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„Sehr obligirt, will mich der Graf traktiren, so könnte ich diese Ehre, falls ich sie nicht zurückwiese, nur auf seinem Schlosse annedmkn. Schickt daher diese Kostbarkeiten mit meinem gerübrlesteu Danke zurück."
„Um's Himmels willen", rief erschrocken der Wirth, „wo denken Sie hin, einer solchen Verantwortung sich auszusctzen. Man könnte glauben, ich habe —"
„So traktirt einen andern damit," entschied leb. Uebri- gens hole der Gnkuk Eure hohe Herrschaft, mit Ausnahme Engelbcrta'S; ich bi» belohnr genug, einen Engel gerettet zu haben. Uebrigcns könnt ihr euch alle freuen, morgen ist wieder Arbeitstag."
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Kaum war ich am andern Morgen aufgestanden, als mir ein Diener vom Schlosse ein Billct überbrachtc. Der gräfliche Haushofmeister dankte mir darin für die Genesung der Gräfin Engelbert». Dabei lag ein Kremnitzcr Passir-Dnkate». Empört über solche Be.andlnng packte ich sofort das Goldstück in einen Papierselze», den ich unmittelbar an den Grafen addressirte, und worin ich diese» Naboo für seine zarten Aufmerksamkeiten ziemlich grob bediente. Meine Habseligkeiten befanden sich bald im Tornister, und iä> beeilte mich, eine Gegend zu verlassen, welche, vom Hnnmel so gesegnet, durch den starrsten Feudalismus zu einem Kirchhofe ward.
Ich war nicht lauge gegangen', als mir die seltsame Stille rings umher von Neuem ansfel. Es war so öd und unheimlich wie gestern. Nun, das muh ich gestehen, das Fräulein lebt, und die unglücklichen Unlerthanen müssen ihren Tod betraner». Ein deS Wegs daher kommendcr Landmann belehrte mich eines Bessern. Auf mein Befrage» erfuhr ich, dag zur Feier der Genesung des gnädigen Fräuleins Engelberts auf fünf Tage alle Arbeiten streng untersagt wären.
Jetzt begann ich zu galoppire», um so bald als möglich aus dieser Lust zu komme». Unfern vom Schlöffe drang mir aus dem Hofranm eines großen finstern Gebäudes ein mark- durchdringendes Wehgeschrei entgegen. Unwillkürlich ergriffe» blieb ich stehn. Die Wehklage ward immer kreischender, bis sie nach einigen Minuten plötzlich verstummte. Ein Mann, der in einiger Entfernung scheu und verstohlen den Jammertönen zuhörte, ging, so wie er sich bemerkt sah, sogleich demüthig grüßend an mir vorüber. Bon ihm erhielt ich die Auskunft, daß so eben das junge Mädchen, welches dem gnädigen Fräulein auf der Straße entgegen getreten und dasselbe zum Tod erschreckt, ihre Strafe, den dopvelten Stanpenschlag, erhalten habe. Tie Exekution sei dcßhalb so schnell vollzogen worden, weil Engelberta u»i»ittelbar nach ihrem Erwachen ans schleunige exemplarische Bestrafung der Bauerndirne gedrungen hatte.
D a packte mich's wie Furien, und erst, als mir das unglückselige Thal ein großes Stück im Rücken war, athmete ick freier.
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Es war ungefähr zwei Jahre später, als mich zufällig eine Geschäftsreise abermals durch das bewußte Thal führte. Der Wirth, bei dem ich wieder einsprach, war noch vieles magrer und menschenfeindlicher geworden. „Ach, lieber Herr Doc- tor," seufzte er, mir beim Abschied krampfhaft die Hand drückend, „hätten Sie doch vor zwei Jahren das gnäd'ge Fräulein in Gottes Namen schlafen lassen für alle Ewigkeit, wir armen Leute müßten cs Ihnen nur Tank wissen. Engelberts tst seit ihrem Wiedercrwachen zehnmal schlimmer geworden als vorher, und hans't in unseren! Thale ärger als ihre Ahnen je zuvor. Und der Himmel bewahre uns gnädiglich, wenn der alte Graf einmal die Augen zutbut und das Fräulein unbeschränkte Besitzerin wird. Ich tröstete, so gut cS gehen wollte, und befand mich bald wieder unterwegs.
Während mein Wagen ein Stück vorausfuhr, wunderte ick zu Fuß durch die reizende Gegend. So eben kam ich an einer kleinen höchst freundlichen Maierei vorüber. Ich konnte mich lange nicht satt sehen, wie hier ans dem Feld und in dem allerliebsten Gärtchen alles so trefflich bebaut ward und kruchtbar gedieh. Ans jedem Ackerstncke, ans jedem Gartenbeete sprach der unermüdliche und kunstreiche Fleiß des Bebauers.
