ruft er aus: Napoleon hat sein eigenes Volk geschlachtet, er verlach Italien, er schützt die Ränder in Rom und hält seine Hand über den Papst. Er muß aus Italien hinaus; nieder mit Ra- poleon! Auf, ziehen wir nach Rom und Venedig! — Victor Emanuel schlägt die Hände über den Kops zusammen über diesen undiplomatischen Freund und gibt ihm öffentlich Unrecht, wie er ihm vielleicht im Stillen Recht gibt. Das junge Königreich braucht der Ruhe, um sich innerlich zu befestigen ; jetzt liegts immer im verzehrenden Fieber und ruft in ihm »ach Rom und Venedig. Das kommt daher, weil der ungcberdige Volksfübrer unser bescheidenes Sprüchwort nicht kennt: mit vielem hält inan Hans, mit wenig kommt man aus, d. h. ohne Rom und Venedig.
Turin, 22. Juli. In der Kammer wurde eine K. Botschaft gegen die Ausschreitungen der Geistlichkeit mit lebhaftem Beifall ausgenommen und deren Dringlichkeit volirt.
Paris, 25. Juli. Man versichert (so meldet die Patric), Garibaldi beabsichtige mit 6000 Freiwilligen eine Landung an der Küste des Kirchenstaats. Sechs französische Kriegssahrzeuge seien zur Ueberwachung der Küste beordert.
Brüssel, 21. Juli. Wie ich aus guter Quelle erfahre, arbeitet der Kaiser Napoleon gegenwärtig dahin, Oestreich dazu zu bestimmen, dem Beispiele Rußlands und Preußens folgend, das Königreich Italien anzucrkcnnen. Frankreich hofft dann den seil lange gewünschten Kongreß der europäischen Mächte zu Stande zu bringen und auf diesem die römische Frage ihrer Lösung entgegen zu führen.
Newyork, 11. Juli. Präsident Lincoln ist gestern Abend wieder in Washington cingetrvffen. Wie der Korrespondent her Newyork Tribüne berichtet, statteten ihm bei seiner Ankunft in Harrison's Landing General M'klcllan und mehrere Offiziere des Unionsheeres einen Besuch an Bord des Dampfers ab. Nach einer Privat-Confcrcnz mit dem General nahm der Präsident die Verschanzungs-Linien in Augenschein. In einer kurzen Ansprache an die Soldaten bemerkte er, er sei gekommen, um sich mit eigenen Augen zu überzeugen, wie die Sache stehe, und werde zufrieden zurückkebren. Man habe gesagt, das Unionsheer sei geschlagen worden, allein bas sei nicht der Fall und werde auch nicht der Fgll sein. Er wisse, daß er Männer in seiner Umgebung habe, die ihrer Aufgabe gewachsen seien und nicht eher ruhen würden, als bis sie in Nichmond stände». Der Präsident erklärte außerdem, er habe Vertrauen zum Heere und dessen Befehlshaber. Die Verstärkungen unter General Burnside sind den Jamesfluß hinausgcsegclt. (Köln. Z.)
Newyork, 16. Jnli. Die Einnahme von Batourvnge wird bezweifelt. — Ein Meeting empfiehlt energische Fortsetzung des Kriegs, und alle fremde Intervention znrückzuwetsen. Die vermittelnden Mächte weisen die Emancipation der Sklaven ab.
(T. d. H. T.)
Der Wolf vom Hagelschieß.
(Fortsetzung.)
Noch einige Schritte thaten sie vorwärts, da aber verwandelte sich ihr Erstaunen in förmliches Entsetzen! Am ander» Ende der Stallungen nämlich, da wo sich die Thür nach der Schloß- grabcnbrücke hin öffnete, lagen mehr als fünfzehn Schafe und Lämmer in ihrem Blute schwimmend, und es war also klar, daß derselbe schlimme Feind, der die Nacht zuvor so schrecklich unter der- Heerde gehaust, hier abermals seine Einkehr gehalten haben müsse. Wohin übrigens die noch lebenden Schafe gekommen seien, darüber konnte man auch nicht lange im Zweifel sein, denn die nach außen führende Thür stand spcrrwcit aus, und die Thiere hatten sich also offenbar durch die Flucht in's Freie gerettet. Sprachlos standen sie nun und schauten einander an, als hätte sie der Schlag gerührt, aber in der nächsten Sekunde schon kam vollständige Nüchternheit über sic, denn mitten unter ihnen erscholl eine Stimme, die ihnen wie die Posaunenstöße des letzten Gerichts an die Ohren donnerte.
„Mord und Tod," schrie diese Stimme, die niemandem Anderen angchörte, als dem Baron (denn dieser war durch das Geyeul der Hunde, lowie durch den Hilferuf des Obcrschäsers längst erweckt worden und hakte sich eiligst in den Hof herab bc- gcben), „Mord und Tod, was muß ich erleben? Abermals eine Menge von Schafen zerrissen, gerade wie gestern Nacht! Aber wo ist der Obcrschäfer? Ich Hab' ihn ja noch soeben deutlich genug um Hilfe rufen hören, und er muß doch wahrhaftig über diese neue Frevelthat Auskunft geben können!"
