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Tages -N euiglreitktt.
Stuttgart, 24. Nov. Bei dcr bisherigen Prcisaus- theilung der Lehrlinge fanden sich immer ziemlich genau lOO Concurrenten, bald einige mehr, bald einige weniger ein. Die Anzahl ist zwar hübsch, allein für eine so bedeutende Lehrlings- bevölkeruug wie hier doch zu wenig. Deshalb beschloß der Ausschuß des Gcwerbevercins, für kommendes Jahr die Ausstellung nicht abzuhaltcn und sich unterdessen mit den Zunftvorständen und den Meister» über die Gründe jener mangelhaften Beschickung dcr Ausstellung ins Benehmen zu sehe». ! Die Errichtung von Mittel- und Fortbildungsschulen für die weibliche Jugend wird jetzt als ausgebildekcr Plan der betreffenden Behörde vorgclegt. Die weibliche Jugend soll kaufmännische Bildung erhalten und dcßhalb unterrichtet werden im kaufmännischen Rechnen, gewerblicher Korrespondenz und ein- l facher Buchführung. Dich geschähe vom 10.—14. Jahr in! der Volksschule und vom 14.—-16. Jahre in der Fortbildnngs- l schule. Diese weibliche Schule soll dcr gewerblichen Fortbil- ! dungsschule für Knaben ähnlich werden. Die Kosten werden ebenfalls von Staat und Gemeinde gemeinschaftlich getragen. Es soll übrigens noch die Einrichtung getroffen werden, daß auch ältere Frauenzimmer den Unterricht benützen können. (H. T.)
Tü hingen, 21. Nov. Eine jener traurigen Raufereien, wie sie unter de» ledigen Burschen, besonders auf dem Lande, so häustg Vorkommen, verursachte ein schweres Unheil, und brachte einen jungen Menschen auf die Verbrecherbauk, und zwar den ledigen 17 Jahr alten Dienstknecht K. Kuon von Ober- thalbeim, OA. Nagold. Derselbe war ein sehr rauflustiger Bursche, und er und seine Kameraden hatten viele Reibereien mit den Uuterthalheimern. Der Angeklagte wurde nun einmal von dem Johannes und Georg Müller von Unlcrthalhcim tüchtig durchgeprügelt, wofür er auf Rache sann, zu der nur zu bald eine Gelegenheit sich zeigte. Als nämlich Georg Müller mit einem Kameraden am 16. Juli d. I. Abends aus Oberthalheim herausging, trafen sie einige Oberthalheimcr Bursche. Nachdem sic an denselben vorbeigegange» waren, gesellte sich zu den vorigen der Augekl., und als er hörte, cs sei der Müller, dcr dort vorn gehe, sprang er einige Schritte vorwärts, hob einen großen Stein auf, und schleuderte ihn aus einer Entfernung von höchstens 10 Schritte dem Müller so an den Kopf, daß es laut dröhnte, und Müller vorwärts aus den Boden stürzte, worauf dcr Angeklagte und seine Kameraden davon sprangen, während der Begleiter Müllers rief: „so, der ist hin!" Müller blutete stark am Kopf, konnte aber noch heim- gcbracht werden. Der Wurf hatte ihm aber ein Stück des Schädels eiugeschlagen und das Gehirn verletzt, in Folge dessen der kräftige, 19 Jahre alte Mensch am 9. Aug. l. I. eine Leiche war. Ter Angeklagte, welcher von Herrn Oberjustiz- Prokurator Pfeilsticker von hier verthcidigk wurde, brachte zur Entschuldigung eine ganz unglaubwürdige Erzählung vor, wornach er nämlich den Stein nicht geworfen, sondern den „zwei" nur nachgerollt habe, bloß um sie aus Spaß zu erschrecken, was aber schon durch die Art der Verwundung und die Zeugenaussagen widerlegt wnrde. — Tie Geschworenen erklärten den Angeklagten für schuldig mit dem Beisatz jedoch, daß er die Folge seiner That nur als höchst unwahrscheinlich habe vorhersehen können, weßwegen derselbe zu 1 Jahr und 6 Monaten Kreisgcfäugniß vcrnrtheilt wurde. Die Sitzung hatte bis ss» auf 11 Uhr Abends gedauert. (T. Ehr.)
— Wir erfahre» so eben, daß der in den letzten Tagen zu 25iähriaer Zuchthausstrafe vernrtheilte Kraft von Breiten- Holz ein vollständiges Bekenntuiß seiner That abgelegt hat, und den H rgang io angibt, wie, er sich in der schwur-gerichtlichen Verhandlung ergeben, Mit dem Bemerken, daß er im Arbeitshaus auf den alten Bessert von einem Tübinger aufmerksam gemachr worden sei. ' <St.A.)
Tübingen, 23. Nov. Der fünfte und letzte Schwur- gerichtöfall, die Anklagesache gegen den Kaufmann C. L. H- Beck von Walddorf, OA. Nagold, wegen betrügerischen Ban- kerotts endigte mit einer Freisprechung des Angeklagten. (S. M.)
