1857
§
M-. 25.
eilage zum Gesellschafter.
Freitag den 27. März
Allerlei.
jBibelsacbc.j Nach dem dicßjährigcii Rechenschaftsbericht der Stuttgarter Bibelgesellschaft sind im vorigen Jahre fast 2000 Exemplare heiliger Schriften mehr verbreitet worden, als im Jahr 1855, nämlich im Ganzen 16,756 Bibeln und Neue Testamente. Von den acht deutschen Bibelgesellschaften bat die preußische am meisten, nämlich 16,194, ansgegeben. Im Ganzen kommen in Deutschland immerhin mehr als 100,000 Exemplare jährlich in Umlauf. Hievon sendet übrigens wohl die Hälfte die englische Bibelgesellschaft, die nach ihrem letzten Bericht circa 1 Hs Millionen Exemplare, mit einem Aufwand von 1*/? Millionen Gulden, in der Welt verbreitet hat. Uebrigens sind, nach unserem Berichte, der wnrttembergischen Bibelanstalt von einem Unbekannten ans Nheinprenßen über 260 fl. zuge- kvmmcn, um Bibeln, namentlich auch Blindenschriften, an bedürftige Ausländer abzugebeu. Tie Geldznslüsse an unsere vaterländische Bibelgesellschaft haben im letzten Jahr überhaupt um 381 fl. zugenommen, und betrugen im Ganzen 4174 fl. Hiebei hat sich der Bezirk Nagold mit 109 fl. 56 kr. bethei- ligt, und sind 98 Eremvlare heiliger Schriften vom Hülfsverein ausgegebe» worden. Der Bibelbericht, welcher zu Jedermanns Einsicht an alle Pfarrämter versendet worben ist, bringt nnS einzelne interessante Erzählungen über die Wirkungen des Bibellesens an Kindern und Erwachsenen, an Hohen und Niederen, an Protestanten und Katbvlikcn, besonders anziehend ist, was ans dem französischen und sardinischen Lager vom orientalischen Kriege her berichtet wird. — Dem Wunsche eines Redners beim letzten Bibelfest in Stuttgart, es möchte für eine Bibelausgabe mit kurzen, erklärenden Anmerkungen gesorgt werden, welche geeignet wäre, als Familien-Heiligthnm vom Vater auf den Sohn und auf die fernen Enkel überzngehcn, mochten auch wir uns entschließen. Sch.
Ein junger Ingenieur-Offizier, welcher der römischen Kirche angehörte, wurde vor mehreren Jahren unter die Oc- cnpations-Armee nach Rom gesandt und lernte daselbst in einem ! evangelischen Familienkreise von Ausländern das Neue Testament ! kennen. Bald war er ein treuer Schüler des Evangeliums. > Da wurde er nach der Krimm beordert und langte dort zur Zeit der heißesten Kämpfe an. Nun schreibt ein Korrespondent von dort: „Einige hervorragende Akte von Tapferkeit, welche ich kenne, verschafften dem jungen Mann eine Beförderung so ehrenvoll als die Auszeichnung der Ehrenlegion. Aber ich habe auch vernommen, das; dieser aufrichtige Diener Ehristi im vertranten Umgänge mit mehreren Soldaten stand, welche das Neue Testament besaßen, und daß mehr als einmal von ihnen mitten unter dem Kanonen- und Musketcnfeuer vor Sebastopol das Wort Gottes gemeinschaftlich betrachtet wurde. Einige Zeit hindurch schien der Hauptmann, welchem unser junger Offizier beigegeben war, den evangelischen Eifer unseres Freundes mit keinem günstigen Auge zu betrachten, was aber diesen nicht hinderte, jenem bei verschiedenen Gelegenheiten Stellen aus dem Evangelium vorznlesen. Allein es kam eine Stunde, wo auch der Hauptmann sich anders äußerte. Am Vorabend des großen Sturmes auf den Malakoff waren die Compagnien s des Ingenieur-Corps furchtbar niedergeschlagen. Ein schrecklicher Bombenhagel und Kugelregen war auf die Erdwälle gefallen, hinter denen sic sich zu schützen suchten. Als hieraus unser junger Offizier in der Nacht seine Runde machte, und so auf dem Boden kriechend, wo man sich bekanntlich am wenigsten anssetzt, von einer Vcrschanznng zur andern gelangte, bald Befehle crtheilend, bald einige herzliche christliche Worte spendend; da traf er ans einer Stelle auch mit jenem, seinem Com- j pagnic-Commandanten, zusammen, welcher eben seiner ganzen!
