rerer Berichte der staatsrechtlichen Commission. — (88. Sitzung.) Die Kammer geht die einzelnen Positionen des Rechenschaftsberichts des ständischen Ausschusses während der letzten Vertagung durch und verweist die einzelnen Gegenstände an die betreffenden Commissionen. Der Justizminister Frhr- v. Neurath beantwortet nun die Interpellation des Abg. Römer wegen der Gerichtsorganisation dahin, daß vor Allem erst die Resultate der Arbeiten der Commission siir Entwcrfung einer allgemeinen deutschen Civilprozeßordnung abzuwarten seien. Sie hätte zur zweiten Lesung des Entwurfs bereits am 15. Januar sich wieder in Hannover versammeln sollen, sei aber auf den Antrag Ocstreichs bis zum 15. Februar vertagt worden. Indessen habe er die Frage einer genauen Prüfung unterzogen, ob nicht durch eine von dem Projekt seines Vorgängers abweichende Gerichtsorganisation das gleiche Ziel auf eine für den Staat und die Parteien wohlfeilere Weise erreicht wercen könne. Die Kammer geht nun zu Berathung des Berichts der staatsrechtlichen Commission bezüglich der Verfügungen des Finanzministeriums vom 19. Dezember 1860 und 14. Juni 1861, den Postverkehr betreffend, über. Die Commission beantragt einstimmig, die Kammer möchte in einer Adresse an die Staatsregierung bezüglich dieser und etwaiger künftiger Verfügungen und Verordnungen das ständische Recht der Zustimmung wiederholt entschieden verwahren und festhaltcn- Die Minderheit stellt den Zusatzantrag, die Negierung um geeignete Einleitung zu gesetzlicher Regelung des Post-, Eisenbahn- und Telegraphenwesens zu bitten. Während der hiebei sich cntspin- ncnden Debatte erklärt Minister v. Varnbüler, daß er die sämmtlichen Bcrkchrsanstalten nicht finanzwirtbschaftlich, sondern lediglich volkswirth- schaftlich zu führen gedenke. Der einstimmige Antrag der Commission wird schließlich mit großer Mehrheit angenommen, der MindcrheitSantrag mit 43 gegen 35 Stimmen glci.. falls angenommen. Auch bezüglich der Tcle- graphrnverträge beantragt die Commission, die ständische Zustimmung zu wahren und stimmt die Kammer bei. — (89. Sitzung.) Staatsrath v. Renner bringt einen Gesetzesentwurf ein, durch welchen die Hundesteuer auf den 1>/,fachen Betrag der jetzigen erhöht werden soll. Minister v. Gesilcr beantwortet die Anfrage von Ammermüller und Genossen wegen Einbringung eines Hochbaugesetzes. Er bedauert, die Vorlage eines solchen Entwurfes noch nicht in Bälde zusagen zu können, weil rer bereits auSgcarbeitetc Entwurf, der die privatrcchtlichen Verhältnisse nicht hinläng, lich berücksichtigt habe, und lediglich eine Baupolizciordnung gewesen sei, zur Umarbeitung an das Ministerium des Innern zurückgcgebcn worden sei. Dieses habe sich sofort an das Justizministerium gewendet, und es sei eine gemischte Commission niedergesetzt worden, die nun nicht blos die öffentlich-rechtlichen, sondern auch die privatrechtlichen Verhältnisse in's Auge fassen und die Sache möglichst fördern werde. Erath und Ammermüller stellen die Anfrage an den Minister des Auswärtige», ob die Negierung nicht gesonnen sei, Schritte für Einführung des Pfcnningtarifs für den Steinkohlcntransport auf den Eisenbahnen zu thun. Minister Frhr- v. Varnbüler entgegnet, daß erst eine Ueberbrückung des Rheins bei Mannheim hergestellt sein müsse, bevor man in dieser Sache etwas thun könne, weil man vorher keine direkte Verbindung mit den rheinischen Kohlengruben habe- Auch könnten auf der württemdergischcn Bahn uur Transporte von 3500 Ctr. Kohlen befördert werden, während die norddeutschen Bahnen, die keine so großen Curven hätten, Züge mit 5000 Ctr. transportircn könnten, endlich fehle es bei uns an Eonsumentcn, welche ganze Züge bestellen. Mit den sächsischen und böhmischen Kohlcnwerken könne man bis jetzt nicht in nähere Verbindung treten, weil die Kohlen- xrcise dort noch zu hoch ständen.
