ihn warte. Dieser letztere Herr, welcher der Sohn oder der Neffe des Alten zu sein schien, betrachtete mich, so viel ich merkte, mit einem gewissen Uebermuthe. der sich um nichts verminderte, als der Invalide ihm sagte, ich hätte ihm einen vortrefflichen Rath gegeben, aber er hätte mich nicht dahin zu bringen ver­mocht, eine Belohnung dafür anzunehmen.

Wir sind Ihnen sehr verbunden, mein Herr, gehen aber

jetzt nach Hause zum Familienarzte,^ sagte der junge Mann stolz,

und des Invaliden Arm in den seinigcn legend, führte er ihn langsam weg.

Er wurde verschiedene Mal von dem Bedienten so etwas

wie Herr Wilton oder Williams, glaub' ich, angerebet, ich konnte

eS nicht genau verstehen; augenscheinlich war es ein wohlhabender Kaufmann, mit dem ich gesprochen hatte. Gar Mancher, dachte ich, der mehr Geschick, sich beliebt zu machen, besitzt, als ich, würde Alles anfgeboten haben, das Vertrauen dieses Mannes zu gewinnen und sein Hausarzt zu werden. Wie thöricht war es nicht von mir, daß ich ihm nicht meine Adreßkarte gegeben, als er mir eine Belohnung anbot; denn alsdann würde ich, aller Wahrscheinlichkeit nach, am nächsten Morgen bestellt worden sein, ihm regelmäßig einen ärztlichen Besuch abzustatten, zu welchen ferneren einträglichen Verbindungen dürfte das nicht geführt haben!

Tausendmal verfluchte ich meine S ckückernheit, meine Em- psindlichteit für die Eng:,eite meines Berufes und mein llnge« schick, nach den Vortbeiien zu greisen, welche de, dieser «Pelegen- heik eine glückliche Verbindung von Umstanden mir darboi. Ich wäre geeigneter, dachte ich. für la Teapve, als für die geräuia- volle vieloeschäfiigte Welt. Ich verdiene mein Mißgeschick, und daß es mir in meinem Beruf nicht gelingen wollte, war die na­türliche Folge der falsche» Scham, welche so Vielen schon Nach- theil gebracht. Da indessen der Tag weit vorgeschritten war, ver­ließ ich den Sitz und wandte meine Schrille nach meiner freude- leeren Wohnung.

Wie fast immer, so traf ich auch diesmal Emilien eifrigst beschäftigt, kleine Lichtschirme und andere, als Zierrath dienende Spielsachen zu bemalen, welche, wenn sie fertig waren, ich gewöhn­lich in einen abgelegenen Laden trug, wo man mich nicht kannte und wo ich mit meinem schweren Herze» die zierlichen und netten Arbeiten meines armen Weibes für eine Kleinigkeit, kaum des Hintragens wcrth, hingab. Konnte wohl irgend ein Mann, der nur im mindesten Anspruch auf Gefübl macht, diese junge Frau, in einem bedenklichen Gesundheitszustände, nach der schon berich­teten Weise vom Morgen bis in die Nacht hinein arbeiten scheu, und zwar für einen so erbärmlichen, unangemessenen Lohn? Nichtsdestoweniger fügte sie sich in unsere traurige Lage mit un­endlich mehr Festigkeit und Gleickmuth, als ich erwarten konnte und ihre sich glcichbleibende Heiterkeit in ihrem Verhalten, in Verbindung mit ihrer leidenschaftlichen Zärtlichkeit gegen mich, trugen dazu bei, einige Strahlen schwindenden Lichtschimmers über die düstere Aussicht in die Zukunft zu werfen.

Noch drang sich mir jedoch unaufhörlich die schreckliche Frage auf: was ins Himmels Nameu soll aus uns werden? Ich kann gerade nicht sagen, daß wir zu der Zeit buchstäblich den äußer­sten Mangel litten, obgleich wir auf die kärglichste Weise lebten. Es war die Hoffnungslosigkeit, daß in Zukunft uns ergiebigere Nahrungsquellen stieße» würden, die uns in fortwährender Knecht­schaft hielt. Durch unendliche Anstrengung mochte es »ns gelin­gen, bis zu einer gegebenen Periode anszuhaltcn, etwa bis ,znr nächsten halbjährlichen Forderung des alten Simpson, aber dann mußten wir unfehlbar ganz und gar sinken, wenn nicht ein Wun­der zu unserer Rettung sich ereignete.

Wäre ich allein bagestaude» in der Welt, ich würde dem Schlimmsten Troz geboten und die äußersten Entbehrungen mit Seelenstärkc getragen haben. Aber mein Liebling, meine sauste, lächelnde, edle Emilie! Mein Herz blutete um sic.

Um kein Mittel unversucht zu lassen, bewarb ich mich, als ich eine Anzeige:Für Arzneikundsge" gelesen, um die Gchilfcn- stelle bet einem Arzte, der die Kunst in's Große trieb, obgleich ich i» dem praktischen Theile der Zubereitung von Arzneimitteln nicht sehr bewandert war. Ich bewarb mich persönlich bei dem Abfasser der Anzeige, einem dickbäuchigen, rothbackigen, gemeinen Kerl, dem es gelungen, eine ungeheure Praxis zu bekommen, durch welche Mittel, das weiß Gott allein. Seine Bedingungen waren er nannte sie auf die beleidigenste und geringschätzigste Weise 400 Dollars jährlich, auf Kost und Logis könne er sich nicht einlassen; dafür solle den ganzen Tug alle meine Zeit

ihm gehören. Wie abgeschmackt auch schon der bloße Gedanke war, auf solche Bedingungen einzngehcn, so glaubte ich doch, sie nicht ganz verwerfen zu dürfen. Ich bestand ernstlich auf 500 Dollars jährlich und bemerkte ihm, ich sei verheirathet.