Frankfurt, 22. Nov. Bei der hohe» Bnndes-Militär- Kommnüo» ist bereits dcr Antrag gestellt, den alten Kästrich der Stadt Mainz a bzuka ufen, und zwar mit allen Gebäuden, und diese nach dem Werthc zu bezahlen, welchen sie vor der Katastrophe hatten. An der Gemhmgung diese» Vorschlages von Seiten der respeklioen hohen Regierungen ist wohl nicht zu zweifeln. Melden S>e dieses sofort ihren Mitbürgern, damit sie dem Bunde vertrauen und hämischen Einflüsterungen, wie sie bei solchen Gelegenheiten nicht ausbleiben, kein Gehör schenken. Weitere Beschlüsse werden wohl noch Nachfolgen. Mz. I.)
Mainz, 20. Nov. Die neuen Spaziergänge vor der Stadt sind mit Steinen von den zertrümmerte,', Mauern des exvlodirten Pulvcrthurms wie besäet-, darunter werden 2 Kolosse angestaunt, deren einer 4 Fuß ins Gevierte mindestens an 40 Ctr., ein anderer von 4 Fuß Länge, ebensoviel Breite und 18 Zoll Höhe sicher über 10 Ctr. wiegt. Eine große Menge solcher Steine drang oft auf sts Stunde Entfernung zerstörend in Gebäude in allen Stadtthcilen ei» und richtete fürchterliche Verheerungen, Tödtnngen und Verwundungen an. Der Pnlverthur», enthielt etwa 200 Ctr. Pulver, ungefähr 700 gefüllte Granate» und etwa 240 Zündkngeln; wenn diese fürchterlichen Geschoße nicht glücklicherweise ans dem Boden deS Pnlverthurms gelegen und in sich verbrannt wären, wäre das Unglück noch viel entsetzlicher gewesen. Ganz in der Nähe stehen noch einige Pulverth arme mit 800 Ctr. Pulver gefüllt und ein unterirdisches Gewölbe, welches 600 gefüllte Bomben enthält! — Zur Stunde des Unglücks war in nächster Nähe des Pul« verthnrms ein militärisches Schauturnen anberaumt, die ganze Generalität re. der BundeStruppen geladen; ein Zufall (?) ließ die Feier verschieben.
Mainz, 20. Nov. Ueber die Ursache dcr Erplosivn gehen in der Stadt allerlei Gerüchte. Eines der am meisten geglaubten hält das Unglück für ein Werk teuflischer Bosheit. Man sagt, der Aufseher deS Thurmcs habe sich Unterschleife von Pulver, das er au Private verkauft, zu Schulden komme» lassen, und um der Entdeckung zu entgehen, welche durch die Räumung des Magazins unvermeidlich gewesen, habe er sich und den Thurm in die Luft gesprengt. Die Schildwache, welche auf dcr Wache gestanden und mit dem Leben davon gekommen, soll ihn kurz vorher am oder im Thurme gesehen haben. Am 18. wurde, das steht fest, nicht im Thurme gearbeitet. (Pf. Z.j
Mainz, 23. Nov. Tie Zahl dcr in Folge der Katastrophe vom 18. Nov. gefallene» Opfer hat, wie genaue Erkundigungen ergeben, bis jetzt folgende Höhe erreicht: Von Seiten der Bürger blieben auf der Stelle todt 20 Personen. In Folge der erhaltenen Wunden starben bis jetzt 3 Personen. Von der k. preußischen Bundcsgarnison bliebe» auf der Stelle 5 Mann; weiter gestorben sind bis jetzt 6 Mann. Diese Angaben sind den amtlichen Sterbelisten der hiesigen Bürgermeisterei eutnommeu. Von der k. k. östreicbischen Bundcsgarnison sollen 2 Mann auf der Stelle todt geblieben sein. Der Ge- sammtverlust an Menschenleben würde sich also bis heute auf 36 Personen belaufen. Die Zahl der Verwundeten ist bedeutend größer, eine auch nur annähernde Schätzung derselben aber namentlich beim Civil schon ans dem Grunde unmöglich, weil dcr weitaus größere Theil in Privatwohnungen verpflegt wird und daher jeder Anhaltspunkt mangelt. (Mainz. I.)
Berlin, 23. Nov. Dem Vernehmen nach hat vor Kurzem das Londoner Cabinct nach Kopenhagen eine Note ergehen lassen, worin Dänemark zu einer entgegenkommenden Versöhnlichkeit in dcr dänisch-deutschen Streitfrage gemahnt wird. Aehnliche Mahnungen find auf Grund der Stuttgarter Verabredungen schon früher von Seiten Rußlands und Frankreichs an das Kopcnhagener Cabinet gelangt. (Fr. I.)
Wien, 21. Nov. lieber die Armeerednktion bringt heute die hiesige Militärzeitung folgende Mitthcilung: Der Kaiser hat eine namhafte Herabsetzung des Lokostandes bei sämmtlicben Waffengattungen anbesohlen. Dem Vernehmen nach wird jede Infanterie-, Genie-, und Artilleriekompagnie um 25 Mann, die schwere Kavallerie um 30 Mann und die leichte um 40 Mann