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der Teufel seine Hände mit im Spiel, oder ein Mensch, der 'eben so schlecht ist als der Satan selbst."j
„Aber hast dn denn gar nichts gesehen?" fragte der Baron weiter. „Keine Spur von einem Menschen oder einem Thiere?"
„Nichts, gar nichts," entgegneke der Gefragte, noch ärger zitternd als zuvor. „Doch ja, ja," setzte er gleich darauf stot- ternd hinzu, als ihm der Oberjäger von hinten unbemerkt einen Rippenstoß gab, „freilich habe ich was gesehen, nämlich zwei mächtige Hunde, welche laut heulend davon sprangen, als ich die obere Stallthür öffnete. Gewiß und wahrhaftig, zwei Hunde sinds gewesen, und ich wollte darauf schwören, daß sie dem Martin Frühauf, dem fortgejagten Förster, angehören."
Ein Fluch trat auf die Lippe» des Barons, aber er unterdrückte denselben gewaltsam, um sein Examen ruhig fortsetzen zu können. „Und ihr Andern," inquirirte er nun weiter, „was wißt ihr Näheres von der Sache?"
„Erlauben der gnädige Herr," ergriff nun der Förster das Wort, „der Oberschäfer da zittert vor Kälte wie Espenlaub, und er könnte sich leicht den Tod zuziehen, wenn man ihn nicht so« fort ins warme Bett schickte. Auch glaube ich, daß er nichts Weiteres aussagen kann, als wir andern Alle, da wir so zu sagen zu gleicher Zeit aus den Platz kamen."
Dies leuchtete dem Edelherrn ein, und der Oberschäfer ward also entlassen, wie es schien zu großer Beruhigung des Försters, der wohl ohne Zweifel befürchtete, der erschrockene Mann möchte sich in seinen Antworten eine Blöße geben; kaum aber hatte sich derselbe entfernt, so setzte der Baron seine Nachforschungen fort.
„Es wird nun bald wohl außer allem Zweifel sein," erklärte jetzt der Oberjägcr in fließender Rede, „daß meine Behauptungen, die ich in der gestrigen Nacht schon aufstcllte, vollkommen begründet sind. Der Oberschäfer hat nämlich vollkommen Recht, wenn er ausfagte, er habe die Stallthore mit eigener Hand geschlossen, denn ich selbst begleitete ihn auf diesem Gange und kann also seine Aussage als Augenzeuge bekräftigen. Wie übrigens die äußere Thür geöffnet wurde, vermag ich ebensowenig zu erklären, als er cs konnte; dagegen aber ist klar, daß nur ein mit den Örtlichkeiten aufs Genaueste vertrauter Mensch die Sache bewerkstelligen konnte, und der gnädige Herr wird mir vielleicht nicht Unrecht geben, wenn ich den Verdacht kühnlich auf den Marlin Frühauf werfe. Er allein ist einer solchen Handlung fähig und er allein hatte ein Interesse dabei, da er sich wahrscheinlich wegen der verunglückten Wolfsjagd, sowie wegen des verlornen Postens, den ich nun bekleide, rächen wollte."
„Also darauf allein begründest du diesen deinen Argwohn?" weinte der Baron, als sein Jäger auf einen Augenblick stockte.
„Nicht blos hierauf, sondern noch weit mehr auf den Umstand, daß seine Hunde die Schafe hier zerrissen haben," erwiderte der Andere mit frecher Stirne. „Dieses letztere Faktum ist so gewiß wahr, als ich hier vor Ihnen stehe, und alle die Leute hier müssen es bezeugen. Wir waren nämlich sämmtlich auf meiner Stube zusammen, um uns über das heutige Treibjagen unsere Gedanken mitzutheilen, und hatten eben beschlossen, unser Lager aufzusuchen, als wir durch das Anschlägen der Hunde auf etwas Ungewöhnliches aufmerksam gemacht wurden. Demgemäß eilten wir sämmtlich in den Schloßhos herab, und überzeugten uns alsbald, daß cs in den Schafställcn nicht geheuer sei. Frisch drauf los! rief nun der Oberschäfer, indem er uns allen voransprang, wir aber wie der Blitz hintendrein. Die äußere Thür war gut verschlossen und ganz in demselben Zustande, wie wir sie gestern Abend verlassen hatten, allein wie wir sie nun öffneten, welch' schreckenvoller Anblick bot sich uns dar? Ein förmliches Schlachtfeld lag vor uns und wir wateten so zu sagen im Blute! Den ganzen Stall konnte man allerdings der großen Dunkelheit wegen nicht übersehen, denn unsere Laterne beleuchtete nur die nächste Umgebung, aber so viel bemerkten wir doch, daß gerade bei unserem Eintritt die ganze Schasbeerde wie von Entsetzen ergriffen durch das offene äußere Thor über die Brücke hiuüberstürmte, wahrend zwei grimmige Thiere mit furchtbar leuchtenden Augen in ihr herumwütheten und ein Scklachtopfer nach dem andern niederwarfen. Gleich darauf, ja sogar im nämlichen Momente, verschwanden diese Thiere, wahrscheinlich durch nnsern Eintritt in Furcht gejagt; allein während sic in mächtigen Sätzen über die Brücke sprangen, fiel ein Schein der Laterne auf sie, und wir Alle erkannten nun deutlich, daß es graugelbe Hunde seien, von derselben Größe und derselben Gestalt, wie
die des Martin Frühauf. Kann man also den Sachverhalt an- ders erklären, als daß der besagte Martin die gutverschlosseue äußere Thür mit eigener Hand öffnete, um seine Hunde Hereiuzulassen und auf die Schafe zu Hetzen?"
