Jünglinge, auch vielleicht einer der unglücklichsten sei, mußte sie ihr Leben beschließen, das sie hundertmal für ihr Glück hin- geopfert haben würde. — Mein lieber Clark, sagte sie mir noch in ihrem letzten Gespräche, Sie sind bei der Geburt aller meiner Kinder zugegen gewesen.
>— Aller? unterbrach hier Heinrich unwillkürlich den Sprecher.
— Aller, Mylord, und hierauf mich stützend und daß ich der Freund ihrer wackcrn Eltern gewesen bin, wage ich cs, um Ihr Vertrauen zu bitten.
— Ich habe nichts zu vertrauen, sagte Heinrich mit Nachdruck. Ich glaube, daß der finstere und trübsinnige Charakter mir angeboren sei; das ist Alles. Aber ich hoffe, daß ich stets die Kraft haben werde, für das Glück Anderer thätig zu wirken, besonders für das Glück meiner Schwestern, und Sie werden mir darin beistehen, mein ehrwürdiger Freund.
Herr Clark versicherte ihn von Neuem seiner Ergebenheit, und versuchte, obgleich vergebens, eine vertrauliche Mittheilung von seinem jungen Freunde zu erhalten. Lord Heinrich blieb stumm und schien bei den anhaltenden Versuchen so viel zu leiden, daß Herr Clark keinen neuern mehr wagen durfte.
Mehre Monden waren vorüber; den heftigen Schmerz der Mädchen hatte Resignation umhüllt, die natürlich einem jeden nicht abzuhelscnden Kummer folgen muß. Auch fanden sie in ihrer liebevollen Bereinigung einen großen Trost. Obgleich sie von verschiedenem Charakter waren und dabei in ihren Meinungen und Gefühlen übereinstimmten, so schiene» sie von der Natur geschaffen zu sein, um sich wechselseitig glücklich zu machen.
Louise war ernst, mehr sanft und leidenschaftlich, nnd ihre Empfindsamkeit wurde stets durch die Vernunft beherrscht; Mathilde war hingebend, zärtlich, lachte oft mit Thränen im Auge; ihre Naivität gab ihrer zarten Gestalt einen anziehenden Reiz, dabei war sie ein wenig verzogen, weil Ihr alles beim ersten Anblick aufs Innigste zugeihan war. Kräftiger und stärker als ihre Schwester» war Fanny. Sie allein war im Stande manchmal Heinrichs nmwolkte Stirn zu erheitern, oder Louisens Ernst zu besiegen; sie war auch die Ursache, daß man Mathilde nicht allzusehr verzärtelte.
Eben so verschieden als der Charakter dieser 3 Mädchen waren auch ihre Talente. Louise spielte trefflich die Harfe; Mathilde konnte nur einfache Nomanzeu singen, dabei zeichnete sie sehr artig und wußte mit vielem Geschmack sowohl ihren Putz als den ihrer Schwestern zu besorgen ; Fanny war stets in Bewegung, sie taiizte wie eine Sylphide, sang wie eine Nachtigall und begleitete sich mit allen Instrumenten, die sie mit mehr Geschmack als Vollkommenheit zu behandeln wußte. Obgleich sie Louisen und Mathilden ähnlich sah, so gestand sie es doch sehr bereitwillig, daß sie weder die Schönheit noch die Feinheit ihrer Züge besitze; ihre Farbe war lebhafter, ihre Augen glänzten voll Heiterkeit, waren jedoch nicht so groß und so rein; sie liebte Heinrich, den sie wie ihren natürlichen Beschützer betrachtete, und sie liebte ihn daher auf eine cigcnthüm- liche Weise. Louise betrachtete ihn wie einen Freund, dem man gehorchen müsse; Mathilde wie einen liebenswürdigen Jugend« geführten, den sie für ein wenig leidend wie sich selbst hielt; daher hegte sic auch für ihn jene kleine Aufmerksamkeiten, welche der Vertraulichkeit so großen Reiz verleihen. Als sie noch ein Kind war, brachte 'sie ihm die schönste» Blumen, später zierten ihre schönsten Zeichnungen Heinrichs Studirzim- mcr. Fanny neckte ihn, sagte, daß sie ihm nie gehorchen werde; aber ihre Augen füllten sich mit Thränen, wenn sie den tiefen Gram auf der Stirne des geliebten Bruders las. Dann wußte sie ihn mit einer bcwundernswerthcn Geschicklichkeit und mit einer bei diesem Charakter seltenen Ausdauer zu zerstreuen und ihn seinen melancholischen Grübeleien zu entreißen.