„Er ist," erwiderte der Förster schnell besonnen, „er ist uns Allen vorausgeeilt und in seinem Eifer ohne Zweifel in den Graben gefallen. Aber kommt, Leute; steht nicht da wie die gestochenen Böcke, sondern helft mir, den treuen Diener wieder aufs Trockene zu dringen. Es ist ein gräßliches Unglück, dieser neue Ueberfall der Schafhcerde, aber wir dürfen darob doch den Kopf nicht ganz verlieren."
Mit diesen Worten sprang er vorwärts und die andern folgte» ihm, so eilig sic »ur konnten; denn es war ihnen Alle» da- rum zu thun, dem Baron aus den Angen zu kommen, da sie dessen strenges Jnquiriren fürchteten. Kaum hatten sie aber die schmale hölzerne Brücke überschritten, so sahen sie auch den Gegenstand ihres Nachforscbens vor sich, oder vielmehr sie hörten seine Stimme hart an ihrer Seite. Der Oberschäfer war nämlich in der That und Wahrheit in den Graben gefallen, und da er sich aus demselben des liefen Schlammes wegen, in welchen er bis über die Knie versank, durch feine alleinige Kraft (im nüchternen Zustande wäre ihm dies wohl möglich gewesen) nicht herausarbeilen konnte, so wußte er nichts Anderes zn thun, als so laut als möglich um Hilfe zu rufen. Um so erfreuter war er aber natürlich, als er nun die Netter sich nahen hörte, und in der frohen Hoffnung, dem nassen Grabe sofort entzogen zu werden, rief er ihnen, weil es ziemlich dunkel war, mit lauter Stimme zu, wo er sich befinde. „Wir kommen, wir kommen," schrie nun seinerseits der Oberjäger, und sprang, ohne irgend Rücksicht auf siw selbst zu nehmen, in den Graben hinab dicht an die Seite seines verunglückte» Freundes. „So, da bin ich," fuhr er dann in gleich lautem Tone wie früher fort, „und nun klammere dich fest an mich an, ihr Andern aber reicht mir die Hände, daß wir unser» Kameraden glücklich herausbringen." Dieses laute Sprechen war übrigens offenbar mehr auf das Ohr des Barons berechnet, als auf das des Obcrschäsers; denn in demselben Momente dämpfte der kluge Mann seine Stimme bis z»m leisesten Flüstern herab, um seinem Freunde einige nothwen- dige Verhaltungsmaßregeln zu geben. „Nimm dich um Gottes willen zusammen," zischte er ihm in kaum hörbarer Weise zu, „denn unser Herr befindet sich nur zehn Schritte von uns im Stalle, und wenn er dir anmerkt, daß wir bis jetzt zusammen gezecht haben, so jagt er uns Alle aus dem Dienste. Absonderlich aber merke dir, daß du nicht erst jetzt vor einer Viertelstunde daran dachtest, nachzusehen, ob die Stallihorc richtig verschlossen seien, sondern daß du vielmehr gleich nach unserer Heimkehr von dem Treibjagen die Thorriegel in meinem Beisein mit eigener Hand vorschobst. Sie sind also nothwendigerweise von einem Dritten geöffnet worben, ohne Zweifel um zu stehle», oder aus einer andern verrälherischen Absicht, und du selbst bist jedenfalls schuldlos." — „Aber die zerrissenen Schafe," flüsterte der Oberschäfer, der sogleich in die Ideen seines Kameraden einging, zurück, „wie sollen wir die erklären? — „Einfach," erwiderte der Andere noch leiser als zuvor, „einfach durch die Hunde dessen, der die Thür gewaltsam öffnete, und zwar Haft du diese Hunde mit eigenen Augen gesehen, denn sie sprangen mit wüthendem Gekläff davon, als du in den Stall tratest. Hast du mich be- grissen? Faßt stärker an," fuhr er daun mit lauter, fast schreiender Stimme fort, „immer stärker, ihr Leute, denn sonst bringen wir ihn nicht heraus. So jetzt ist'ö recht, nun haben wir wie- der festen Grund unter den Füßen."
Aus Liese Art ward der Obcrschäfer aus dem Graben her- ansgezogcn, und da er durch die Zuflüsterungen dcS Försters hinlänglich über die Rolle belehrt war, welche er zu spiele» batte, so können wir uns schon denken, was nun erfolgte. Ucbrigens gab sich der Förster hiemit noch nicht einmal zufrieden, sondern er benützte auch den Augenblick des Herauszichcns, um den Andern von der Gesellschaft mit leisen Worten zu verstehen zu gebe», daß sie in ihren Antworten gegen den Baron recht vorsichtig sein und ja »ur getreulich das nachbetcn sollten, was er selbst aussage, denn sonst müßten sie Alle ihren Dienst guittircn. Gleich darauf begann nun der Baron sein Verhör und fragte zuerst den Oberschäfer, wie cs komme, daß die ins Freie führende Thür weit offen stehe.
„Wie dies kommt, gnädiger Herr," erwiderte der Gefragte mit klappernden Zähnen, — das kalte Bad, sowie die Angst versetzten ihn nämlich plötzlich in einen förmlichen Fieberznstaud, so daß er am ganzen Leibe zitterte, — „wie dies kam, weiß ich wahrhaftig nicht, denn ich habe die Thür vor mehr als fünf Stunden mit eigenen Händen zugeschlossen. Ohne Zweifel halte