* Nagold, 17. Ja». Ein schnelles nnd trauriges Ende traf gestern Atzend einen Mann in Wildtzerg, indem solcher ans seinem Heimwege von der ober» Stadt den sog. Ratzmenberg herunter — ein Weg, der selbst bei guter Jahreszeit nur für sichere Fußgänger gefahrlos zu begehen ist — über einen kleinen Rain stürzte und das Genick brach. Obgleich seine Angehörigen fast die ganze Nacht nach ihm gesucht, fand man ihn erst henke tcüh am Abhange jenes Berges hinter einer Scheune, wohin sein Körper gerollt sein mußte, liegen.,
Stuttgart. Wie man hört, soll die Kanzleistunde in Zukunft von 8—3 Uhr dauern, wobei die Herren erst um diese Stunde zu Lisch gehen nnd dann fertig wären. Wir hören die projekiirte Einrichtung als sehr zweckmäßig bezeichnen. (S.V.-Z.)
Stuttgart, 16- Ja». Die Justizgcsetzgebungs-Commis- sion der Kammer der Abgeordneten hat bei Berathung der Be- cher'schen Motion sich mit allen gegen eine Stimme für die Abschaffung der Todesstrafe ausgesprochen.
Karl ruhe, 13. Jan. Gestern starb hier der frühere evangelische Prälat und Oberkirchenrathsdirektor Ullmann.
München. Der Streit des Bischofs von Speyer mit unserer Negierung über die Errichtung nnd Besetzung einer theologischen Lehranstalt in Speyer soll nun, wie es scheint, zu einer Sache des gesammten baieriscben Klerus gemachk werden. Man vernimmt, daß sämmtlichc Erzbischöfe nnd Bischöfe in Baiern eine Beschwerdeschrift über das Verfahren unseres neuen Knltministers v. Koch, der die speyerec Lehranstalt schließen ließ, an den König gerichtet und sich zugleich an den Papst gewendet haben, damit von Rom ans ernstliche Verwahrung eingelegt werden. Auch sollen die katholischen Geistlichen Baierns aufgeforbert werden, «ine Beschwerdeschrift an den König zu unterzeichnen. Man sieht,
der hohe Klerus verschmäht die demokratischen Mittel der Agitation ganz und gar nicht, wenn sie seinen Zwecken dienlich scheinen. (Frb ZI
Der bekannte Schriftsteller Carl Gutzkow hatte in einem Anfalle von Geistesstörung im Hotel Crapp in Friedberg Hand an sein Leben gelegt, indem er sich mit einem Dolche am Halse und den Armen die Adern durchschnitt und mehrere Stichwunden versetzte. Man hofft sein Aufkommen.
