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den mußte, Vollmer aber faßte bescheiden ihre Linke, und sie ließ sic ihm, und der junge Pfarrhcrr druckte die kleine Hand, nnd das Mädchen zog sic nicht zuruck. Und als sie einstieg in den Wagen, und er ihr half dabei, da fühlte sie auf ihrer Hand den Druck eines Mundes und sie konnte Dem nicht zürnen, der diese so lauge so innig geküßt.

Fclir war, wie bereits erwähnt, eine Zeit lang mit Vollmer znleich auf der Hochschule gewesen. Obgleich er sich von frühester Jugend an für den-Militärdienst bestimmt, fand er doch Geschmack am akademischen Leben und warb sich durch seine Jovialität und wahrhaft herzliche Gutmü- thigkeit manchen Freund. Unter diesen war cs Vollmer, besten Neigung zu ihm er am wärmsten crwicderte, und oft mimte der fleißig rcpctirende Theolog dem Drängen des minder nach Gelehrsamkeit strebenden Freundes folgen, Bücber und Hefte beseitigen und mit ihm ausziehen nach einem Orte der Erholung und Belustigung. Unter meh­ren Hunderten junger Männer finden sich wohl auch solche, denen eine Disposition zu großer Verträglichkeit nicht allzu reichlich inwohnt. So kam cs nicht gar selten vor, daß unscrs Fclir unbefangene Scherze von irgend Einem oder Mehreren übel aufgenommen wurden. Da war cs meist Vollmer, dessen Namen einen guten Klang hatte, welcher die Aufgeregten beruhigte, die Üebelwollendcn zurecht wies, oder wenn des Freundes Sache sich nicht beilegen ließ, diesem, ein treuer, aufmerksamer Beistand zur Seite blieb. So gewann ihre Stellung zu einander immer mehr an Innigkeit, und während Vollmer mehr der bcrathcnde Führer war, schien Fclir es nicht zu bemerken, welche Gewalt er Jenem über sich zugcstand.

Fclir ward Soldat, und seine Garnison war weit entfernt von der Hcimatsgegcnd. Akademische Freund­schaftsbündnisse, im jugendlichen Rausche für Ewigkeiten geschlossen, wollen, wenn die Verbrüderten nun nach Ost und West sich zerstreut, um sich vielleicht niemals wieder nahe zu kommen, gar oft an Stärke und Macht verlieren, oft ganz sich lösen. Fclir dachte jedoch im neuen Lcbens- vcrhaltnisse gar oft noch seines Vollmer, nur hatte er nicht das Gemüth dazu, einen die Verbindung fester erhaltenden Briefwechsel fortzufuhren So hatte er keine Kenntniß von des Freundes Kandidatcnlcbcu und späterer Anstellung, und wir machten deßhalb am Anfang unserer Novelle den Versuch, seine Verwunderung, zugleich aber auch seine Freude, den Freund in Amt und Würden wieder zu fin­den, zu schildern.

Fclir hatte jeht einen längeren Urlaub genommen, und hausete bei seiner Mutter, der vcrwittwctcn Frau von Hordau. Das Haus aber des biedern Superintendenten, des Bruders seiner Mutter, betrachtete er als zweites Vaterhaus , denn Onkel und Cousine nahmen ihn stets gleich freundlich auf. Wiederau, des Freundes Pfarrdorf, war nur zwei Stunden Weges von der Stadt entfernt gelegen, die das flüchtige Husarenpferd mit seinem jungen Reiter in kurzer Zeit zurück legt», und so, wechselweise Die aufsucheno, die ihm bis jetzt am nahesten standen, ließ ihm sein Aufenthalt nichts Anderes vermissen»

Dem Auge des jungen Husaren, der ja bei Reeost- noscirungcn und Ueberfall in seinem eigentlichen Elemente war, konnte der Zustand nicht entgehen, in welchem Voll­mers und Rosaliens Herzens sich befanden, und gern hätte er sich in der Rolle des Protektors, des Mediateurs oder mindestens des Parlamcnteurs gesehen. Vollmer jedoch beantwortete seine Anspielungen, seine versteckt seyn sollenden Hülfsanträge mit einem lächelnden Kopfwicgcn, und stärker noch verbat sich die Cousine alle vettcrliche Einmischungen.

Der Landgeistliche besuchte die Stadt allwöchentlich. Seine und Rosa's Stellung war eine wahrhaft innige zu nennen. Wenn nun aber das holde Mädchen am Arme des Vetters von der Begleitung Vollmers zurück wandcrte, und dem Husaren noch immer nicht gestand, daß der Feind sein Schweigen gebrochen, dann gcrieth der feurige Soldat jedesmal außer sich, und am folgenden Morgen in aller Frühe bestieg er seinen schnellsten Gaul und flog, trotz Rosalicns Verbot, nach Wiederau, um, wie er sich ausdrückte, dembedächtigen Magister den Kopf zu waschen."

Vollmer und Röschen belächelten aber den geschäftigen sorgenden Freund, und wollten sich vielleicht auch wohl manchmal eines kleinen Unrechtes, eines Undankes gegen sein gutes Herz beschuldigen. Seit einigen Monaten schon waren sic ja still verlobt, der Vater Röschens aber hatte triftige Gründe, die Bekanntmachung dieses Verhältnisses noch zu verzögern, und die Bescheidenen fügten sich willig in seine Meinung, am still verschwiegenen Glücke dcsBc- wußtseyns und dem rosigen Blicke in die Zukunft sich be­gnügend. Gern hätten sie dem wackern Fclir wohl Mit­teilung gemacht von dem, was ihnen schon jeht den Himmel auf Erden schuf, aber wie wäre der natürliche» offene Jüngling wohl fähig gewesen, Das sorgsam zu ver­bergen, zu vcrläugncn, was seinen lebhaftesten freudigsten Anthcil erregen mußte.

Wiederau war eine der einträglichsten Patronatstellen. Bei eingetretcner Vakanz hatten sich der Bewerber manche gefunden, der Gutsherr aber forderte den Superintenden­ten zu Rath und Urtheil auf» und der streng rechtliche Mann entschied gewissenhaft für Vollmer.

Bei öfterem Sehen lernte dieser Rosa genug kennen, um ihren Besitz als die Vollendung seines Lcbensglückes zu betrachten, und bald bot ihm der freundliche Aumnblick sich dar, da er mit vertrauender Natürlichkeit vor dem Mädchen, das er so innig lieb gewonnen, eben dieses Gefühl aussprechcn konnte. Röschens innerer Blick war dem stillen Gange der Liebe des Geistlichen eben so still gefolgt, seine Worte überraschten sie nicht, und sie duldete es in schöner holder Schaam, daß er die Schweigende innig an das biedere Her; zog. Dort aber gewann das herrliche Mädchen, als Vollmer nun wieder bittend sprach, auch Rede, und sie vereinte sich ihm zu dauernder Liebe; der junge Mann aber konnte es im schönen Auge lesen, daß ihr die Stelle lieb, wo sie jeht ruhete, und er fand den Math, das liebe Eigenthum nur fester, herzlicher um­faßt zu halten. (Fortsetzung folgt.)