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versichert dort, daß Oesterreich in Ober-Italien strenger anftritt, denn je, nnd daß man für das nächste Frühjahr wichtige Ereignisse in Italien erwartet. Ter englische Gesandte in Turin, Sir James Hudson, der eine Reise durch Italien machte, soll einen Bericht über die Lage Italiens an seine Regierung gesandt haben, in Folge dessen er den Befehl erhalten haben soll, sofort auf seinen Posten zurückzukehren, obgleich sein Urlaub erst im Januar zu Ende ist. In Mailand haben, wie man ferner versichert, viele Verhaftungen stattgefundkii. Achttausend Kroaten sollen auf dem Marsche nach Italien begriffen sein, um die Garnison von Mailand zu verstärken (?). (K. Z.)
London, 18. Nov. Johanna Kinkel, die Frau und Schicksalsgesährtin Gottfried Kinkel'S, ist gestern eines plötzlichen Todes gestorben. Sie ist, wie wir kören, aus dem 3. Stockwerke ihrer Wohnung auf die Straße gestürzt. Tie Leichenschau wies eine ganz ungewöbnlichc Erweiterung der reckten Herzkammer nach, und das gerichtliche Gutachten lautete daki», daß die unglückliche Frau durch einen plötzlichen Blutandrang zum Gehirne ihre Besinnung verloren haben mußte. (Fr. I.)
Die Stärke des Vorurtheils.
< Fortsetzung.)
Gott, riesWilhelmine oft: wenn ich nichts wäre als Schauspielerin ! o wie dank ich dir, daß ich auch Mutter bin. Ihre Tochter füllte den Kreis ihres Tenkens, ihres Handelns und ihres Glückes aus. Hier ans der Bühne, hinter de» Coulissen, in den Gesellschaften ihrer Gespielinnen lernte sie, wie wenig der Mensch ist, und in ihren Gefühlen des reinen Herzens, in der Einsamkeit, bei ihrer Tochter lernte sie, wie viel der Mensch sein kann. Sie unterrichtete ihre Tochter selbst; sie wiederholte nur die Erziehung, die sie genossen hatte. Ter Mensch ist für die Ewigkeit durch die Tugend da, das war der Grundsatz, auf den alle ihre Lehren abzweckten. Ties behielt sie unablässig im Auge. Alles, alles war zu verlieren, zu vergessen, zu entbehren, nur der Wille für das Gute nickt, nicht die Sehnsucht nach der Ewigkeit. Tiefe Erziehung allein kann den Eharacter des Menschen befestigen, nichts weiter. Festigkeit des Charac- terS, etwas anders fest zn halten als den Willen für das Gute, ist Trotz, Eigensinn, nichts mehr. Tie kleine Caroline bekam bei dem weichsten Herzen 'schon in der frühesten Jugend eine unerschütterliche Festigkeit oder vielmebr die Anlage dazu. Sobald die Kleine sechs Jahr alt war, verließ die Mutter mit ihrer Tochter die Stadt. Sie bezog ein kleines Gartenhaus in einer reizende» Gegend au der Elbe. Wilhelmine hatte das Glück gehabt, eine unglückliche Wittwe zu finden, der sie, wenn sie in der Stadt war, ihre Tochter anvertrauen konnte, und welche eben die Regeln der Erziehung bei dem Kinde befolgte. Auf diesem Landhäuschen lebte Wilhelmine völlig einsam. Sic batte bicr jeden Besuch verbeten.
Man nannte das Eigensinn, allein man gab ihren Wünschen nach, weil sie geliebt wurde. Hier in der Natur erhielt Karoline die ersten Eindrücke aus ihr Herz. Hier lernte sie von ihrer Mutter Musik, Lesen und die weiblichen Geschicklichkeiten. Sie wußte nicht einmal, was ein Schauspiel war, obgleich ihre Mutter die Zierde desselben war. Ein Paar gutartige Kinder eines benachbarten Gärtners waren ihre Gespielen. Man verbarg ihr vorsätzlich die Verbrechen der Menschen. Man füllte ihr Herz und ihre Phantasie ganz mit der Tugend an, che man sie mit der Verdorbenheit der Menschen bekannt machte. Ein geschickter Schulmann unterrichtete sic täglich ein paar Stunden in der Naturlehre und den andern Wissenschaften, deren Werth Wilhelmine durch Lesen kennen gelernt hatte. Karoline war zehen Jahre alt, da fing denn die Mutter an, das Bild des Menschen nach und nach auch mit seinen häßlichen Zügen der Tochter unter die Augen zu bringen. Sie lernte nun auch die Lebcnsklugbeit, freilich noch ganz theoretisch, aber richtig. Die Mutter verschwieg der Tochter nicht, wie wenig sie von den Menscken zu erwarten hatte, nnd wie sehr sic ihr eigenes Herz fürchten müßte. Sie fing mit Karolinen an zn lesen. Fast alles war Karolinen neu. Jede Leite gab Veranlassung zu den unterrickteudsten Gesvräcken über den Menschen.