Berlin, 14. Ja». Die Eröffnung des Landtags hat heute Mittag 1 Uhr durch den König in Person stattgcfnnden. Die Königin, der Kronprinz, sowie alle hier anwesenden Prinzen und Prinzessinnen des k. Hauses wohnten der Eröffnungsfeier bei. Das diplomatische Corps war vollständig anwesend; überhaupt war der Glanz der Versammlung ein ganz außerordentlicher. Der König wurde bei seinem Erscheinen von den Mitgliedern der beiden Häuser mit einem dreimaligen Hoch! begrüßt, nnd ebenso wurde auch, als der König sich entkernte, wieder ein dreimaliges Hoch! ausgebracht. Die Thronrede wurde mit tieser Stille angehört. Der Eindruck, den dieselbe gemacht hat, ist, nach den verschiedenen Parteistellungen, ei» gecheckter. Die Thronrede des Königs hatte einen Rückblick zu thun auf ein ereignißreiches Jahr. Der jetzigen Heeresorganisation sei es zu verdanken, daß die Führung des Kriegs ohne Aufgebot der Landwehr möglich gewesen, daher sei die Anfrechthaltung und Vervollkommnung derselben des Landesherr» Pflicht. Besondere Sorgfalt fordere die Entwicklung der Marine; Preußens Ausgabe erfordere die Ausbildung einer Seemacht; dazu dürfen die Opfer nickt gespart werden. Der handelspolitische Satz lautet: es ist der Regierung gelungen, den Fortbestand des Zollvereins zu sichern; den Verträgen mit Frankreich haben die Vereiusregiernngen zugestimmt, und die Zollvereinsverträge sind erneuert worden. Die Verhandlungen mit Oestreich versprechen ein baldiges Ergebniß. Der Satz über Oestreich und Schleswig-Holstein sagt: Wie beide Heere den Lorbeer gekheilt, so verknüpft beide Höfe sein enges Bünd- niß, dessen Grundlage Meine und Meines Verbündeten deutschen Gesinnungen sind; in diesen Gesinnungen, in der Treue gegen die Verträge liegt die Bürgschaft für die Erhaltung des den deutschen Staaten Schutz sichernden Bundes. Der dänische Friede gab Deutschland seine Nordmarken zurück, ermöglichte diesen die Betheilignng am Nationalleben; Meine Politik hat die Aufgabe, diese Errungenschaft durch Einrichtungen sicher zu stellen, welche den Schutz jener Grenzen erleichtern, und die Herzogtümer befähigen, ihre Kräfte für die Entwicklung der Land- und Seemacht des Gcsammtvalerlandes zu verwerthen. Diese Forderungen aufrecht haltend, werde die preußische Politik den begründeten Ansprüchen des Landes wie der Fürsten zu entsprechen suchen. Meine Rechlsüberzeugung und Meine Pflichten gegen Preußen werden Mein Bestreben um die Verständigung mit den mitbesitzenden Ver- kündeten leiten. Hinsichtlich der inneren Verhältnisse sagt der König: Es ist Mein dringender Wunsch, daß der Gegensatz zwischen. der Negierung uns dem Abgeordnetenhaus seine Ausgleichung finde. Die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit konnten die Meinungen über das Bedürfniß einer besseren Heercsorgani- sation ausklären; die verfassungsmäßigen Rechte der Landesver- tretnng werde Ich fortwährend achten nnd wahren; aber soll Preußen seine Selbständigkeit und die ihm gebührende Machtstellung behaupten, so muß die Regierung stark sein, darum ist ein Einverständuiß mit der Landesvertretnng nur unter Ansrechthaltung der Heereseinrichtungen möglich, welche die Sicherheit des Vaterlandes verbürgen.
Berlin, 14. Jan. Grabow eröffnet« die Sitzung dös Abgeordnetenhauses mit einer längeren Ansprache: Im verflösse-, neu Jahre sei eine vom Abgeordnetenhaus stets erstrebte, von den Sympathien des deutschen Volks getragene Natioualthat vollbracht worden, das heldenmüthige preußische Heer habe mit den östreickischen Truppen, geführt von dem rnbmgekrönten Sohne der Hohenzollern, das deutsche Recht wiederhergestellt. Die Scharte von Ollmütz sei auSgewctzt, der Londoner Vertrag zerrissen, Preußens verpfändete Ehre ruhmreich eiugelöst. Er fordert die Landesvertrerer auf, dem siegreichen preußischen Heere den Dank des Vaterlandes darzubringen durch Erhebung von den Sitzen. Es geschieht. Grabow schließt mit einem Hoch quf den König. Kein Minister war anwesend. — Bei der Präsidentenwahl wurde Grabow mit 222 von 256 Stimmen gewählt.