Diese Aufgabe wurde aber jeden Tag schwerer; oft sagte Lord Heinrich, seine Gesundheit sei Ursache seiner Traurigkeit, dennoch aber wies er die Hülfe der Aerzte zurück und trotz der Bitten seiner Schwestern und der Vorstellungen seines Freundes Clark brachte er ganze Tage und oft sogar die Nächte in den Wäldern zu. Niemand wagte es, ihn darum zu fragen.
noch weniger sich in seiner Gegenwart heiter zu zeigen, wenn gleich Begebenheiten sich ereigneten, welche Zerstreuung in den kleinen Kreis brachten.
(Fortsetzung folgt.)
Alterte i?
— Ein schöner Zug. Man liest in einer Korrespondenz des „PayK" aus Calcntta: Die Heldin unserer Salons ist in diesem Augenblick die schöne Miß Jameson, deren künf. tiger Gemahl, der junge Capitän W. zu Lucknow furchtbar blessirt wurde. Da er das linke Auge und einen Theil de» Backens verlor und für sein ganzes Leben entstellt ist, so be« austragte er einen seiner Freunde, Miß Jameson vorzustellen, daß er es für Ehre und P flickt halte, ihr ihr Wort zurückzu- gcbcn. — „Antworten Sie Georg — sagte das junge Müdesten — daß so lange ein Stück von seinem Körper übrig sein wird, groß genug um seine Seele zu enthalten, ich mich als seine Frau betrackten werde und nicht einwilligen kann, mein gegebenes Wort znrückzunehmen." — Was dieses Benehmen noch edler erscheinen läßt, ist das große unabhängige Vermögen der schonen Jameson und die Armnth des jungen Offiziers, der nichts hat, als seinen Degen.
— Geistesgegenwart. In Mainz springt der Pnl- vcrthnrm in die Luft; alles ist in grenzenloser Angst und Verwirrung. Aber ein Jude rennt resolut auf das Telcgraphen- bureau und telegraphirt nach Frankfurt an seinen Geschäftsfreund: Kauf Glas auf, soviel cs gibt, und schick' eS durch Eilzug hierher!
Der Herbst.
Die Sonne sendet mattre Strahlen,
Hier auf die kahle, öde Flur,
Ein leises, melancholisch Klagen Durchdringt wchmüthig die Natur;
Des Lenzes reges, munircs Lebe»,
Der Blumen holdes, sinnig Blühn,
Der Dust der zarten Blütbcnkclche,
Ach! Alles, Alles stirbt dahin!
Ging ich hinaus in Gottes Tempel,
Wie köstlich war mir der Genuß,
Es bot zum freundlichen Willkommen Mir jedes Blümchen eine» Gruß.
Die Quelle murmelte so traulich.
Wie labend war das sanfte Grün!
Und in des Waldes hehrem Schweigen,
Fühlt Andacht durch die Brust ich zieh».
Wollt ich die Menschen"tödilich Haffen,
Und tonte innen wilder Sturm,
Weil sie an meines Lenzes Blume,
Mir legten einen gif.'gcn Wurm.
Da klagte ich den stillen Blumen,
Des Waldes Sängern meinen Schmerz;
Und leise! wie mit Geisterstimmen Sprach's Trost und Lind'rung in das Herz!
Des Baumes Blüthen, seine Früchte,
Sic riefen laut: O betet an;
Die Lerche zog in blauen Höhen,
Auch mir das Auge himmelan!
Und nun? Nun labt nichts mcbr das Auge,
Die Flur, sie spricht so schön nicht mehr;
Nun streut des Nordsturms eisig' Wehen Verwelkte Blätter um mich her!
So wechselt Alles in dem Leben,
Das Swönste sinkt in's nahe Grab;
Kaum schwelgt das Herz in süßer Freude.
So wischt man sich schon Thränen ab.
Und wie Ulyff' nach langem Irren,
Erst seine Hcimath wieder fand;
So ruft uns des Geschickes Stimme,
Hinaus, hinaus ins weite Land!
Bei diesem Unbestand der Dinge,
Sehnt sich der Mensch nach dem, was bleibt;
Doch waS ist dieß, das fest bestehet.
Wenn Alles rings um uns zerstäubt?
Was überwindet Zeit und Moder.
Was schwindet nicht vor'm eis'gen Wehn?
Es kann die reine heil'ge Liebe,
Die wahre Freundschaft nie vergeh'n. H äustler .
Druck und Brrlaq »,r G.W. Zaiser'schcn Buchhandlung. Sitdakti«»: Helzlk.