Sie verschwieg sogar Karolinen nickt, daß sic unendlich
schön sei. Sie zeigte ihr, welch eine gefährliche Schlinge ihre Schönheit und die Schmeichelei der Männer für sie werden könnte. Sie belegte diesen Unterricht, der so ganz versäumt, oder nachlässig getrieben wird, mit Beispielen, woran eS ihr in ihrer Lage nicht fehlen konnte. Es war in der That der Mutter Wunsch, ihre Tochter tugendhaft und nicht die Tugend zu einem Netze einer guten Heirath zu machen. Sie legte also den Werth des Mannes in ganz etwas anders, als in ein ein« trägliches Amt, oder in einen großen Titel. Sie heuchelte auch mit der Tochter nicht; sie verschwieg ihr nicht, wie viel Jugend, männliche Schönheit für ein Mädchen wären; aber sie lehrte sie, daß das kein Verdienst, nichts als Glück sei.
Was aber hauptsächlich einen wichtigen Punkt in Wilhel- minens Erziehung ausmachte, war ihr eignes Schicksal. Vor nichts warnte sic ihre Tochter mehr und dringender, als vor der Freundschaft, vor dem Vertrauen mit Menschen a»S höhern Ständen. Ueber dieses Kapitel redete Wilhelmine immer mit Thräncn in den Augen, mit der ganzen angestrengte» Kraft ihres Herzens, und hierin drang sie auch am tiefsten in ihrer Tochter Seele ein. Von nichts in der Welt war Karoline mehr und inniger überzeugt, als daß ein Großer nie das Vorrecht, das ihm die Geburt gibt, vergessen könnte, wäre er auch noch so edel. Es ist, sagte die Mutter, durchaus in alle Fasern seiner Seele verwachsen, alle seine Gedanken, Empfindungen tragen seine Farbe. Er kann sich nicht davon losmachen. O mein Kind, setzte sie hinzu, und schloß ihre Tochter an sich: was es dir auch kosten mag, reiß dein Herz von jedem loS, der über deinen Stand ist, ehe du gezwungen wirst, es los zu machen.
Ueber diesen Punkt war die Mutter am ausführlichsten, am gerührtesten; sie kam jeden Augenblick darauf zurück, und es drückte sich unauslöschlich tief in Karolinens Seele. Je älter Karoline wurde, desto bestimmter wurde auch der Unterricht über den Mensche»; allein die Energie und die Reinheit ihres Herzens, die Unschuld ihres Wesens blieben dieselben. Sie wurde, und nur bei einer solchen Erziehung ist es möglich, die Freundin ihrer Mutter. Sie liebten sich mit unaussprechlicher Zärtlichkeit.
Jetzt aber wurde cs doch nach und nach bekannt, welch eine schöne Tochter Madame Franken hatte. Die Schauspielerinnen wurden neugierig. Sie überfielen Mutter und Tochter, erstaunten vor dem hohe» Reiz des Mädchens, und nnu ging es von Mund zu Mund, daß die Mamsel Franken tausendmal reizender sei als ihre Mutter in der vollsten Blüthe. Man hatte sich zwar in Hamburg daran gewöhnt, an die Tugend einer Akt- rize zu glauben. Allein das Wort Schauspielerin war doch lockend genug, wenigstens bas reizende Geschöpf zu sehen. Tie Gegend, wo Wilhelmine wohnte, war nun der Spaziergang junger Herren. Einige waren unverschämt genug sich cin- zubrängcn.
Die Schauspieler lagen Madame Franken an, ihre schöne Tochter auf das Theater zu l ringen; sogar daSPulstikum schien cs zu verlangen. Wilhelmine wollte die Bühne noch^ nicht verlassen, um ihrer Tochter ein Vermögen zu sammle»; sie sah sich also gezwungen, ihre Tochter von sich zu lassen, um ^em mannigfaltigen Ändringen an ihre Tochter auszuweichen. Sic sandte also ihre Tochter mit der Wittwe in eine Stadt, wo sie mit ihrem Vater ehedem gelebt hatte, und wo sie eine sehr ehrliche Familie gekannt hatte, deren Bekanntschaft sie ihrer Tochter zn machen rieth. Wilhelmine hatte ihre Tochter nicht mit ihren Schicksalen bekannt gemacht; sie fürchtete, daß diese Bekanntmachung ihre Tochter einmal wieder mir dem Grasen in einen Zusammenhang bringen könnte, den sie für ihrer Tochter Ruhe nicht zuträglich hielt. Karoline wußte also nichts weiter, als daß ihr Vater, Namens Franke, ein Maler gewesen, und daß nach sel- nem Tode ihre Mutter, um sich zu nähren. Schauspielerin geworden sei. Weiter wußte Niemand etwas.
(Fortsetzung folgt.)
Auflösung des Räthsels in Nro. 93:
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