in einer Rede, man könne einen Glaubenssatz nicht ohne die moralische Uebereinstimmung des gesammten Episkopats de- finiren. Unter großem Tumult wurde er, darauf von dem Vorsitzenden gezwungen, die Rednerbühne zu verlassen.
Die „N. N." berichten von einem am 21. ds. in Haidhausen stattgehabten Mordversuch. Ein Herrschaftsdiener goß seiner schlafenden Ehefrau, mit welcher er seit längerer Zeit in Uneinigkeit lebte, siedendes Blei in das linke Ohr, drückte die laut Aufschreiende unter die Bettdecke, suchte sie zu erwürgen, ließ einen Augenblick, um die schreienden Kinder zu beruhigen, von ihr ab, verfolgte jedoch die Fliehende, welcher es endlich durch fortgesetzte Hilferufe gelang, die Hausbewohner aufmerksam zu machen und sich in der Wohnung eines derselben in Sicherheit zu bringen. Der Thäter wurde alsbald verhaftet. Der Zustand der Frau läßt keine unmittelbare Lebensgefahr besorgen, der Gehörsinn scheint jedoch auf alle Fälle zerstört. (St.-A.)
Berlist, 24. März. Der von dem Bundeskanzler dem Bundesrathe vorgelegte Antrag, betreffend die Einführung der vierten Wagenklasse, geht dahin, „der Bundesrath wolle beschließen, die Bundesregierungen zu ersuchen, mit thunlichster Beschleunigung auf den Staatsbahnen eine vierte Wagenklasse mit einem mäßigen Fahrpreise und unter Gestattung der Mitnahme einer Traglast bis zu 50 Pfund einzurichten, auch mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln eine gleiche Einrichtung für die Privatbahnen zu erstreben."
Den Biertrinkern zum Tröste hat der preuß. Finanzminister im Reichstage die Erklärung abgegeben, es stehen keine Veränderungen in der Besteuerung des Bieres bevor.
Ein Erlaß des Kriegsministeriums in Wi°en fordert die pensionirten Offiziere vom Hauptmann aufwärts zum Wiedereintritt in die Armee auf, um Ersparungen am Pcusionsetat herbeizuführen.
In Graz droht ein Müllergesellen-Strikc, in Prag ist eine Arbeitseinstellung der Schriftsetzer vorbereitet.
Paris, 21. März. In der heutigen Sitzung des Gesetzgebenden Körvers wurde ein Gesetzentwurf vorgelegt, welcher das Coutingent für 1870 auf 90,000 Mann normirt. — Die Diskussion über die Interpellation wegen Abschaffung der Todesstrafe wurde nicht zu Ende geführt. Dieselbe wird morgen fortgesetzt.
Paris, 24. März. Der gesetzgebende Körper nahm in seiner heutigen Sitzung einstimmig den'Gesetzesentwurf, betr. die Aufhebung des allgemeinen Sicherheitsgesetzes, an.
Paris, 25. März. Ein kaiserl. Dekret vom 24. März ernennt den General Leboeuf zum Marschall von Frankreich. — Der „Constitutionel" glaubt zu wissen, daß das päpstliche Antwortschreiben gestern hier eingetroffen sei.
In Toulouse starb eine Frau von 104 Jahren. Sie hieß Algae Timusier, trug einen starken Backenbart und einen Knebelbart, der 30 Zoll lang war.
Florenz, 24. März. Diesen Morgen wurde zu Pavia