„Ist das so, ihr Leute?" rief sofort der Baron, dess« Stirnabern vor Zorn anschwollen.
„Gewiß, gewiß," entgegneten die Gefragten sämmtlich, obwohl nur mit halblauter Stimme; wir alle haben die Hunde gesehen."
„Dann, beim Himmel." schwur der Baron mit einem wil- den Fluche, „soll mir der Bursche dafür büßen, und ihr Alle haltet euch bis morgen in aller Frühe bereit, mich als Zeugen zum Landvogt zu begleiten, denn ich werde den Elenden sogleich fassen und veruthcilen lassen."
Hicmit hatte die Untersuchung auf die heutige Nacht wenigstens ein Ende. So gränzenlos zornig nämlich der Edelherr auch war, so sah er doch ein, daß zu dieser späten Stunde nichts weiter vorgenommen werden könne, und überdies mußte man daran denken, die versprengten Schafe sofort wieder einzufangen. Hiezu wurden auch sogleich die nöthigen Anstalten getroffen, und der Förster übernahm es bereitwilligst, die Streife zu leiten, da man den Schäfer nicht dazu verwenden konnte. Natürlich kann es aber nicht unsere Absicht sein, das Rcsulat dieser Streife des Weitläufigen zu schildern, sonder» wir begnügen uns damit, zu konstatiren, daß dieselbe so ziemlich gelang, und daß außer de» zwölf oder fünfzehn zerrissenen Stücken am andern Morgen beinahe kein Exemplar mehr fehlte. Kaum übrigens hatte der Baron hievon Nachricht erhalten, so befahl er auch schon, Alles zum Ausbruch in das nahe Städtchen fertig zu machen, und er selbst ritt, von seinem Jäger und einem Reitknechte begleitet, den Uebrigen voran, um seine Aussage beim Landvogte zu Pro« tokol zu geben. Der letztere, ebenfalls ein adeliger Herr, erwies sich, wie leicht zu denken ist, äußerst gefällig und nahm deshalb die Sache augenblicklich vor. Allein da die sämmllichcH Zeugenaussagen den Marlin Frühauf so schwer gravirten, daß über seine Schuld eigentlich gar kein Zweifel mehr obwalten konnte, so war man mit der Aufnahme des ThatbestandeS gleich fertig, und es wurden sofort einige berittene Hatschiere abgesandt, um den Frevler mit Gürc oder Gewalt vor Amt zu bringen. Einstweilen, bis dies geschehen sei, ließ sich der Baron die Einladung des Landvogls, ein Frühstück bei ihm cinzuuehmen, recht gerne gefallen, denn warum sollte er auch aus sein Schloß zurückreiten, da ihm ja der freundliche Richter versprochen hatte, die Verur- theilung des Angeklagten seinem Verhör auf dem Fuße folgen zu lassen? Der Oberjägcr aber mit den übrigen Zeugen that sich unterdeß im Wirthshause gütlich, und man sah ihn in seinem ganzen Leben nie fröhlicher, als an diesem Morgen
So schien die Sache des Martin Frühauf eine vollkommene verlorene, und von all' den vielen Leuten, welche durch die Neugierde herbeigelockt worden waren, der Verhandlung zuzuhören, hätte auch nicht Einer um die Freiheit des so schwer Angeklagten mehr einen Kopf gegeben; um so größer aber ist unsere Verpflichtung, uns nunmehr nach dem letzter» umzusehcn, damit dem Leser klar werde, ob ihn vielleicht eine Schuld treffe oder nicht. Gehen wir also in der Zeit um etwa zwölf Stunden zurück und verfügen uns auf das kleine Söldueranwesen, welches unser Held eignete. Dahin nämlich kam er nach beendigtem Treibjagen ziemlich spät am Abend zurück, und seine Frau stellte ihm sofort ein frugales Abendessen vor, damit er sich daran von der gehabten Anstrengung erhole; allein er saß mit schwer umwölk« tcr Stirn vor dem gedeckten Tische, und weder Essen noch Trinken wollte ihm schmecken.
„Es ist mir unbegreiflich," sagte er schwer seufzend zu seinem Weibe, „wie uns der Wolf entkommen konnte, denn darüber bin ich mit mir im Klaren, daß kein anderes Thier als ein Wolf die Schafe des Barons zerrissen hat; aber du wirst sehen, wie man nun die fehlgeschlagene Jagd gegen mich ausbeutet, und wie sie mich von allen Seiten als einen Menschen, der von der Jägerei nichts verstehe, verhöhnen werden."
„Was thut's dann auch?" erwiederte die Frau begütigend. „Du bist ja jetzt kein Jäger mehr, sonder» ein Bauersmann, und es kann dir also am Ende gleichgültig sein, ob sie Zweifel in deine Geschicklichkeit setzen oder nicht."
(Fortsetzung folgt.)
Druck und ivertag der Ä. W. Latte r'sLe» Luchtzauot»«». «««»<»-»: Holzte.