Vcrheirathet?" sagte er laut auflachend,nein, mein Herr, Sie sind nicht der Mann für mein Geld, und so wünsche ich Ihnen guten Morgen."

Auf diese Weise jeden Versuch, mir eine bleibende Quelle des Einkommens zu verschaffen, vereitelt sehend, hatte ich da nicht Ursache zu verzweifleln?

Ist es möglich dachte ich oft, mit all' der erfinderischen Selbstqnälerei eines Mannes, den die UnglnckSfälle fast betäubt, ist es möglich, daß mitten i», Glanze, Wohlstände und i» der Verschwendung dieser Weltstadt ich es nicht einmal dahin bringen sollte, mir ein hinlängliches Auskommen zu sichern, während Un­wissenheit und Quacksalberei aller Art im Ueberflusse schwelgen? Wie oft habe ich mich heimlich, voll von solchen Gedanken, an kalte» und traurigen Winterabenden durch die Straßen Newyorks geschlichen, vor langer Enthaltsamkeit fast in Ohnmacht sinkend, und doch einen Widerwillen fühlend vor dem Nachhausegche» und vor den Ausgaben eines gewöhnlichen Mittagessens, während die Umstände meiner Frau uns eben zur strengsten Oekvnomie auf- forderten, damit wir im Staude seien, die Ausgaben für ihre be­vorstehende Entbindung, wenn auch nur ans eine kärgliche Weise ck> bestreiten! Wie oft habe ich mich begnügt, ein zwölfstündiges Fasten durch een Genuß eines harten Brodes oder Zwiebacks und eines Trunkes Wasser zu unterbrechen! Wie oft habe ich mißgünstig aus Hunde geschaut, welche ihr Stück gekochten Fleisches fraßen, und ihre zufriedenen und gesättigten Blicke be­neidet! O, ihr Söhne und Töchter des Luxus und der Ver­schwendung, wie viele Tausende dürftiger und verdienstvoller Fa­milien würden sich freue», die Brosamen zu essen, die von Eurem Tische fallen, und sie dürfen nicht!

Zwei Tage nach dem obeucrwähntcn Vorfall im Central- Park las ich, wie gewöhnlich, die mit Inseraten gefüllten Spal­ten des Heralds durch, als meine Augen auf nachstehende Auf­forderung stieße»:

Der znm ärztlichen Stande gehörige Herr, welcher vor einigen Tagen mit einem Invaliden aus einem der Bänke im Cciitral-Park eine Unterredung über Astmah hatte, wird hier­durch dringend aufgefordert, seinen Namen nebst Angabe sei­ner Wohnung a» W. . . . durch die Office dieser Zeitung einzusenden."

Vor freudiger Ueberraschung ließ ick die Zeitung beinahe ans den Händen fallen. Daß unter dem zum ärztlichen Stande gehörigen Herrn ich gemeint sei, war klar, und auf die seichte' Grundlage dieser Anzeige hatte ich i» wenigen Minuten ein glän­zendes Gebäude unermeßlichen Glückes aufgerichlet. Kaum hatte ich die gehörige Ruhe, meine Frau, welche in der Wirtschaft be­schäftigt war, herbcizurnscn, um ihr die erfreuliche Neuigkeit mik- zutheilen. Es dürfte wohl überflüssig sein, erst zu bemerken, wie sehr ich mich beeilte, der Aufforderung jenes Inserates nachzu- kommcn. In einer halben Stunde lagen mein Name und die Angabe meiner Wohnung unter einem Umschläge mit der Ueber- schriftW. . . ." i» der Herald Office.

Nach einer schlaflos zugebrackteu Nacht, durch alle Arten von Hoffnung und Furcht aufgeregt, saßen meine Frau und ich beim Frühstück, als ein Diener rn Livree an der Thür klopfte, sich erkundigte, ob Doctor .... zu Hause sei, und einen Brief znrücklicß. Dieser Brief enthielt eine Adreßkarte des Herrn Wil­liams Nro. 26, 5. Aveun, nebst folgender Nvtitz:

Mr. Williams entbietet dem Herrn Doctor seinen Gruß und würde sich freuen, ihn im Laufe des Morgens bei sich zu sehen."

Sei Loch ruhig, mein Theurer!" sagte Emilie, . als sie meine Aufregung sah. Das war mir jedoch unmöglich. Ich konnte die Mittagsstunde nicht erwarten, und mit dem Glocken­schlag 12 eilte ich fort, meinen vornehmen Patienten zu besuchen (Fortsetzung folgt.)

In B.rlin bellte sich ein armer Jude arg abgerissen einem Ban­kier vor.Ich Hab' gemacht eine Kunstreise und bitte um Ihre Un­terstützung," sagte er.Sie haben gemacht eine Kunstreise?" er.tgcg- netc der Bankier und musterte den Glaubensgenossen von oben bis unten. Gewiß," versetzte dieser,ich bin gereist von Breslau bis nach Berlin mit S Pfennigen; ist das keine Kunstreisc?"

Ärkeitlrov: Horzle.

Zarier'lwtn rvuLyanvlun-

Druck und Le rickg ;er