Wie glücklich mußten diese Leute leben, waren meine Gedanke» , wenn ihnen der Fleiß ihrer Hände wirklich zu Gute käme; aber so erliegen die Armen fast unter Steuern und Gaben, welche eine gnädige Gutsherrschast unsinnigerweise verschleudert, und de» Unglücklichen bleibt kaum das dürftige Leben.
Meine Gedanken wurden durch eine höchst reizende Erscheinung unterbrochen. So eben sprengte auf milchweißem Zelter eine grazienschlanke Frauengestalt aus de», Walde hcr- vor. Ja sie war cs, cs war Engelberts, das reizende Engelbild. Eine Nudel klaffender Doggen umsprang freudig die schöne Jägerin. Aber bald ward mein Wohlgefallen durch eine Scene verdrängt, wie sie wohl nur zu oft in dieser beklagens- wcrthen Landschaft Vorkommen mochten. Engelberts, deren grüner Schleier malerisch in blauen Lüften wehte, hielt mit Einemmale ihr Roß an und blickte nach dem Walde zurück, aus dem ein junger schöner Mann hervorsprcngte.
„Nachzügler!" rief eine Glockenstimme, „auf, folgen Sie mir!" Und mitten durch das Aehrenfcld sprengte das Grafenkind, gefolgt von den Hunden. Der Begleiter besann sich nicht lange, dieselbe Ba n einznschlagen.
(Fortsetzung folgt.)
Allerlei.
Rußland entläßt 200,000 Soldaten, 3000 Offiziere und ungefähr 80,0>>0 Soldatenkinder, die seither in besonderen Anstalten militärffch erzogen wurden. DaS Geld, was diese 200,000 -ft 3000 -ft 80,000 kosten, spart es jährlich und wendet es auf Eisenbahnen, Ausbau von Häfen u. s. w.
— Lond on. Eine neue, von Tr. Donglish angegebene Methode, Brod zu backen, durch welche die bei der Gäh- rung bisher entstandenen Stoffverlnste vermieden werde» sollen, ist in Carlisle im Großen erprobt worden und soll sich vollkommen bewährt haben- Vermittelst dieser Methode werden, so heißt es, volle 10 pCt. Mehl erspart, wird der Proceß des Backens in einer halben Stunde, statt wie bisher in 8—9 Stunden vollendet, man braucht weniger Arbeitsiraft und Brennmaterial, der Teig läßt sich viel leichter handhaben, und es wird ein absolut chemisch reines Brod erzeugt. Man hat ausgerechnet, daß England, wenn es diese Methode allenthalben cinführt, keinen Walzen mehr aus der Fremde cinzusühren braucht.
— Ueber das Reinigen der Feilen mittelst Benzol. Es ist eine bekannte Thatsache, daß Feilen, welche viel gebraucht werden, bald nicht mehr angrcifen, indem sich in den Hieb Unreinigkeiten fcstsetzen. Zum Reinige» bedient man sich gewöhnlich einer Kratzbürste und bewerkstelligt so die Reinigung auf rein mechanischem Wege. Da diese Unreinigkeiten auf der Feile vorzüglich haften, so lag der Gedanke nahe, die mechanische Reinigung durch eine chemische zu unterstützen. Das vortheilhafteste Lösungsmittel für Fette ist offenbar bas jetzt allgemein im Handel vorkommende Benzol (sogenanntes Fleckenwasser), weiches in großen Mengen zu billigen Preisen fabrikmäßig dargestellt wird. Der Versuch, das Benzol zu diesem Zwecke in Anwendung zu bringe», gelang so vollkommen, daß diese Methode zur Reinigung der Feilen bestens empfohlen werden kann. Das Verfahren, um eine nicht mehr angrcifende Feile zu reinigen, ist ein sehr einfaches. Man benetzt die Kratzbürste mit Benzol oder bringt einige Tropfen Benzol auf die Feile und reinigt wie gewöhnlich. Durch die Einwirkung des Benzols werden schon »ach wenigen Friktionen die durch Fett festgehaltenen Unreinigkeiten aus dem Hiebe der Feile vollständig entfernt, welche nun wieder besser an' reifen im Stande ist. Vergleichende Versuche mit Weingeist ^..ben gezeigt, daß bas Benzol weit energischer und schneller w'rkt, als Weingeist, welchem es wegen seiner geringeren Flüchtigkeit hierbei vorzuzieheu ist. (Fürther Gewcrbezeitung.)
Lr»ck »n» !L»rl»i 8. W. Zoissr'sche» Bxchhantl»»«. K«d«kti»» : Höljle.