Länge nach aus dem Boden ausgestreckt lag. „Gut, Haupt mann," sagte der junge Offizier, „Alles geht in Ordnung; aber Gott ist es allein, der uns schützen und retten kann." Da erwidert der Hauptmann mit ernster Miene: „Darum habe ich ib» eben gebeten. Daß Sie, mein lieber Freund, mich zur Zeit der Ruhe auf die göttlichen Verheißungen von Gnade und Verzeihung hinwiesen, welche im Evangelium stehen, das hat mir möglich gemacht, meinen Geist in dieser Nackt wiederholt zu Gott zu erheben, und ich fühle, daß meine Gebete erhört sind." — Daß aber auch im sardinischen Lagerund zwar noch nach den KriegSwettern und Blntströmen da und dort eiwas von Gottes heiligem Geiste verspürt wurde, das vernehmen wir ans einem Briefe, datirt ans Balaklava vom 29. Januar d. I., in welchem es also heißt: „Könnten Sie mich des Abends nach dem Zapfenstreich in ein sardinisches Lager begleiten, und mir mir in eine der Soldatenhütten blicken, so würde sich Ihnen ein — gewiß unvergeßlicher Anblick darbitten. Wenn das Signal zur Ruhe gegeben ist, dann zünden die Leute ihre Lichter an, oft drei, vier Kerzen in Einem Zelt, rücken zusammen und lesen in ihrem Neuen Testament. Haben sie das gethan, so greisen sie nach andern evangelischen Schriften, die ihnen ausgetheilt worden, und beschäftigen sich so mit christlicher Lektüre wohl bis zur späten Stunde. Ein junger Korporal sagte kürzlich: es kommt Einem vor wie in einer Kirche; und wirklich, um diese Stunde herrscht in unserem Lager gewöhnlich eine feierliche Stille." — Aus eincrwürttcmd. Gemeinde wird cine liebliche Bibclfrucht von einem Kinde, einem achtjährigen Knaben, erzählt, der voriges Jahr von den Masern hart mitgenommen, Heuer an den Folgen einer Hirnentzündnng gestorben ist. Als eines TagS über das arme, schon recht entstellte Kind seine Mutter sich hineinbcugtc und mit tiefem Schmerz das Wort sprach: du bist eben ein armer Lazarus; da sagte der Knabe mit großer Freudigkeit: „Aber das ist ja gut, dann komme ich in den Himmel, wie der arme Lazarus, und nicht in die Holle."
Das Vaterunser.
Ei» Weib, das den Herrn voll Lieb' umfing.
Und an ihm wie ein Kiiw am Vater hing.
Trat abendlich, wenn cs dunkel war.
Im Kirckilcin vor den Hochaltar,
Und warf sich voll Ergebung bin,
Und schüttet' aus den tiefsten Sinn.
Und dankt für Lust, erkennt das Leid Mit kindlicher Unterwürfigkeit,
Gesteht jedweden Fall und Fehl,
Und hat auch das kleinste selbst nicht bebt,
Und spricht zum Schluß ein kurz Gebet,
Worauf cs still von binnen gebt.
Der Küster, der das Weib allda In jeder Abenddämmrung sah.
Steigt einmal, wie sie kommt, auf's Ehor Und legt sich lauernd auf das Ohr.
Und sich, das Weib kniet wieder hin.
Und schüttet aus den frommen Sinn,
Und dankt, erkennt, gesteht und fleht.
Und spricht zum Schluß ein kurz Gebet.
Und wie sie spricht, da rollen ihr Die heißen Thronen für und für.
Und glänzen bei der Ampel Schein,
Als sollten's echte Perlen sein.
Und sich! ein Tänblein wunderbar Schwebt ans sic nieder vom Altar,
Pickt weg die Tbräncn, wie sie sind.
Und fliegt damit empor geschwind.